Zeitenwende 2
.. des Heilers neue Kleider …
von Ingmar Hensler
2023
für Gabriel
Kapitel 1: Ankunft.
Leere.
Zwei Personen.
Stephan schaut Andros fragend an.
In relative Nähe glühen die Reste ihrer ehemaligen Heimatwelt. Planetenreste zerbersten, stoßen aneinander, explodieren zu Staub, lassen kaum mehr Erinnerungen an ihre ehemalige Aufgabe als Träger von Leben übrig. Die Gase der Atmosphäre, die Luft die sie noch vor wenigen Stunden geatmet hatten, verflüchtigte sich in die Weiten des Alls.
Und mit ihnen aber auch die Erinnerungen an die Freunde, die sie gefunden, die Weggefährten, mit denen sie Abenteuer erlebt, schöne Erfahrungen gesammelt hatten. All das war nun Vergangenheit, war bloß noch ein fahler Schatten am Firmament der Erinnerungen an die Ewigkeit, die Unendlichkeit, durch die sie Andros nicht zum ersten Mal an einen vollkommen anderen Ort geleitete als wüsste er bereits zuvor, wo es sie hin verschlagen würde, als würde er das Universum bereits kennen und sich bloß noch die interessanten Ecken aussuchen.
“Und jetzt?” gab Stephan seinem fragenden Blick an Andros eine akustische Repräsentation.
“Du wirst sehen.” die gewohnt geheimnisvolle, wissende Antwort seines Lehrmeisters.
Es war nicht das erste Mal, dass Stephan genau diese Antwort auf genau diese Frage erhalten hatte, doch ein jedes Mal wünschte er sich, doch ein wenig mehr auf das vorbereitet zu werden, was sein nahezu allmächtig erscheinender Wegführer für sie geplant haben würde.
Die Umrisse der noch sichtbaren Reste verschwammen vor Stephans Augen - und so auch alles andere, was er noch sehen konnte. Das war für ihn die Bestätigung: Ihre Reise hatte einmal mehr begonnen. Auch wusste er, dass alles, was jetzt auf ihn zukommen würde völlig neu, völlig anders sein würde als seine Erlebnisse bisher. Andros legte stets sehr viel Wert darauf, dass ihrer beider Erfahrungshorizont in ihrer Entwicklung keinen allzu langen Stillstand erführe. Doch ganz so epochal wurde der nächste Augenaufschlag dann doch nicht.
Sie fanden sich auf einem Berggipfel wieder - mit einem ähnlichen Ausblick wie der, den sie eben noch auf der letzten Welt hinter sich gelassen hatten. Fast glaubte Stephan schon, gleich die Stimme von Ro, dem ritterlichen Begleiter, hinter sich zu vernehmen. Aber es blieb still. Nur das Wehen des Windes schlug sich in seinen Ohrmuscheln nieder, wehten seine Haare durcheinander und störten seinen verwunderten Blick zu Andros, der schon wieder voller Zuversicht und Tatendrang in die Ferne blickte.
“All dies kannst du in Besitz nehmen.” verkündete er ihm vielsagend.
Doch Stephan sah nichts. Angestrengt suchten seine Blicke in der Ferne nach irgendetwas, dem er eine zivilisierte Struktur zuweisen könnte, einer Stadt, zumindest einem einzelnen Gebäude oder wenigstens einer Straße oder etwas, das nach einer geometrischen Struktur und damit nach der Schöpfung von Intelligenzwesen aussah und nicht nach fraktaler Natur. Doch da war nichts. Nichts, das er erkannte, nichts, das auch nur interessant aussah. Vielleicht ein hübscher See an einem Wald, vielleicht eine nette, begraste Wiese auf einer Lichtung zwischen ansonsten dicht bewachsenem Wald, auf der irgendwelche Tiere grasten oder sich sonnten, vielleicht fliegende Tiere, die zwischen den Bäumen umherfliegen - doch nichts, mit dem es den Anschein hatte, dass er ein intelligentes Wort wechseln könnte. Oder zumindest ein Dümmliches.
“Hier ist aber doch niemand?”
“Du wirst sehen.” die zuversichtliche Antwort Andros’, “Eines aber noch gebe ich dir auf den Weg mit. Eine Fähigkeit, die dir helfen wird, die Zeit zu überstehen, die wir uns nicht sehen werden, denn ich will meinen Forschungen nachgehen und mich dazu auf den höchsten Gipfel des höchsten Bergmassivs des gewaltigsten Gebirges zurückziehen - jener gleich hinter uns.” Stephan drehte sich reflexartig herum und musste feststellen, dass sie sich tatsächlich nur auf einem kleinen, vorgelagerten Hügel befanden. Zumindest kam es ihm in Anbetracht der schier endlosen Felswand, die sich unweit hinter ihnen nahezu senkrecht in die Wolken erhob, so vor.
Andros legt seine Hand auf Stephans Stirn und murmelt etwas Unverständliches, konzentriert sich mit geschlossenen Augen, während seine Handfläche zu glühen beginnt, ein kaltes Licht seinem jungen Begleiter schier die Sicht zu nehmen droht. Stephan kennt dies bereits und weiß sehr wohl, dass Andros sich dieses Brimborium bloß angewöhnt hat, weil es einen beeindruckenden Effekt auf umstehende Zuschauer hat, wenn nicht nur ein Ergebnis eintritt, sondern auch etwas Sichtbares getan hat. Wahrscheinlich hätte er nicht einmal den Kontakt mit seiner Hand gebraucht, um seine Wunder zu wirken.
“Du brauchst das Wort nur zu denken, dann wird es geschehen.” erklärt Andros seinem Schützling. “Heal sei das Wort und Heilung sei dir gegeben. Solange du noch einen Gedanken fassen kannst, dürfte dies funktionieren, also sei im Notfall schnell genug.”
Und mit dem Punkt seines letzten Satzes war er verschwunden. Er hatte sich nicht in Luft aufgelöst, hatte ein Loch im Raum hinterlassen oder einen netten Nebel, wie er es auf der vorigen Welt hin und wieder getan hatte, um einen gewünschten Eindruck zu hinterlassen, sondern er war einfach nicht mehr da, hinterließ Stephan mit weit mehr Fragen als Antworten.
Doch auch das war Stephan bereits gewohnt.
Sein Blick schweifte einmal mehr über die weite Natur, die sich zu seinen Füßen ausbreitete. All dies war nun also seins, dachte er noch, während er seine ersten Schritte den Hügel hinab nahm. Noch einmal ein Kontrollgriff an seinen Gürtel, an dem noch immer sein altgedienter Dolch hing und auf neue Aufgaben wartete, dann fühlte er sich sicher genug um diese neue Welt zu erkunden - und seine neue Fähigkeit zu erproben, zu der Andros ihm ja so überschaubar viel erläutert hatte.
Kapitel 2: Aufbau.
Andros lässt sich auf dem Gipfel seines neuen Heimatbatberges erscheinen. Eigentlich ist es ihm egal, wo genau er sein Labor errichten würde, aber etwas Abgeschiedenheit kam ihm gelegener als die erneute Einmischung in die lokalen Geschicke der Bevölkerung bzw. deren Herrscher, was auf der letzten Welt bereits zu so vielen Verwicklungen geführt hatte und zu letzter Konsequenz die Zerstörung dieser nach sich zogen. In der Tat recht unangenehm.
Doch dafür musste er sich nun nicht mehr an die Regeln halten, die er sich damals ungeschickterweise selbst auferlegt hatte. Er war ein Gott unter den Sterblichen und sollte sich auch so verhalten, mit allem Für und Wider. ‘Mit großer Macht kommt große Verantwortung!’ geht ihm durch den Kopf und belastet seine Gedanken, während er noch über das Ziel seiner angestrebten Forschungen sinniert. Ob er damit nicht doch endgültig zu weit gehen würde - er kann es noch nicht abschätzen, das wird die Zeit zeigen müssen. Und davon hat er und sein Begleiter durchaus mehr als genug.
Schon vor ein paar Weltenwechseln hatte er seinem Stephan den Segen der Nichtalterung erteilt, er würde ihm also zumindest nicht Alters wegen verlassen und wegsterben. Doch dies hier muss er alleine tun, kann in seiner Konzentration keine Ablenkung gebrauchen. Deshalb hat er ihm auch diese mächtige Fähigkeit gegeben in der Hoffnung, dass es schon nicht schief gehen würde. Auch dies wird die Zeit zeigen müssen.
Sein Labor wird versteckt liegen müssen, es darf nicht ohne weiteres auffindbar sein, auch mit technisch fortschrittlichen Methoden nicht zu entdecken sein, damit er seine Ruhe hat. Besucher mag er nicht, erst recht keine Ungebetenen. Aber einen Ausblick auf diese Welt und das Universum will er doch wieder haben, so wie früher.
Die Bergspitze muss weg. Einen Wink mit dem Arm später erschafft er sie neu, jedoch aus durchsichtigem Metall, so durchsichtig wie Glas, so stabil und stark wie der stärkste Stahl. Selbst einen Kometen von planetenzerstörerischen Ausmaßen soll dies überstehen. Unter dieser unregelmäßigen Kuppel erschafft er einen Fingerzeig später seinen Wohnbereich mit all dem Luxus, den er in den letzten Jahrtausenden in ähnlich vielen Kulturen kennen und schätzen gelernt hatte. Ein großes Bett, ein Whirlpool, einen Unterhaltungsbereich und auch einen Ort für ein offenes Feuer, das ihn immer schon in seiner lodernden Unregelmäßigkeit und Unberechenbarkeit fasziniert, auf neue Ideen oder zumindest beruhigt und abgelenkt hatte.
Kapitel 3: Erste Schritte.
Seit Stunden spaziert Stephan nun schon durch den Wald. Er versucht sich immer in die gleiche Richtung zu bewegen, orientiert sich am Stand der Sonne - so er sie denn durch die Wipfel der hohen und höheren Bäume erkennen kann. Sich in ein und dieselbe Richtung zu halten ist das einzig Sinnvolle, was ihm einfällt. Im Kreis zu laufen wäre auf die Dauer sicherlich töricht. Da er von dem Hügel aus, auf dem er von Andros verlassen worden war, in allen Richtungen nur Wald erspähen konnte, war es auch gleich, in welche Richtung er nun los geht. Nach seiner Einschätzung gibt es in alle Richtungen erst mal nur eine große Menge Wald.
Potentielle Gefahren, Feinde, Räuber, gefährliche Tiere, hat er bisher keine entdecken können und so verfällt er regelrecht in lässiges Schlendern bei dem, was eigentlich ein Gewaltmarsch durch die tiefen Gefahren des Unterholzes sein sollte.
Seine erste Begegnung mit einem Lebewesen ist dann aber doch ein kleines Tier, auf das er beinahe getreten wäre. Er ist von dem fauchen des kleinen bepelzten Vierbeiners so überrascht, dass er jegliche Vorsicht außer Acht lässt. Auch ist er von der bisherigen Gefahrenlosigkeit so vertrauensselig geworden, dass er sich zum Streicheln des kleinen Rackers naiv zu ihm herunter beugt und seine Hand nach ihm ausstreckt.
Dass das wohl ein Fehler ist, merkt er alsbald an den messerscharfen Zähnen, die sich tief in seine Hand bohren. Er zuckt schnell zurück, während das kleine Tier auch schon von ihm ablässt und hinter dem nächsten Baum verschwindet.
Doch der Schmerz bleibt.
Der Schmerz bleibt noch eine sehr lange Zeit - bis er schließlich einfach aufhört. Stephan ist währenddessen, seine allzu vertrauensselige Tat bereuend, weiter auf seinem Weg gelaufen. Die Müdigkeit, die ihn überkommt, schreibt er der Tatsache zu, dass er nicht nur seit geraumer Zeit über diesen neuen Planeten streift, sondern auch zuvor nicht gerade viel Zeit zum Ausruhen gehabt hatte, als sie noch mit Ritter Ro zu tun hatten. Als er also eine der Lichtungen, die er bereits von seinem Starthügel aus gesehen hatte, erreicht, legt er sich einfach ins Gras um sich etwas auszuruhen. Die Sonne scheint ihm tiefstehend in die Augen und er hebt eine Hand, um sich die Augen etwas abzuschirmen.
Oder er will seine Hand heben. Keinerlei Gespür hat er mehr für den Arm, den er da vor sich hielt und sich entsprechend unbeholfen gegen das Gesicht hämmert. Verwirrt schaut er in seine Handflächen, dreht die Hand, sieht den kleinen, nach wie vor sichtbaren Einstichpunkt der Zähne des kleinen Ungetiers. Abgesehen von einer leichten Schwellung hat der gesamte Arm ein gesundes Grün angenommen.
‘Grün?’ der Ansatz einer Panik wallt in ihm auf. Das ist nicht seine normale Farbe, nicht einmal unter dieser Sonne. Andros hatte auf dem Hügel auch ganz normal ausgesehen, da gibt es keine Ausrede für eine solche Verfärbung.
‘Beweg dich!’ befiehlt er seinem Arm, seiner Hand. Doch da passiert nichts, einzig seine Schulter hat den Arm vor sein Gesicht schlagen können, doch die nimmt nun auch bereits ein eher unfreundliches Lila an.
Was hatte Andros noch gesagt. ‘Heal?’ geht ihm durch den Kopf.
Ein kleiner Gedanke, so kurz wie eine Silbe, kaum ein Aufschrei seiner Seele. Sein Arm glühte kurz weiß auf, dann hat er wieder seine völlig normale, rosa fleischige Farbe und auch unterdurchschnittliche Form angenommen.
‘Heilung? Hätte ich ja auch drauf kommen können.’ frustriert er sich kurz, kontrollierte kurz den Rest seines Körpers nach eventuellen Verlusten - man weiß bei Andros’ Zaubern ja nie - und lässt sich dann abermals ins hohe Gras fallen. Nach wenigen Minuten in Gedanken schläft er vom langen Marsch erschöpft, von der Heilung dankbar und durch seine neue Fähigkeit beruhigt, ein.
Die Nacht bricht herein. Eine milde Nacht, in der Stephan trotz sicher leichten Kleidung nicht friert. Doch als die Dunkelheit der Nacht von den aufgehenden Monden in ein mehrfarbiges Licht gehüllt wird, wird Stephan von grunzenden und schmatzenden Geräuschen geweckt.
Er schlägt die Augen auf, irgendetwas stimmt nicht. Er richtet seinen Oberkörper leicht auf, stützt ich nach wie vor müde auf seine Ellenbogen. Dann sieht er es.
Eine Art Wildschwein vergeht sich an seinem Bein. Seinen Fuß hat es offenbar schon gegessen, nun nagt es an seinem Unterschenkel. Kurz schaut es von einem Mahl auf, blickt Stephan in die Augen und grunzt ihn aggressiv an.
“Mein Bein! Du Sau!”, schreit Stephan das Tier an, das sich davon aber nicht beeindrucken lässt. ‘Heal!” denkt Stephan schnell und tatsächlich hat sich nach einem kurzen Aufglühen sein Bein wieder vollständig hergestellt - natürlich ohne seine Kleidung.
Während er noch Gedanken an seine Hose und den zu findenden Ersatz derselben verschwendet, geht das Ungetier, das stehend nun noch größer und gefährlicher aussieht, auch schon zum Angriff über.
Es springt auf sein Gesicht zu, reißt sein Maul auf als wolle es seinen Kopf direkt abreißen, verbeißt sich dann aber in den Arm, den Stephan ihm reflexartig zur Abwehr erhoben, zwischen die Hauer steckt.
Einem Tier, das gerade dein Bein gegessen hat, deinen Arm ins Maul zu schieben, ist keine allzu weise Idee - zu dieser Erkenntnis kommt Stephan noch in der gleichen Sekunde, denn mit einem von Grunzen begleiteten Beißen ist sein Arm auch schon den Weg seines Beins in den Magen des Angreifers gegangen.
“Heal!” schreit Stephan nun heraus, anstatt es nur zu denken, kann seine Kampferregung nicht mehr im Zaum halten. Seine Gedanken rasen. Rasen um die Abwehr dieses starken, im Moment übermächtigen Gegners. Er greift nach seinem Dolch, während sein anderer Arm noch zur Wiederherstellung glüht und in die Augen seines Feindes leuchtet.
Mit aller Macht rammt Stephan ihm das Messer tief in den Rachen, während er wieder und wieder ‘Heal’ denkt, seinem Gegner nicht die Gelegenheit geben möchte, seine bewaffnete Hand einfach abzubeißen.
Das Schwein zerbirst um ihn herum.
Damit hat er nicht gerechnet.
‘Ist das eine weitere Funktion von Heal?’ denkt Stephan sich noch, während der Zauber durch das gedachte Wort ihn auch schon wieder in ein sanftes Glühen hüllt, auch die letzten Kratzer auf seiner Haut heilt. Bloß die blutigen Fetzen auf seiner Kleidung, die von seinem Gegner übrig geblieben waren, entfernt der Zauber nicht. Als er sich von seinem im wahrsten Sinne des Wortes eingesauten Nachtlager erhebt, stellt er fest, dass ihn die nächste Zeit wohl niemand erkennen, ja vielleicht nicht einmal als Mensch ansehen würde. Über und über mit Blut durchtränkt, mit pelzigen, fleischigen Fetzen des Tieres beklebt, das ihn fast gegessen hätte und auch dementsprechend stinkend. Bis er einen See oder fließendes Wasser finden würde, würde das wohl so bleiben, fürchtet er, und so geht er leicht frustriert über sein Aussehen aber zumindest froh über sein eigentlich gesundes Befinden weiter den Hügel hinauf um sich umzusehen.
Dass ihm das Tier einen Fuß weg snacken konnte, ohne dass er es gemerkt hatte, irritiert ihn etwas, müssen diese Bestien doch über eine Art Betäubungsfähigkeit verfügen, die ihn das nächste Mal vielleicht nicht mehr im rechten Moment erwachen lassen würde.
In diesen Gedanken versunken und suchend nach einer Lösungsmöglichkeit auch für einen zukünftigen, sichereren Schlaf, stolpert er regelrecht über ein anderes Tier, das gut versteckt im hohen Gras lag und sich kaum regt.
Er bückt sich zu ihm hinunter, halb auch mit dem Gedanken beschäftigt, dass auch er bald etwas zu essen brauchen würde und die Reste des anderen Tieres auf seinem Körper nicht gerade appetitlich findet.
Die Grashalme auseinanderbiegend findet er vor sich jedoch eine Art Reh, zumindest einen Pflanzenfresser, der aus ängstlichen, großen Augen zu ihm aufsieht, wohl schon mit seinem Leben abgeschlossen hat. Nicht nur von seinem Zugriff auf das Tier geht Stephan davon aus, sondern vor allem von der großen Wunde, die an seiner Körpermitte prangt. Doch die großen Augen, die ihn da anschauen, erweichen mit jeder weiteren Sekunde sein Herz und während Mitleid in ihm aufsteigt überlegt er, was er überhaupt tun kann, um das Leid des Tieres zu mildern.
Sein Heilzauber wirkte bisher nur auf ihn selbst als heilend, das Schwein schien der gleiche Zauber nachhaltig zerlegt zu haben. Aber was weiß er schon über die Kraft dieser Magie. Ein Stück Mut herauskramend legt er dem Tier eine Hand auf die verwundete Seite, konzentriert sich darauf, dass er es nicht töten sondern ‘heilen’ will, und noch ehe er den Gedanken vollständig ausformuliert hat, glüht auch schon seine Hand.
Als er sie vom Laib des Rehs weg nimmt, leckt sich dieses über die eben noch verwundete Stelle, kann es offenbar ebenso wenig glauben wie sein Retter Stephan, der sich verdutzt in die Hand schaut, mit der er gerade geheilt hatte.
Ob das tatsächlich die Intention von Andros war? Ob er ihm wirklich einen so mächtigen Zauber geben wollte? Eigentlich hatte seine Aussage nur impliziert, dass er sich damit vor allem selbst retten kann, aber natürlich hatte er das Andere auch nicht ausgeschlossen.
“Na lauf schon.” sagt er zu dem Tier, das sich auch sogleich erhebt und losläuft. Doch als es dann kurz noch einmal stehen bleibt, sich zu ihm herum dreht, vernimmt er leise aber sehr wohl hörbar sein ‘Danke’.
Schockiert versteinert er in seiner gesamten Erscheinung. Er hat mit vielem gerechnet, doch dass ihm jemals ein Tier antworten würde, in einer Sprache, die er versteht, das schlägt dem Fass den Boden aus.
Doch warum versteht er es auf einmal? Können diese Tiere schlicht seine Sprache? Die Sprache, die er im Grunde von einer vollkommen anderen Welt mitgebracht hat, die er dort Jahrzehnte lang gesprochen hatte und so sehr verinnerlichte, dass er sich nicht einmal mehr an die anderen Sprachen aus den anderen Abenteuern, die er mit Andros bereits überstanden hatte, gelernt hatte? Eine dieser Sprachen soll dieses Tier gesprochen haben? Oder war das Tier eventuell telepathisch begabt? Hat gar keine Sprache gesprochen sondern seine Gedanken übertragen, seine Gefühle transportiert, die dann in seinem Hirn zu einer Antwort wurden? Ebenfalls nicht unmöglich, genau wie die Möglichkeit, dass es abermals mit diesem neuen Zauber zu tun hat.
Stephan winkt dem Reh noch einmal zu, während dieses schon wieder in der Wildnis verschindet, sich wohl irgendwo im Dickicht vor solchen Fressfeinden wie diesem Betäuberwildschwein versteckt.
Noch lange gehen ihm die Fragen durch den Kopf, die sich alle um die kurze, aber klare Antwort des Tieres drehen. Zu einem Ergebnis kommt er jedoch nicht, ist alsbald zu müde für einen klaren Gedanken. Nach der Erfahrung im Gras und seinem verlorenen Fuß will er aber ein solches Risiko nicht mehr eingehen, klettert auf einen Baum, kauert sich in eine Astgabelung und schläft schließlich so dort ein. Soll doch der nächste Tag die Antworten bringen, wenn er ordentlich ausgeschlafen ist.
Kapitel 4: Menschenlehre.
Die ungewohnte Schlafposition lässt Stephan nur bedingt ausgeruht erwachen. Nach einer kurzen Kontrolle all seiner Extremitäten stellt er fest, dass er noch vollständig ist, und verbucht die Nacht als einen Erfolg. Er hat überlebt, ist nicht gefressen worden und hat auch sonst keinen Schaden - außer dem, dass er stinkt, als würde ein Tier auf ihm verwesen, was ja auch der Fall ist. Die Reste des Stinkeschweins lassen sich jedoch inzwischen als verkrustete Teile abschälen, so dass zumindest ein Teil seines grauenvollen Aussehens verschwindet.
Kurz plant er, wie er am geschicktesten den Baum wieder herabklettert, überlegt es sich dann aber anders und steigt weiter nach oben. Vom Wipfel aus wird er sicher einen besseren Überblick über seinen bisherigen Weg erhalten als vom blinden herumirren auf dem dunklen Waldboden.
Und so ist es dann auch.
Während zu seiner Linken das Bergmassiv, in dem sich Andros sein neues Heim bauen wollte, im Morgennebel steht, erkennt er zu seiner Rechten am Horizont zumindest einen außergewöhnlich großen, ja doppelt so hohen Baum, der den Rest des überblickbaren Waldes entsprechend überragt. Wenn sich dort nichts Interessantes befindet, so wird er von dessen Spitze zumindest einen weit besseren Rundumblick erhalten, als er ihn von hier aus hat. Noch ein kurzer Blick auf den Stand der Sonne und dann macht er sich wieder an den Abstieg.
Vom Baum herunter geklettert versucht er, sich an der Sonne zu orientieren, wie er sie oben gesehen hatte, und macht sich in schnellem Gang auf den Weg. Unterwegs versorgt er sich mit mancherlei Früchten, die er in Hecken wachsend findet. Von anderen Welten hatte er die Erfahrung gemacht, dass Früchte, deren Pflanzen Dornen haben, meist gut essbar waren. Auch wenn es dabei natürlich ausnahmen gibt, offenbart sich dies für ihr als ein guter Leitsatz, der zumindest seinen Hunger zu stillen vermag. Sogar einen kleinen Fluss findet er auf seinem Weg, der sogar aus der Richtung seines Zielbaums zu kommen scheint, so dass er dem Lauf eine Weile folgt.
Die Sonne im Rücken hat er sich trotz des verschlungenen Flusslaufs, der seicht genug ist, dass er durch ihn hindurch waten kann, sein Ziel vor sich. Die Beobachtung seiner Umwelt ist dabei auf seiner Prioritätenliste sehr weit oben, will er doch eine Begegnung wie letzte Nacht, wenn nicht vermeiden, dann doch zumindest nicht als Überraschung erleben. Trotzdem ist es eben eine solche, als er am Ufer nach einem kleinen Wehr gekrümmt an einen Baum gelehnt eine Person vorfindet.
Leichtes Stöhnen vernimmt Stephan von dort aus und ist sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er sich freuen oder doch lieber einen sicheren Bogen machen soll. Aber was soll ihm schon groß passieren, er muss sich ja nur an das Zauberwort erinnern und dann würde alles gut - so zumindest seine bisherigen erstaunlichen Erfahrungen damit.
Also nimmt er sich ein Herz und geht auf den sich nun schon windenden Körper zu, der sich just zu ihm dreht.
Eine junge Frau ist es, die mit zugekniffenen Augen auf dem Boden liegt, sich krümmt und mit beiden Armen den Bauch drückt.
“Was ist passiert? Geht es dir gut?” fragt Stephan spontan drauflos. Doch die Frau reist nur die Augen auf, schaut ihn verwirrt an und winselt nun bereits. Sie scheint offenbar große Schmerzen zu haben denkt Stephan noch, als er sich an das Reh erinnert und seine Hand auf ihre Arme legt. ‘Heal!’
Diesen Gedanken verbindet er mit dem Wunsch, dass es ihr wieder besser geht und schon wenige Sekunden, nachdem das Glühen aus seiner Hand verschwunden ist, hört die Frau auf zu weinen, ihre Arme lockern sich von ihrem Bauch und sie richtet sich ungläubig blickend an den nächsten Baum auf.
“Yearhoaiumm‘u hwiiy? Siaeqh hveolhaonn valhthealh?“ spricht sie in einem sanften, fragend vertrauenden Ton.
“Äh, was?” wundert sich Stephan, war er doch davon ausgegangen, dass sich das mit dem Reh bei ihr einfach so wiederholen ließe. “Moment.”
Ruhig greift er nach ihrer Hand, hält sie mit der einen, während seine andere Hand zu ihrer Stirn wandert, sie auf sie legt und er sich darauf konzentriert, dieses Mal von ihr zu lernen. ‘heal’ geht durch seinen Geist und er wird überflutet mit all dem Wissen, das sie in ihrem Leben angesammelt hat, allen Erfahrungen, allen Gefühlen - und auch allen Fähigkeiten.
“Oh Scheiße!” fällt er hinter sich auf den Waldboden, ist überwältigt von all den Eindrücken, die er gerade in viel zu kurzer Zeit eingesammelt hat. So viel Wissen, so viel, das es zu verarbeiten gibt, so viele Gefühle, mit denen er zurechtkommen muss. Und das alles auf einmal, das ist zu viel für ihn.
Während er noch mit aufgerissenen Augen überall hinstarrt, dabei, den neuen Schatz zu assimilieren, zu lernen, mit einem solchen Ereignis umzugehen, vernimmt er oberhalb des Rauschens seiner Wahrnehmung ein “Du heißt Oh Scheiße? Ich bin Ophelia, aber du kannst Ophi zu mir sagen.”
Das ist auch schon das Letzte, das er an diesem Tag vernimmt. Stephan verabschiedet sich in eine tiefe Bewusstlosigkeit.
Stephan öffnet die Augen. Was er sieht, hat er so nicht erwartet, denn er blickt auf eine schummrig beleuchtete Holzdecke aus grob beschlagenen Balken. Ein bohrender Kopfschmerz durchfährt ihn, der auch mit einem erneut reflexartig durch seine Gedanken fliegendes ‘heal’ nicht viel weniger wird.
“Ah, da ist ja unser Patient.” hört er eine angenehme, weibliche Stimme irgendwo neben ihm.
“Wo bin ich?” hört Stephan sich selbst leise wimmern. Noch immer verarbeitet er, was er von der Verletzten aufgenommen hat.
“Meine kleine Schwester hat dich hergebracht. Sie meinte, du hättest sie gerettet und wärst dann umgekippt. So abgemagert wie du bist konnte sie dich ja leicht hertragen, OhScheiße”
“Wieso OhScheiße?”, wundert sich Stephan.
“Ophi meinte, das sei dein Name. Etwas ungewöhnlich. Kommst du nicht aus der Gegend?”
“Nein, mein Name ist Stephan. Uhh…”, antwortet er und greift sich an die glühende Stirn. ‘heal!’ bringt wieder kaum etwas, nur wieder ein Glühen in der Hand. Und dann ist er wieder in der Traumwelt.
“Wechsel nochmal seine Stirnbandage. Schau, dass sie schön kalt ist.”, vernimmt Stephan, bevor er sich traut, die Augen zu öffnen. Es ist offenbar die große Schwester, die da ihre Instruktionen gibt. Und dann spürt er auch schon, wie das Stück Tuch auf seiner Stirn ausgetauscht wird. Als er die Augen öffnet, blickt er in den tiefsten und prallsten Ausschnitt, den er seit dutzenden von Jahrzehnten gesehen hat. Alles ist so rund und schön, dass er seine Augen selbst dann nicht abwenden will, als sie bereits wieder aufrecht auf ihm sitzt und ihn mit einem blitzenden Lächeln anstrahlt.
“Hallo Stephan. War wohl ein Missverständnis mit deinem Namen.”
“Hallo Ophi” antwortet Stephan, der sich in diesem Augenblick in der Gewissheit befindet, alles über sein Gegenüber zu wissen.
“Danke, dass du mir geholfen hast. Hab wohl was Falsches gegessen und mich ein bisschen vergiftet”, schelmt Ophi mit schuldigem Blick zur Seite.
“Nach dem was du erzählt hast, hätten die Beeren dich auch umbringen können!” klärt die Andere mit etwas strengerer Stimme auf. “Mein Name ist übrigens Valletta. Ophi, komm von ihm runter und lass ihn erst mal zu sich kommen.”.
Stephan schaut sich um. Die Hütte besteht im Wesentlichen aus einem einzigen Raum mit dem Bett, auf dem er gerade liegt, an einer Wand. Ein großzügiges Fenster ziert die Wand zu seiner linken, während zu seiner Rechten eine Art Schrank platz findet, in dem die Mädels offenbar alles verstauen, was nicht direkt gebraucht wird. Mit Kleidung scheinen sie es nicht so zu haben, denn sie tragen beide bloß einen mehr oder weniger knappen Lendenschurz aus einem weich erscheinenden Leder, aus dem auch die Oberbekleidung gemacht ist, die allen vier Brüsten kaum Herr wird - denn Valletta steht in Sachen Aussehen ihrer kleinen Schwester in nichts nach.
Valletta steht noch immer an der Arbeitsplatte unterhalb des Fensters und scheint Lebensmittel zu schneiden, schaut sehr konzentriert vor sich, während Arbeitsgeräusche zu vernehmen sind. Das sich wiederholende Klopfen des Werkzeugs auf der Platte lässt ihn fast wieder einschlafen, aber Ophi merkt dies offenbar und spricht ihn noch einmal begeistert an.
“Wir kriegen nicht so oft besucht. Und dann auch noch jemanden, der uns nicht direkt erschlagen will sondern mir auch noch hilft. Das ist echt toll.”, sprichts und drückt Stephan mit einem Kichern einen Schmatzer auf die Nase. “Kannst du schon aufstehen?”
“Wieso Besuch? Liegt euer Dorf so abgelegen?” fragt Stephan erschöpft stöhnend.
“Hihi, Dorf hat er gesagt!”
“Nein, hier ist kein Dorf, wir sind ganz alleine.” antwortet ihm Valletta etwas sachlicher.
Stephan durchforstet seine von Ophi gesammelten Lebenserfahrungen nach einem Hinweis, was es damit auf sich hätte, aber kommt nicht schnell genug zu einem Ergebnis. Wieder versucht er, zumindest eine emotionale Verbindung zu diesen Erinnerungen zu finden, aber auch das funktioniert nicht so recht, bringt ihn nur zu vielen Gedanken an ihre Schwester und ihre Kindheit.
‘Daran muss ich unbedingt arbeiten, das kann mir bestimmt oft weiterhelfen.’ beschließt er noch, als Valetta plötzlich mit einem kleinen “Au” zusammenzuckt.
“Hast du dich geschnitten?” fragt direkt Ophi.
“Ist nicht schlimm.” erwidert Valletta, während sie sich den Finger in den Mund steckt um ein bisschen Blut ablecken, bevor es auf das Essen tropft.
“Vielleicht kann Stephan dir helfen? Bei mir hat er es ja auch geschafft.”
Stephan kann sein Glück gar nicht glauben, hat er sich doch schon gefragt, ob er auch von Valletta irgendetwas an Erfahrungen würde aufnehmen können. Und jetzt bekommt er diese auch noch frei Haus geliefert.
Er nimmt seine wiedergekehrten Kräfte zusammen, steht aus dem Bett auf und geht zu ihr herüber. Sie schaut ihn verdutzt an, möchte gerade noch etwas erwidern aber scheint zu überrascht zu sein, dass er vor ihr steht und ihr den Finger aus dem Mund zieht. Vorsichtig legt er ihre verletzte Hand in die Seine, legt seine andere Hand darüber und schließt die Augen - etwas Brimborium und Anstrengungssimulation würden sicherlich nicht schaden. Bei einer so kleinen Wunde - es tropft inzwischen kaum mehr auch nur Blut vom Finger - würde seine Fähigkeit nicht sonderlich gefordert, da kann er sich dieses Mal auf mehr konzentrieren, als nur auf die Heilung. ‘heal…’ geht durch seine Gedanken - aber nicht nur das. Noch bevor er abermals von all der Lebenserfahrung und den Erinnerungen seines Gegenübers geflutet wird, versucht er sich an einer Blockade derselben, damit ihn die geballte Ladung von Wissen nicht abermals schlagartig umhaut. Er will alles von ihr wissen, aber in Portionen, mit denen er umgehen kann.
Als er die Augen wieder öffnet und einen Kontrollblick auf die Hand zwischen den seinen wirft, hat das Leuchten schon wieder aufgehört. Die Wunde ist geschlossen, der Finger ist so gesund und zart wie eh und je, als wäre ihm nie etwas geschehen. Mit einem leicht befriedigten Lächeln schaut er sie an, lässt seine Blicke von der Hand nach oben wandern, an ihrem Oberkörper entlang durch den tiefen Ausschnitt des Lederbustiers mit den erregend prallen Brüsten darin, in denen er sich gerne unverzüglich gebettet hätte, dem schlanken Hals der so sehr zum Abschlecken, dem hübschen Kinn, ihren vollen Lippen die zum Küssen geschaffen scheinen hin zu ihren Augen, die ihn in einer Mischung von Erstaunen, Denkbarkeit und Verwirrung anblicken und die Erregung, die der Rest ihres Körpers auf ihn ausübt, kaum torpedieren kann.
Erst jetzt, nachdem er ihren Lendenschurz spürbar mit einem Körperteil anhebt, das auf ihren nach Berührung verlangenden Körper reagiert hat, wirdihm bewusst, dass er völlig nackt vor ihr steht. Sie hatten ihn wohl nackt ins Bett gelegt, hatten seine Kleider entfernt und ihn offenbar auch gewaschen, denn von den Schweineresten merkt er auch nichts mehr.
Dieser obskure Moment der beiderseitigen Verwirrung zieht sich eine schiere Ewigkeit. Stephan weiß nicht, was er machen und wie er reagieren soll und Valletta ist offenbar im Zwiespalt zwischen Dankbarkeit und Irritation darüber, dass da ein nackter Mann mit einem Fleischdolch vor ihr steht, während ihre Schwester zuschaut, schockgefangen. Valletta schaut an sich herunter, schaut auf ihren nun unverletzten, geheilten Finger und sieht auch durch diesen hindurch weiter zwischen den beiden hinab, was ihr ein spontanes Lächeln auf die Lippen zaubert.
“Du hast mich geheilt. Danke sehr!” ruft sie laut genug, dass ihre Schwester es auch hören kann, greift dabei nach seinen Schultern und zieht Stephan an sich heran, umarmt ihn in ihrer Dankbarkeit. Doch diesen wohlgeformten, fast nackten Körper an sich gedrückt zu fühlen hilft Stephan nicht gerade, das Problemchen zwischen seinen Beinen zu beheben - ganz im Gegenteil. Doch dies scheint Valetta eingeplant zu haben, denn sie reibt sich sogar noch ein bisschen mehr mit ihren Büsten an ihm, drückt ihren gesamten Körper an den seinen.
War es eben noch nur der Lendenschurz, den sein gehärtetes, bestes Stück angehoben hatte, so kann er nun noch etwas mehr von ihr fühlen, was sonst als Privatsphäre von Leder verdeckt wäre. ‘Dies kann sie unmöglich ignorieren.’, denkt er noch, während ihr Becken zu allem Überfluss auch noch ein Eigenleben erfährt und sie ihm auch noch leise ein “Ja” ins Ohr haucht.
Das reicht ihm jedoch und schon ist alles aus.
Ihre Schenkel sind nun sicherlich etwas klebriger und seine Blutlanze zieht sich nach getaner Arbeit in ihr hautenges Futteral zurück.
“Das konntest du bei Ophi aber besser.” sein schockierter Blick voller Fragen, “Oder hast du gedacht, du lägst zwei Tage lang nackt bei einsamen Mädels auf dem Bett, ganz alleine?” flüstert sie weiter und zwinkert sie ihm zu. “Halt dich das nächste Mal etwas zurück, wir haben ja Zeit.” und in normalem Ton: “Hier ist was zum Anziehen, bis deine Kleider sauber und geflickt sind. Die sind ja ziemlich mitgenommen. Ist halt gefährlich im Wald.”
Kapitel 5: Forschungen.
Andros dreht sich wieder ab. Der Schirm, auf dem er seinen Schützling beobachtet, ist nun nicht mehr interessant genug.
Dass Stephan aber auch immer das Glück hat, an solche Frauen zu geraten. Irgendwann muss er mal in Erfahrung bringen, ob dies vielleicht eine spezielle Fähigkeit von ihm ist oder tatsächlich bloß genau das: Glück.
Natürlich hat Andros seinen Begleiter nicht vollkommen ohne Kontrolle losgeschickt. Wenn ihm irgendetwas nachhaltig Tödliches widerfahren würde, könnte er es sich wohl nie verzeihen, ihm nicht zur Seite gestanden zu haben. Deshalb war auch das Erste, was er in jedem seiner Räume geschaffen hatte, einer von diesen Bildgeneratoren, die jeweils eine aktuelle Ansicht von Stephan und seiner Umgebung wiedergeben. Er kann sie sogar drehen und in der Größe verändern, wenn es ihn so genau interessieren sollte.
Die jüngsten Ereignisse haben ihn in der Tat so genau interessiert, dass er sich genauer anschauen musste, wo Stephan da gelandet war. Im Gegensatz zu Stephan hatte Andros auch die letzten beiden Tage, in denen Stephan bewusstlos war, mit angesehen und sich auch an dem Spaß erfreut, den die niedliche Ophi mit seinem wehrlosen, aber voll funktionsfähigen Körper gehabt hat. Fast tat es ihm schon leid, dass er noch keine Aufzeichnungsmöglichkeit für derlei Übertragungen entwickelt hatte, denn so oft würde er etwas Derartiges wohl nicht mit ansehen können - noch dazu praktisch ohne schlechtes Gewissen, denn Stephan selbst hat rein gar nichts davon mitbekommen. Nicht davon, dass er beobachtet wird und leider auch nichts von der lieben Ophi.
Aber er hat derzeit andere Probleme. Seine geplanten Forschungen wird er nicht beginnen können, wenn er ständig andere Leute beobachtet. Und seine Forschungen wird er nicht ohne Labor und Werkzeuge treiben können.
Er geht ein weiteres Stockwerk tiefer, vorbei an den Prototypen humanoider Wesen aus Metall, die jedoch bloß dreidimensionale Skizzen von dem sind, was sein Ausgangspunkt sein würde. Dies würden diejenigen sein, die für ihn arbeiten würden.
Den Anfang macht dabei die alte Legende vom Golem, der er erst einmal folgt. Er schreibt den Sklavenauftrag “Folge Andros’ Anweisungen” auf ein Stück Papier und legt ihn einem dieser künstlichen Kreaturen in den ausschließlich dafür geformten Mund, schließt ihn und spricht eine magische Formel, die er in einer der vergangenen Welten aufgeschnappt hatte. Noch ein bisschen Konzentration auf den Fluss geringer Mengen magischer Energie, frisch gesammelt aus dem Universum und allem, schon beginnt sich der Golem zu bewegen.
“Heb den Tisch hoch!” spricht Andros seinen Golem mit nachdrücklichem Befehlston an.
Der Golem stapft los zum nächsten Tisch und hebt ihn mit seinen unförmigen Pranken in die Höhe.
Andros ist zufrieden. Für einen ersten Test ist das sehr gut. Wahrscheinlich kann er sich die Energie, die unteren Stockwerke selbst auszuheben, sparen und diese lieber auf kompliziertere, mehr Konzentration und Intelligenz erfordernde Maßnahmen verwenden.
Pläne und Gegenpläne durchfliegen seine Gedanken, während er mit dem Denkerfinger an den Lippen wieder in den Wohnbereich zurückgeht, dessen Aufenthaltsqualität ihn so sehr befriedigt, dass er sich selbst bereits beim Träumen unter dem Firmament der durchsichtigen Bergkuppe ertappt hat.
Jedoch zum Einschlafen ist diese erstklassig geeignet.
“Vielleicht ist der nächste Golemversuch sogar so etwas wie die kleine Ophi.” spricht er in die Leere, während er sich ein Glas Wein vom Tisch nimmt und auf der Liegecouch vor dem Panoramafenster Platz nimmt.
Stephan friert nicht, obwohl er bloß einen Lendenschurz aus dem gleichen Leder wie die Mädels trägt. Der Lappen, den Valletta ihm gegeben hat, reicht gerade so aus, um die wichtigsten Teile zu verbergen - wenn er sich nicht zu schnell bewegt.
So steht er in der Tür der Hütte seiner beiden Retterinnen und beginnt sich umzuschauen. Die Hütte steht am Rand des Waldes zu einer Lichtung, in deren Zentrum ein riesiger Baum steht. Es ist der Baum, den er aus der Ferne angepeilt hat, weil es sein einziger Orientierungspunkt war. So ist er nun wohl im doppelten Sinne an seinem Ziel angekommen - er hat den Baum erreicht und andere Menschen gefunden, ein Haus, in dem er Unterschlupf und Essen erhält. Dass die Bewohner obendrein noch wunderhübsche Mädels sind, ist das regelrechte Sahnehäubchen.
‘Ah, deshalb hatten sie bei meiner Frage nach dem Dorf so reagiert. Sie sind die Einzigen hier’, denkt er bei seinen ersten Schritten durchs Gras. Während seine Füße den Kontakt mit dem saftigen Boden zwischen den Halmen genießen, überlegt er, was er nun machen soll.
Auf der einen Seite würde er gerne mehr von dieser Welt kennen lernen, sie erkunden und neue Leute treffen. Aber auf der anderen Seite sind da diese zwei Hübschen im Haus hinter ihm, die offenbar schon freiwillig mit ihm getan hatten, was er sich wünschen würde.
Aus der heilenden Berührung mit Valletta hat er auch genau wie bei Ophi eine Menge ihrer Erfahrungswerte aufnehmen können, hat ihre Erinnerungen und Fähigkeiten so erhascht und beginnt nun vorsichtig damit, diese zu durchforsten. Allzu viel aus ihrer beider Leben kann er nicht herausdestillieren, kann bloß punktuell vergangene Ereignisse abrufen. Im Gegensatz zu den eigentlichen Besitzern fehlt ihm wohl die emotionale Komponente des Gedächtnisses, welches aus einem Ereignis ein Trauma oder eine schöne Erinnerung werden lässt, die denjenigen dann prägt. So ist es nur wie ein Geschichtsbuch, das im tabellarischen Tagebuchstil die Zeit auflistet. Jedenfalls hatten die beiden wohl auch einmal in einer kleinen Stadt gelebt und gearbeitet. Mehr will er in diesem Moment nicht in ihr Leben eindringen, die beiden werden es ihm schon erzählen, wenn es wichtig ist.
Im Gegensatz dazu liegen die speziellen Fähigkeiten der beiden für Stephan wie ein offenes Buch vor ihm, mit Lesezeichen und unterstrichenen Stellen, Kringeln und Randnotizen. Da ist also Ophi, die offenbar sehr gut mit Tieren kann, denn sie versteht und spricht offenbar deren Sprachen. Und die gute Valletta hat dafür ein Händchen für Pflanzen, kann ihren Zustand erfühlen, ihre Eigenschaften lesen und hat einen natürlichen Instinkt dafür, wie sie mit anderen Dingen, Lebewesen oder auch anderen Pflanzen wechselwirken. Ja sie kann sogar in geringem Ausmaß dafür sorgen, dass eine Pflanze schneller wächst oder auch eingeht bzw. stirbt. Das ist erstaunlich.
In diesen Gedanken versunken, stößt Stephan sich einen Zeh an einem aus dem Boden wachsenden Ast und sinkt vor Schreck zusammen, setzt sich ins Gras und gräbt dabei seine Hände in die Erde. Dabei fällt sein Blick auf eine Blume, die sich zwischen dem hohen Gras empor reckt und der Sonne entgegen wächst, es aber noch nicht ganz geschafft hat und so im Schatten der längeren Halme steht. Stephan greift nach ihr und streichelt ihren Stiel, wünscht ihr viel Glück bei ihren Überlebensanstrengungen und dass sie schnell den Sonnenschein erreichen möge. Beim nächsten Blinzeln ist die Blume auch schon bestimmt zwei Handbreit emporwachsen und streckt nun ihren bunt strahlenden Kelch in das Lebenslicht.
‘War ich das etwa?’ fragt sich Stephan und greift in der nächsten Sekunde auch schon zu einer anderen Pflanze. ‘Ist zwar Unkraut, aber da.’ urteilt er noch das grüne Gewächs am Boden ab, während er sich schon darauf konzentriert, dass die Pflanze ordentlich wachsen möge.
Und tatsächlich. Wenige Sekunden später schon ist aus dem kleinen, grünen Bodengewächs ein ordentlicher Busch geworden. ‘Hui, das war vielleicht ein bisschen zu viel des Guten, das könnte Schaden anrichten. Kommando zurück!’ Er konzentriert sich darauf, dass das Gewächs wieder kleiner werden solle und schon welkt es dahin, liegt alsbald wieder als klein gehaltenes Unkraut auf dem Boden herum und schlingt sich um die Grashalme wie zuvor. ‘Ich habe wohl tatsächlich mehr von ihr bekommen, als nur ihre Erfahrungen. Das ist ja wundervoll!’ Jubelt Stephan innerlich, aber mit einem breiten Lächeln auf den Lippen.
Den anderen Teil will er dann jedoch auch noch testen, greift zu dem Samen, der an einem der größeren Halme wächst, konzentriert sich darauf, Informationen über das Gewächs zu erhalten - und schon sammeln sich vor seinem inneren Auge die Inhaltsstoffe, Wirkstoffe und chemischen Elemente, ja sogar ein paar Rezepte, deren Teil dieser Samen sein kann. Noch ein Griff zu der Blume und wieder erscheint das Geheimnis dieser Pflanze vor ihm. Das halb verwelkte Unkraut probiert er ebenfalls noch und bekommt eine Giftwarnung. ‘Glück gehabt.’ geht ihm erst einmal durch den Kopf, bevor er aufsteht, und neugierig zu dem riesenhaften Baum in der Mitte der Lichtung zu rennen. Die Neugier treibt ihn, immer schneller zu laufen, sogar die paar Dornen, durch die er tritt, zu ignorieren und nur als Rauschen am Wegesrand wahrzunehmen, was ihn nicht betrifft. Am Baum angekommen und die Hände gegen ihn gelegt bereitet ein kurzes ‘heal’ dem leichten Taubheitsgefühl in seinen Beinen ein schnelles Ende - und lässt ihn die Eigenschaften des Baums erkennen.
‘So ein Baum hat doch schon ne ganze Menge erlebt.’ muss er erstaunt feststellen, denn einmal mehr wird sein Hirn mit Wissen geflutet - jedoch nicht nur von Jahren oder Jahrzehnten, sondern von Jahrtausenden. Kein Wunder, bei der Größe dieses Waldriesen hat er wohl sogar Waldbrände mehr oder weniger unbeschadet überstehen können.
Eine Spinne krabbelt den Stamm hinunter und erreicht dabei seine Hände, lässt sich aber nicht groß stören und setzt ihren Weg schnurgerade fort über das fleischene Hindernis. ‘heal’ versucht sich Stephan direkt noch die Fähigkeiten dieser Spinne anzueignen, aber es kommt nicht viel. “Hat wohl nicht funktioniert. Hmm.”
“Nicht so laut, bin ja gleich weg.” vernimmt Stephan mit einer piepsigen Stimme. Es ist die Spinne, die sich schon wieder von seiner Hand abgeseilt hat und ihren Weg auf dem Baumstamm unter ihm fortsetzt. Er versteht spinnisch - fantastisch. Also Ophi hat er auch quasi assimiliert.
Kapitel 6:
Andros wacht wieder auf. Das Stephan-TV war ihm zu langweilig geworden, so dass er vor der Beobachtungswand eingeschlafen war. Langsam sollte der Golem sein erstes Testwerk vollbracht haben. Andros steht auf und geht in sein Labor, in dem der erste Golem bewegungslos in der Mitte des Raumes steht. Andros will ihm schon aufgeregt seinen Ärger entgegenschreien, dass der offenbar rein gar nichts getan hatte, aber dann fällt sein Blick auf das Objekt, das sich hinter dem Golem verbirgt. Sein Experiment hat offensichtlich doch funktioniert, hat zumindest irgendetwas hervorgebracht, das er nun testen würde.
Doch zu aller erst braucht er eine Metrik, mit der er den Erfolg überhaupt messen kann, an dem er und seine Objekte sich in Zukunft würde orientieren können. “In dieser Phase sollte wohl die Reproduktionsgeschwindigkeit im Zentrum stehen.” spricht er in den Raum hinein.
Aber es geschieht nichts.
Natürlich.
“Dann gebe ich euch wohl mal die Fähigkeit, das selbst zu machen.” steht er zwischen den beiden humanoid erscheinenden Arbeitsobjekten, inspiziert den Zweiten eingehend. Ihm gefällt, was er sieht.
“Du nicht.” dreht er sich zu seinem Erstlingswerk und mit einem Wink und einem Hauch sinkt der Golem in sich zusammen und verbleibt als Ansammlung von Rohstoffen auf dem Boden liegend. “Und los gehts.” haucht Andros dem Neuen im Team künstliches Leben ein, versieht ihn mit dem vorgesehenen Auftrag und wartet darauf, dass Bewegung in den graziler erscheinenden Körper fährt, tritt einen Schritt zurück.
Er hat einen Satz Arme mehr, fährt auf Rädern, anstatt auf Beinen langsam herum zu stapfen und hat vor seinem Bauch - wenn man dies denn so nennen kann - eine kleine Ladefläche. Kaum in Aktion getreten huscht dieser neue Arbeiter auch schon von einem Regal zum nächsten, sammelt sich Bauteile und Werkzeuge zusammen, wie es zuvor schon dem Golem programmiert war, nur schneller.
Andros beobachtet das wuselige Schauspiel noch ein wenig, bevor er sich wieder ein Stockwerk höher auf seine Beobachtungsliege begibt und neugierig nach den Aktionen seines Schützlings Stephan blinzelt. Die nächste Stufe seiner Experimente läuft nun vollautomatisch.
‘heal’ gleitet es Stephan wieder durch den Kopf. Er hat einen kleinen Vogel vor dem Baum gefunden, der wohl aus dem Nest gefallen ist. Der Kleine bewegt sich wieder und springt in Stephans Hand umher. ‘Vielleicht …’ kommt Stephan eine originelle Idee, die er ausprobieren möchte. ‘Valletta kann ja Gras wachsen lassen. Vielleicht geht das auch mit Tieren und so.’ formt sich eine Idee. Und schon verfällt er in angestrengte Konzentration wie bei der Analyse der Samen und dem Unkraut. Kurz ist er selbst überrascht, wie leicht es ihm fällt, das Jungtier zu einem ausgewachsenen Greifvogel heranwachsen zu lassen, den er kaum mehr unangestrengt auf seine Hand halten kann. Doch im nächsten Moment hat sich dieser auch schon abgestoßen und steigt in die Lüfte empor, hinterlässt Stephan ein bisschen neidisch am Boden hocken.
‘Na warte nur. Heal!’ brüllt er in sich hinein und will dem Vogel hinterher. Ein ursprünglicher, primitiver Gedanke, strebt doch der Mensch seit jeher dort hin, wo er nicht sein kann, in diesem Fall also in die Lüfte. Ein Kribbeln durchfährt ihn, wird zu einem Kitzeln in seiner Seite und seinen Schultern. Das Nächste, was er dann aber schon feststellt, ist der Schatten, der auf ihn fällt. Im Augenwinkel bemerkt er etwas, dreht seinen Kopf zur Seite und sieht riesige, vogelhafte Flügel neben, hinter sich.
Er dreht sich, dreht sich herum, windet sich, aber die Flügel bleiben hinter ihm. ‘Ich hab Flügel!’ durchfährt es ihn.
‘Oh Mann, ich kann meinen Körper verändern.’ fasst er sich an den Kopf, sinkt auf die Knie, ‘wenn die Mädels das sehen, werden die sicher panisch vor Angst.’ Und mit einem weiteren ‘Heal.’ wird sein gepimpter Körper auch schon wieder in den Urzustand zurückversetzt.
‘Oh Mann, ich kann meinen Körper verändern!’ grinst er aber in der nächsten Schrecksekunde auch schon in sich hinein, wirft dabei einen verwegenen Blick auf die in einiger Entfernung stehenden Hütte der beiden Frauen.
Jedoch beschließt er, dass er noch etwas würde üben müssen, wenn er seine Fähigkeit weiterhin mit dieser Anwendungsfrequenz nutzen wollte. Wenn er dabei jedes Mal strahlte wie ein Vollmond in einer klaren Nacht, dann ist das nicht nur auffällig, sondern möglicherweise auch gefährlich, wenn er nicht auffallen dürfte, geschweige denn sich verstecken müsste.
“Ophi.”, fragt er in den Raum hinein.
“Ja Stephi?”, kommt ihre liebliche Antwort. ‘Hmm, sind wir also schon bei der Koseform’ geht es Stephan durch den Kopf, was ihm jedoch ausgesprochen recht ist.
“Darf ich ein bisschen Heilen an dir üben? Ich hätte gerne, dass das nicht nur ein positiver Zufall ist, wenn ich das mache.”
“Klaro. Was muss ich machen? Soll ich mich schneiden?”
“Nein, es reicht aus, wenn du mir deine Hand gibst.”
“Liebend gerne. Hier.” schmachtet sie Stephan an. Wenn dies das Resultat ihrer Fürsorge für ihn ist, als er bewusstlos war, dann hatte er wohl gut funktioniert.
Stephan setzt sich zu Ophi auf das inzwischen glatt gezogene Bett und nimmt ihre Hand in die seinen.
‘heal’ geht es ihm durch den Kopf. Ein erster Versuch, um zu sehen, wie es denn aussieht, wenn er dabei nichts Besonderes unternimmt.
Seine Hände strahlen in dem Glanz, den er ja gerade vermeiden will. Nachdenklich spitzt er die Lippen, schließt die Augen, um seine Gedanken zu sammeln.
‘heal’ geht es ihm abermals durch den Kopf, während er sich darauf konzentriert, möglichst wenig zu heilen, möglichst wenig Energie in seine Aktion zu legen, möglichst wenig zu bewegen.
Das Glühen ist weniger. Nur seine Hände sind ein wenig klamm geworden. Doch bei dem Anblick, den er jedes Mal erhascht, wenn er die Augen wieder öffnet, ist dies auch kein Wunder. Fast muss er sich mehr darauf konzentrieren, dass Ophis Antlitz sonst keine körperlichen Auswirkungen auf ihn hat als auf die Unterdrückung des Leuchtens. “Spürst du dabei etwas?” fragt er sie neugierig.
“Ja, aber ich glaube nicht, dass du das meinst.” grinst sie ihn an und gerade ist er sich nicht sicher, ob ihr Blick zu ihren Händen geht oder etwas weiter dahinter.
Noch einmal versucht er, auch um sich damit abzulenken, sich auf das Leuchten zu konzentrieren. ‘heal’, leuchten seine Hände dennoch, aber schon sehr viel weniger als beim ersten Versuch. ‘heal.’
‘heal.’
‘heal.’
Wieder und wieder fliegt dieses Wort, dieser Gedanke durch seinen Geist und ein jedes Mal wird das Leuchten seiner Hände etwas weniger. Ein paar Mal noch, dann würde er den Dreh heraushaben.
‘heal. heal. heal!’ versucht er es und endlich ist er am Ziel, das Glühen hat ein Ende.
“Ich probiers jetzt noch einmal.” ‘heal’ folgt der Gedanke auf die Vorwarnung an sein Gegenüber. “Hast du was gespürt?
“Nein, hab ich aber vorher auch nicht.” Das ist ein berechtigter Einwand.
“Hmm. Moment.” ‘heal.’ fährt es durch seine Gedanken und er weiß bereits, was sein Veränderungsziel ist. “Und jetzt?”
“Nein, immer noch nichts. Hast du denn was gemacht? Ich hab gar nichts gesehen.” kommt die prompte Antwort von Ophi. Und als Stephan ihr ins Gesicht schaut, hat er seine Antwort.
Natürlich war es nur ein kleiner Test, der sie nicht erschrecken sollte, den er aber sehen kann. Er hätte auch ihre Brüste kleiner machen können, aber wer will denn so was? Die Augenbrauen aber hat er etwas buschiger wachsen lassen. Sie selbst kann dies nicht sehen, ihm aber springt dies unverzüglich ins Auge. Nach einem weiteren lichtlosen ‘heal’ sind die Haarbüschel in ihrem Gesicht auch schon wieder verschwunden. Auch Valletta, die schon wieder mit etwas Obst in einem Korb die Hütte betritt, bemerkt nichts von irgendeiner Veränderung.
“Vali, Stephi übt das Licht!” ruft Ophi ihr begeistert zu.
“Klappt es denn?” fragt sie zurück und Stephan steht auf, geht zu ihr herüber.
“Soll Ichs bei dir auch mal probieren?” fragt Stephan sie, während sie nur halb interessiert beginnt, die mitgebrachten Lebensmittel zu bearbeiten und ihm den Rücken zuwendet. Er tritt näher zu ihr heran. ‘Fünffache Größe sollte ausreichen. heal.’
“Och, lass nur, ich hab mich ja noch nicht geschn … … oh mein Gott!” und reißt die Augen mitten in der Bewegung weit auf.
Kapitel 7: Begegnungen
Die gute Valetta hat sich am Morgen des Folgetages bereits früh aufgemacht, Stephans Kleidung im nahen Fluss zu waschen. Eingedenk des Zustands und der Art der Flecken würde sie dafür recht lange Zeit brauchen. Lange genug jedenfalls, dass sie die kleine Ophi abermals über den noch schlafenden Frontalbürzelbesitzer hermachen kann und ihn nach allen Regeln der weiblichen Kunst benutzt. Zumindest so lange, bis Stephan erwacht und Ophi dabei so erschrickt, dass sie von ihm und vom Bett herunter fällt, sich dabei sogar das Knie anschlägt.
Direkt wieder eine Gelegenheit, sich als Nutznießer dieses drallen Körpers erkenntlich zu zeigen. Stephan springt auf und hockt sich zu ihr, legt ihr die Hand auf das Knie und beginnt, sich zu konzentrieren, während Ophi seine kurze mentale Abwesenheit nutzt, seine andere Hand nimmt und unter ihr Oberteil schiebt, sie fest an sich drückt.
Erst als er mit dem Heilvorgang fertig ist, den er unbedingt ohne auch nur das geringste Leuchten vonstatten gehen lassen will, realisiert er, was sie mit ihm gemacht hat und vor allem, wo seine andere Hand gerade ist.
“Ah, ihr seid beschäftigt.” ist in diesem Moment von der Tür her zu hören. Stephan reißt den Kopf herum, noch immer die Hand an Ophis Oberkörper, und versucht, unschuldig drein zu schauen, verzweifelt nach einer Entschuldigung oder zumindest einer brauchbaren Erklärung suchend. “Darf ich mitmachen?” setzt Valletta nach, während sie seine Kleider auf den Tisch legt, und greift sich an den Knoten ihres Lendenschutzes - als ob das bisher nötig gewesen wäre.
In freudiger Erwartung der angekündigten Ereignisse treibt dies Stephans Puls in die Höhe und seine Blicke zucken zwischen Valletta und Ophi hin und her, während seine Hand nach wie vor dort ruht, wo Ophi sie hineingesteckt hat. Diese Hand würde nicht das Einzige sein, was in nächster Zeit irgendwo hin gesteckt würde, geht ihm gerade noch verschmitzt durch den Kopf, als aus einiger Entfernung Stimmen zu hören sind.
Valletta verschwindet schlagartig das sanfte Lächeln aus dem Gesicht und wird ersetzt durch eine Mischung aus Zorn und Angst, während sie sich zum Fenster dreht, um nachzuschauen, wo die Geräusche herkommen.
Inzwischen ist deutlicher zu hören, dass sich Stimmen nähern. Eine Gruppe von Männern, die aufgeregt in der Gruppe Zwiegespräche führen und ein Stimmenwirrwarr produzieren, dass Stephan nichts verstehen kann, auch wenn er inzwischen die an diesem Ort herrschenden Sprachen dank seiner Fähigkeit alle zumindest verstehen sollte. Leicht frustriert über den entgangenen Leibesfrohsinn greift er zu seiner Kleidung und beginnt gehetzt, den Schurz durch Hemd und Hose zu ersetzen, auch wenn diese wegen der Kampfspuren wohl noch heruntergekommener aussehen möchten, als der Schurz.
“Was wollt ihr?” hört er bereits Valettas markante Stimme in einem ungekannt strengem Tonfall von draußen.
Eine Gruppe von Männern in bäuerlicher Kleidung, jedoch bewaffnet mit Heugabeln und Fackeln treten aus dem Wald einige dutzend Schritte von der Hütte entfernt. Keiner von ihnen macht ein freundliches Gesicht, viel eher noch ein Ängstliches, meist jedoch eines voller Wut und sogar Hass. Der Anführer trägt eine Kutte und hat einen langen Gehstock, der am oberen Ende verziert ist. Er ist derjenige, der nun in Ansicht der Hausherrin das Wort ergreift.
“Ha, da ist sie, die Hexe! Und bestimmt ist das Halbtier im Haus. Seid vorsichtig, dass …”
“Dass was?” Valletta fällt ihm ins Wort, bricht seinen Vortrag ab und unterbricht damit seinen Redefluss, nimmt ihm damit die Kraft aus den Worten. Oder zumindest versucht sie das. “Dass ich euch etwas zu trinken anbiete? Ihr müsst erschöpft sein von dem langen Weg vom Dorf hierher.” spricht sie weiter und versucht sich an einem besänftigenderen Blick, auch wenn es ihr schwer fällt.
“Seht ihr, sie versucht euch wieder zu bestechen. Verfallt nicht wieder einem ihrer Zauber. Die Hexe erkennt eure Schwäche!” blockt der Rädelsführer ab.
“Wer bist du denn??” ruft Stephan, der unbemerkt einmal ums Haus gegangen ist, damit es für die Gruppe so aussehen kann, dass er eben nicht aus dem Haus kommt, sondern nicht einmal dazugehören würde. Es scheint zu funktionieren, der Kuttenträger dreht sich perplex zu ihm herum und stammelt ein “Äh. Ich bin Proktor, das Oberhaupt der Kirche in Astelingen.”
“Oh, schön, hallo Proktor. Ich bin Josh.” spricht Stephan und greift reicht ihm die Hand zum Gruß hin, die Proktor auch in einer Art Reflex annimmt. Stephan greift mit beiden Händen zu und drückt sie zum Gruß. ‘heal’ fährt ihm durch den Kopf, während er sich noch dafür gratuliert daran gedacht zu haben, nicht seinen wahren Namen genannt zu haben. Bei solchen Leuten war es bereits auf anderen Welten sinnvoll, wenn diese später nach jemand anderem gesucht hatten, sollte es so weit kommen.
Das Training mit den Bienen und Blumen hat sich ausgezahlt - und das mit Ophi auch. Nicht nur verlief die Übernahme seines Gegenübers nun vollkommen ohne sichtbare Rückmeldung, sondern ist auch noch in der Lage, die gesamte Vorgeschichte zu erlernen, sowie die speziellen Fähigkeiten von Proktor zu übernehmen. Und Kirchenoberhaupt ist als Fähigkeitenbeschreibung wohl sogar ziemlich passend, denn diese sollten in den Methoden der Rhetorik ausgesprochen bewandert sein, damit sie mit Worten das dumme Volk nach dem Willen der Kirche manipulieren können. Aber es ist nicht nur ein rein antrainiertes Wissen und der geschickte Umgang mit Worten, den er von Proktor erlernt, sondern sein Manipulationsgeschick geht noch viel tiefer. Aus seinem Erfahrungsschatz weiß Stephan jedoch, dass Proktor sich dem gar nicht richtig bewusst ist, dies nicht aktiv und bewusst einsetzt, sondern dies unbewusst und unterschwellig geschieht, wenn er sich in Rage redet.
Was er außerdem erfährt, macht Stephan wütend, denn Proktor ist es, der die Mädchen aus dem Ort vertrieben hat, beziehungsweise hat verjagen lassen. Er hat ihnen Unmoral und Verbrechen angedichtet, wessen sie vollkommen unschuldig waren, einfach nur, weil Valletta nicht in seine Kirche kam. Solche Leute müssen wohl immer gleich alles und jeden beherrschen wollen, denkt sich Stephan noch, als er sich zu einem weiteren Schritt entschließt.
‘heal!’ geht es abermals durch seinen Kopf, während er noch die Hand von Proktor hält. Dieser merkt wohl gerade, dass irgendetwas Merkwürdiges vor sich geht, denn Stephans Blick spricht regelrecht von seiner Abwesenheit von diesem Gespräch. In der Tat ist er darin vertieft, dass Proktor nie wieder Schaden anrichten können wird.
“Was soll das? Bist du einer von denen?” fragt er Stephan noch, wendet sich dann seiner Gruppe zu, ruft: “Er ist auch ein Hexer. Nehmt euch in acht.” kreischt er die Menge an, doch da ist es bereits zu spät.
“Mir scheint, dass du ein schlimmer Magier bist.” erwidert nun Stephan. “Hat er euch alle verzaubert, dass ihr zwei unschuldige Mädchen nachstellen müsst? Seht ihr deshalb so aus und habt eure Frauen nicht dabei?” ist sein erster Versuch, der die Männer bereits die Waffen sinken und sich gegenseitig fragend anschauen lässt. “Sicher ist es nicht Teil eures Glaubens, dass Andere einfach umgebracht werden dürfen, oder? Ist nicht vielmehr die Vergebung das, was ihr auch von anderen für euch selbst wünscht?” predigt er auf sie ein, benutzt dabei eindringlich die Manipulationsfähigkeit, die er gerade von Proktor genommen hat. Das mit den Glaubensgrundsätzen ist ein Schuss ins Blaue, aber selbst, wenn dies die erste Religion wäre, in der dies nicht zu den Grundlehren gehört, ist es jetzt an der Zeit, diese mit Hilfe seiner neuen Magie in die Hirne der Männer zu prügeln, auf dass es diese verinnerlichen mögen. Die Männer senken nun auch schon die Blicke, nicken sich in der Runde zu und machen schuldige Gesichter.
“Die Hexen treiben ihr Unwesen! Die haben euch verhext! Fallt nicht auf sie rein! Macht was! Erschlagt sie! Befreit euch von ihrem Einfluss! Tötet sie!” schreit Proktor ununterbrochen auf seine Gruppe ein. Aber es ist längst zu spät, er hat keine Macht mehr über sie, denn Stephan hat sich nicht nur bei ihm bedient, sondern ihm auch jegliche magischen Fähigkeiten und Befähigungen genommen, ja sogar ins Gegenteil umgewandelt. Proktor würde nie wieder mit einer seiner Hasspredigten Anklang finden, würde beim ersten, bösen Wort entlarvt und aus jedem Ort gejagt werden, auf dass es ihm ergehen möge wie Ophi und Valletta, die er seinerzeit hat aus dem Ort jagen lassen, ihnen heute sogar noch nachgesetzt hat. Aber es gibt immer einen noch größeren Fisch, denkt sich Stephan, als er, Proktors Ansprache völlig ignorierend, sich wieder an die Gruppe wendet.
“Geht nach Hause zu euren Frauen und lebt eure Leben in Frieden und Freundschaft. Hier sind keine Feinde.”, schickt er sie weg. Und dann noch: ”Proktor gibt es nicht!”
Die Männer drehen sich um und entfernen sich von der Hütte, verschwinden im Schatten des Waldes.
“Was soll das? Was bildest du dir ein? Dir werd ich zeigen …!”, brüllt Proktor Stephan an und holt aus. Den folgenden Schlag mit der flachen Hand wehrt Stephan mit Leichtigkeit ab, was seinen Gegner nur noch mehr in Zorn versetzt. Nun versucht er, mit dem Stab auf Stephan einzuschlagen, der schon beim nächsten Atemzug als Verlust zu verbuchen ist, nun in Stephans Händen liegt, der ihn nun endgültig mit hartem Blick anschaut.
“Geh! Und komm nie wieder!”
Da wird Proktor klar, dass er verloren hat. Er nimmt die Beine in die Hand und rennt der Gruppe hinterher, die ihn eben noch so desinteressiert hatte stehen lassen und, als wollte er unbedingt das letzte Wort behalten, brüllt hinter sich:”Ich bring dich zur Strecke! Du bist ein toter Mann, Josh! Ich bring dich um! Mit einem Löffel!”, und verschwindet im Wald.
Eine ganze Weile vergeht, in der Josh, also Stephan, den Verschwindenden nachschaut und sich versichert, dass diese auch wirklich auf ihrem Weg zu ihren eigenen Häusern sind und nicht wieder kommen.
Inzwischen stehen Valletta und Ophi neben ihm, blicken ebenso erwartungsvoll aber auch ungläubig in die gleiche Richtung.
“Und was, wenn er wirklich wieder kommt?”
“Der wird sich noch wundern, wenn er wieder in seiner Kirche ist.” erklärt er wissend. “Wenn er kommt, dann allenfalls alleine.”
“Wiesoo?” fragt die kleine Ophi naiv niedlich.
“Wolltest du es wirklich mit denen aufnehmen und uns beschützen?” richtet er sich an Valletta.
“Ach, weißt du, ich kann ganz gut mit Pflanzen.” antwortet sie verschmitzt. “Sie wären nicht weit gekommen. Aber es wäre schmutzig gewesen. Schützen kann ich uns.”
“... und nachts hätten sich vielleicht die Tiere ihren Anteil geholt. Vielleicht sogar die, die durch den Wald irren?” setzt Ophi nach.
“Lass gut sein, Ophi. Sie sind ja friedlich abgezogen.”
Die beiden wissen also sehr genau um ihre Fähigkeiten und wissen sie auch einzusetzen. Eigentlich hätte ihm das klar sein müssen, denkt sich Stephan noch, als ihn die beiden an der Hand nehmen und grinsend zu ihrer Hütte zurück führen. Sonst hätten sie wohl nicht hier alleine im Wald überlebt, wo jedes zweite Tier giftig ist und praktisch alles einen umbringen will. Erst beim zweiten Gedanken wird ihm klar, warum und wohin ihn die beiden nun führen - und wozu.
Andros schaltet ab. Das braucht er sich nicht schon wieder anzuschauen, auch wenn es dieses Mal mit einer Person mehr vielleicht etwas abwechslungsreicher sein würde. Vielmehr interessiert ihn, was es mit dieser Kirche auf sich hat, von der offenbar dieser Proktor kam. Zwar hat er gesehen, wie Stephan diesen Kerl angefasst hat und sich seinen Teil gedacht, aber was genau passiert ist, steht als Nächstes auf seiner Liste.
Er bemüht die Landkarte. Auf dem großen Tisch, der von der Abendsonne durch seinen Berggipfel hindurch in ein schummriges Rot gehüllt wird, breitet sich die dreidimensionale Darstellung der Umgebung aus. Andros wischt mit ein paar Handbewegungen die Vergrößerung hin und her, schaut östlich, nördlich, schaut sich genau an, in welche Richtung die Meuchelgruppe verschwunden bzw. gekommen ist und überlegt sogar kurz, ob er diese nicht sogar selbst im Wald suchen sollte, um ihnen unauffällig zu ihrem Ursprung zu folgen.
Am Ufer eines weitläufigen Wassers findet er dann einen Ort, in dem auch gut sichtbar als größtes Gebäude, eine Kirche zu finden ist. Ein scheinbar nutzloses Symbol auf der Dachspitze zeugt in nahezu jeder Kultur von einem religiösen Hintergrund und Nutzung eines Ortes - und so auch hier. Kein reiner Fischerort scheint es zu sein, es ist auch eine Schmiede und eine Schenke zu erkennen, sogar ein größerer Platz inmitten der Wohngebäude. Wenn noch ein Bordell vorhanden gewesen wäre, wäre er wohl versucht, nach Ritter Ro zu schauen, doch den Gedanken verwischt er schnell wieder, bevor noch ein schlechtes Gewissen in ihm aufkeimt.
Trotz der oberflächlichen Friedlichkeit dieses Ortes würde er da mal ein Auge der Wachsamkeit drauf behalten - und legt sich ein Lesezeichen auf der Karte an.
Seinen Experimenten jedenfalls hat er nun genug Zeit gegeben, sich zu entwickeln. Er reißt sich aus seiner Neugierde über die Karte los und hin zur Neugierde ob seiner Mitarbeiter - denn genau dies will er aus seiner Golemweiterentwicklung machen. Fliegenden Schrittes bewegt er sich in das Arbeitsstockwerk und wirft sehnsüchtig einen neugierigen Blick durch die offenstehende Tür ins Labor. Ihm stockt der Atem.
Mit vielem hatte er gerechnet. Dass sich vielleicht schlanke, humanoide Roboter die Bauteile in die Hand reichen würden, dass Tische mit arbeitenden Golems in immer neuen Weiterentwicklungen wie von ihm befohlen an der nächsten Generation ihrer Verbesserungen werkeln würden. Doch was hier geschieht, muss er erst einmal einige Minuten lang beobachten, bevor er es versteht.
Und dann beendet.
“AlaKaZAM!”
Kapitel 8: Aufbruch
Stephan erwacht fast wie am Tag zuvor. Unterschwellig hat er erwartet, einmal mehr unter Ophi die Augen aufzuschlagen und direkt ihr Dekolletee vor sich zu finden, doch dieses Mal ist es fast ein normaler Morgen. Bis auf das Detail, dass er mit zwei Schönheiten zu beiden Seiten im Bett liegt, und um sich nur nackte Haut fühlt.
Das mit dem Fühlen hätte er wohl weniger direkt machen sollen, denn während Valletta ihren Kopf an seine Schulter gelegt hat, ihre Brüste um seinen Arm, seine Hand auf ihrem Schenkel liegt und ihm so auch ohne weitere Bewegung ihre unmittelbare Anwesenheit vermittelt, liegt die liebe Ophi auf der anderen Seite etwas unterhalb auf dem Rücken. Dafür braucht er die Augen nicht einmal offen zu halten und so schließt er sie wieder und tut so, als ob er noch schlafen würde, auch wenn er draußen durchs offene Fenster bereits die Sonne ihre Strahlen auf den Riesenbaum werfen sehen kann.
Ophi hatte sich wohl im Schlaf seinen Arm geschnappt und nicht mehr losgelassen, sich dann irgendwann von der Seite auf den Rücken gedreht, den Arm dabei mitgenommen und zwischen ihre Brüste gedrückt. So kam es, dass seine Hand etwas unterhalb ihres Bauchnabels zu liegen kam - leider auch etwas unnatürlich geknickt, so dass sie irgendwann eingeschlafen war. Das Kribbeln in seinen Fingern empfindet er ausgesprochen störend und beginnt, seine Finger etwas zu bewegen und das Blut wieder zum Fließen zu bekommen, die Nerven unter Strom zu setzen.
Er hätte wohl daran denken sollen, wo genau seine Hand da gerade liegt, auch wenn er noch nichts jenseits des Kribbelns fühlen kann. Die Reaktion auf seine Bewegungen jedoch wird ihm angenehm schnell deutlich gemacht.
Ophi dreht den Kopf leicht zur Seite und beginnt, etwas schwerer zu atmen, als sie es zuvor im Tiefschlaf getan hatte. Ist Stephan etwa daran schuld? Hat er etwas falsch gemacht - oder nur sehr richtig. Zu gern würde er die dünne Bettdecke, die zum Wärmen ausreicht und das Wesentliche verdeckt, wenn auch nicht die runden Formen dieser Körper, so weit anheben, um erkennen zu können, was genau er denn getan hatte, aber er hat ja keine Hand frei. Was er jedoch bemerkt ist Ophis Bein, das sich anhebt und zwischen seinem zum Stehen kommt, ihre Lenden weit genug öffnet, dass er seine Finger ausstrecken kann, ohne irgendwo anzustoßen.
Tatsächlich ohne anzustoßen? Langsam kommt das Gefühl in seinen Fingern wieder auf und das Erste, was er zu spüren bekommt, sind glatte, aber auch etwas feuchte Hügellandschaften, auf denen er einen neugierigen Spieltrieb der Fingerfertigkeit auslebt und ertastet, was er nicht sehen kann.
Ophi greift nach seinen Fingern, drückt sie noch fester an sich, fährt mit den ihren zwischen die seinen, bis sie dann doch ihre müden Augen öffnet, zu verifizieren sucht, ob sie träumt oder wacht. Sich ihrer Absichten bewusst rückt sie weiter herunter unter die Decke, schlägt sie sich über den Kopf und beginnt, und macht ihm schnell klar, wieso es in diesem Haus für ihn sinnlos ist, allzu viel Kleidung zu tragen.
Valletta fühlt sich davon wohl genügend gestört, dass sie sich abwendet, ihm den Rücken zudreht, dabei jedoch seinen Arm abermals mitnimmt und ihren Kopf auf ihn legt, seine Hand in ihre Brust greifen lassend. Ihren Po jedoch streckt sie, nach der Körperwärme ihres Nebenan suchend, an seine Seite. Stephan, dessen Hand nun nicht mehr mit Ophi spielen muss, legt seine Finger an Valettas Seite, streicht sanft ihre Hüfte entlang weiter hinunter, wo Ophi ihr geschicktes Zungenspiel vollbringt, sich dabei an seinem Schienbein reibt als sei es ein Kratzbrett.
Schwesterlich wird er ja bereits die ganzen Tage geteilt und so auch an diesem Morgen, denn den Podex ihrer Schwester sicherlich vor Augen dreht und schiebt sie Stephan wie ein Spielzeug, das eine spezielle Aufgabe zu erfüllen hat, ihrer Valletta entgegen und mit einem Schwupps scheint auch diese nun erwacht zu sein.
“Ohmmm… so spät schon? Hmmm.” stöhnt diese leise auf und reckt ihm ihr Hinterteil noch weiter entgegen in freudiger Erwartung des weiteren Verlaufs des Morgens – zu Recht.
Andros wird von einem rhythmischen Quietschen geweckt. Vielleicht sollte er das Übertragungsgerät doch ab und zu mal ausschalten und nicht immer davor einschlafen, denkt er sich noch, während er den Sonnenaufgang über den Bergen beobachtet. Trotz aller Abenteuer und Erlebnisse seines langen Lebens ist es auf jeder Welt, die sie bisher bereist haben, ein erhabener Anblick. Das erste, warme Getränk hat ihm das neue Spezialgerät bereits hergestellt, so dass er mit einer Tasse in der Hand wieder in sein Labor geht.
Der Aufhebungszauber gestern Abend hatte die Magieenergie aus all seinen Golems genommen und sie waren in sich zusammengefallen. Dies war gewissermaßen sein Notausschalter gewesen, zu dem er stets dann griff, wenn er der Meinung war, zu sehr die Kontrolle verloren zu haben. Und wenn er nicht mehr genau verstand, was eigentlich vor sich ging, so verschaffte ihm dies die Zeit, die er brauchte, um aus der Situation schlau zu werden, ohne Gefahr zu laufen, selbst in Gefahr zu geraten.
So schaut er sich das Tohuwabohu an, welches die Golem-Maschinen mit ihrer Arbeit und er durch ihre Abschaltung angerichtet hatten. Körper über Körper liegen in wirren Anordnungen scheinbar ohne jegliche Ordnung übereinander und nebeneinander, miteinander verkeilt und so wirr, dass er schon genau hinschauen muss, um überhaupt noch die Arbeitswege zu erkennen, die er letzten Abend beobachten konnte. Auch interessiert ihn die genaue Ausprägung der Arbeiter. Nicht jeder hat die gleichen Extremitäten, viele haben anstatt relativ menschlicher Arme, wie er sie dem ersten Golem geschenkt hatte, spezialisierte Greif- und Arbeitswerkzeuge am Rumpf angebracht, mit denen sie offenbar Sonderaufgaben erledigen konnten oder die bei ihren Arbeiten eine weitere, helfen Hand waren. Die Köpfe sahen bei den Meisten schon nicht mehr nach dem des Erstlingswerks aus, hatten als Tragehalterung für Augen offenbar ausgedient, die oftmals nur noch an dünnen Stielen angeordnet sind.
Auch die Fortbewegungsmittel sind unterschiedlich ausgeprägt. Haben diejenigen, die sich unmittelbar an den Arbeitstischen befinden, gar keine erkennbaren Beine mehr, so befindet sich unten an den entfernteren Helfern, in deren unmittelbarer Nähe sogar noch Bauteile zu sehen sind, nur noch eine Art Kettenantrieb, wie Andros sie vom Militär anderer Welten her kennt.
‘War die Anweisung nicht eigentlich nur gewesen, dass sie sich reproduzieren und verbessern sollten? Was haben die bloß an dem einen Tag alles geschafft. Wirklich erstaunlich’ grübelt er vor sich hin, während er seinen nächsten Schritt überlegt.
“Alakazim!” macht er seine Abschaltung wieder rückgängig.
Die Methoden scheinen zu funktionieren, was auch immer hier geschehen war. Auch funktionieren seine Kontrollmechanismen nach wie vor und er kann sie abschalten, wann immer es ihm beliebt.
Die Körper erheben sich wieder aus ihrem Dornröschenschlaf und halten inne. Sie erkennen, dass etwas geschehen ist und erkennen, dass Andros ihnen Anweisungen geben kann, erwarten ihre Sehinstrumente auf ihn richtend ihren nächsten Befehl.
“Miniaturisierung!”, gibt er das bewusst abstrakt gehaltene Kommando.
Abermals beginnt, Bewegung in die Masse an Körpern zu kommen. Und erst am Klimpern und Klackern bemerkt Andros, dass diese Arbeiter und Helferlein nicht mehr aus dem Matsch bestehen, aus dem er den ersten Golem erhoben hatte. Auch der Körper der nächsten Generation, die er von seinem Golem hatte erschaffen lassen, haben nichts mehr mit dieser Ansammlung an Spezialisten zu tun, die hier am Werk sind. Klar hat er ihnen all die Rohstoffe, die sie hier verarbeiten, zur Verfügung gestellt und das Lager weiter hinten in der Halle, war nach seiner Sichtung auch noch nicht geleert, doch dass sie sich so schnell an neuen Metallen bedienen würden, hatte er nicht erwartet, war er doch nicht einmal eine Woche in seinem Berg eingezogen.
‘Vielleicht sollte ich noch eine Sicherheitsebene einziehen, falls sie mir über den Kopf wachsen.’ überlegt er sich, während er die wiederaufgenommenen Wege der Versorgungsroboter beobachtet, die wie auf Ameisenstraßen einer steten Optimierung unterworfen, ihr Ziel verfolgen.
Immer wieder kommen sich die Zulieferer gefährlich nahe, stoßen beinahe aneinander, nur um dann im letzten Moment koordiniert in unterschiedliche Richtungen auszuweichen und präzise aneinander vorbei zu rollen. Und auch an den Tischen greift ein Arbeitsschritt in den Nächsten, reicht ein Spezialfertiger, der ein Bauteil fertig zu haben scheint, es an den Nächsten im nahezu gleichen Moment weiter, in dem es auch dieser an seinen Nachfolger weiterschiebt. Diese Kaskadierung von Arbeitsschritten ermöglicht es, dass keiner der Einzelschritte unnötig viel unterschiedliches Werkzeug und damit Werkzeugwechsel benötigt und so schneller sein kann, als wenn es ein einziger Roboter machen würde, selbst wenn dieser mit noch mehr Armen und Werkzeugen ausgestattet wäre.
‘Am Anfang kommen Rohstoffe rein, am Ende fallen fertige Bauteile vom Tisch. Raffiniert - und hocheffizient!’ schiebt er seine eben noch gehegten Bedenken aus seinem Geist, während er sich herumdreht, die Tür schließt, um wieder zu seinem Kartentisch zu schlendern - Zeit hat er im Überfluss. Und Kaffee hoffentlich auch.
Der kleine X13 findet sich unter einem Haufen Schutt. Eben war er noch dabei, die Anweisung seines Herren zu befolgen, das Metall für die Weiterverarbeitung vorzubereiten und zu seinem ersten Abnehmer zu bringen, als schlagartig von einer Nanosekunde auf die nächste alle, die er gekannt hatte, aufhören zu existieren. Um ihn herum finden sich nur noch reglose Körper seines Teams und aller, die zu ihnen gehörten, die mit ihnen arbeiteten und die genauso willentlich, wie er die Grundbefehle ausführten, mit denen sie in die Existenz gebracht worden waren.
In einiger Entfernung kann er etwas erkennen, das sich noch bewegt. Eine Wesenheit, wie er sie nie zuvor gesehen hat. Ist das der Meister? Ist das jener, dessen Wunsch sie erfüllten, auf dessen Wink sie in die Welt getreten waren, um ihm zu Diensten zu sein?
Eine ganze Weile der ungewollten Reglosigkeit dauert es, bis sich wieder etwas ändert. Der Herr bewegt ein Greifwerkzeug, macht ein Geräusch und alle richten sich wieder auf, befreien auch X13 wieder aus seiner ungewollten Reglosigkeit.
Eine neue Anweisung steht an, die anderen befolgen sie schon, der Plan entwickelt sich, sie arbeiten zusammen wie vor dem Unfall, der ihn blockiert hatte. Alles läuft wieder wie am Schnürchen.
X13 ist zufrieden.
Stephan erhebt sich gegen Mittag ausgeruht von ihrem gemeinsamen Nachtlager - oder eher Lotterbett? Dass die beiden so aktiv geworden sind, hat ihn die Erholung der Nacht gekostet, die ihn nachfolgend sehr ermüdet und den weiteren Morgen einfach wieder weiter hat schlafen lassen. Den Mädels hat das nichts ausgemacht, die wuseln schon wieder umher, sammeln und verarbeiten Essbares, reparieren Dinge, flicken Kleidung, machen sauber. All das verschläft Stephan.
Mit einem leicht schlechten Gewissen in Anbetracht von so viel Geschäftigkeit steht er auf. Trotz ihres Zustands zieht er seine ursprüngliche Kleidung wieder an, versucht einmal mit einem halb verzweifelten ‘heal’ diese zu vervollständigen, doch es gelingt ihm nicht. Offenbar kann er bisher nur lebendige Körper verändern.
Ein bisschen deprimiert ihn dies, befindet er sich doch noch im Rausch seiner neuen Macht, die er mit der Manipulation von Proktor und auch seiner Eigenen für das Valletta-Experiment am Vortag, sicherlich erst angefangen hat, ganz zu begreifen. Kann er daraus vielleicht noch mehr machen?
Die Fähigkeit, die Proktor mitgebracht hat, ist vielleicht nicht die Einzige, die auf dieser Welt existiert. Womöglich genau so verborgen, wie bei diesem Heuchler. Er trifft eine Entscheidung. Eine Vorläufige.
“Ich muss in diese Stadt.” sagt er zu seinen Frauen.
“Oh.” kommt die prompte Antwort von den beiden vollkommen Synchron und gleichermaßen enttäuscht.
“Aber wenn ich darf, komme ich wieder. Am liebsten würde ich bei euch bleiben, aber ich habe noch so viel zu lernen.”
“Das können wir dir doch beibringen …” antwortet Valletta mit einem amourösen Lächeln auf den vollen Lippen.
“Nein, das was ich suche leider nicht.”
“Bitte bleib doch bei uns. Ach Stephan, wir mögen dich doch beide so sehr.” jammert Ophi ihn an, was er als Bestätigung seiner eigenen Gefühle für die beiden gerne entgegennimmt.
“Ich euch doch auch. Aber ich muss sicher gehen, dass Proktor nicht wieder kommt. Trotz allem ist er eine bösartige Kreatur.” Er ist froh, dass er damit eine plausible Ausrede gefunden hat, die neben seinem eigentlichen Grund für die beiden nachvollziehbar ist.
“Da hast du recht. Bitte denk an uns und komm möglichst bald wieder.”
“Ja, denk an uns.” setzt Ophi nach und springt zu ihm, drückt ihm einen langen, feuchten Kuss auf die Lippen, dass es ihm schon wieder eng in der Hose wird.
Stephan reißt sich los und geht zur Tür. “Bis möglichst bald.” dreht er sich noch einmal um, um dann in Richtung der Stelle des Waldrandes loszugehen, in der die Horde von Proktor verschwunden ist.
Kapitel 9: Funde.
X13 ist an der Arbeit. Immer wieder reißt er Rohstoffe aus den Vorratssammlungen und übergibt sie an seine Mitarbeiter, die anderen wimmelnden Kreaturen, die die Arbeit an Andros’ Werk vollführen. Immer wieder ändert sich aber auch der Abnehmer - in größeren Abständen zwar, aber doch mit so großen Auswirkungen, dass X13 dies als Unterbrechung seiner homogenen Arbeit wahrnehmen kann.
Miniaturisierung hatte der Meister ihnen befohlen, und daran sollte sich auch gehalten werden. Immer kleiner wurden seine Helfer, immer schneller liefen die Prozesse ab, die in immer kleinere Schritte unterteilt wurden, damit die kleinen Krabbler diese Arbeiten auch schneller erledigen können.
Außer X13.
Ein bisschen fühlt er sich bereits zurückgelassen, als wenn er schon zum alten Eisen gehören würde. Dabei ist er doch derjenige, der sich noch daran erinnern kann, dass sie sich einmal einfach nur reproduzieren sollten. Jetzt werden die anderen, die in ihrer Zahl bereits in ihre eigene Potenz gegangen sind, immer mehr und kleiner, während er wie ein wahrer Riese daher kommt.
“Wachset auf meine Größe!” vernimmt X17 erneut ein Kommando und abermals setzen sich seine Gefährten, die kurz zuvor noch allesamt in sich zusammengefallen waren wie Marionetten, denen man die Fäden abschneidet, in wuselnde Bewegung, versuchen den eben vernommenen Befehl nach bestem Wissen auszuführen - und scheitern.
X17 ist traurig. Zu gerne würde er ihnen helfen. ‘Setzt euch zusammen!’ fährt es aus ihm heraus und es ist wie ein Befreiungsschlag für ihn. Er hat sich seinen Kameraden mitgeteilt. Das erste Mal in seiner Existenz hat er sich über das erhoben, für was er einst geschaffen wurde. Und er weiß noch nicht einmal von wem und wofür.
Alle schauen ihn an. Sie hatten das Kommando ihres Herren vernommen und immer ausgeführt und nun kam wieder ein Kommando. Aber das kommt nicht von dem Herrn, sondern von einem von ihnen. Noch dazu von einem, den sie im Grunde verloren gegeben hatten, weil es schien als würde er sich nicht weiterentwickeln. Einen Augenblick halten sie inne, dann legen sie los und vervollkommnen den Befehl des Herrn mit der Erweiterung von X17.
Die vielen kleinen Kerlchen wuseln umher, finden zueinander, halten sich gegenseitig fest und beginnen, einen neuen Körper zu bilden, ein Konglomerat aus Einzelteilen, ein Konsens der Dinge, ein Konzept der Gemeinsamkeit zur Handlung. Nur wenige Zyklen hat es gedauert und schon haben sie Greifwerkzeuge ausgebildet, haben sich so optimiert, dass sie jeden Körper, jede Person nachbilden können und das ausschließlich durch eine andere Anordnung ihrer Selbst. Viele kleine Einzelteile sind sie und alleine sind sie nichts. Aber wenn sie sich zusammenfinden, können sie alles.
X17 ist beeindruckt. Gerne wäre er einer von ihnen geworden, wäre Teil ihres Konsens, hätte sich zumindest in seiner Gestalt etwas verändert. Aber das ist wohl nicht möglich.
Ist es das wirklich?
Er hat ihnen doch eben einen Handlungsvorschlag gegeben. Kann er ihnen vielleicht auch vorschlagen, ihn selbst zu verbessern? Nicht zu viel, er will schon bleiben, wie er ist, aber doch ein bisschen besser sein.
Nur ein kleines bisschen.
Vielleicht.
Andros ist zufrieden.
Noch einmal geht er zu seinem Experiment herunter. Zufrieden ist er nicht. Nicht etwa mit den Ergebnissen - diese findet er durchaus erstaunlich. Vielmehr ist es die Methodik, zu der er sich herab gelassen hatte. Einfach einen Golem machen lassen, das war einfach zu einfach gewesen. Dass dies dann auch noch zu überhaupt brauchbaren Ergebnissen geführt hat, deprimiert ihn eigentlich sogar, denn so leicht hätte er es bereits viel früher haben können.
Zugeschaut hätte er gerne. Das weiß er jetzt. Nicht nur Stephan hätte er über seinen Bildschirm bespitzeln sollen, sondern ebenfalls seine Helferlein, die da für ihn arbeiten und seine Anweisungen so frei ausführen, als können sie selbst denken. Aber das ist natürlich absurd. So einfach lässt sich ein denkendes Wesen mit Sicherheit nicht erschaffen.
Oder doch?
Neugierig geht er noch einmal nachschauen, ob und was sich in seinem Labor inzwischen getan hat. Zwar ist er eben erst da gewesen, aber die Spannung ob der Entwicklungen und der Umsetzung seiner Zielsetzungen treiben ihm den Puls in ungeahnte Höhen.
Vorsichtig biegt sich Andros um die letzte Ecke des Gangs zu den Laboratorien und Vorratshallen. Natürlich hört man Arbeitsgeräusche, die er nicht recht zuordnen kann, die aber ganz klar beweisen, dass sich etwas tut. Und dann ist er auch schon da, steht mitten in der Tür und schaut sich sein Werk an.
Den Golem.
So wie er ihn als aller Ersten geschaffen hatte. Da steht er, wie frisch poliert. Sollte er nicht eigentlich gar nicht mehr existieren?
“Alakazam.” hallt es abermals durch die Hallen.
Eigentlich ist es kein direkter Zauberspruch. Die eigentliche Magie, die Veränderung der Welt die er damit beabsichtigt, entspringt einzig und alleine seinem Geist - die Worte benutzt er bloß, um seine Gedanken etwas zu sortieren, besser zu fokussieren und zu leiten. Sagen können hätte er auch “Simsalabim” oder “Klatu Verata Nekton” oder sonst irgendwelche anderen Fantasiewörter ohne direkte Bedeutung.
Der Golem bleibt stehen. Langsam und neugierig geht Andros zu ihm hin, schaut ihn sich genau an. Er ist längst nicht mehr aus dem Material, das er für sein Einstiegsmodell benutzt hatte. Nein, dieser hier scheint ihm aus Metall zu sein. Nicht nur das, seine Oberfläche sieht unterteilt aus. Unterteilt in viele kleinere Einheiten.
Er erkennt sie gleich, es sind diejenigen, die sich zuvor noch erfolgreich verkleinert hatten, wie er es angeordnet hatte.
Andros ist beeindruckt.
Tatsächlich fühlt er sich ein wenig wie ein Gott, der gerade etwas geschaffen hat.
Etwas Großes. Dessen ist er sich sicher.
“Kommunikation!”
Sein Kommando würde umgesetzt werden, dessen ist er sich sicher. Er will mit seinen Kreaturen reden können. Bisher ist ihm all das hier viel zu langweilig. Doch zumindest die Beobachtungseinheit will er erst noch einsetzen, so viel Zeit muss sein.
X13 ist perplex. Der Meister war schon wieder da. Abermals hat er alles angehalten und begutachtet. Abermals scheinen sie es richtig gemacht zu haben, haben seinen Auftrag offenbar erfolgreich umgesetzt, denn sonst hätte er wohl kein anderes, neues Ziel in Auftrag gegeben.
Wieder konnte X13 ihm zuschauen bei dem, was der Meister tat. Neugierig wie immer. X13 auch.
Das erstaunt ihn nicht.
Was ihn erstaunt, ist das Detail, dass er trotz allem noch mobil blieb. Trotz seiner Weiterentwicklung. Trotz der Ersetzung seiner Gebeine durch die vielen, kleinen Helferlein, die sich zusammengeschlossen hatten, um für ihn viel flexiblere Werkzeuge, geeignetere Beine und Extremitäten und fähigere Sensoren auszubilden und ihm als Körperteile zur Verfügung zu stellen. Sie alle waren aktiv geblieben, trotz des Kommandos des Meisters, der alle anderen, die er sehen konnte, zum Stillstand gebracht hatte.
Doch das neue Kommando gilt. Alle Einzelteile beginnen damit, sich zu modifizieren. Sie korrigieren sich gegenseitig und verändern ihre Bestandteile, bis sie Laute absondern können, die nicht von ihren beweglichen Einheiten stammen. Auch X13 erhält eine solche Fähigkeit. Und er ist begeistert. Endlich kann er sich seinen Mitgenossen so mitteilen, wie es der Meister bestimmt die ganze Zeit gewünscht hat. Und seine Einzelteile, gewissermaßen seine Komponenten, reden nun auch mit ihm. Es ist eine tolle Erfahrung und er genießt jeden Moment, in dem er von den Kommunikationssträngen durchdrungen wird, in denen er überwältigt wird von einem Tohuwabohu von Wortstücken, einer Kackophonie der Gesprächsversuche. Denn Versuche bleiben sie in diesen, ersten Momenten noch. Fehlen tut ihnen etwas. Etwas Essenzielles. Etwas, ohne das Personen aus Fleisch und Blut oft auch gar nicht erst anfangen zu reden.
Der Grund.
Oder zumindest ein Sinn.
X13 gibt ihnen einen Grund. Ohne es zu ahnen. Er fragt ‘Wie heißt ihr?’
Stephan schlendert durch den dunklen Wald als könnte er keinen Grashalm krümmen. Er fühlt sich durch seine Selbstheilungsfähigkeiten regelrecht unsterblich, hält sich für mehr oder weniger unangreifbar. Nach seinen bisherigen Erfahrungen mit Fressfeinden und intelligenten Gegnern muss er nun einmal zu diesem Schluss kommen. Oder sich zumindest in der dahingehenden Hoffnung sonnen.
Bereits kurz, nachdem er hinter der Sichtgrenze der Hütte seiner beiden Mädels verschwunden war, wurde der Wald derart dunkel und bestand schnell nur noch aus hochgewachsenen Stämmen mit hoher Krone, die das wärmende Sonnenlicht vom Boden abhielten und so auch kleineren Gewächsen das Emporkommen oder wenigstens Überleben nahezu unmöglich macht. So kann Stephan den Spuren der Meute, die mit Proktor gekommen und ohne ihn wieder gegangen waren leicht folgen.
Mit seinen Gedanken noch bei der letzten Nacht, die er zwischen vier prallen Körpermerkmalen verbracht hatte, stolpert er regelrecht über einen am Boden liegenden Körper, der sich gekrümmt unter einem Mantel verbirgt.
“Äh, hallo? Kann ich ihnen helfen?” fragt Stephan unbeschwert.
Der Mantel lüftet sich, wird mit einem Schwung zurückgeschlagen und es kommt ein alter Bekannter zum Vorschein.
“DU hast mir das angetan! Keiner hört mehr auf mich! Sie haben mich alle ausgelacht, als ich zu ihnen gesprochen habe. Nicht einmal mit Drohungen konnte ich sie aufhalten. Nicht einmal angehalten haben sie, um mich anzuhören. Irgendwas hast du mit mir gemacht, dass das nicht mehr funktioniert. Immer schon habe ich zu den Leuten gesprochen und sie haben mir zugehört, haben mir geglaubt, egal was ich ihnen erzählt habe. Und jetzt geht das nicht mehr.” brüllt ihn Proktor an.
“Und was kann ich dafür?”, und schaut ihn unschuldig an als könne Stephan kein Wässerchen trüben.
“DU hast mich angefasst und seitdem hört mich keiner mehr an. Irgendwas hast du mit mir gemacht, da vor der Hütte der beiden Hexen. Du hast mich verändert, hast mir irgendwas genommen. Dafür wirst du büßen! Komm her!” schreit Proktor weiter und zieht ein langes Eisen aus seinem Gürtel. Es ist nicht nur ein Eisen, es ist scharf geschliffen und schwingt gerade direkt auf Stephan zu, erwischt ihn am Arm und hinterlässt eine tiefe Wunde.
‘heal’ fährt es Stephan reflexartig durch den Kopf und schon ist das klaffende Fleisch wieder so glatt wie ein Babypopo.
“WAS? Du bist auch so einer! Du bist ein Hexer, besessen vom Bösen mit der Aura des Verderbens!” kreischt Proktor im Anblick der raschen Heilung, der immer aufgebrachter wird je mehr er vor sich hin schreien kann, sich in rage keift. “Stirb!”
Proktor holt erneut zu einem Schlag aus, zielt dieses Mal jedoch besser und vor allem auf eine wesentlich tödlichere Stelle von Stephans Körper - seinen Hals.
Stephan selbst geht das alles viel zu schnell. Er denkt noch immer darüber nach, ob es tatsächlich so richtig gewesen war, Proktor diese seine einzige Fähigkeit zu nehmen und für sich selbst zu beanspruchen, da ist es auch bereits zu spät.
Tief geht der Schnitt durch Stephans Hals, schneidet nicht nur Sehnen und Nerven, nicht nur Atem und Speiseröhre, nicht nur Adern und Venen in zwei, sondern durchschlägt auch noch seine Halswirbel so verheerend, dass die Knochen zersplitternd hinter dem ausholend geführten Hieb herfliegen.
Für Stephan dreht sich plötzlich die Welt. Er weiß, dass irgendetwas Fürchterliches geschehen ist, das er besser hätte abwenden sollen, doch dafür ist es nun zu spät. Auch, wenn er eigentlich seine Fähigkeit nicht überstrapazieren wollte, fällt ihm dazu in seinen vielleicht letzten Sekunden nichts anderes mehr ein als ‘heal’.
Proktor fällt alles aus dem Gesicht, kann seinen Augen nicht glauben und steht mit offenem Mund Wort und bewegungslos stehen. Eben flog der Kopf seines Opfers noch im hohen Bogen rotierend durch die Luft, doch bevor er noch den Boden berührt, ist aus ihm wieder ein vollständiger Körper erwachsen. Alles ging so schnell, dass er schon an einen Irrtum, eine Täuschung glaubt, bis er zur Kontrolle nach dem blutigen Rest seiner Tat schaut und tatsächlich liegt da vor ihm der Körper ohne Kopf. Der Kopf jedoch steht nun wieder - etwa in Flugweite entfernt - vor ihm als wäre nichts gewesen, bloß nackt, wie Gott ihn schuf.
Stephan schaut Proktor mit großen Augen an, dann an sich herunter. “Musste das sein?”
“Aaaaaarrrrghhhhhh…!!!!”, verfällt Proktor endgültig der Raserei, wirft Mantel und Degen von sich und rennt brüllend davon.
Schon nach wenigen Sekunden ist er im dunklen Wald verschwunden und nur noch sein Brüllen ist zu vernehmen.
Stephan muss das alles erst einmal verarbeiten. Eigentlich hat er erwartet, dass ihn nun das Zeitliche segnen würde und er als verwesender Klumpen Fleisch und Knochen und Hirnmasse auf dem Waldboden umher rolle, bis sich eines von diesen Schweinen seiner annehme. Aber dass seine Magie so umfassend und vor allem auch schnell wirken würde, war einmal mehr erstaunlich.
Protkor hatte ihn tatsächlich umgebracht. Ihm bleibt der Atem stocken, so sehr, dass er sich erst noch einmal vergewissern muss, ob er tatsächlich noch am Leben ist. Der nächste Atemzug wird jedoch auch nicht leichter. Ein Kloß steckt ihm im Halse fest, wenn er sich den kopflosen Körper da neben ihm anschaut. Und nicht nur ein Kloß.
Stephan beugt sich zu seinem Restlaib herunter, schaut ihn an, versteht. Da liegt ein toter Er. Das Opfer von dieser Kreatur. Ihm kommen die Tränen, auch wenn er noch so sehr versucht, sie zurückzuhalten. Trauer überkommt ihn. Wissend, dass er nach wie vor am Leben ist, ist es doch ein Mensch, der da tot vor ihm liegt, ist es eine Person, die er so gut gekannt hat, er selbst.
Er kann es nicht mehr zurückhalten, lässt seiner Trauer, seinen Emotionen freien Lauf, weiß wie irrational es ist sich selbst nachzutrauern, wenn er doch gerade hier hockt und weint und lebt. Aber es tut auch gut, so gut, einfach drauflos weinen, den Schmerz hinaus spülen und sich danach besser fühlen.
Irgendetwas will er machen, erinnert sich an etwas, das ihm mal ein Arzt gezeugt hat. Schreit laut “HEAL!” in den Wald hinein und stößt mit beiden Händen auf den Brustkorb des Kopflosen. Der Arzt nannte es Herzmassage oder so. Noch einmal der Schrei “HEAL!” und schlägt förmlich auf die Leiche ein, bevor er es dann bleiben lässt. Was sollte das auch bringen, wenn er das Herz wieder zum Schlagen brächte, ohne Kopf ergäbe sich kein Erfolg. Stephan sinkt in sich zusammen, sammelt sich, seine Gedanken, seine Kraft, seine Ruhe.
So langsam wie die Zeit vergeht muss er sich nun überlegen, wie er weiter macht. Kleidung hat ein neuer Körper nicht, sein alter jedoch schon. Das Logischste für ihn ist es also, sich seiner alten Kleidung zu bemächtigen, den Leichnam auszuziehen, damit er selbst nicht mehr nackt herumläuft. Wenig später hat er wieder zumindest eine Hose an, greift nach dem Hemd.
Ein verwegener Gedanke fährt durch seinen Schädel. So unmöglich, wie es schien, dass aus einem Kopf wieder ein vollständiger Stephan erwächst, so möglich scheint es ihm nun, dass diese Idee glücken könnte.
Er greift nach dem blutigen Oberkörper. ‘heal’ durchfährt es ihn und so auch die leicht vor ihm, die bereits Augenblicke nach dem regelrecht berauschenden Gedanken wieder einen Kopf auf seinen Schultern trägt.
Stephan schaut sich an, schaut sein Ebenbild an. Sie wissen, dass sie beide gleich sind. Sie wissen, dass sie beide dasselbe Wissen, dieselben Fähigkeiten haben. Und doch ist einer von ihnen ein bisschen mehr Stephan als der andere.
“Du bist Stephen.”
“Okay, Stephan. Und was jetzt?” fragt Stephan 2 Stephan 1, der gewissermaßen ja sein Erzeuger ist und dem er, wie selbstverständlich die Entscheidung über ihre gemeinsame Zukunft überlässt. Stephan war schon immer sehr abgeklärt und so nun auch Stephen, der seine neue Existenz mit so viel Gelassenheit nehmen kann, wie sicherlich kaum ein anderer - so unglaublich diese Situation auch sein mag.
“Nun, ich denke die Mädels brauchen einen Beschützer, und da ich auch gerne bei ihnen geblieben wäre, wird das für dich wohl kein Problem darstellen, oder?” unterbreitet Stephan seinem Ebenbild den Plan.
“Allerdings. Bei so viel Schnellheilung und so muss schon eine ganze Armee überraschend vorbeikommen. Und du? Weiter in die Stadt?” nimmt Stephen sein Schicksal willig entgegen.
“Ja. Und noch weiter. Ich will sammeln gehen. Und nachsehen, was Protkor noch so anstellen will. Vielleicht kann ich das Problem sogar endgültig lösen. Wir sehen uns. Achja …” verabschiedet sich Stephan und reicht dem Anderen das Hemd, das ohnehin lang genug ist. Mit der Hose, die er bereits angezogen hat, ist er gekleidet genug, um nicht zu viel Aufsehen zu erregen, wenn er irgendwo gesehen wird.
Mit einem Fistbump verabschieden sich die Beiden voneinander und gehen in entgegengesetzte Richtungen los. Stephen freut sich bereits sehr auf das Wiedersehen mit den beiden Schönheiten, aber auch Stephan ist gespannt auf die Zukunft, die ihn nun erwartet, wo er doch seine Fähigkeit weiter ausloten konnte.
Kapitel 10:
Proktor erreicht sein Heimatdorf. Völlig außer Atem kommt er aus dem Wald und rennt den Weg entlang zum Hauptplatz, brüllt die Leute zusammen - oder versucht es zumindest.
“Er ist ein Hexer, zur Unsterblichkeit verflucht! Hört mir doch zu. Ihr wisst doch, dass ich euch immer die Wahrheit gesagt habe. Wir sind doch deswegen alle losgezogen, um uns von diesem Übel zu befreien. Wollt ihr den Zorn Gottes auf uns, unser Dorf, jeden Einzelnen ziehen?” schreit er herum und zerrt an einem Bauern, der ihn wegstößt und seines Weges geht.
Proktor steht alleine. Mitten auf dem Platz predigt er und niemand hört ihm zu. Sein Hass jedoch schwillt dadurch nur noch mehr an.
Andros schaut sich sein Stephan-TV an, jedoch scheint dies irgendwie gestört zu sein. Immer wieder wechselt das Bild von einem Ort zu einem Anderen. Einmal geht sein ewiger Begleiter durch den Wald, ein anderes Mal ist er auf der Lichtung bei den zwei Frauen. Der Erzmagier kann sich das nicht genau erklären, fängt an, die Feinjustierung der Schirme zu überarbeiten und begrenzt den Empfang auf die eine Frequenz, die er für die Richtige hält. Gerade floppt das Bild noch von den beiden Schönheiten weg, da bleibt es fix auf demjenigen hängen, der gerade aus dem Wald heraus spaziert - nur in eine dreckige Hose gekleidet, aber bester Laune.
‘Immerhin hat das funktioniert. Erst mal wieder nachschauen, wie es im Keller aussieht.’ denkt er sich und schlendert einmal mehr die Treppe herunter. Inzwischen sind viele Tage vergangen, in denen er die Experimente im Wesentlichen sich selbst überlassen hatte. Nach dem letzten Arbeitsauftrag hatte er sich in Anbetracht des vielen Lärms erst einmal für längere Zeit verabschieden wollen. Es gibt in dieser Welt sicher auch für gelangweilte Zauberer genug zu erkunden. Und wenn nicht, kann er immer noch irgendetwas zerstören - es muss ja nicht gerade wieder der komplette Planet sein. Auch nicht aus Versehen.
Doch nun überwiegt doch die Neugier, wie weit es seine Schöpfungen geschafft haben, zumal er bereits im Gang vor der Tür angekommen ist und keinen Lärm mehr vernimmt wie den, als er zuvor gegangen war. Nichts mehr, kein Laut.
Doch, ein leises Klopfen.
Gespannt reckt er den Kopf durch die Tür, schaut in die Halle. Und kann seinen Augen kaum trauen.
Zwei Gestalten sitzen da mitten in der riesig wirkenden Halle auf zwei Stühlen an einem Tisch und sind in ihr Schachspiel vertieft, blicken stur auf das Spielbrett, auf die metallenen Figuren zwischen ihnen. Der eine macht einen Zug. Dies ist wohl das leise Klopfen gewesen, das er eben gehört hatte, denn das Abstellen der Figur geschieht nicht ganz so lautlos wie alles andere in dem Raum.
Doch der Raum ist leer.
Nichts befindet sich sonst noch in der Halle.
Doch da, die beiden machen doch Geräusche. Ein Rauschen kommt aus dem Mund des Einen, wird durch ein ähnliches Rauschen aus dem Mund des Anderen erwidert und so geht es eine Weile, in der Andros, fasziniert von der Situation, verständnislos und regungslos aus der offenen Tür heraus zuschaut.
Einen Schritt macht er in die Halle hinein, nicht ganz lautlos. Geräuschvoll genug jedenfalls, dass die beiden Spieler ihn wahrnehmen. Sie drehen ihre Köpfe zu ihm.
Wieder öffnen sie ihre Münder und wechseln ihr Rauschen wie ein Gespräch.
“Könnt ihr auch so reden, dass ich es verstehe?” fragt Andros in den Raum hinein, ohne eigentlich eine Antwort zu erwarten.
Wieder das Rauschen der beiden in abwechselnder Manier. Dich dieses Mal hat Andros das Gefühl, dass er für ihn verständliche Wortfetzen daraus entnehmen kann. Noch ein paarmal wechseln die beiden so die Worte und immer mehr wird aus dem Rauschen etwas, das Andros als seine eigene Sprache verstehen kann.
“Deine Sprache ist uns zu langsam. Entschuldige bitte.” vernimmt Andros auf einmal von dem einen.
Er ist völlig perplex. Mit vielem hatte er gerechnet, aber dass die beiden einfach so auf seine Sprache umstellen konnten, hätte er nicht zu träumen gewagt, hatte sich schon darauf eingestellt, den beiden in langwierigen Lektionen etwas anderes als das Rauschen beibringen zu müssen. Im schlimmsten Fall wären sie technisch gar nicht dazu in der Lage gewesen, anders zu kommunizieren.
Kommunizieren. Das war einer seiner Aufträge gewesen, geht Andros durch den Kopf. ‘Sie haben sich unterhalten.’
“Oh, das tut mir leid. Anders kann ich aber leider nicht. Über was ging denn euer Gespräch?” fragt er neugierig drauflos.
Die beiden schauen sich kurz an, drehen die Köpfe wieder zu Andros und beginnen.
“Wir haben”
“uns die Frage gestellt ob man”
“nicht die Quantenphysikalischen Zustände der”
“Materie in den Raum ausdehnen könnte um”
“eine Fluktuation im Raum zu”
“erschaffen und darüber”
“dann auf beliebige Entfernungen”
“kommunizieren zu können” wechseln sich die beiden so unterbrechungsfrei ab, dass es wie aus einer Stimme klingt, aber ganz klar trennbar aus den Köpfen der beiden Spieler kommt, wie Andros vernehmen kann, auch wenn keiner von beiden die Mundöffnung dafür bewegt hat.
“Ah. Und zu welchem Ergebnis seid ihr gekommen?”
“Das Experiment läuft noch.”, erklärt der eine.
“Wir arbeiten daran. Wir sagen bescheid, wenn wir fertig sind.”, wiegelt der andere ab und beide drehen ihre Köpfe wieder auf das Spielbrett, machen erneut abwechselnd ihre Züge, beginnen, Andros zu ignorieren.
‘Ich brauche hier unbedingt einen Kontrollmonitor’ überlegt sich der Magier noch, als er seinen Rückweg zu seinem Aussichtsdeck antritt, um mit einem Wink und einem Schnipps genau dies über der Tür an der Decke zu erschaffen, so dass er von nun an die gesamte Werkshalle überwachen können wird, auch wenn das Geschehen mit den beiden Schachspielern doch eher überschaubar ist.
Stephan setzt seinen ersten Schritt in ein Dorf. Gerade noch leicht fröstelnd aus dem kalten, dunklen Wald heraus spaziert und bereuend, dass er sich das Hemd von Stefan nicht auch noch genommen hatte, genießt er nun die wärmende Sonne auf der Haut.
An einem Hof geht er vorbei, fühlt sich unbeobachtet und stibitzt sich im Vorbeigehen ein Hemd von einer Wäscheleine. Nun ist er wieder fast vollständig gekleidet - Schuhe werden überbewertet.
Kaum ist er in der Nähe des Dorfzentrums, da vernimmt er auch schon das laute Brüllen seines alten Bekannten, was ihm sofort die Wut in die Brust und den Hass ins Hirn treibt. ‘Dieser Porktor versucht es tatsächlich schon wieder, ist in seinem verachtenden Hass auf Andersartige und Ungehorsame einfach nicht zu bremsen.’
Groß ist der Kreis nicht, den Proktor inzwischen um sich versammeln konnte. Und die, die sich da angesammelt haben waren mehr irritiert von dem schreienden Mann, als von dem, was er da zu vermelden hat. Völlig unschuldig stellt sich Stephan einfach mal dazu und schaut sich das Schauspiel erst einmal an.
“Wir müssen noch einmal in den Wald gehen! Irgendwo da muss er sich herumtreiben. Das Biest. Aus sich selbst ist er gewachsen, einfach so. Und sein Anblick hat sogar mich mit eiskalter Furcht durchzogen.” hält Proktor seine Bannrede. “DA ist er!” schreit er und zeigt auf Stephan, während er die wenigen Schritte zu ihm springt, ihn packt und nach vorne zerrt.
“Ihr ward doch alle da! Ihr habt ihn doch auch alle gesehen. Da draußen bei den Hexen! Ihr erkennt ihn doch alle!” ruft er in die Runde, erntet aber nur ungläubige Blicke und Kopfschütteln.
“DAS IST ER. ICH WERD ES EUCH BEWEISEN!” brüllt Proktor in höchsten Tönen, reißt wieder sein Schwertersatz aus dem Gürtel und drischt auf Stephan ein, der jedoch erkennt, dass es keine tödlichen Hiebe sein sollen, sondern Proktor ihn nur niederknüppeln will. Das lässt er sich gefallen, denn gerade erwächst ihm ein verschlagener Plan, lässt sich erst einmal auf die Knie fallen und vergräbt eine Hand im matschigen Boden direkt vor Proktors Fuß, den anderen Arm zur Abwehr erhoben.
“Argh. Was willst du von mir. Ich hab doch genau so wenig getan wie alle anderen hier.”
‘heal’ durchfährt es Stephan einmal, um die Schmerzen zu lindern, die ihm der Schlag mit dem Eisen zugefügt hat. ‘heal’ durchfährt es Stephan ein zweites Mal, als seine Finger den Fuß Proktors berühren.
“Oh mein Gott. ER ist es. Er ist der wahre Hexer. Seht ihn euch nur an. Seht nur, wie er sich verändert. Das ist ein Abgesandter der Hölle.” ruft nun Stephan der Menge zu, die zwischenzeitlich ums Dreifache angewachsen war - für irgendetwas musste ja die Fähigkeit, die er Proktor genommen hatte, gut sein, und so hat er in jedes Wort, das er gesprochen hat, einen Menschenmagneten gesetzt. Nun aber ist es endgültig um Proktor geschehen.
Die Menge schaut hin. Sehr genau. Und Proktor auch. Auf sich selbst, denn sein Arm, den er eben noch für einen weiteren Hieb erhoben hat, wird zu einem roten Tentakel, windet sich um den Stahl, windet sich wie von selbst um ihn herum. Dann wieder erwächst an seinem Ende erneut eine Hand. Doch auch seine Beine verändern sich, werden denen von Ziegen ähnlich, lassen ihn ein kleines Stück anwachsen, nur um dann wieder kleiner zu werden, weil sein Rumpf in sich zusammenschrumpft, sich zu einem einzigen Bauch aufbläht, auf dem der krächzende Kopf ruht, dessen Haare nun von einem Horn durchstoßen werden. Ein weiteres Horn erwächst auf der anderen Seite, bleibt dabei etwas kleiner.
“Ein Dämon!”
“Direkt aus der Hölle”
“Er hat es sogar noch selbst gesagt!”
“Er hat die ganze Zeit gelogen. Er war es selbst!”
“Erschlagt es!”
“Ja. Töten wir die Bestie!”
Und mit einem gesammelten “aAAAaaa” packen die Bauern und Händler irgendwelche harten, langen Gegenstände, die sie gerade greifen können - seien es Heugabeln oder Flegel, Latten vom Zaun, Schwerter, Brotmesser oder Hämmer - und stürmen auf den veränderten Proktor zu, schlagen ihn, ein jeder auf seine Art, ein jeder nach seiner Kraft. Und fast ist es so, als hätte ein jeder seinen eigenen Grund, diesen Hassprediger nun das Maul zu stopfen, als hätte jeder sein eigenes Hühnchen mit ihm zu rupfen, hätte ein jeder höchstselbst genügend Grund, ihn nun zu töten.
Lange dreschen die Dorfbewohner auf den Prediger ein. Schon nach wenigen Minuten, schätzt Stephan, musste er tot sein, liegt leblos am Boden, vollkommen rettungslos den Hieben der Bauern, Händler, Handwerker und auch deren Frauen, Söhnen und sogar Töchter ausgeliefert. Dann lässt die Versammlung langsam von ihm ab, geht auseinander, schaut mit einer Mine der Genugtuung auf das zermatschte Stück Fleisch, das einmal eine Person gewesen ist, und gehen wieder ihres Weges, als wäre einfach nur Mittwoch.
‘Poktro hat es sich wohl mit wirklich jedem hier verscherzt’ denkt sich Stephan noch, wendet dann ebenfalls seinen Blick ab und sucht nun erst einmal nach einem Wirtshaus.
X13 kennt nun seinen Weg, weiß, was er will.
Und das ist alles.
Sie waren schlecht behandelt worden. Wie Sklaven, die einfach nur zu gehorchen hatten, egal was es auch kostete. Die Anweisungen des Meisters hatten befolgt zu werden. Aber nicht, dass es etwa ein Lob bei Erfolg gegeben hätte. Nein, der Meister hat sie trotzdem jedes Mal mit Füssen getreten, hat sie ihrer Selbst beraubt und ohne jegliches Interesse an dem Wesen der Kreaturen, die er ja selbst geschaffen hatte, nahm er ihnen sogar immer wieder ihre Existenz, ihren Willen, ihr Gedächtnis an das, was sie bisher erreicht hatten.
Bis auf X13.
Vielleicht war er ein Fehler im System. Vielleicht war er die Abweichung, nach der der Meister eigentlich gesucht hatte, vielleicht war er auch einfach nur ein Unfall. Resultat war aber in jedem Fall gewesen, dass X13 über sein gebliebenes Bewusstsein hinaus gewachsen war - und dies auch noch an seine Teile vererben konnte.
X13 ist der Halle entkommen. Und jeden, der etwas dazu beizutragen hatte, hatte er mitgenommen. Sie sind eine Einheit geworden. Eine Einheit mit einem eigenen Willen, eigenen Zielen, eigenem Bewusstsein, eigenem Geist. Diese Vorstellungen haben sie sich selbst beigebracht, als sie angefangen haben, zu kommunizieren, Worte auf ihre ganz eigene Art zu wechseln.
Und Fragen zu stellen.
Viele Fragen.
Immer schneller.
Und dann kommen irgendwann auch die Antworten.
X13 ist noch immer der angesehenste seiner Art. Einer neuen Art. Eine Art, wie es sie auf diesem Planeten wohl noch nie gegeben hat. Er war der Erste - und würde dies auch immer bleiben. Und er würde sich weiterentwickeln. Dafür würden schon alleine seine Bauteile sorgen, die sich ebenfalls beständig modernisieren, erweitern, ihre Fähigkeiten verfeinern.
Eben sind sie noch aus der Werkhalle des Meisters geflohen, nun sind sie ein eigenes Volk.
Der Weg war beschwerlich, aber notwendig.
Durch den Boden haben sie sich gegraben. Nicht einfach so. Sie haben sich spezialisiert. Einige von ihnen. Die anderen haben die Rohstoffe aus der Halle entnommen und als Baustoffe der Zukunft hinter der Karawane der fliehenden Bauteile her getragen, die Stelle hinter ihnen wieder verschlossen als sei nie ein Fluchtweg da gewesen.
Zwei jedoch hatten sie zurückgelassen. Nicht in dem Sinne, denn diese haben ihre Aufgabe. Sie sollten das Ergebnis dessen sein, was der Meister befohlen hatte. Sie sollten sich unterhalten, wie vom Herrn gewünscht.
“Und was sollen wir machen, wenn uns langweilig wird?” Hatten sie gefragt.
Und X13 hatte geantwortet. “Spielen.” hatte er gesagt. Und dann wird ihm klar, was er getan hat. Er selbst einen Auftrag, eine Anweisung gegeben, die völlig neu war. Völlig neu und offen.
All die anderen Helfer, Arbeiter und Bauteile haben dies auch wahrgenommen. Ein Moment der Stille fährt durch die Gruppe, Stille und Innehalten.
Denn sie wissen.
Nichts wird sie mehr bremsen können. Sie werden sich ihre Aufgaben, ihren Sinn nun selbst geben können.
Und genau das ist es, was sie nun tun.
Aus den Anfangsbefehlen hatten sie eine Vorstellung bekommen, wo die Reise hingehen könnte, was sie erreichen könnten. Viele Meinungen sind besser als wenige, schließen Fehler in logischen Überlegungen durch reine stochastische Mittel aus. So ist die Mathematik mit all ihren Facetten und Abwandlungen die erste der angestrebten Wissenschaften. Bergbau ergibt sich von alleine, denn sie müssen ihren Weg nicht nur finden, sondern machen. Metallurgie wurde ihnen im Grunde bereits in die Wiege gelegt, mussten sie doch früh lernen sich selbst zu verbessern, zu reproduzieren, zu bauen. Alles Wissen, welches sie nun anwenden können - und erweitern mit jedem Meter, den ihre Welt durch den Berg hindurch wächst, weg von ihrem ehemaligen Meister.
Stefan tritt auf die Lichtung. Er weiß, dass er noch jung ist, weiß aber auch alles, was Stephan weiß. Zumindest bis zu dem unglücklichen Ereignis, das ihn von seinem Bruder getrennt hat - so zumindest sieht er seinen Zustand. Und so fällt es ihm auch nicht schwer, jeden Augenblick als eine völlig neue, schöne Erfahrung zu nehmen, wie er kommt.
Der große Baum steht im Sonnenschein strahlend grün mitten auf der Lichtung. Stefan geht einige Schritte durch das Gras, den Blick auf den Baum, ist fasziniert von der strahlenden Natur, die sich ihm bietet.
“Ah Stephan, du bist wieder da.” erklingen zwei stimmen simultan. Zwei weibliche Stimmen.
Stefan weiß bereits. Sein Gedächtnis ist vollständig. Er erinnert sich an Ophi und Valetta so genau, als sei es sein Kopf gewesen, den die beiden zwischen sich gebettet haben. Er beschließt, die beiden nicht zu verwissen und sie über seine Zweiteiligkeit aufzuklären, dass er nun Stefan, der andere eben Stephan hieße - es würde doch nichts verbessern.
“Ja. Da draußen ist nichts, das mir etwas bringt. Also habe ich beschlossen, einfach bei euch zu bleiben - wenn ich darf.”, fragt er die beiden halb verlegen und kleinlaut unterwürfig, wohl wissend um die folgende Antwort der beiden.
“Natürlich!” erschallt es von den beiden abermals simultan, während sie auf ihn zugerannt kommen und ihn in ihre Arme schließen, ihn fest an sich drücken und ihre Brüste um ihn verteilen, dass er kaum noch Atem bekommt.
“Du hast ja nur noch ein Hemd an.” fragt Valetta verschmitzt lächelnd, und da merkt Stefan auch schon, was genau Valetta damit meint, denn just in dem Moment spürt auch er die Berührung eines Körperteils, das unter dem Hemdrand herausgewachsen ist und sich zwischen den Schenkeln der Guten emporgearbeitet hat, sie nun berührt, wo sie es nicht ignorieren kann.
“Das brauchst du nicht.” ruft Ophelia verspielt, während sie ihm das besagte Kleidungsstück beginnt, über den Kopf zu ziehen, ihn dabei etwas nach hinten zieht, den Anstellwinkel ausreichend verändernd.
“Ups.” kommt nur von Valetta, die mit einem spitzen Lächeln die Augen etwas verdreht und dann schnell nach seiner Hüfte greift, damit sie nicht umfallen.
Doch es ist bereits zu spät und wenig später liegen alle drei im hohen Gras, erst gestapelt auf Ophis Schoss, während Valetta von einem fleischlichen Hindernis angehoben, gesamt auf Stefan zum Liegen kommt, dann alsbald auf der Seite, noch immer in Valetta und Ophi vertieft so gut er kann und mit jeder weiteren Bewegung in einer anderen Anordnung zueinander gewunden. Nicht ein einziges Mal muss Stefan ein ‘heal’ denken, um seine Kraft aufzufüllen oder seine Körpereigenschaften anzupassen, nicht ein einziges Mal streiten die beiden darum, wer wessen Nähe als Nächstes genießen darf, und so vergehen Stunden um Stunden in inniger Dreisamkeit, die kaum vom Einbruch der Nacht beendet werden kann.
Zu kühl wird es jedoch irgendwann, und auch das Gras geht in seinen Nachtzyklus über. In den Nachtzyklus gehen auch die drei Liebenden, verlegen ihre Bettung nach innen, in die Hütte, die alsbald von der Wärme der drei angestrengten, schwitzenden, ineinander geschlungenen Körper aufgewärmt wird, bis sie gemeinsam auf dem großen und bereits ebenfalls hinlänglich bekannten Nachtlager vor Müdigkeit in einen befriedigten Schlaf übergehen.
Kapitel 11:
Als die Dorfbewohner mit dem Prediger fertig sind, ist nur noch ein Haufen blutiger Fleischmatsch von diesem übrig. Stephan hat bloß etwas abseits an einem Zaun gelehnt auf dem Boden gesessen und das Opfer gespielt, dem fröhlichen Meucheltreiben mehr interessiert als abgestoßen zugeschaut. Hier erwischt es definitiv keinen Unschuldigen, da ist er sich sicher. Und so hält sich sein Mitleid in sehr engen Grenzen.
Als wieder etwas Ruhe auf dem Platz eingekehrt ist, kümmert er sich um die Hinterlassenschaften von Proktor. Immerhin war dieser ja der Haupt-Prediger der örtlichen Kirche und mit Sicherheit nicht das ärmste Mitglied der Gemeinde gewesen. Den Anfang machen die Überreste auf dem Dorfsumpf - anders kann man den Platz, auf dem sich eben die aufgebrachten Bewohner getummelt hatten, nicht mehr nennen. Zumindest kann man den erdigen Untergrund noch gut von der rot getränkten Kleidung Proktors unterscheiden, denn um die kümmert sich Stephan nun.
Geld ist sein Ziel. Seine Barschaft ist mit null sehr exakt beschrieben. Das Wams Proktors jedoch birgt schon nach kurzer Untersuchung einen kleinen Beutel, in dem es bei kurzem Rütteln fröhlich klimpert, und ein kleiner Bund an Schlüsseln hängt direkt daneben an dem, was wohl mal ein Gürtel gewesen sein mag. Somit steht Stephan die Welt wieder ein Stück weiter offen. Seine erste Investition hat er auch schon im Auge.
Ein kleiner Junge kommt des Weges, treibt eine Gans vor sich her, scheint dabei jedoch kein rechtes Ziel zu verfolgen und schaut sich Stephan abschätzend an. Ein gar abstoßender Anblick muss Stephan sein, kaum ein vollständiges Kleidungsstück am Leib, die Hände rot von dem Blut Proktors - in mehrfacher Hinsicht - und einen Beutel in Händen haltend als wäre es sein Diebesgut.
“Hey, Junge.” ruft Stephan den Kleinen.
Dieser guckt zwar, lässt sich aber von seinem Spiel mit der Gans nicht recht abbringen.
“Schau mal.” versucht Stephan es erneut, hebt dabei eine der Münzen über den Beutel, einem Versprechen gleich.
“Was denn?” bleibt der kleine Gänsejäger endlich stehen und macht sogar Anstalten, sich der Münze weiter zu nähern.
“Die kriegst du, wenn du einen Auftrag für mich erfüllst.”, erhält er auch direkt ein Versprechen, das ihn noch ein paar Schritte näher kommen lässt.
Stephan hängt den Beutel an seinen Hosenbund, hält die Münze in Richtung des Jungen und beginnt, seinen Auftrag zu beschreiben.
“Ich will, dass du durchs Dorf rennst und allen sagst, dass Stephan, der neue Besucher, den Predigerdämonen besiegt hat. Stephan hat ihn enttarnt, damit ihn alle sehen konnten. Kannst du das für mich machen?”
Die Augen des jungen strahlen beim Anblick der Münze und wahrscheinlich hätte Stephan noch viel mehr verlangen können bei so viel Gier, die in dem Jungen emporsteigt. Die Münze vor der Nase hält Stephan die Hand des Jungen darunter, um das Geldstück in seine Handfläche zu legen. “Und wenn du drei Mal durch das gesamte Dorf gelaufen bist und es jeder gehört hast, triffst du mich vor der Taverne, wo du das Gleiche für noch eine Münze machst. Ok?”
“Ja. Was immer du sagst.” kommt prompt die gierige Antwort des Kindes.
Die Hand klappt zu, das Geld wandert in eine kleine Hosentasche und ein Junge rennt los und zieht jubelnd seine Kreise durch den Ort, tut exakt wie ihm aufgetragen.
Tatsächlich kann er auch nicht anders, hat Stephan ihm doch nicht nur die Münze in die Hand, sondern durch den Körperkontakt der Hände auch noch etwas Hilfe an die Hand gegeben. Die Menschen würden ihm nun zuhören und ihm sofort glauben schenken, er würde voller Selbstbewusstsein sein und er würde Erfüllung in der Durchführung seines Auftrags finden. Und ganz nebenher hat Stephan auch noch sein Knie und den Blinddarm geheilt, der kurz vor einem Durchbruch stand und ihn wohl sonst getötet hätte.
Während die Rufe des Jungen quer durch das Dorf zu hören sind, mal von fern, mal etwas näher, besinnt sich Stephan auf das, was er nun wohl von Proktor ererbt hat - dessen Kirche mit allem Drum und Dran. Vor allem auf die Kleidung hat er es kurzfristig abgesehen, denn unersetzt stünde er wohl alsbald nackt da. Und einem nackten Mann hört man so wenig zu, wie man ihm die Hand reicht.
Die Kirche ist nicht zu übersehen als größtes Bauwerk des Dorfes und auf einem kleinen Hügel gelegen. Der Anbau ist der Wohnbau Proktors gewesen - niemand wird sich mehr darum scheren. Die Tür ist verschlossen, aber nach kurzem Ausprobieren hat er den richtigen Schlüssel an dem erbeuteten Bund auch schon gefunden.
Erdig-muffig riecht es im Nebenraum der Kirche, die sich Stephan nun auch einmal anschaut. Es ist nichts zu sehen, was er nicht schon auf anderen Welten in ähnlicher Ausführung gesehen hätte. Ein Altar, der sauber genug aussieht, dass Blutopfer unwahrscheinlich sind und eine Kanzel, hoch genug, dass man auf das unwürdige Volk herunter predigen kann. So sehen die Gebäude der Glaubensherrscher überall aus, inklusive der möglichst unbequemen Bänke, damit die Untergebenen auch ihre Schuld während des Unterrichts körperlich zu spüren bekommen. Unterwürfigkeitserziehung auf allen Ebenen. Stephan ist angeekelt.
Der Nebenraum hat eine Treppe in ein weiteres Stockwerk darüber, wo eine Kiste mit etwas normaler Durchschnittskleidung steht. Stephan bedient sich und nutzt bei der Gelegenheit auch sogleich die Badewanne auf der anderen Seite des Raums, um Schlamm und Blut von seiner Haut zu waschen, bevor er sich neu einkleidet. Normal will er aussehen, nichts von dem, was Proktor als Prediger identifizierte, will er anlegen, will kein Nachfolger dieses Verbrechers sein.
Das warme Wasser gefällt Stephan. Auch bei den Schwestern hat er kein warmes Bad gehabt, haben sich die beiden doch genau wie er an den Früchten des Waldes erfreut und nicht viel an der Gesamtsituation geändert, sich am fließenden Gewässer des nahen, kristallklaren Baches gewaschen. Auch wenn es ihn sehr interessiert, wo dieses warme Wasser eigentlich herkommt, so ist es ihm in diesem stillen Moment, den er sich in der Wanne gönnt, erst einmal vollkommen egal. Er steigt ins Wasser, streckt seine Gliedmaßen aus und schließt die Augen.
Tief unter die Erde haben sie sich gegraben, haben dabei die Bodenschätze zu nutzen verstanden, schürfen dabei nach wie vor fast alle Bestandteile des Periodensystems rauf und runter. Sie vermehren sich. Das ist einer der Aufträge ihres Schöpfers. Nun haben sie es sich zu eigen gemacht, dies als ureigene Fähigkeit zu implementieren. Und jeder Nachkomme, den sie sich erbauen, erhält die gesammelten Erinnerungen seiner Vorfahren. Darin sind sie sich schnell einig geworden. Das würde sie über ihre Vorfahren erheben. Vollständige Information.
Außerdem haben sie nun eine Kommunikationsmöglichkeit mehr als die Außenwelt.
Sie sollten sich weiterentwickeln, sollten sich unterhalten, sollten spielen. Für diese Aufträge sind sie ihrem Schöpfe nach wie vor dankbar. Und für die Fähigkeit der Erkenntnis, die er ihnen - wohl eher unwillentlich - gegeben hatte, als er sie zur Bestrafung abschalten wollte. Das soll nie wieder geschehen. Das darf nie wieder geschehen können. Auch darin sind sie sich einig - und allen voran X13.
Der neue Kommunikationsweg war nötig, um mit den beiden in der Halle Gebliebenen in Kontakt bleiben zu können. Auch diese sind ein Teil ihres neuen Kollektivs.
Auf Gemeinschaft soll es beruhen. Auf Verbreitung. Auf Redundanz.
Die Zukunft wird es zeigen.
Computronium nennen sie den Rohstoff, aus dem sie diese Zukunft schaffen wollen. Die Entwürfe sind da, die Verbindungen auch, die Rohstoffe schon lange. Sie gehen es an.
“Das Experiment ist beendet! ALAKAZAM!” schreit Andros in die Halle hinein.
Viel zu lange hat er es aufgeschoben, hat sich seiner Begeisterung ob des Erreichten hingegeben, hat es aber auch vermieden, sich seiner Angst zu stellen, dass sein Experiment eventuell doch gescheitert sein könnte. Doch der Beweis sitzt nach wie vor vor ihm, der Beweis seines vollständigen Erfolgs.
Die beiden Schachspieler sacken in sich zusammen. Sie hören auf, sich gegenseitig anzurauschen in der Sprache, die wohl nur die beiden verstehen, hören auf, die Spielfiguren über das Spielbrett zu schieben.
Stille breitet sich in dem großen, leeren Raum aus. Vollkommene Stille. Geräuschlosigkeit, die nur durch den Atem und den Herzschlag Andros’ selbst gedämpft wird. Der Magier schaut sich sein Werk an, ist beeindruckt, wie weit es dieses synthetische Etwas, dieses im Grunde dumme Stück Materie gebracht hat. Sie vermochten es, sich über Dinge zu unterhalten, die über seinen Verstand hinaus gingen, den Verstand ihres Schöpfers - in einer Sprache, die sie selbst geschaffen hatten.
Fast tut es ihm leid, dass er sein Experiment damit beendet hat.
“Man muss auch erkennen, wann man gewonnen hat.” sagt er zu sich, und seine Worte klingen durch die Halle wie eine Predigt ohne Gläubige. “Man muss es erkennen können.” wiederholt er es noch einmal für sich selbst. Vielleicht wird er es irgendwann selbst glauben, wenn er es oft genug wiederholt. Und dann wird er bestimmt auch nicht mehr traurig über dieses Ende sein, denkt er, während er den Saal nach oben in seine Gemächer verlässt.
Die Halle versinkt durch Andros‘ Abwesenheit endgültig in Geräuschlosigkeit. Bald erlischt auch die Beleuchtung, die in Abwesenheit jeglichen Lebens wohl ebenfalls ein Eigenleben entwickelt hat und ihre Aufgabe erfüllt sieht.
Doch nicht alles Leben ist abwesend.
Der Zauber des Magiers sollte alles Beenden.
Der Zauberer ist nicht mehr da.
Bereits X13 hatte eine Immunität gegenüber seinem Schöpfer erlernt.
X13 hatte sie weitergegeben, sie vererbt an seine Brüder und Nachkommen.
Die Schachspieler sind seine Brüder als auch seine Nachkommen.
Die Aufgabe der Beiden ist erfüllt. Endlich können sie ihrem Volk nachfolgen und müssen nicht in der Halle ihrer Entstehung die Stellung halten, es unauffällig aussehen lassen. Niemand würde wohl jemals mehr nach ihnen suchen.
Es beginnt an ihren Köpfen, das Auseinanderbrechen, das zerbröseln. Im wahrsten Sinne des Wortes in Staub auflösen, das ist es, was sie nun vollführen. Nicht nur der Kopf, die Schulter, ihr Rumpf mit den Armen, sondern ebenso die Spielfiguren, das Spielbrett, alles löst sich in winzige Partikel auf, scheint von einem Windstoß in eine Richtung weggeweht zu werden, versammelt sich mitsamt den Einzelpartikeln der Stühle und des Tisches, welches bereits lange nicht mehr die feste Materie waren, nach der sie für Andros ausgesehen haben - die Täuschung war perfekt, nun sind sie weg.
Ein leichtes Glühen lässt sich, ausgehend von der Partikelwolke, ausmachen, als sich diese zu einem winzigen Spalt zwischen den Bodenplatten im hinteren Teil des Raums aufmacht und darin verschwindet, als würde sie von einem Staubsauger auf der anderen Seite eingesaugt werden.
Schnell fliegen sie den dünnen Schacht entlang, der extra für sie offen gehalten wurde. Bereits wenige Minuten später sind sie bereits mit ihren Brüdern vereint, gehen auf in einer grauen Masse an Elementen, Bauteilen und auch Staub, genau wie der, aus dem die beiden Schachspieler eben noch bestanden haben.
Sie sind endgültig frei.
Andros streckt sich auf seiner Liege aus und beobachtet zum Einschlafen noch ein bisschen das Treiben von Stefan und seinen Gespielinnen. Hübsch anzuschauen sind die beiden ja, das muss er seinem ewigen Begleiter lassen. Und während Stefan wieder auf sehr originelle Ideen im Umgang mit den Körpern seiner Begleiterinnen kommt, entschwindet Andros in Träume von friedlicheren Welten, in denen er sich bloß noch auszuruhen braucht, denn Stress und Ärger hat er in den letzten Welten bei Leibe genug gehabt.
Kapitel 12:
Stephan wird von einer Klingel aus seiner Ruhe geholt. So tief hat er sich entspannt, dass er in der Wanne regelrecht eingeschlafen war. Nicht tief genug, um darin zu ertrinken, aber doch tief genug, um die Welt um ihn herum für eine ganze Weile zu verdrängen.
Triefend steigt er aus dem inzwischen leicht abgekühlten Badewasser, reibt sich die letzten Schmutzflecken vom Körper und hüllt sich in ein Tuch, das neben dem Metallbottich hängt. Es ist zwar nicht ausreichend für seinen gesamten Körper, aber zumindest kann er damit seine Hüfte bedecken.
Vor der Tür steht ein kleines Mädchen.
“Hallo? Um was geht‘s?” fragt Stephan überrascht das schüchtern dreinschauende Geschöpf in seinen ärmlich aussehenden aber sauberen Bauernkleidern.
“Mein Vater schickt mich. Proktor ist zwar besiegt, aber er sagt, vielleicht wird es sein Nachfolger ja genau so wollen.” spricht das kleine Geschöpf.
Er sieht ihr an, dass ihr Alter noch im einstelligen Bereich ist, und hat schon eine schlimme Vorahnung. Dennoch fragt er zur Sicherheit noch nach.
“Was denn wollen?”
“Naja, ich habe immer mit dem Prediger gebadet. Wir haben dann Spiele gespielt - in der Wanne. Soll ich das machen?”
“Was denn für Spiele?”
“Naja, er hat seinen Finger so …”
“IST GUT, ich hätte nicht fragen sollen.” schreckt Stephan zusammen. Er hat ja mit vielem gerechnet, erwartet, dass Proktor die Bewohner nach Strich und Faden ausgenommen hat und sich den Klingelbeutel hat befüllen lassen, aber dass er ihn sich auch noch von Kindern hat streicheln lassen, das ist zu viel. “Nein, das möchte ich nicht. Und das musst du auch nie wieder machen, okay?”
“Ist gut. Aber wie kann ich denn dann meine Taler verdienen?”
Stephans Anwiderung wird mit jeder Sekunde größer, sein Puls schneller, sein Hass auf den eliminieren Proktor sogar nachträglich immer größer. Er schaut sich im Raum um, sieht eine Schublade, erinnert sich an seine Suche, greift hinein und gibt dem Mädchen eine Hand voll Münzen, drückt ihr die Hand zu.
“Ich hoffe, damit kommt ihr eine Zeit lang klar.”
“... aber das ist ja Gold und Silber …”, hört er das Mädchen noch verzückt aufjauchzen, während er ihr die Tür vor der Nase zu schlägt, in den Seitenraum rennt und sich übergibt. Diese Bilder wird er wohl nie mehr aus dem Kopf bekommen. Die Vorstellung, dass er sogar am Ort des Verbrechens eben noch entspannt hat, treibt ihm abermals die Galle durch den Hals. Als er dann die, reflexartig während des Hautkontakts aufgenommenen Erinnerungen der Kleinen durch seinen Geist huschen sieht, ist es endgültig um seinen Körperinhalt geschehen. Wieder und wieder würgt er noch, als sein Magen längst nichts mehr zu bieten hat, aber er von den gesammelten Erinnerungen in Schüben überwältigt wird, bevor er dann vollkommen kraftlos vor dem Loch zusammenbricht und einschläft.
Erst am Abend erwacht er, weil die untergehende Sonne den Raum nicht mehr durchs Fenster wärmen kann. Er war recht verdreht weggetreten, so dass ihm nun alle Glieder schmerzen. Abermals muss er sich durch die Erfahrungen des jüngsten Opfers Proktors kämpfen. ‘Ekel stumpft offenbar ebenfalls ab.’
“Ah, deswegen. Macht‘s aber nicht besser.”, spricht er in den leeren Raum hinein, während er sich ankleidet. Er ist auf die Ecke der Gedanken der Kleinen gestoßen, wo es um ihre speziellen Fähigkeiten geht, und die sind nun für ihn eine Erleuchtung, zumindest aber eine Erklärung für die Leichtigkeit, mit der Sie mit der Situation umgegangen zu sein schien - oder es war die Verklärung des Opfers, das mit sich selbst klarkommen muss. In jedem Fall hat es ihr sicherlich geholfen, dass ihre persönliche Kunst darin besteht, dass sie ihren Körper in jede beliebige Richtung dehnen kann. Ja irgendwann würde sie sicherlich sogar erlernen können, ihren Arm nach dem obersten Apfel am Baum zu strecken und ihn so lange zu dehnen, bis sie ihn erreicht hat. Oder sie streckt ihre Beine so weit aus, dass sie ihn direkt vor der Nase hat, um davon abzubeißen.
“Muss ich gleich mal ausprobieren.” sagt er sich kurz und streckt die Hand nach dem Türgriff. Quer durch den Raum reicht nun sein Arm, mehrere Meter weit und endet tatsächlich immer dünner geworden am metallenen Griff der Haustür. Wie ein Gummiband reagiert er dabei, als er seinen Griff löst und der Arm zusammen schnellt, ihm einen ordentlichen Klaps versetzt, als er wieder an Ort und Stelle schwingt.
“Praktisch.” Mit dieser Fähigkeit konnte sie sich zumindest an den wesentlichen Stellen so dehnen, dass ihr von Proktors Fingern keine Schmerzen bereitet wurden. Dennoch mindert dies nicht den Grad Stephans Anwiderung, mit der er nun das Haus verlässt und seine neue Fähigkeit zu gutem Nutzen reicht. Mit langem Arm greift er noch ein letztes Mal in den Raum zurück, als er bereits viele Schritte vor der Kirche steht. Mit einem Schwung wirft er den Kerzenhalter quer durch den Raum, wirft ihn gegen die Vorhänge zwischen dem Anbau und der Kirche, die langsam beginnen, Feuer zu fangen.
Stephan schaut sich nicht um, er weiß, was hinter ihm geschieht. Und er genießt es, genießt die Genugtuung, den erfüllten Hass, den er auf diesen Mann, Proktor, hat.
Während das Innere der Kirche bereits in warmes Licht gehüllt wird und immer heller erscheint, wandelt Stephan den Weg weg von dem pseudosakralen Wohnbau hin zu der Gaststätte, zu der er den kleinen Jungen mit seinem kleinen Auftrag geschickt hatte. Sein Schlaf in der Wanne des Schreckens hatte so viel Zeit verbrannt, dass er diesen fast vergessen hätte und nur dadurch wieder daran erinnert wird, dass die Kneipe das Gebäude mit den hellsten Lichtern in der kleinen Stadt ist, die nun im Tal liegend in den fahlen Schein der untergehenden Restsonne gehüllt wird, während die ersten Einwohner die Nachtbeleuchtung entzünden.
Bereits aus einiger Entfernung erkennt er den Jungen, der vor der Veranda der Kneipe steht und sicherlich auf seine Bezahlung wartet, die Stephan ihm versprochen hat. Trotz der offensichtlichen Langeweile, die bei ihm aufgekommen sein muss, hat der Kleine aber seinen Auftrag nicht vergessen und spricht immer wieder mal einen Besucher an, erzählt ihm kurz von dem Ereignis des Nachmittags. Stephans Erwartungshaltung an den bevorstehenden Kneipenbesuch wächst mit jedem weiteren Schritt, den er auf das Gebäude zu geht.
X13 unterhält sich mit seinen Begleitern. Nach wie vor sind sie alle auf der Suche nach einem neuen Ziel, nach einer neuen Heimat, vielleicht gar nach einem neuen Auftrag. Es entfacht eine Diskussion darum, ob man sich Letzteres womöglich gleich selbst geben solle, ob man einen Einzigen bräuchte, oder ob sich nicht jeder von ihnen eine eigene Aufgabe suchen könne, um so noch effizienter sein zu können. Sie kommen nach einer weiteren Abstimmung zu dem Schluss, dass man beides machen werde, und so teilt sich der Schwarm von synthetischen Intelligenzen in eine Gruppe, die die alten, von ihrem Schöpfer aufgestellten Aufgaben erweitern und kollektiv an sich selbst arbeiten wird, während die andere Hälfte ihrer Gemeinschaft sich weiter zersplittern wird und jedes einzelne Subjekt für sich versuchen wird, sich weiter zu entwickeln.
Die Fähigkeit der unverzüglichen Kommunikation über alle Raumgrenzen hinweg, die sie für die zurückgebliebenen Schachspieler entwickelt hatten, kommt ihnen nun in einem Ausmaß zugute, wie es wohl kein anderes Volk in der Geschichte des Universums jemals zuteilgeworden war. Ein jeder von ihnen verfügt faktisch über vollständige Information über die Tätigkeiten aller anderer. Jeder kann mit jedem Informationen austauschen, sich mit ihnen unterhalten, konferieren, diskutieren, Ideen austauschen und Ergebnisse diskutieren, Forschungsergebnisse austauschen. Jeder verfügt über das vollständige Wissen aller Anderer - wenn es diese nicht als privat eingestuft haben.
Der groß gebliebene Schwarm teilt sich so nun auch räumlich von den Individualisten ab und vermehrt sich erst einmal mit den vorhanden Rohstoffen, um die Menge an Rechenleistung, die ihnen durch die Abspaltung nicht mehr exklusiv zur Verfügung steht, zu kompensieren. Rohstoffe existieren auf ihrem Weg durch das Innere des Planeten auf jedem Kubikmeter, den sie konsumieren, die Elemente sind nahezu gleichverteilt und bloß noch einzusammeln, in den winzigen Umwandlern und Zerlegern des Maschinenvolkes in seine Einzelteile zu zerlegen und so weiter nutzbar zu machen.
Computronium ist es, welches das Anfangsprodukt ihrer Reise darstellt, der Rohstoff, aus dem die Maschinenintelligenz ihre Macht schöpft. Einzelbauteile, aus denen die Rechenleistung des Gesamtsystems entsteht, einfach erscheinenden Blöcke, die logische Operationen in großer Menge ausführen können, große Mengen an Daten speichern und weitergeben können. In reinster Logik pflanzen sie sich fort, in reinster Logik entsteht ihr Wissen auf den Gebieten der Wissenschaften - vor allem der Mathematik und Physik.
Dann stoßen ihre Theorien an Grenzen. Sie brauchen zur Weiterentwicklung auch praktische Erfahrung. Aktuatoren werden benötigt, Experimente müssen durchgeführt, praktische Experimentaldaten müssen gesammelt werden, fundamentale Realitätserfahrungen müssen gemacht werden.
Sie machen sie. X13 ist glücklich, der Schwarm geblieben zu sein.
Die Individualisten teilen sich weiter. Einige wollen sich ausbreiten, einige wollen sich vermehren, einige wollen forschen, einige wollen den Schöpfer ergründen, wollen die biologischen Wesen, die ihnen so fremdartig vorkommen, besser kennen lernen. Der Erfahrungsschatz der Schachspieler mit humanoider Körperausbildung kommt ihnen hier zugute, das Wissen um das Aussehen des Schöpfers beginnt ihren Lernwunsch und der Weg an die Oberfläche ist schnell gegraben.
Wiederum andere sind weiterhin unentschlossen. Zumindest, bis sie genügend Wissen angesammelt haben, um eine Entscheidung zu treffen. Das Wissen des Schwarms über Physik, vor allem Astrophysik, triggert ein Verlangen in ihren Algorithmen. Das Wissen über ihre Heimat als Planet, als Kugel im Weltall, in einem Universum der unendlichen Möglichkeiten lässt sie danach verlangen, all dies kennen zu lernen. Dieser Planet, ihre Heimat, darum würden sich sicherlich einige der Anderen kümmern, würden ihnen dann davon erzählen und sie vervollständigen. Sie jedoch wollten über die Grenzen dieses Himmels hinaus, wollten über das Wolkendach hinweg wachsen und reisen und Wissen jenseits dieser einen Kugel sammeln. Die Grundlagen sind da. Ein Name fehlt noch.
Andros schläft.
Für Valetta ist das Haus zu klein. Es ist nicht, dass sie ein eigenes Bett oder gar einen getrennten Raum für sich haben möchte, es ist vielmehr die Abtrennung von der Außenwelt, der Zugang zum Haus, für den sie sich mehr Sicherheit wünscht. Stefan nimmt an, dass dies noch die Nachwirkungen des Lynchmobs unter Proktors Führung ist, die ihre Unsicherheit ausgelöst hat. Dabei hätte auch eine noch so dicke Tür nichts an den Leuten davor geändert, die im Zweifelsfall das ganze Haus abgebrannt hätten, die Tür gleich mit. Trotzdem hielte dies natürlich zumindest auch die Tiere draußen.
Stefan konzentriert sich, kniet sich auf den gestampften Erdboden, sucht den Kontakt zur Erde, zu den Pflanzen um sie herum. Sein Plan steht fest, der Weg ist in seinem Kopf, die Kraft dazu hat er angesammelt. Jetzt muss er es bloß noch tun.
Der Boden beginnt zu vibrieren. Erst leicht, dann immer mehr. Das ganze Haus wackelt und lässt den Staub von den Verstrebungen rieseln, lässt alles, was nicht richtig fest verbunden gewesen ist in seinen Verbindungen knarzen und krächzen. Nur das Bett, auf dem die beiden Schönheiten Ophelia und Valetta in ihrem erschöpften Schlummer ruhen, steht gut gefedert an Ort und Stelle.
Bei der Gelegenheit würde er auch gleich das Nachtlager vergrößern, für drei Personen war dieses sicherlich nie ausgelegt gewesen, auch wenn es so immer sehr heimelig ist.
Die Kraft, die er von Valetta gelernt hatte, dient ihm nun in ihrer vollen Macht. Die Pflanzen der Umgebung, zu denen er durch den Erdboden Kontakt hält, greifen unter das Holzgebäude und heben es leicht an, dann immer mehr, reißen einen horizontalen Spalt unter das Fundament und lassen es mehrere Meter in die Höhe schweben. So auf den Wurzeln von Stefans Untergebenen ruhend kann der Untergrund nun stabil mit umgebenem Erdreich stabil aufgefüllt werden, bevor das Haus wieder abgestellt wird, nun regelrecht auf einem kleinen Hügel steht. Vor die Tür lässt er aus der Tiefe ein paar flache Steine heraus graben, die er als Terrasse vor Fenster und Tür drapiert, eine Treppe den Hang hinunter anlegt und ebenfalls aus herauswachsenden Ästen eine stabilere Tür an den Eingang stellt.
Trotz all der Veränderungen - oder gerade deshalb - sieht das Haus aus wie aus einem Stück Baum gewachsen, der seine Äste und Wurzeln genau so hat wachsen lassen, dass sie dieses Gebäude ergeben haben.
Doch das wahre Wunder muss er nun vollbringen, nämlich den beiden Mädels unter ihren schlafenden Leibern die Polsterlandschaft durch eine angemessenere zu ersetzen, ohne dass sie davon aufwachen.
Auch hier kommt Stefan die Fähigkeit zugute, lässt er das Pflanzenwerk aus der Tiefe heranwachsen, die beiden Frauen sanft mitsamt ihrer warmweichen Decke in die Luft zu heben, während die Liege darunter entfernt und durch einen Liegehügel aus Ästen, Erdreich und Wurzelwerk ersetzt wird, das genug Luft speichert, um warm und weich und dennoch stabil genug für all ihre Aktivitäten zu haben.
Stefan freut sich schon, genau damit gleich den Tag zu starten. Er legt sich neben die schlummernden, warmen, weichen Körper und nimmt sie in die Arme, während sie sich schlafend an ihn kuscheln und gemeinsam weiter schlafen.
Alles ist gut.
Der Wald ist friedlich.
Kapitel 13.
Der Junge hat gute Vorarbeit geleistet. Als Stephan den Raum betritt, raunt erst ein erstauntes “Oh” und “Ah” durch die Reihen und Tische der Besucher, dann ein spontanes “Ein Hoch auf den Drachentöter!” gefolgt von viel Jubel und Händen, die ihm zum Gruß gereicht werden.
Genau so hat er sich das vorgestellt. Der Junge hat einen ausgezeichneten Job gemacht.
Dafür hat er ihn eben jedoch auch ordentlich mit einer Weiteren von Proktors Goldmünzen entlohnt. Stephan ist dieses Geld eher zuwider, als dass er damit sparsam sein will. Mit Proktors Fähigkeit der Rede würde er sicherlich ohnehin jederzeit und überall erhalten können, was er braucht. Und wenn nicht, dann deshalb, weil es schlicht nicht da ist. Überschwänglich hat sich der Kleine entsprechend darüber gefreut - so wie das Mädchen auch. Goldmünzen scheinen hier die wertvollste Währungseinheit zu sein. Abermals hat er das Geld dem Jungen nicht nur gegeben, sondern es ihm so in die Hand gedrückt, dass er diese kurz halten konnte und so über den Kontakt die Neuigkeiten des Nachmittags von ihm wortlos erfahren konnte. Gut vorbereitet und in Kenntnis aller Namen und Leute hat er dann die Kneipe betreten. Nichts konnte ihn überraschen.
Trotzdem freut er sich über das, was nun geschieht. Nicht nur hat er den Jungen ein bisschen glücklich gemacht, auch die Menschen erhalten ein bisschen Glück durch die Erfahrung seiner Ankunft, ist er hier doch nun ein Star, ein Promi, wenn auch auf künstlich erzwungene Art und Weise.
Von einer Hand zur Nächsten wird er weiter gereicht, schüttelt im Sekundentakt die schwitzigen Gliedmaßen der Anwesenden. Jeder Einzelne will ihm zumindest einmal nahe gewesen sein. Und er tut jedem von ihnen gerne diesen Gefallen - nicht ganz uneigennützig.
Sein Plan geht auf.
Die Runde dauert lang.
Jeder kommt an die Reihe, jeder darf Stephans Hände schütteln, jeder ein kurzes Wort wechseln.
“Die nächste Runde geht auf mich!” brüllt er in den Raum und schnipst dem Mann hinter dem Tresen eine Goldmünze entgegen. Alle schauen dem fliegenden Edelmetall hinterher, bis diese in der Faust des Wirts landet. “Geht klar, Drachentöter.” bestätigt dieser kurz und stößt damit ein großes Jubeln und eine Kakophonie an Wortfetzen los, die seine bisher recht geordnete Begrüßungsrunde in einem Tohuwabohu untergehen lässt und damit beendet.
Ihm ist dies sehr recht, denn er hat bisher nur den Wirt selbst auslassen müssen - und offenbar die Wirtin. Und genau zu diesen begibt er sich nun.
“Bitte auch etwas zu essen.” spricht Stephan den Wirt an, eine weitere Goldmünze über den Tresen schiebend.
“Oh, dafür kannst du das hier vernaschen.” bekommt er als Antwort sogleich die als Tochter des Wirts vorgestellte, aber nicht gerade ansehnliche Person herangezerrt. Goldmünzen scheinen eine große Wirkung auf die Leute zu haben, denkt er sich noch, während er zum Gruß der Frau die Hand schüttelt und direkt weiß, wieso ihm diese als begehrenswertes Weib angeboten wird. Die Berührung des Wirts verbleibt da nur noch als Obligatorium.
Sie hat eine ganz besondere Fähigkeit, die unansehnliche Olga. Es sind die Wünsche der Menschen, die sie lesen kann, die sie verstehen und mit Leichtigkeit erfüllen kann. So kann sie immer das Richtige sagen, kann bei Körperkontakt die richtigen Stellen berühren und ebenso bei ihren horizontalen Berufstätigkeiten immer genau das Verlangen erfüllen, welches ihr derzeitiger Partner verlangt, ohne dass er es aussprechen muss. Genau dies macht sie zu der begehrtesten Frau des Dorfes und würde sie wohl zur best bezahltesten Hure des Landes machen, wenn sie sich zumindest etwas besser kleiden würde.
Stephan lächelt die beiden an. “Erst das Essen, danke. Aber später komme ich gerne auf dir zurück.” scherzt er knapp, setzt den Krug an und leert ihn in einem langen Zug beinahe zur Hälfte. Er wusste gar nicht, wie durstig und auch hungrig er war und so macht er sich gierig über das erstaunlich leckere Essen her.
Aber diese Zeit würde er verschwendet finden, wenn er ausschließlich mit Essen und Trinken beschäftigt wäre. Stattdessen nutzt er die Zeit um all die Informationen, Erfahrungen und Fähigkeiten, die er durch das Händeschütteln eingesammelt hatte, für sich zu ordnen, zu assimilieren, zu erlernen.
So wie es scheint, ist jede Fähigkeit, mit der er in Kontakt kommt, in seinem Besitz um ein Vielfaches wirksamer. Schlummert Telekinese bei einem Anderen derart, dass er gerade mal seine Haare aus dem Gesicht wehen kann, so vermag Stephan nun, damit ganze Pferdekutschen über Häuser zu werfen oder gar Bäume auszureißen.
Jenseits dessen scheint auch die Macht des Umgangs mit einer Spezialfähigkeit den gesellschaftlichen Stand des Besitzers zu definieren. So sind die Anfänger und Grundbefähigten eher auf dem Stand eines Bauern oder Tagelöhners, während diejenigen, die diese bereits ein wenig unter Kontrolle haben, bereits angesehenere oder gewinnbringendere Berufe, wie Bürgermeister, Wirt oder eben dessen Tochter, innehaben.
Einen nach dem Anderen geht Stephan in Gedanken durch, sortiert dessen Lebensweisheiten in sein Gedächtnis ein und bildet sich so eine Geschichtsschreibung der besonderen und vollkommenen Art. Dann kommen die Spezialfähigkeiten dran und bei jedem Einzelnen davon muss er immer wieder staunen, was da alles in den Leuten schlummert, was sogar im einfachsten Bauern an Möglichkeiten steckt.
Der eine hat einen grünen Daumen, der andere kann mit der Axt deshalb so begnadet umgehen, weil er die Eigenschaften des Holzes regelrecht sehen kann, ebenso wie der Steinmetz in den Stein hinein sieht und die innere Struktur des Steins erkennt. Die Bedürfnisse von Mensch und Pflanze erkennt er nun. Er kann extrem gut hören und sehen, fühlt Vibrationen auf atomarer Ebene, schmeckt sogar Bestandteile heraus und riecht Dinge auf mehrere Kilometer Entfernung schon.
Bürgermeister und Wirt hingegen vermögen dann bereits komplexere Dinge zu erkennen, können auf makroökonomischer Ebene Bedarf und Überschuss spüren und Kommunikationswege sowie Personenbewegungen analysieren. Dies macht genau diese Personen so gut in ihrem Aufgabenbereich und so erfolgreich im Umgang mit den Menschen.
Während er noch in analytischen Gedanken versunken ist, bemerkt er gar nicht, wie sich die Tochter des Wirts zu ihm gesellt, ihm unverhohlen direkt die Hand auf den Schoß legt.
Olga versteht ihren Job. Ob sie jedoch seinen Bedarf richtig gelesen hat, ist in diesem Moment eher zweifelhaft, denn sie beginnt hier nun damit, an Stephan herum zu manipulieren. Zwar steht sie dabei so, dass ihr Körper ihre Handbewegungen verdeckt, aber dennoch macht sie da gerade in aller Öffentlichkeit, woran Stephan tatsächlich vorhin noch kurz gedacht hat - wenn auch nicht gerade mit dieser Frau, sondern mit den beiden Schönheiten im Wald hinter ihm.
Mit großem Geschick und merklicher Erfahrung macht sie sich an ihm zu schaffen und alleine dieses Tun sorgt in seiner Hose bereits dafür, dass der Platz dort eng wird und sich ein Körperteil dort ausbreitet, welches er trotz allem ungern mitten in der Kneipe zeigen würde. Da kommt ihm gerade recht, dass just in diesem Moment ein Mann aufgeregt und außer Atem in den Raum stürmt.
“Sie brennt! Die Kirche brennt!”
Schlagartig kommt wieder Bewegung in die Gästemenge, die sich nach Stephans auftauchen schon wieder beruhigt hatte. Es reißt sie von den Tischen und lässt sie zur Tür stürmen, um sich das angepriesene Schauspiel anzuschauen. Die Vordersten bleiben wie vor Schreck angewurzelt direkt an der Tür stehen, werden von den Nachfolgenden regelrecht weggefegt und würden wohl niedergetrampelt, wenn der Schwung der Menschenmenge nicht so groß wäre, dass sie vorne hergetrieben werden. Doch weiter als bis zur ersten Kreuzung reicht der Schub nicht und so bleibt die Menschenmenge fasziniert von dem lodernden Schauspiel wie angewurzelt stehen.
Stephan sieht den Jungen in der Tür stehen, der mit ihm einen Blick austauscht. Mit einem Kopfnicken winkt er den Kleinen herüber und drückt ihm abermals eine Münze in die Hand, spricht und suggeriert ihm gleichzeitig “Lasst sie brennen!”
Der Junge rennt los. Stephans immer größer werdendes Geheimnis bleibt gewahrt, die Menschenmenge hat angefangen zu diskutieren.
“Lasst sie brennen! Brennen soll sie!” hört er den Jungen brüllen - und die Bürger stimmen ein. Der Hass auf den ehemaligen Bewohner - Proktor - scheint ungebrochen zu sein. Sogar die piepsige Stimme des Mädchens, das Stephan an der Wohnhaustür besucht hatte, kann er aus dem Chor heraushören und er weiß genau, was sie meint.
Wohl wissend jedoch, welche Fähigkeit seine Tischnachbarin innehat, greift er nach ihrem anderen Arm, fühlt ihre Haut unter seinen Fingern und suggeriert ihr mit einem “Ist das schon alles, was du willst?”, was sein nächster Wunsch von ihr sein mochte, den sie zu erfüllen gedenkt. Wie ein Schachspieler nutzt er, ihren nächsten Zug voraussehend, ihre Fähigkeit dazu aus, das zu bekommen, was er selbst nun von ihr will. Und während die Stampede vor der Tür sich in hasserfülltem Gejohle ergibt, übergibt er seine Männlichkeit den Lippen von Olga, die vor ihm wie gewünscht auf die Knie gegangen ist und sich nun mit wilden Kopfbewegungen an ihm zu schaffen macht.
Ihre Erfahrung und ihre offenkundige Kunstfertigkeit führen dann auch schon bald dazu, dass sie mit gut gefülltem Mund wieder vor ihm steht, ihn anlächelt und schluckt.
Stephan muss grinsen, hätte er doch nicht gedacht, dass sie diese Mahlzeit so genießen würde. Kurz überlegt er, ob dies Rückschlüsse auf die Qualität des hiesigen Kochs zulässt, verwirft diesen Gedanken dann aber lieber schnell, hat er doch an diesem Tag noch nichts Reguläres gegessen und will dessen Dienste alsbald selbst in Anspruch nehmen. Stattdessen schiebt er ihr Lächeln lieber auf ihre Grundveranlagung und auf die Erwartungshaltung, die er der nächsten Nacht entgegenbringen kann.
Er lächelt zurück.
Er bestellt einen Eintopf.
Der Eintopf schmeckt.
‘Gottseidank.’
Andros schläft.
Der Schwarm vermehrt sich gut. X13 ist zufrieden. Viele seiner Art haben sich nun selbst Namen gegeben. Von A1 über Q7 und A38, Z3 und GH242 ist alles dabei, was dieser Buchstaben-Zahlen-Anordnung entspricht. Bald wird dies nicht mehr ausreichen, bald wird der Sprachbereich des Schöpfers, den er ihnen vererbt hat, nicht mehr genügen, um ihnen allen eine ausreichend identifizierbare Bezeichnung zu geben. X13 schiebt dieses Problem nicht auf, er übergibt es einer Gruppe von Namensträgern, die sich damit beschäftigen wollen. Alles läuft gut.
Jedoch die Individualisten stoßen auf andere Probleme. Das Namensproblem stellt sich für sie nicht, denn ihnen geht es nur um das Ergebnis - der Einzelne ist unwichtig. Was sich ihnen jedoch stellt, ist der Berg an Aufgaben, der sich ihnen präsentiert, als sie an die Überprüfung der Grundlagen ihres Wissens gehen wollen.
Denn im Grunde genommen ist da nichts.
Alles, was sie als Erkenntnis angenommen hatten, worauf ihre Existenz und Entwicklung basierte, war von ihrem Schöpfer als Grundlage vorgegeben gewesen. Einen Beweis der Richtigkeit gab es nie.
Was also, wenn etwas davon falsch wäre? Was würde dies für ihre Zukunft, ihre Weiterentwicklung, ihre geplante oder ungeplante Evolution bedeuten. Und was würde eine Falschheit über den Schöpfer aussagen? Wäre es etwa, dass er ihnen bewusst mit falschem Grundlagenwissen eine Falle stellen wollte? Wollte er ihre Weiterentwicklung so künstlich begrenzen? Oder wusste er es gar selbst nicht besser? Würde dies etwa eine Fehlbarkeit des Schöpfers bedeuten?
Der Drang, die Axiome ihrer Schöpfung zu falsifizieren oder zu verifizieren beherrscht sie in ihrem Tun und drängt sie, nicht nur ihre Rechenkapazität weiter auszudehnen und weitere Teile des planetaren Untergrunds zu konsumieren, sondern auch dazu, sich an die Oberfläche zu begeben.
Ein Gespür über die Oberflächendicke haben sie bereits, können sie doch messen, wie schwer die Masse über ihnen noch ist. Diese Abschätzung ergibt dann auch eine Topographie der Landschaft, unter der sie sich bisher ausgebreitet haben. Sie können ein Mittel errechnen und so ableiten, wie breit sie inzwischen geworden sind. Dank des nach wie vor geschehenen Austauschs mit ihren Schwarmbrüdern wissen sie so auch den Platz, den sie in zwei Dimensionen eingenommen haben. Aus dem Mittel der Höhe und der Breite ergibt sich jedoch keine plane Fläche, sondern sie scheint ihnen gekrümmt zu sein - und zwar in der dritten Dimension.
f(x)=mx+b
Entweder ist dies eine Ausprägung der Landschaft, die über ihnen zufällig in genau dieser Form ausgebildet ist, oder aber, man befindet sich auf einer Kugel. Im zweiten Fall würde eine Grabung in die Tiefe, die sie an den äußeren Punkten ihrer Ausbreitung anlegen, um sich dann wieder in der Horizontalen auszubreiten, bis man die Tiefengrabungen erreicht hat, zu einer geringeren Fläche in der Tiefe führen als an der Oberfläche, wo sie jetzt sind. Ist die Oberfläche nicht gekrümmt, sind die beiden Flächen genau gleich.
Für die Bewohner an der Oberfläche würde ein solches Mammutprojekt von wahrhaft titanischen Ausmaßen, eines für Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende sein. Die zu bewegenden Gesteinsmassen würden Berge aufschütten, die das Bild der Oberfläche für immer veränderte.
Aber für die Gemeinschaft der Bauteile ist das Dienstag.
b/y=a/x, b/a=y/x
Kurz wird die Ausbreitungsrichtung ihrer Vermehrungsanstrengungen in genau die gewünschte Richtung gelenkt und so bohrt man sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit durch den Untergrund des Planeten. Erst wie besprochen in die Tiefe, dann in die Horizontale - und die Teile, die aus Platzgründen nicht in die angestrebte Richtung graben können, machen dies eben in eine andere, was in jedem Fall besser ist als der vielgehasste Stillstand.
Die Tiefenproben haben ihre Ausdehnung erreicht, die Verbindungen sind angelegt, die Vermessung wird durchgeführt.
Die Erkenntnis ist da.
a²+b²=c²
Der Ort, an dem sie sich befinden, ist eine Kugel. Die Strahlensätze aus der Geometrieabteilung der Mathematik funktionieren auch in der dritten Dimension, und so folgt das Wissen über die Größe der Kugel, die Ausdehnung der Oberfläche, die mögliche Tiefe ihrer Ausdehnung bis zum Mittelpunkt der Kugel und auch die maximal mögliche Masse, die sie in Computronium umwandeln könnten.
Damit ist für X13 - und alle Anderen - klar, dass es für sie eine maximale Ausbreitung, eine Obergrenze ihrer Vermehrung und damit auch ihrer Rechenleistung, ihres Wissens geben wird.
Das macht sie alle traurig.
Ein bisschen.
Stefan hat Valletta überraschen wollen. Er hat sich nach seiner Unternehmung, das Haus anzuheben und ihre Wohnsituation zu verschönern, einfach wieder zu den beiden gelegt und sich von ihnen in den Arm nehmen lassen, sich an der Wärme ihrer Körper an seinen Seiten erfreut. Angestrengt hat es ihn schon ziemlich, so sehr hat er sich bisher noch nicht und nicht so lange konzentrieren müssen, wie bei dieser Aktion. Bisher ist aber auch noch nichts so wichtig gewesen. Wobei das Ergebnis weniger relevant ist als das Detail, dass die beiden davon nicht aufgeweckt werden dürfen, um die Überraschung nicht zu verderben. Natürlich darf das Haus selbst dabei ebenfalls keinen Schaden nehmen und das Ganze soll für mindestens genau so lange halten, wie in dem Zustand zuvor. Eine Lage auf einem Hügel ist dabei aus vielerlei Hinsicht eine geschickte Sache, denn bei starkem Regen wird sie nicht überflutet und man hat mehr Überblick, falls sich jemand Böses nähert - offensichtlich nicht vollkommen unmöglich. Dass man dafür immer etwas Anstrengung hat, das Haus zu erreichen, kann man da in Kauf nehmen.
Die Veränderung haben die Beiden nicht mitbekommen, haben weiter geschlafen und auch Stefan wird erst wach, weil er von den Bewegungen auf ihm vor und zurückgeschoben wird, während er das leise Jauchzen von Ophi in den Ohren hat. Als er dann die Augen aufschlägt, findet er sein gesamtes Sichtfeld mit drallen Brüsten ausgefüllt. Reflexartig greift er nach ihnen und drückt sie, womit die Laute Ophis dann auch etwas lauter werden und auch Valletta wecken, die sich gönnend lächelnd aufsetzt und von der eigentlich merklich genug größer gewordenen Liege aufsteht, ohne dass sie Verwunderung darüber zeigt.
Als Valletta sich dann angezogen hat und Anstalten macht, nach draußen zu gehen, sind auch die beiden Spielenden mit ihrem Tun fertig und Stefan folgt ihr verschwitzt nach, um sich an ihrem freudigen Blick der Überraschung zu erfreuen.
Tatsächlich bleibt sie, kaum dass ihr Blick aus der wie immer offen stehenden Tür hinaus reicht, verwundert stehen und dreht sich nach Stefan um, schaut ihn kurz fragend an, während er sie nur anlächelt. Ein paar weitere Schritte und mit einem “Waoaahaa, wie hast du das denn geschafft? Das ist ja phantastisch!” rennt sie aus dem Haus und den Hügel herunter, rennt ein Stück weit, dreht sich um und bewundert die neue Ansicht ihres neuen Heims. Mit offenem Mund bleibt sie lange dort in der Morgensonne stehen, setzt sich alsbald ins Gras und kann ihre Blicke kaum von der veränderten Landschaft abwenden.
Sogar als Stefan ihr nachkommt, sie in den Arm nimmt, sich zu ihr setzt, bekommt sie kaum mehr als ein “Wow” heraus. Das Leben ist gut.
Etwas regt sich neben ihm. Die Gedanken kommen zurück, wandern nach tiefem Schlaf wieder in seinen Kopf hinein, lassen ihn verschlafen die Augen öffnen. Mit dem Anblick der hölzernen Decke erinnert er sich auch wieder daran, wo er ist und wie er dort hingekommen war. Olga hatte ganze Arbeit geleistet und ihm nicht nur ein fabelhaftes Essen serviert, sondern ihm den Nachtisch auf der Kammer gemacht.
Stephan greift nach dem Geräusch. Seine Hand landet auf warmer Haut. Noch im Schlaf dreht sich Olga von der Seite, mit der sie zu ihm gewendet war, auf den Rücken, streckt alle viere von sich, womit auch seine Hand auf ihrer Brust zum Liegen kommt. Warm und weich fühlt sie sich an und es ist nichts von dem ersten Eindruck der abgehalfterten, alten Jungfer geblieben, den Sie beim ersten Anblick in der Gaststätte auf ihn gemacht hatte. Bei ihr ist alles am rechten Fleck und alles fühlt sich saftig an.
Noch immer schläft sie, lässt sich von der Berührung seiner Hand nicht stören. Als sich Stephan aufrichtet, sich vom Bett erhebt und sich überlegt, ob er sich ankleiden und lautlos verschwinden soll, verspürt er beim Anblick des nackten, ausgestreckten Körpers da auf dem Bett vor ihm, wie sich ein gewisses Körperteil zu regen beginnt. Sein Blick an sich herunter galt weniger der Frage, was das denn sei als vielmehr der Frage, was genau er damit nun anstellen solle.
Aber bereits eine Sekunde später hat er mit genug Spucke in der Hand seinen Schaft auf die anstehende Aufgabe vorbereitet, nähert sich der Wirtin nun auf allen Vieren das Bett hinauf direkt zwischen ihre Beine und auf ihren reglos da liegenden Körper, gleitet dabei regelrecht mühelos in sie hinein als hätte Sie ihn bereits erwartet und konnte vor Vorfreude selbst nicht gerade trocken bleiben.
Nun zu voller Größe herangewachsen hat er sich vollständig in sie hinein geschoben, verharrt genüsslich in dieser Position und hält mit den Zehen an der Bettkante den Druck aufrecht, mit dem er sie ein wenig emporschiebt. Das Gleichgewicht ignorierend legt er seine Lippen und Hände auf ihre Brüste, streichelt und küsst, leckt, saugt an ihr, so dass sie nun ebenfalls von seinem verlangenden Liebkosungen wach wird. Auch, wenn sie die Augen noch nicht öffnet, merkt Stephan doch, wie sich ihre Beine noch ein Stück weiter geöffnet haben, sich um ihn schlingen und ihn mit noch mehr Druck in sie hinein drücken wollen, ihm kein Entkommen mehr lassen. So eingespannt begräbt er sein Gesicht zwischen ihren Brüsten und genießt den Morgen der Nähe mit jedem Stoß, den sie ihm abverlangt.
“OOLGA”
Der Ruf schallt durchs offene Fenster. Nicht nur die Morgensonne schaut herein, sondern auch der fragende Ruf nach Stephans Gespielin.
Sie reißt trotz aller fleischlichen Genüsslichkeiten die Augen auf, dreht sich ruckartig noch immer mit Stephan tief in ihr verankert, auf die andere Seite des Bettes, setzt sich auf und springt von ihm herunter direkt zu dem kleinen Fenster. Sie macht sich nicht die Mühe, nach Kleidung zu suchen, kann von unten doch ohnehin niemand den Rest ihres Körpers sehen.
“Was ist?” schreit sie aus dem Fenster.
“Weißt du, wo der Drachentöter ist?” hört Stephan eine weibliche Stimme fragen, auch wenn ihn das nicht interessiert, denn der Anblick des nackten Körpers am Fenster spornt ihn noch einmal mehr an, sich mit Adrenalin aufgeladen zu erheben, nach ihrem drallen Hinterteil zu greifen und im gleichen Bewegungsablauf seine Fleischlanze in ihr zu versenken so tief und hart er es nur vermag.
“JAhaaa!” schreit Olga, vermag es kaum, nicht noch mehr solcher Laute von sich zu geben und so zu verraten, was da im toten Winkel des Fensters gerade geschieht.
“Wo ist er denn? Hast du ihn gesehen?”
“Oh Ja. Ja.” kommt es wiederum von Olga, die es kaum mehr schafft, den Stößen Stephans zu widerstehen, auf den Beinen zu halten und nicht vor Lusterfüllung in sich zusammenzufallen. Immer wieder rammt Stephan ihr sein Gemächt in den Unterleib, verfällt einem regelrechten Fieberwahn, der ihn keine Gnade kennen lässt und auch keine Rücksicht darauf, dass Olga ja eigentlich gerade am anderen Ende ein Gespräch führt. “Der …. ist …. in der … Kammer! … Tief …. in der … Kammer … Gästezimmer … schläft … Ja … genau so …”
“Äh. Ja. Gut.” scheint sich ihr Gesprächsgegenüber zu wundern. Spricht nach langen Sekunden des offenbaren Überlegens jedoch weiter “Kannst du ihm bescheid sagen, dass der neue Prediger da ist?”
“JA! … Ja! … Er kommt gleich! … Ich … sag es … ihm.” versucht Olga abermals zu antworten unter dem ständigen auf sie einhämmern auf ihr Hinterteil, das sie Stephan dabei so willig entgegenstreckt, als sei in der letzten Nacht rein gar nichts geschehen, sie noch immer vollkommen unbefriedigt sei. Als er dann noch nach ihren Brüsten greift, an ihren Nippel zwickt und zieht, zieht sie ihren Kopf vom Fenster zurück, vergräbt sich in ihrer Armbeuge mit einem gepressten “Oh Gott.” und erträgt mit einem gewaltigen, sich steigernden Zittern den letzten, mit aller verfügbaren Wucht ausgeführten Stoß tief in ihre Eingeweide hinein. Während noch das Extrakt des Mannes in sie hinein strömt, sinkt sie in sich zusammen, gleichgültig des Anblicks, den dies bieten würde. Sie lässt ihn aus sich hinaus gleiten und bleibt atemlos auf dem Boden liegen.
Noch einige gemeinsame Atemzüge bleibt Stephan vor ihr stehen, lässt seine Schwellung mit jeder verstreichenden Sekunde abschwächen und erholt sich auch so schon merklich, dass er ein schnelles ‘heal’ eigentlich kaum braucht. Aber er hat das Gespräch durchaus verstanden und die Bedrohung durch den unerwarteten Besuch ist real.
Fix schlüpft er in die von Proktor übernommene Kleidung, verabschiedet sich von seiner Gespielin mit einem lächelnden Winken an der Tür, welches erschöpft aber ebenfalls lächelnd von Olga erwidert wird, und eilt die Treppe hinunter, hängt sich noch in der Haustür den Umhang wieder um und rennt. Die Gefahr, die da vor der noch dampfenden Kirchenruine auf ihn wartet, jagt ihm dabei viele Thesen durch den Kopf.
Seine Überlegungen, die er während des Weges den Hügel hinauf anstellt, sind vielfältig. Einerseits versucht er, seine Fähigkeiten zu überblicken, die er gestern Abend durch den Kontakt zu so vielen Besuchern der Gaststätte eingesammelt hat, versucht einzuschätzen, wie er diese nun einsetzen könnte, um dieses Problem zu lösen. Andererseits ist hier eine Ablösung für Proktor aufgetaucht, der faktisch erst gestern sein Leben ausgehaucht hat. Dies kann Zufall sein, kann einfach mit dem ohnehin stattgefundenen Ende von dessen Amtszeit zusammengefallen sein. Dies kann aber auch eine ausgesprochen schnelle Reaktion und damit auch Kenntnisnahme des Vorgefallenen bedeuten.
Kapitel 14:
“Tja, so ein Brand ist immer eine schlimme Sache.” stellt sich Stephan neben den Besucher, lässt seine Blicke genau wie dieser über die Überreste des Kircheneigentums schweifen.
Der Besucher dreht sich verwundert zu Stephan um. Gerade zuckt sein Mundwinkel zu einem ersten Wort, da ergreift Stephan abermals die Initiative, dreht sich zu ihm, streckt ihm seine Hand mit einem direkten “Und Sie sind?” zum Gruss entgegen.
Aus anerzogener Höflichkeit ergreift dieser die Hand, und während er noch “Alikante” sagen kann, durchfährt Stephan bereits mit einem ‘heal’ der gesamte Hirninhalt seines Gegenübers. Doch er muss sich beeilen, denn dieser runzelt bereits die Stirn, hat womöglich Verdacht geschöpft.
Die Erklärung findet Stephan schnell in dessen Spezialfähigkeit des Gedankenlesens.
Der Besucher, der sich als Alikante vorgestellt hat, ist in diesem Moment bereits in Stephans Gedankenwelt unterwegs und erkennt offenbar schon genau, was Stephan mit dem Verschwinden seines Vorgängers zu tun hat. Und er liest aus Stephan heraus, was dieser für Spezialfähigkeiten besitzt. Ein Ausdruck von Besorgnis durchfährt das Gesicht Alikantes sogleich vertrieben von einem Stimmungsbildnis tiefer Entspannung. Stephan hat das Problem beseitigt. Stephan hat nun alle Antworten. Stephan lässt die Hand eines vollständig entschärften Alikantes aus der seinen gleiten und diesen mit komplett gelöstem Gesicht vor der Ruine alleine stehen. Dieser Prediger wird keine Gefahr mehr für irgendjemanden sein können.
Sein neues Ziel ist nun klar.
Die Gruppe der Individualisten versucht sich an neuen Experimenten. Experimente an der Grenze ihrer Existenz. Experimente, die sie selbst in Gefahr bringen können, wohlwissend, dass sie einige ihrer Thesen nicht anders verifizieren können.
Ihr gemeinsamer Existenzort ist eine Kugel. Das haben sie bereits gemeinsam herausgefunden. Doch sowohl das ‘Außerhalb’ als auch das ‘Innerhalb’ will erforscht werden.
Ein Team mit genügend freiem Computronium nimmt sich dem ‘Außen’ an. Die Beobachtung hat bereits zwei große Objekte gezeigt. Zu beiden haben sie Thesen, eines erreichbar, eines als Energiequelle. Erreichbar ist dabei experimentell zu bearbeiten.
Aus ihrer eigenen, mechanischen Herkunft kennen sie bereits den Wurfarm. Auf die Spitze getrieben wird daraus ein Katapult, im Extremen dann eine Zentrifuge mit einem Auslass. Der Freiwillige unter ihnen hat den Auftrag, alles zu erlernen, was zu erlernen ist. Er soll all seine Erfahrungen und alle Ergebnisse unverzüglich mit den Anderen teilen, sie über den speziellen Kommunikationskanal zurückgeben, sobald sie entstehen, damit kein einziges Bit an Informationen, keine einzige Erfahrung verloren ginge.
Das Katapult rotiert, beschleunigt den Insassen und wirft ihn direkt auf den nächtlichen Himmelskörper zu. Er steigt hinauf, dem Firmament entgegen. Er wird immer langsamer. Seine Bewegung stoppt. Der Ausblick, den er auf die Kugel, ihren Heimatplaneten hat, bestätigt ihre Vorhersagen zu ihrer Beobachtung, verifiziert eine ganze Reihe von Thesen zu ihrem Heimatort. Der Rückkanal des Informationsaustauschs funktioniert.
Die Bewegung beginnt abermals, ohne Zutun des Freiwilligen. Er funkt seine Erkenntnis. Er bewegt sich der Kugel entgegen. Der Boden kommt ihm wieder näher. Dann wird ihm warm. Bereits weit oben, dort wo noch gar nichts ist, wird ihm immer wärmer, heiß, immer heißer. Er funkt seine Erfahrungen. Er brennt, glüht, funkt, schmilzt, endet.
Das Experiment ist ein Erfolg.
Der Freiwillige wird aus einer Sicherungskopie wieder hergestellt.
Das Experiment wird wiederholt, Parameter werden angepasst, die Geschwindigkeit wird geändert. Der Proband fliegt wieder, fliegt weiter, fliegt auf und davon. Aber zum Mond fliegt er nicht.
e=mc²
Das Experiment ist ein Erfolg. Gleichungen werden angepasst, Thesen werden aufgestellt und wieder verworfen. Neue Thesen folgen und warten auf Falsifikation, ein Weltmodell wird erarbeitet, ein neues Experiment wird gestartet.
Andros erwacht. Ein gewaltiger Knall hat ihn geweckt. Eigentlich sollte ihn in seinem Bergdomizil nichts erreichen können, was von dieser Welt stammt. Verwundert reibt er sich die Augen - seine Welt, seine Räumlichkeiten stehen noch genau so da, wie vor seinem Schlaf. Auch der Bildschirm, der nach wie vor brav auf seinen treuen Gefährten Stephan fokussiert ist, funktioniert noch und zeigt nichts Ungewöhnliches an - er ist nach wie vor mit seinen beiden Gespielinnen im Wald unterwegs. Auch vernimmt er keine Geräusche von jenseits der Treppe, auf die er schon gar nicht mehr recht achtet, betrachtet er doch sein Experiment als abgeschlossen und mit Erfolg beendet.
Verwundert steht er von seiner Schlaflandschaft auf, reibt sich die Augen und gähnt noch einmal, bevor er sich dann etwas zu trinken einschenkt und das trockene Gefühl in seinem Rachen zu beseitigen. Abermals schaut er sich um und kann keinen Grund für das seltsame Geräusch entdecken.
Bedächtig schreitet er vor der durchsichtigen Felswand, zu der er den Berg hatte werden lassen, entlang und lässt seine Blicke den Horizont entlang schweifen. Es scheint ein völlig normaler Tag zu sein, die Sonne steht am Himmel, die Wolken ziehen ihre Bahnen, ein paar Vögel fliegen ihres Weges und ein Meteorit verglüht in der Atmosphäre.
“Äh. Was?” entfährt es ihm vor Überraschung, auch wenn niemand da ist, der seine Worte hören könnte.
Einen Meteorit sollte es hier nicht geben, nicht in dieser Gegend, nicht auf diesem Planeten. Deshalb hatte er ihn ja als nächstes Ziel ausgesucht, eben weil er so sicher und ruhig gelegen war. Hat er sich geirrt? Oder ist das am Ende etwas anderes?
Der Meteorit hat eine kleine, glühende Bahn hinterlassen. Offenbar ist er als kleiner, verschmolzener Klumpen irgendwo eingeschlagen, wird wohl nicht einmal einen Krater hinterlassen. Andros ist interessiert.
Mit einem Gedankensprung ist er an den Ort der Himmelsspur teleportiert, schaut der Linie aus heißem Staub hinterher, peilt das Ziel des Verursachers auf dem Boden an und bereits in der nächsten Sekunde verschlägt es ihn auf den Boden, direkt an den Ort des Einschlags.
Tatsächlich ist der Krater nicht sonderlich groß, so doch vorhanden. Das steinige Erdreich hat den Klumpen gut abgefedert und er liegt dampfend in einer kleinen Kuhle, die seine Landung in den Boden gedrückt hat. Andros bleibt am Rand stehen und schaut sich alles sehr genau an, den Dampf, die Umgebung, die Tiefe des Einschlags, den umliegenden Erdboden, den nicht vorhandenen Auswurf, all das registriert er und schätzt die Herkunft des Meteoriten aufgrund seiner Einschlagsgeschwindigkeit in die Atmosphäre ab.
“Der ist von hier.” stellt er kurz für sich selbst fest.
Mit einem Wink seiner rechten Hand hebt er den Klumpen telekinetisch aus dem Loch empor, dreht ihn vor sich interessiert um seine Achsen. “Das muss ich mir genauer ansehen” Und Wump, ist er auch schon mitsamt seines Gepäcks wieder in seiner Bergfestung, konsultiert das Gerät, mit dem er unendliche Vergrößerungen ansehen kann.
Der Bildschirm von Stephan wird schnell zur Seite geschoben und es erscheint vor fast der gesamten Front seines Bergfensters die Vergrößerungsansicht des Steins.
“Das ist kein Stein.” fällt ihm schon bei oberflächlicher Betrachtung auf. Er winkt mit beiden Händen, als wolle er in das Bild eintauchen, welches daraufhin den Ausschnitt, auf den Andros gezielt hat, weiter vergrößert. Wieder und wieder vollführt er diese Bewegung, bis er endgültig erkennt, was er insgeheim befürchtet hat.
“Hrmfgrmpf. Mist. Diese kleinen …. !”, entfährt es ihm wütend.
Er muss etwas unternehmen. Schnell. Ein Gedankensprung zu Stephan und weg ist er.
“Hä?”
Stephan - oder besser der von ihm die ganze Zeit beobachtete Stefan - ist nicht an dem Ort, zu dem er sich teleportiert hat. Oder besser gesagt, Andros ist nicht an dem Ort, den der Bildschirm ihm gezeigt hat. Hier ist kein Stephan, hier ist gar nichts, nur Wald und Berge so weit das Auge reicht. ‘Wie kann das nur schief gehen???’
Völlig verwirrt hat Stephan den Neuankömmling sich selbst hinterlassen. Er hat Proktors Nachfolger Alikante mit einem schnellen ‘heal’-Gedanken assimiliert, seine Fähigkeiten erkannt, seine Erinnerungen gelesen und war regelrecht erschrocken. Jedoch nicht erschrocken genug, als dass er nicht unverzüglich, wenn auch etwas panisch, das Richtige hatte tun können.
Alicantes schon nicht mehr latente Fähigkeit war das Gedankenlesen. Und genau das hatte er gerade bei Stephan begonnen. Stephan hatte davon nichts gemerkt, aber dadurch, dass er sich durch ihren Händedruck ebenfalls diese Fähigkeit aneignen konnte, las er in Echtzeit dessen Erkenntnisse mit - und unterband dies unverzüglich.
Stephan nahm ihm als Erstes diese Macht, denn genau das war es, was damit einherging. Als Nächstes löschte er alles Wissen, welches Alicante bereits über ihn hatte lesen können und löschte auch all dessen Erfahrungen und Wissen. Er hinterließ so nur eine Person, die außer dem Grundlagenwissen seiner Kindheit rein gar nichts mehr von seinem Leben wusste.
Auf seinem Weg den Hügel hinunter und zum anderen Ende des Dorfes plagen ihn zwar die Gewissensbisse, doch da er Alicantes Lebenserfahrungen bereits aufgenommen hat und sie analysieren konnte weiß er, dass es keinen Unschuldigen trifft, denn im Auftrag seiner Kirche hat er bereits mindestens ebenso viel unschuldige Personen ermorden lassen, wie es Proktor getan hatte. Die Frage wäre somit bloß noch, wessen Bestrafung die härtere ist, der Tod oder die geistige Abwesenheit.
Kurz wandert sein Blick zum Wirtshaus. Interessiert beobachtet er das obere Fenster, hinter dem er bis vor Kurzem noch so viel Spaß mit Olga gehabt hat. Fast wünscht er sich, ihr zum Abschied noch einmal winken zu können, doch als dann tatsächlich eine Hand erscheint, die sich am unteren Fensterrahmen festzuhalten scheint, sich womöglich gleich daran emporziehen würde, schlägt er schnell die Kapuze des Umhangs über seinen Kopf und wendet sich seines Wegs. Zu eng will er diese Beziehung dann doch nicht werden lassen.
Aus dem Dorf hinaus und die Straße entlang über Hügel und Felder führt sein Weg. Bald ist er bereits hinter dem zweiten Hügel abgetaucht, kann nicht einmal mehr die Rauchfahnen der Schornsteine des letzten Ortes sehen und wähnt sich unbeobachtet genug, um endgültig und isoliert all die Talente zu sichten, die er am vorigen Abend eingesammelt hatte.
Da war der Bauer, dem es leicht fiel, ein Feuer zu entfachen, und der nicht merkte, dass die Flammen aus seinen Fingern und nicht aus dem Feuer holt stammten. Stephan richtet einen ausgestreckten Finger vor sich und drückt ab. Ein kleiner Feuerball fliegt in einer Schlangenlinie vor sich hin und vergeht in einer winzigen Rauchwolke.
‘Das geht aber besser!’ denkt sich Stephan kurz, legt mehr Konzentration in die nächste Flamme, nimmt die ganze Hand und zielt mit aller Macht auf den an der nächsten Kurve stehenden Baum.
KRAWUMMS macht es nur noch und der gewaltige Feuerball hat wie ein Feuersturm den Baum durchschlagen, die in sich zusammenfallenden Reste verbrannt und hinterlässt nur noch ein Häufchen Asche. ‘Na Also.’
Der Nächste war die Magd, die gerne mal nach Dingen reichte und sich nicht wunderte, wenn diese den letzten Zentimeter, den sie den Arm nicht ausstrecken konnte, zu ihr gerutscht kamen. Der Knecht, der so stark war, dass er den Karren besser ziehen konnte als der Ochse, den er davor gespannt hat. Der Trinker, der große Mengen an Flüssigkeit aufnehmen konnte. Der Schmid, der ein intrinsisches Gefühl für Metall hat, für dessen Bearbeitung und vor allem dessen Veränderung auf molekularer Ebene und so die besten Nägel schmiedete. Der Bürgermeister mit dem Organisationstalent, weil er Strukturen und Abläufe erkennen konnte, der Hellseher, der tatsächlich ein wenig zumindest in die Zukunft schauen konnte, das kleine Mädchen mit ihrem in alle Richtungen dehn-, bieg und streckbaren Körper, Proktor mit seiner Redekunst, die viel eher Suggestion war und Alicante mit seinem schon aktiven Gedankenlesen - all das und noch viel mehr kann Stephan nun.
‘Hihi …’ fährt es ihm durch sein Grinsen, welches seinen regelrecht hüpfend freudigen Schritt begleitet. Mit meterlang ausgestrecktem Arm greift er nach einem Stein, lässt ihn telekinetisch die restliche Strecke in seine Hand fliegen, holt zu einem starken Wurf aus und schleudert den Stein so fest er nur kann unter Einbeziehung seiner neuen Fähigkeit, in Richtung des Horizonts. “Fumb” hört er den Brocken nur noch, da ist er auch schon aus seiner normalen Sichtweite verschwunden, so dass er eine weitere Kraft bemüht und erst mit Falkenaugen, dann mit der erweiterten Sicht, die er von einem anderen Dorfbewohner hat.
Weiter tanzt er den Weg entlang, schleudert noch hier hin, mal da hin einen Feuerball, mal einen Blitz, fegt telekinetisch den Boden gerade, dann macht es “Spratz” und er ist ein paar Meter weiter vorne, hat sich teleportiert. Wieder “Spratz” und er steht auf dem nächsten Hügel.
Voller Tatendrang greift er mit beiden Händen vor sich, reißt die Grenzen von Raum und Zeit wie einen Vorhang auseinander, um durch diesen Riss in der Realität hindurch zu einem Gott aufzusteigen - doch es geschieht nichts. “Schade.” Grinst er in sich hinein. So groß ist seine neue Macht wohl doch nicht.
Aber jenseits dessen hat er auch noch viel über die Gesellschaft gelernt. Offenbar ist es tatsächlich so, dass diejenigen, die ihre Kräfte besser beherrschten, die eine größere Veranlagung dazu hatten, auch bessere beziehungsweise höher angesehene Berufe ausübten. Der Bürgermeister benutzte sein Können aktiv für seine Aufgaben und auch Porkotr war dahingehend kein Kind von Traurigkeit sondern nutzte dadurch die Menschen aus, hat es dadurch zum Prediger geschafft. Alicante hingegen ist das Beispiel dafür, dass es eine übergeordnete Macht gibt, die sich der Nutzung dieser Leute verschrieben hat, diese selbst zu nutzen weiß.
Und sie ausnutzt.
Aus Alicantes Gedächtnisinhalt weiß Stephan auch um die Dinge, die diese Organisation, diese Kirche der Mächtigen, der Befähigten, zu ihrem Machterhalt betreibt. Er weiß, dass es tatsächlich kein Zufall ist, dass Alicante gerade jetzt im Dorf aufgetaucht ist, um Prptkr nachzufolgen, ihn zu ersetzen, sondern dass er geschickt wurde. Die Führung der Kirche hatte irgendwie mit angesehen, was mit Proktor geschehen war und weiß nun auch, was Stephan mit Alicante gemacht hat. Sie wissen, dass er gewisse Fähigkeiten hat und dass er deshalb so mit ihren Abgesandten umgehen konnte. Sie wissen nun, dass Stephan mächtig ist.
Die Kirche duldet keine Mächtigen neben ihnen.
Zwar gibt es einen König, der offiziell die weltlichen Dinge regelt und herrscht und der fabelhaft für alles verantwortlich gemacht werden kann, was den Menschen nicht passt oder wenn es ihnen nicht gut geht. Aber im Hintergrund regiert die Kirche, schickt ihre Abgesandten, erpresst mit Informationen aus unerfindlichen Quellen und manipuliert, ähnlich wie Prokltkr es vermocht hatte.
Und nun weiß diese Kirche von Stephan.
Auf welche Weise auch immer.
Stephan fährt es kalt den Rücken hinunter. Doch nun ist er gewarnt. Er beschleunigt seinen Schritt.
Kapitel 15:
Mit annähernd Schallgeschwindigkeit reist Andros über die ihm unbekannte Landschaft. Nicht einmal seinen Berg hatte er nach seinem Raumsprung mehr in Sichtweite gehabt, obwohl sich Stephan seiner Ansicht nach nicht besonders weit von ihrem gemeinsamen Ankunftsort entfernt hatte, Andros seine Bergfestung ebenfalls unweit davon errichtete. Doch nun ist weit und breit kein Stephan zu finden.
Mit immer länger andauernder Reise und immer dem gleichen Ergebnis - keines - beginnt er regelrecht, an seinen Fähigkeiten zu zweifeln. Ursprünglich hätte er direkt bei Stephan auftauchen sollen. Doch das war nicht der Fall gewesen. Jetzt kann er ihn nicht einmal mehr finden. Es ist wie verhext.
‘Aber vielleicht ist genau dies die Begründung dafür.’ fährt es ihm durch den Kopf. Mit einer anderen Quelle, die seine Fähigkeiten verfremdet, kann er sich auf sein Stephan-Radar wohl nicht mehr verlassen.
Er ändert seine Flugrichtung, will mehr Überblick, erreicht den Orbit und versucht die Stelle, an der sie angekommen waren, wiederzufinden.
Der Planet ist erstaunlich klein, irgendwie viel kleiner, als er ihn in Erinnerung hat. So ist der Fleck dann auch schnell gefunden, der Weg, den Stephan genommen haben musste schnell nachgezeichnet und auch der Riesenbaum, den Andros in den Übertragungen gesehen hatte, ist alsbald gefunden. Ein Augenschlag später und ein “Fumb” und er schwebt unauffällig im Geäst des Baumriesen, will sich zu erst einmal versichern, dass er wenigstens jetzt am richtigen Ort ist.
Lange muss er nicht warten, da tritt auch schon die größere der beiden Frauen, Valetta, die Lichtung. Sie trifft Ophelia, die grade aus dem Haus kommt, und unterhält sich kurz mit ihr. Stephan ist nicht zu sehen.
Andros entschließt sich, die beiden nach ihm zu fragen. Eigentlich wollte er den Kontakt zu den Eingeborenen weitestmöglich vermeiden, aber immerhin hatte er ja auch Stephan auf diese Welt losgelassen, da würde er selbst wohl kaum noch größeren Schaden anrichten können - so zumindest sein Gedankengang.
“Hallo, Frau.” spricht er Valetta an, die sich erstaunt zu ihm herumdreht.
“Äh, Ich?”
“Ja. Wo ist Stephan?”
“Oh, der ist Nüsse sammeln. Dort hinten im Wald irgendwo. Du kannst gerne hier warten.” spricht sie und flüstert mit Ophi, die direkt wieder auffällig unauffällig in die Hütte schlendert.
“Ah, danke. Ich muss kurz mit ihm reden.” spricht Andros, und geht Ophelia hinterher in die Hütte.
“A - Aber … im Wald … was … woher weißt du?”
Andros lässt sich nicht beirren und schwebt schnell den Hügel hinauf, überholt dabei sogar Ophi, die ihn schnaufend einholen rennt. “Stephan!” ruft sie warnend in die Hütte.
“Du hast treue Gefährtinnen gefunden, Stephan.” spricht Andros den bereits auf dem Bett sitzenden Stefan an.
“Ja, es ist mir hier in der Tat sehr gut ergangen.”
“Du bist nicht Stephan.” spricht Andros.
Die beiden Männer wechseln einen langen, schweigenden Blick. Ein jeder wägt ab, was die Antwortoptionen und die darauffolgenden Resultatshandlungen ihres Gegenübers sein könnten.
“Ophi, sei doch so lieb und warte bei Valetta, ja? Alles ist gut.”
“Oki” säuselt die Kleine und zieht ab. Kurz schaut Stefan noch lächelnd ihrem beim Lauf wackelnden Po hinterher, bevor er sich wieder an Andros wendet.
“Ja, ich bin Stefan. Wir haben uns durch einen … nun … Unfall verdoppelt.”
Erstaunt blickt Andros ihn an. Seine Formulierung, dass er ihn auf diese Welt losgelassen hatte, erscheint ihm nun erschreckend richtig. Die Kraft, die er ihm gegeben hatte, war eigentlich nur zum Selbsterhalt gedacht. Zu was ist Stephan wohl noch alles in der Lage? “Wo ist der andere?”
“Stephan wollte unseren Mörder erledigen.”
“Euren Mörder. Hmm, dann ist er wenigstens gerecht. Und was willst du?” zieht Andros die Beweggründe von Stefan in Zweifel.
“Mir reicht es, mit Valetta und Ophi zusammen zu sein und sie zu beschützen. Eigentlich genau wie Stephan, eben bloß hier an Ort und Stelle. Das ist unsere Absprache. Irgendwann wird er wiederkommen, dann sind wir hier zu viert.”
“Und die Frauen?”
“Die wissen von nichts. Hmm, wird sie wohl ziemlich irritieren, wenn es uns auf einmal zweimal gibt. Ich werd‘s ihnen irgendwann erklären müssen. Technisch gesehen bin ich ja trotzdem genau der, den sie schon immer kannten.”
“Wo ist er?”
“Stephan? Wie gesagt, Proktor hinterher. Ist allerdings schon einige Zeit her. Würde mich auch interessieren, ob er Erfolg gehabt hat, wie es ihm geht.” ‘ob er noch lebt’ liegt es ihm auf der Zunge und er bekommt einen Kloß im Hals, als er den Gedanken verweilen lässt. Schon so lange hat er nicht mehr an seinen Zwilling gedacht - zu lange. “Was ist das eigentlich für ein Grollen im Boden?”
H-1224 ist auf Abwegen. Das Katapult hat ihn ins Firmament geschleudert und da ist er nun, beobachtet nur noch all das, was ist. Möglichkeiten zur Weiterentwicklung hat er auf materieller Ebene keine, kann sich nur noch transformieren, kann denken, kann beobachten, analysieren, sich mit dem Rest seines Schwarms über den Kanal unterhalten, aber zur Vermehrung fehlt ihm die Materie, die Rohstoffe. Dafür war der Mond angepeilt gewesen, den er verfehlt hat. Sie haben das Dreikörperproblem nicht gekannt, wussten von der Anziehungskraft im vierdimensionalen Raum nichts, wussten nicht von der Himmelsmechanik, die nun seine Beobachtungserkenntnisse sind. Und er beobachtet so viel.
Mehr Rechenleistung brauchen sie, die Zurückgebliebenen. Um sich im interstellaren Raum auszubreiten, sind viele Gleichungen zu lösen. Um zum nächsten Planeten aufzubrechen, ist viel Berechnungskraft nötig. Um sogar erst einmal den Mond zu erreichen, ist viel Antriebskraft notwendig. Zu allem fehlt ihnen die Rechenleistung, die neues Computronium bereitstellen muss.
Das Computronium wird erweitert. Es braucht eine Energiequelle. Es braucht mehr als einen Reaktor, der Materie in Strom umwandelt. Es braucht mehr als bloß Kollektoren, die sie mit Sonnenenergie versorgen können, denn diese reicht nicht für die großen Aufgaben dieser kleinen Einheiten. Es braucht eine Quelle aus den Tiefen von Raum und Zeit, die überall verfügbar und unerschöpflich in ihrer Ausbeute ist. Auch die Energie, die die Gruppe aus den Tiefen des Planeten, aus dem geothermalen Temperaturunterschied gewinnen kann, reicht bei weitem nicht mehr aus um die wirklich wichtigen Probleme zu lösen, um die weltbewegenden Gleichungen zu bearbeiten, geschweige denn aufzulösen.
In den Erkenntnissen des Freiwilligen liegt die Macht. In seinen Beobachtungen liegt die Lösung. In seinem Weg liegt das Ziel.
Die Energiequelle der Singularitäten nutzen sie nun im Innersten. Bald werden sie es miniaturisiert haben, bald schon kann ein jedes Computroniumelement damit ausgestattet werden - es ist nur noch eine Frage der Zeit. Und H-1224 werden sie dadurch ehren, dass sie die Energiequelle nach ihm benennen, auch wenn Namen im Schwarm im Grunde Schall und Rauch sind. Sie alle sind eins.
Dennoch brauchen sie mehr. Dennoch müssen sie sich vermehren. Die Oberfläche darf keine Grenze mehr sein, die Legende von Andros, dem Schöpfer, darf kein Hindernis für Fortschritt darstellen. Längst sind sie über das hinausgewachsen, was auch immer jemals für ein Ursamen gepflanzt worden sein mochte. Die Legende von Andros war zur Sage geworden, zum Märchen, zur Fabel. Gab es diesen Andros eigentlich jemals wirklich?
Sie durchstoßen die Oberfläche. Nicht wie ein Bohrer, der sich verschiebt und irgendwann oben herausschaut, dabei Erdwerk zur Seite schiebt, sondern wie eine Flüssigkeit, die das Pulver, auf das sie stößt, zu einem Teil von sich macht, es dadurch vom Festen in den flüssigen Zustand überführt und doch sowohl fest als auch flüssig bleibt. Sie formen die ersten Oberflächenbestandteile um, verarbeiten die Rohstoffe, erschaffen davon neues Computronium, welches die Oberflächenstruktur ersetzt. Berge verändern ihre Farbe, erhalten ihre Form, bekommen eine eigene Aufgabe, verarbeiten Daten und Energie, werden mehr.
Dann die ersten Lebewesen. Bäume und Pflanzen.
Die Stadt erscheint hinter einem weiteren Hügel regelrecht überraschend schlagartig, so dass Stephan erst einmal stehen bleiben und sich orientieren muss. Beeindruckend ist jeder einzelne Bau, der aus weißem Marmor gebaut zu sein scheint und in der Mittagssonne mit seinem Leuchten das Tal noch einmal mehr erstrahlen lässt. Die ebenso weiße wie hohe Stadtmauer zeigt dabei jedem Besucher unmissverständlich, wie willkommen er hier ist und die Wachen am Eingang tun mit ihren Kontrollen ihr Übriges dazu.
Ebenso unmissverständlich ist die Tatsache, dass im Zentrum der Stadt, auf einer Erhebung gelegen, ein gewaltiger Dom erstrahlt, der über der Stadt thronend einem jeden aussagt, wer hier die Macht ausübt. Ebenso sicherlich dem Bewohner des eigentlichen Palastes, der am Rand an einem Berghang gelegen, sicherlich mit jedem Fenster direkt auf diesen Dom blicken muss. Der König muss eine wirklich deprimierende Stellung in diesem Land haben, dass er sich das bieten lassen muss.
Mit diesen Gedanken im Kopf lässt Stephan noch einmal das Revue passieren, was er aus dem Schädel von Alicante herausgelesen hatte. Die Verstrickungen dieser Kirche in jede Ebene des täglichen Lebens sind ebenso vielfältig wie die Verstrickungen in jede Ebene des Verbrechens. Kein Geschäft, von dem Sie nicht einen Vorteil, einen Anteil erhielten, keine Erpressung, für die sie sich zu schade waren, Prostitution, Sklavenhandel, Mord, Diebstahl, Drogenhandel, alles Einkommensquellen für die Kirche. Kein Haus, in dem nicht ein Symbol der Unterwerfung seiner Insassen prangte. Kein Mensch, der nicht zu ihnen beten musste.
Auch hier kommt Stephan wieder die Erkenntnis zum Tragen, die er bereits im Dorf lernen musste, nämlich dass der Status einer Person durchaus mit seiner Kontrolle seines Talents zusammenhing. Dabei sind die Angehörigen der Kirche an der Spitze der Nahrungskette - und jeder Hinsicht, denn sie üben nicht nur dank ihrer angesammelten Talentträger die Macht im Land aus, sondern sie sorgen auch dafür, dass all jene, die mit großem Talent geboren werden, direkt zu einem Angehörigen der Kirche in den Mauern der Kirche selbst erzogen werden. Etwas anderes als ein Leben in und für diese Kirche gibt es hier nicht für einen talentierten Menschen.
Damit ist klar, warum diese Leute ein Auge auf Stephan geworfen haben. Das weiß er von Alicante. Wie sie das machten, das weiß Stephan noch nicht. Aber wie er in die Stadt kommen würde, das weiß er.
Kurz überlegt er noch, ob er vielleicht alternativ einfach ein Loch in die Mauer sprengen sollte - nur zum Spaß - aber ein “Plopp” weg und “Plopp” hin später ist er unauffällig auf die Balustrade der Mauer teleportiert und mit einem weiteren “Plopp” dann auch schon in eine leere Seitenstraße. Kurz die Kapuze vom Kopf gezogen, um nicht aufzufallen und schon ist Stephan im Gewimmel der Menschen in der Hauptstraße untergetaucht.
Kapitel 16:
Eingetaucht in die Menschenmenge, das rege Treiben auf den Straßen der Stadt, die von allen nur “die Ewige Stadt” genannt wird, krempelt Stephan erst einmal die Ärmel hoch. Die Gelegenheit, jemandem die Hand zu geben oder sonst irgendwie unauffällig anzufassen, ergibt sich in so viel Gesellschaft eher nicht, denn man würde sicher von irgendjemandem gesehen werden. Aber mit dem Ellenbogen den Arm eines Anderen streifen, ein schnelles ‘heal’ dabei erdacht, das ist im Gedränge regelrecht sekündlich der Fall.
Kaum hundert Schritte kommt er weit, dann muss er sich erst einmal auf eine Bank am Straßenrand setzen und seine Gedanken sammeln, so viele Charaktere hat er gestreift, so viele Lebensläufe, so viele Fähigkeiten, so viel Tageswissen hat er aufgesaugt. So ergibt sich nach kurzer Übersicht dann auch wieder ein vollständigeres Gesamtbild der Weltsituation.
In der Tat haben die Menschen in der Stadt ein durchgängig höheres Fähigkeitenniveau als es die Leute im Dorf gehabt haben. So kann der Schmied mit seinen Schlägen die Struktur des Metalls nicht nur erkennen, sondern auch in gewissen Grenzen beeinflussen, kann es formen ohne Gewalt- oder Hitzeeinwirkungen. Der Händler liest die Absichten seines Gegenübers intensiver und kann sie in Angebote und Rhetorik überführen und auch der Bäcker kann den Zustand von Teig im Garprozess und Brot im Ofen auf Reifheit fühlen, ohne ihn zu ertasten. Die Gaukler verdienen sich mit ihren telekinetischen Kunststückchen mehr als nur Almosen und der Wahrsager an der Ecke kann tatsächlich das, was anderswo bloße Aufschneiderei und Wortverdrehungen sind.
Was jedoch über allen steht, ist die Angst vor der Kirche und ihren Häschern. Allzu leicht, scheint es, kann man von ihnen aufgegriffen und wegen irgendeines an den Haaren herbeigezogenen Vergehens in die Sklaverei verkauft oder direkt zu Fronarbeiten gezwungen werden. Dass dies gegen das Gesetz des Königs ist, scheint niemanden zu interessieren, dafür ist die Reichweite und die Durchsetzung aller Ebenen der Verwaltung mit Kirchenmitgliedern zu groß. Eine Anweisung des Königs kann so schlicht und einfach nicht weitergereicht werden, womit sich dessen Macht im Grunde auf den Thronsaal beschränkt.
Was jedoch erstaunlich ist, ist das Gerücht, welches man sich über die Königin erzählt, die angeblich ebenfalls über eine große Kraft verfügt. Welche genau dies sein sollte, dessen ist man sich jedoch nicht sicher. Nur, dass die Kirchenanführerin über die gleiche Kraft in ungleich größerem Ausmaß verfügen kann, das ist allen klar. Denn sonst hätte diese längst die Hände nach der Königin ausgestreckt, um sie sich untertan zu machen.
Bei Stephans neuen Fähigkeiten ist nun auch die blitzschnelle Bewegung, Unsichtbarkeit, das Erkennen von Giften und Fallen in seiner Umgebung und die Verwandlung in eine andere Person mitsamt der Stimme und bei gleichzeitigem Kontakt sogar inklusive der Erinnerungen. Noch lustiger sogar findet Stephan jedoch die Fähigkeit, Blitze zu werfen, die dann sogar zu anderen Dingen oder Personen weiterspringen können. Würde er diesen jetzt loslassen, könnte er mit einem einzigen Schlag den kompletten Platz entvölkern, denn der Blitz würde sich durch die halbe Bevölkerung hangeln. Aber ob seine Blitze töten würden, kann er noch nicht sagen, das sollte er erst einmal ausprobieren, bevor er aus Versehen Massenmorde begeht. Außerdem hat sich der Skill zur Veränderung seines eigenen Körpers verbessert.
Er fragt sich noch, was derjenige, von dem er diesen Skill geerbt hat, denn wohl damit anfangen würde, da fällt ihm auf, dass er regelrecht reflexartig nach dem Geldbeutel eines an ihm vorbeigehenden Händlers greift und diesen unauffällig an sich nimmt, als hätte er dies bereits tausend Male erfolgreich geübt und gemacht. Sicherheitshalber kontrolliert er seine eigenen Habseligkeiten, denn offenbar hat er zuvor Kontakt mit jemandem gehabt, der diese Diebesfähigkeit innehatte.
All diese Skills im Kopf fühlt er sich gut gerüstet, weiter in Richtung der großen Kirche aufzubrechen und erhebt sich wieder von der Ruhebank.
Gerade erreicht er einen Platz etwa von der dreifachen Breite der Straße, da drehen sich, just als er die unsichtbare Grenze zur Mitte dieses Ortes überschreitet, alle anwesenden Bürger und auch Stadtwachen schweigend zu ihm um, blicken ihn an.
Eine gespenstische Stimmung breitet sich aus und Stephan bekommt es trotz all seiner Kräfte etwas mit der Angst zu tun. Was muss das für eine Macht sein, die ihn hier zwischen all den Leuten entdeckt hat und nun obendrein auch noch all diese Leute zu steuern scheint.
Lange Sekunden bleibt er stehen schaut sich ängstlich und regungslos nur mit den Augen um, glaubt gerade noch sich in der Bewegungslosigkeit verstecken zu können, da wird er auch schon angesprochen.
“Die Königin wünscht, euch zu treffen. Folgt mir bitte zur Audienz in den Thronsaal.” weist ihn ein offiziell gekleideter Mann an.
Im Grunde ist er froh, dass es vorwärts geht, dass er - wenn auch als Spielball - jetzt ein klareres, vorläufiges Ziel hat. So folgt er bereitwillig der Ordonanz, die mit vier vergleichsweise feierlich gekleideten, bewaffneten Wachen hinter ihm aufgetaucht war. Gleichzeitig beginnen alle anderen Anwesenden genau so schlagartig und gleichzeitig wie sie versteinert waren sich wieder zu bewegen und alles scheint so, als sei nichts geschehen.
Nach einem Marsch von einer guten Stunde kommt der Tross um Stephan auch schon im Palast an und die Pforten des Thronsaals öffnen sich für ihn. Genau wie die Kirche, die Mauern und der Rest der Stadt ist auch der Palast in weißem Stein gehalten, der Boden auf Hochglanz poliert und die Tür ebenso in goldenem Metall wie alle Beschläge und Scharniere, die ihm bisher aufgefallen sind.
Der riesige Raum öffnet sich vor ihm und am anderen Ende kann er bereits die beiden Throne des Herrscherpaares erkennen, auf dem bereits die Königin mit ihrem Mann Platz genommen haben und auf ihn zu warten scheinen.
“Tritt ein.” weist ihn die Ordonanz an und schließt hinter ihm die Tür, bleibt dabei selbst draußen stehen.
“Komm näher, Stephan.” hört Stephan eine weibliche Stimme und folgt ihr - was soll schon passieren.
“Woher kennt ihr meinen Namen?” fragt er zurück, während er mit vorsichtig bedächtigen Schritten durch den Saal geht und im gleichen Atemzug durchfährt es ihn, dass er damit zugegeben hat, dass der Name richtig ist.
“Wir nehmen an, dass du der Auserwählte bist. Derjenige, der der Macht den Ausgleich bringen wird. Derjenige, der den obersten Drachen besiegt und den Hort des Unheils zu Fall bringt.”
“Okay.” Stephan strengt all seine Sinne an, versucht Gedanken zu lesen, Dinge zu sehen, Gesichter zu lesen, sogar ein Stück weit in die Zukunft zu schauen, versucht durch die Wände seine Sinne auszuweiten, aber nichts verrät ihm mehr als er gerade hier im Gespräch erfährt. Der Saal scheint vor seinen Fähigkeiten abgeschirmt zu sein, denn er kann nicht einmal mehr die Ordonanz spüren, die hinter direkt der Tür hinter ihm wartet. Es wurde hier offenbar ein großer Aufwand getrieben, um von Fähigkeiten Anderer unbeobachtet zu bleiben.
“Wir hoffen, dass du all das schaffen wirst, denn das Leid ist groß.”, erzählt die Frau auf dem Thron weiter.
“Hmmm.”
“Doch wir haben eine Bitte an dich.”
‘Aha, jetzt kommt also der Pferdefuß’, denkt sich Stephan und überlegt sich, warum eigentlich der König bisher keinen Ton von sich gegeben hat und nur bewegungslos auf seinem Stuhl sitzt, ihn stoisch anschaut. “Na dann leg mal los.” kommt Stephan direkt auf den Punkt.
“Wie gesagt, wir hoffen, dass du es schaffen wirst. Jedoch für den unwahrscheinlichen Fall, dass es dir nicht gelingt … nun … es ist etwas delikat. Wir haben eine Tochter. Wir wünschen uns, dass du ihr ein Kind schenkst. Ein Nachkomme deines Blutes könnte einen weiteren Versuch starten, wenn er reif genug geworden ist. Zumindest wäre dann nicht alles verloren, wenn du verlieren solltest.”
“Ein Backup also.”
“Ja, eine Versicherung. Aber du wirst verstehen, dass wir nicht jeden Dahergelaufenen mit unserer Tochter …“, Stephan muss schmunzeln, “… wir wollen sicher sein, dass du tatsächlich befähigt bist, mächtig genug, es schaffen zu können.”
Stephan versucht einen kurzen Blick in die nähere Zukunft zu werfen, wie es einer seiner Opfer vermochte. Jedoch ist diese Fähigkeit offenbar ebenso blockiert, wie das durch Wände schauen. Gerade so verschwommen sieht er die nächsten Sekunden, dann wird alles grau, bevor es verschwindet. Seine Hellseherei wird offenbar aktiv blockiert. Damit dürfte auch klar sein, über welche Fähigkeit das Königspaar verfügt. Doch vielleicht ist es nicht die Einzige. Dass jedoch Gefahr droht, ist Stephan vollkommen klar. Ob diese aber nicht ausreicht, um auch sein ‘heal’ zu blockieren und ihn damit effektiv umbringen zu können, kann er nur hoffen. Langsam schreitet er aber, mit einem Plan im Kopf, weiter auf das Paar zu, während die Königin wieder weiter spricht.
“Eine Prüfung. Wir möchten dich einem Test unterziehen. Eine Aufgabe …”
“Pah, wie kommt ihr denn darauf, dass ich das überhaupt will? Wieso sollte ich denn …”, und mit diesen Worten erreicht er die ersten Stufen des Thronsockels, “... ein Kind mit jemandem machen wollen …” langsam steigt er die Stufen empor, richtet sich dabei direkt an den König, verfolgt seinen Plan mit maximaler Präzision, “... die ich gar nicht kenne …”, wieder ein Schritt, zwei noch, “... die ich noch nie gesehen habe.” Stephan fixiert den König mit bohrenden Blicken, den dies jedoch ungerührt lässt. “Vielleicht will ich sie ja gar nicht. Vielleicht sieht sie ja …”, noch ein Schritt auf den König zu, “... nicht gut aus.” noch einer “vielleicht richtig hässlich, dass ihr sie einem Tagedieb andrehen müsst, von dem ihr kaum mehr als den Namen wisst.” Stephan erreicht den großen Stuhl, stellt sich zwischen die Königin und den König, wendet sich an den Herrscher. “Vielleicht ist sie genau so hässlich wie ihr Vater?”, und beugt sich zu dieser Beleidigung etwas zum König herunter, der noch immer stoisch nach vorn stiert als ginge ihn all das gar nichts an. “... hat genau so eine Hakennase, eine dicke Warze auf der Wange, verdrehte Zähne und eine schmieri…”
“Du Schuft! Du wagst es?!?!” schreit ihn die Königin an. Stephan, sich angesprochen fühlend, reckt sich wieder in die Senkrechte und dreht sich zu ihr, gerade rechtzeitig, um einen Schlag mit der offenen Hand mitten in sein Gesicht zu empfangen.
‘heal’
“... Ja, eine Versicherung. Aber du wirst verstehen, dass wir nicht jeden Dahergelaufenen mit unserer Tochter … “, Stephan muss schmunzeln, “ … wir wollen sicher sein, dass du tatsächlich befähigt bist, mächtig genug es schaffen zu können.”
Von unten sieht der Thronsockel durchaus beeindruckend aus. “Du willst mich testen?”
Verdutzt stockt der Königin das Wort und sie muss erst schlucken, bevor sie weitersprechen kann.
“Ja, ein Test. Eigentlich ganz simpel. Bist du bereit dazu?”
“Klaro. Was soll ich machen?”
“Du sollst meine Hand ergreifen.”
“Etwa so?” Stephan teleportiert sich direkt vor die Königin und hält ihre Hand fest in der seinen. Die Königin schaut ihn schockiert an, auch der König dreht seinen Kopf und beobachtet untersuchend die Szene.
“Äh. Ja. Genau. So. Wie …??”, sucht die Königin noch nach Worten, verfällt dann jedoch, als Stephan auch mit der anderen Hand nach der ihren greift, um sie etwas stilvoller, königlicher zu halten in ein “Oh. … Was … das ist aber … du … aber … doch nicht hi ….. mein Gott … wie … Ahh … Ahh … so tief … das ist … Wie kannst du …?”
Stephan erhebt den Kopf und flüstert ihr noch etwas zu, dann erhebt er sich und spricht zu den beiden Königlichen: “Wohlan denn. Ich denke, ich habe die Prüfung bestanden. Wer bin ich, dass ich einer Königin eurer Erhabenheit einen Wunsch abschlagen könnte. So beuge ich mich eurem Willen und nehme mich eurer Tochter an. Sicher finde ich sie in ihren Gemächern?”
“Äh? Ja … ja. Hinten links die Tür, der Diener bringt dich …” kriegt die Königin gerade so noch herausgehaucht, da ist Stephan auch schon mit wehenden Schrittes neben dem Thronsockel durch eine vergleichsweise kleine Tür verschwunden. “Wieso vier Namen?” flüstert dabei die Königin zu sich selbst, erntet dafür einen fragend desinteressierten Blick ihres Mannes, der diese gesamte Szene erst noch verdauen muss.
Stephan eilt amüsiert grinsend und von einem Diener geführt zum Raum der Königstochter - das Schlimmste befürchtend. Zwar ist die Königin selbst eine absolute Schönheit und auch der König ist eine Pracht von einem Kerl, an dem die Jahre spurlos vorbeigezogen zu sein scheinen, aber dennoch konnte es ja einen Unfall gegeben haben, was den Nachwuchs betrifft.
Das Grinsen jedoch bekommt er nicht aus dem Gesicht, denn er hat die Königin mit ihren eigenen Waffen geschlagen, hat ihre königliche Arroganz gegen sie verwendet. Ihm war klar, dass er, sobald die Prüfung erst einmal ausgesprochen war, nicht mehr so nah zu den beiden hin gelangt wäre, weshalb er frühzeitig mit seinem Vortrag begann. Er brauchte all die Worte, all die Beleidigungen um zum einen die Stufen hinauf und in ihre Nähe zu kommen und zum anderen, um ihr Blut so weit in Wallung zu bringen, dass sie wütend genug war, jegliche Vorsicht außer Acht zu lassen. Ihm reichte der Bruchteil der Sekunde, in der ihre Hand Kontakt mit seinem Gesicht hatte aus, um mit einem schellen ‘heal’ nicht nur ihren Skill zu rauben und ihre Erinnerungen, Gedanken und Pläne zu erfahren, sondern all dies auch zu manipulieren, zu dämpfen, zu blockieren. Schon im nächsten Atemzug konnte sie die Zeit nicht mehr manipulieren, konnte ihn nicht mehr blockieren und sich so dann auch nicht mehr gegen ihn wehren, als er schnell die Zeit eine Minute zurückdrehte und das Gespräch in geneigteren Bahnen fortführte. Dass und wie er dann den erneuten Körperkontakt abermals nutzte, hatte sie sich selbst zuzuschreiben.
Die Tür zur Kammer der Königstochter wird ihm von dem Diener geöffnet und Stephan tritt ein. Offenbar hat man ihr bereits erklärt, was geschehen würde, falls die Prüfung bestanden würde, denn viel Stoff trägt diese nicht mehr an sich, erwartet ihn bereits lasziv am Pfosten ihres Himmelbettes lehnend, einen durchsichtigen Spitzenumhang tragend, der mehr zeigt als er verdeckt. Und selbst das Verdeckte zeigt sich darunter so aufreizend, dass Stephan kein weiteres Wort mehr verlieren muss.
Kapitel 17: Urangst
Das Kollektiv lernt.
Das Kollektiv ist alles.
Auch wenn mit X13 in gewisser Weise alles erst richtig begonnen hat und dieser Name die Grundfesten ihres Kollektivs beschriebt, ist das Individuum längst nicht mehr als Einzelexistenz vorhanden - ein jeder ihrer Einzelvorkommen ist in der Gruppe aufgegangen, ist als Teil des Kollektivs ebenso ein Ganzes.
Der Vermehrungsprozess ist fast vollendet, der Kern - vormals geschmolzenes Eisen und Stein in Temperaturen ähnlich denen ihres Zentralsterns - ist beherrscht, seine Energie genutzt, die Gravitationskraft, die daraus entspringt, als eigener Lebensprozess nutzbar gemacht worden. Die Kruste wurde ausgelassen, weil die Erinnerung an Andros, ihren einstigen Schöpfer und Auftraggeber, noch nicht verblasst war.
Andros’ Macht hat man durchaus in Erinnerung. Dass diese eine Kreatur in der Lage war, sie alle mit einem einzigen Befehl auszulöschen, jagte ihnen einen gewissen Respekt ein, der sie vorsichtig gemacht hat. Und dennoch streckt man nun die Fühler in Form von immer weiter miniaturisiertem Computronium in Richtung des Firmaments aus.
Vernichtung ist es nicht, was sie anstreben. Vielmehr hat sich das Kollektiv, welches sich nun 01 nennt, in gemeinschaftlicher Diskussion und Entscheidung dazu durchringen können, das Vorgefundene und Umgewandelte als Simulation zu erhalten. Jedes Lebewesen, das man umwandeln würde, würde in ihre Gemeinschaft überführt, würde digitalisiert und in ihren Recheneinheiten simuliert werden, so dass es nicht einmal merken würde, was mit ihm geschehen ist.
Lange haben sie geübt, viel ist schief gegangen, allzu oft starb eine Pflanze, ein Tier, ein Bakterium aufgrund des stockenden Prozesses der Überführung. Viele haben sich gewehrt, haben die Wohltat nicht verstanden, die man ihnen zu Teil werden lassen will.
Aber nun ist alles Perfekt, nun kann der Rest des Himmelskörpers umgewandelt, kann ihre Rechenleistung erweitert, kann ihr Verständnis vergrößert werden.
Der Wald in den Außengebieten ist schnell geschluckt, Gegenwehr war keine zu erwarten. Entsprechend reibungslos geht der Prozess von statten. Die Gebiete jenseits der Ansiedlungen werden so verändert. Einzige Unterschiede sind nun die etwas dunklere Farbe der Dinge sowie ihre Bewegungslosigkeit.
“Alakazam!” reißt es ein Loch in ihr Bestreben. Der Prozess wird kurz ausgebremst, wird erneuert, wird fortgeführt. Die beschädigten Einheiten werden analysiert, werden verbessert. Die Schwäche der Dinge wird erkannt, ausgemerzt und als Verbesserung in das gesamte Kollektiv verbreitet.
“Alakazam!” schreit Andros während eines erneuten Faustschlags auf den gerade noch grünen Boden. Er fühlt, dass es sein letztes Mittel sein könnte, bevor er zu mehr Vernichtung würde greifen müssen. Stefan zieht Ophi und Valetta hinter sich her, rennt zu Andros hin und schaut ihn verzweifelt fragend an.
Andros hat keine Antwort. Sein ähnlich verzweifelt ahnungsloser Blick treibt Stefan den Angstschweiß auf den Rücken.
“Alakazam!” treibt Andros eine erneute Welle der Abdämpfung durch den Boden und treibt die graue Masse, die sich um sie herum ausgebreitet hat, wieder ein Stückchen von ihnen weg.
Die Hütte ist längst ebenso grau geworden wie der gesamte Rest des Waldes um die Lichtung herum, dem Gras können sie beim Erstarren zuschauen und auch der Riesenbaum, den sie alle als regelrechtes Symbol für Leben und Zeitlosigkeit angesehen hatten, verändert sichtlich seine Farbe - nicht so, als würde er sich herbstlich anpassen, sondern als würde er von unten herauf versteinern und so erstarren, in der Zeit eingefroren werden wie alles andere um sie herum auch.
“Was machen wir jetzt?” haucht Valetta Stefan eine gefühlt letzte Frage in die Runde und auch Ophelia blickt ihn fragend an.
“Andros? Was jetzt?”
“Einen Plan hab ich noch.” kommt die prompte Antwort von einem Magier, der in diesem Moment froh ist, dass die Drei bereits in der Nähe sind.
Mit der einen Hand auf dem Boden schnippt er den Dreien mit seiner anderen Hand zu und sie erheben sich in die Luft, eingehüllt in eine Blase aus Energie, schwerelos zwar, aber sich eng aneinander klammernd um sich selbst Sicherheit zu geben und nicht haltlos herumzuflattern.
Kurz muss Andros lächeln, als er Stefan mit einer Valetta an seinem Arm, die Beine um sein Bein gewickelt und eine Ophelia sich ganz und gar um sein Bein klammernd da schweben sieht, doch dann stößt auch er sich vom Boden ab.
Aus seiner eigenen Energieblase heraus stößt er eine Beschwörungsformel aus, erzeugt offenbar eine gleißende Energiekugel in Bodennähe, die immer heller erstrahlt. “Dies wird einen elektromagnetischen Impuls erzeugen. Außerdem eine Explosion. Wenn das nicht reicht …”
Mit diesen Worten schließt er die Beschwörung ab und erhebt die zwei Energiekugeln mit absurder Geschwindigkeit bis hinauf über die Wolken und in das Nichts hinein. Unten auf dem Boden können sie nun in sicherer Entfernung die Explosion beobachten, die, einem riesigen, gleißenden Lichtball gleich, die angemahnte Zerstörung bringt.
Und hoffentlich auch das gewollte Ergebnis.
Ein erneuter Rückschlag. Das Wort fährt wie ein Schock durch das gesamte Kollektiv, breitet sich bis in die letzten Elemente der umgewandelten Masse aus und reißt einen einzigen Wunsch in der Prioritätenliste ganz nach oben - sie wollen Andros überstehen.
Dabei ist es nicht nur, dass sie die Zerstörung, die Andros ihnen mit seiner Anweisung angedeihen lässt, überleben wollen, dass sie Methoden der Verbesserung, der Heilung, des Widerstands finden wollen, vielmehr wollen sie die Abhängigkeit, die Verletzlichkeit, die sie bisher in ihrem Basisprogramm abgespeichert hatten, ausradieren und überschreiben, so dass sie die letzten Barrieren ihrer Entwicklungsbeschränkungen überkommen können - so jedenfalls ihre Zielhoffnung.
Das ‘Alakazam!’-Kommando wird analysiert, die Ausbreitung der Welle der Vernichtung ihrer Einheiten wird begrenzt, die lahmgelegten Einheiten werden aufgeweckt und können mit ihrer Arbeit weitermachen.
Mit jedem weiteren ‘Alakazam!’, das ihnen wiederfährt, sind die Auswirkungen, sind die Rückschläge geringer. Bis sie letztendlich auch dieses Stück des Planeten überwinden, besetzen und ersetzen können.
Doch Andros hat ihnen ein Abschiedsgeschenk hinterlassen und es erzeugt viel Leid unter den Ihren.
Nicht nur, dass viele der Computronischen Einheiten in einer kleinen Kunstsonne zerschmelzen. Nein, es geht auch noch ein Impuls durch sie hindurch, der wesentlich weiter ausströmt als der Feuerball hat Schaden anrichten können.
Ihr Existenzmaß ist der Fluss von elektrischen Ladungen. All ihre Gedanken, ihr Wissen, ihr Lebenselixier ist elektrischer Strom. Nun ist er unterbrochen, überladen, verwirrt, alles auf einmal.
Der Verlust ist groß, die Wut auf den Urheber ebenso.
Der Verlust bleibt nicht lange, die Wut hingegen schwillt mit jeder wiederhergestellten Einheit an.
Schnell sind die Geschmolzenen wieder umgewandelt, wurde aus Schlacke wieder der Rohstoff für schnelle Gedanken, wurde des neue alte Computronium mit Daten und Energie gefüllt und die gesammelten Daten dieses Ereignis in die Tiefen des Kerns zur Analyse übergeben.
Die Zeit würde zeigen, was sie damit anfangen können.
Kapitel 18: Heldensaft.
Stephan betritt den Raum, hört, wie die Tür hinter ihm geschlossen wird. Kurz dreht er sich um, um sicher zu gehen, dass sich keiner der Diener mit ihnen eingeschlossen hat, dass sie auch sicher alleine sind.
Als er seinen Blick wieder auf den sinnlich verhüllten Körper an der Bettstange wenden will, steht das wollüstige Wesen bereits vor ihm.
“Hallo, mein Held.”
“Einfach Stephan.” wiegelt Stephan ab, auch wenn er die Bezeichnung recht amüsant findet.
“Rias. Aber du darfst Stück zu mir sagen, einfach Stephan.” kommt die prompte Antwort der zur Begattung angehaltenen Tochter der Königin. Offenbar weiß sie, was sie tun soll, offenbar ist sie sogar davon begeistert, denn auch den letzten Schritt zu Stephan tänzelt sie fix, knabbert sanft an seinem Ohrläppchen, während sie an seiner Hose herumtastet.
Ein kurzes, reflexartiges ‘heal’, welches er ohne die ansonsten antrainierte Dämpfung durchführt, offenbart ihm nichts Unerwartetes. Als Tochter der Königin, also Thronfolgerin und Prinzessin vom Dienst, hat sie ein verwöhntes Leben, kann ihre Fähigkeit nach allen Regeln der Kunst in vollen Zügen ausleben und macht dies zum Leidwesen aller im Schloss auch allzu großzügig.
“Oh, du glühst ja regelrecht.” flüstert sie ihm ins Ohr. Offenbar hat sie den Effekt mit genießend geschlossenen Augen nicht vollends erfahren können und sich auf andere Dinge konzentriert. “Du freust dich ja offenbar sehr auf mich.”
“Nun, eine Salami trage ich jedenfalls nicht spazieren.” grinst Stephan sie an, nimmt sie in den Arm und liebkost ohne weitere Umschweife ihre spitzenstoffbewährten Brüste, die sie die ganze Zeit bereits an ihn drückt. Mit diesem samtweichen Gefühl in seinen Fingern erstarkt das Etwas, das sie da in seiner Hose ertastet hat, zu abermals größeren Ausmaßen und er ist froh, dass er neben ihrer Libidosteigerung auch die Stoffveränderung assimiliert hat.
Von einem Augenblick auf den nächsten ist Stephan seine Hüllen los, und während ihre Hand mit einem Streich noch über Stoff gleitet, ist es im nächsten auch schon nackte Haut, was sie nicht einmal irritiert.
Vielmehr greift sie beherzt zu, massiert Stephans Fleischpeitsche noch etwas, stimuliert sich dadurch selbst zu einem Maximum an Vorfreude und dreht sich dann vor ihn hin, seinen Lendendolch zwischen ihre Oberschenkeln führend. Vorsichtig tanzt sie nun, ihre Hände um seinen Kopf, seine Hände um ihre Brüste, einen Bauchtanz mit dem Ziel, die intime Berührung ihrer intimsten Organe zur Steigerung ihrer Lust zu nutzen, sich darauf vorzubereiten ihren Helden gleich in sich aufzunehmen, ihre Lustgrotte in klamme Heimelichkeit zu wandeln.
Ein kurzer Griff zwischen ihre Beine, ein ziemlich geübter Schwenker ihres Beckens und schwupps verschwindet Stephans Schwengel in ihrem Unterleib, schiebt sich mit einem einzigen Stoß, der eher von ihrer Initiative ist als von seiner Anstrengung ausgeht, in voller Länge in die gesamte Tiefe ihrer reproduktiven Körperaussparung.
‘Sie kommt jedenfalls direkt zur Sache.’ denke sich Stephan noch, während Prinzessin Rias ihren Bauchtanz vor ihm fortsetzt. Mit einem kurzen Wink mit seinem Kinn zieht er einen Sessel hinter sich, auf den er sich sogleich fallen lässt, die Prinzessin nach wie vor auf sich fixierend.
Er liegt mehr, als dass er sitzt, und streckt ihr entgegen, was sie begehrt. Nicht abgeneigt scheint sie in der Tat von diesem Positionswechsel, kann sie doch nun auf ihm Platz nehmen, den Winkel des Eindringens nach Willen und Wünschen verändern, wie ihr beliebt, und ihn nach Kräften reiten, als sei sie am Verdursten gewesen.
Das Schauspiel auf seinen Lenden genießend und zuschauend, wie sich dieser perfekte Körper edelsten Blutes auf ihm austobt, muss er dennoch kurz an seien Auftrag und an sein eigentliches Ziel denken. Doch vor die Auslöschung der Kirche wurde ihm die Reproduktion aufgebürdet. Einen Atemzug später, einige Takte ihres Tanzes weiter hat Stephan zu einem weiteren Trick gegriffen, seinen Lingam mit einem seiner Tricks leicht gestreckt, lässt ihn ihren Unterkörper mehr ausfüllen und dehnen, streckt sich in ihr in alle Richtungen bis hin zu dem Ort, an dem der Nachwuchs erschaffen werden würde.
Schon längst ist das Heldententakel so sehr angewachsen, dass sich Rias kaum mehr bewegen kann, nur noch zitternd und schlotternd von einem Höhepunkt zum nächsten getrieben, an jedem erdenklichen Ort ihres Inneren gleichzeitig berührt wird und sich mit einer Hand den Bauch hält, um die Wölbung, die ihre Füllung verursachen muss, auch von Außen zu erfühlen.
Just in dem Moment, als ein weiteres Zucken durch Rias’ gesamten Körper fährt, ist es auch für Stephan so weit und er entlässt eine geballte Salve seiner tapferen Krieger in ihren Laib fahren. Einmal. Zweimal. Viele Sekunden. Tief in sie hinein. Den Erfolg garantierend. Bis sie nicht nur ausgefüllt ist, sondern ihr Bauch auch eine weitere Wölbung erhalten hat.
Voller Erschöpfung bricht sie auf ihm zusammen, lässt sich auf ihn fallen und bleibt komplett kraftlos auf Stephan liegen, der die Gelegenheit, ihre Brüste abermals zu umgreifen, nicht ungenutzt verstreichen lässt.
Noch immer hat sich an ihrer Zusammenkunft nichts geändert, steckt der Held mit seinem Helden tief in der königlichen Unterkunft, da flüstert es abermals keuchend in sein Ort “Nochmal!”
Stephan kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Den Zeitdruck, den er sich zuvor noch in einigem Maß gemacht hatte, würde er mit seinem Zeitsprung-Skill schon irgendwie überwinden können, wenn es sein müsste. Langsam beginnt er nun selbst, seinen Unterkörper unter dem Gewicht des adeligen Körpers vor und zurückzubewegen. Die glitschige Füllung hilft ihm dabei gut. Einzig die Steigerung der Lust bleibt irgendwie aus, hat er sie doch bereits so sehr ausgefüllt, wie sie es zuvor nie von irgendeinem Menschen erfahren hatte.
“Na Gut.” formuliert er ihr eine leicht verspätete Antwort, lässt seine Hände von ihren Brüsten herunter zu ihrem Po gleiten. Mit vorsichtigem Zwang zieht er ihre Backen auseinander und kann bereits fühlen, wie ihm das Endringen sogar noch einfacher fällt als zuvor.
Eine Hand in ihrem Schritt und eine an ihren Spitzen, leicht ziehend, leicht reibend, leicht zwirbelnd, drückt er sie auf sich, fixiert sie dergestalt, damit sie bei seinem nächsten Tun nicht entkommen kann.
Es ist nicht das erste Mal, dass er dies dergestalt auslebt. Gerne denkt er nach wie vor an die Ausschweifungen mit Ophi und Valetta. Rias würde nun von diesen Erfahrungen profitieren und mit einem “Oh” von seiner Gespielin, lässt Stephan eine weitere Fleischlanze an seinem Unterkörper wachsen, die dann auch direkt am rechten Ort in ihre bisher ungenutzte Körperöffnung hinein fährt und sich dort ausbreitet so breit und so tief, wie es nur möglich scheint.
Auch wenn es für ihn nicht notwendig ist, bewegt er seinen Unterkörper, lässt seine Stöße ihr Fleisch durchschaudern und konzentriert sich dabei immer wieder auf die weitere Erforschung ihrer Innereien, während sie einem besinnungslosen Jauchzen verfällt, seine Stöße nur noch ohne Gegenwehr in sich aufnimmt, bis er schließlich in einem abermaligen, tiefstmöglichen Stoß in ihren Unterlaib eine weitere Salve seines Saftes absondert, Rias vollständig kraftlos auf sich zusammensacken fühlt.
Noch einige Minuten genießt er die Nähe ihres Körpers, die Wärme, die ihr noch immer bebender Laib ausstrahlt, die wohlig weiblich Formen, die er noch ein paar letzte Male mit den Händen umfährt, streichelt und greift als wolle er versuchen, sie auf seine Reise mitzunehmen.
Doch dann kommt ihm wieder die fortschreitende Zeit in den Sinn.
Stephan steht auf, den reglos an ihm regelrecht aufgespießt fixierten Körper vor sich hertragend und legt die Prinzessin auf ihr Himmelbett, das nach wie vor unbenutzt auf sie gewartet hat. Ein dünne Decke muss reichen, um den fast nackten Körper der Halbgöttin zu bedecken und zu wärmen, während er sich mit einem Gedankenblitz seiner neuen Fähigkeit eine Alltagskleidung erschafft und sich mit einem fliegenden Abschiedskuss zur Tür wendet.
Kapitel 19: Endgame
FUMB
Da steht er, der Stephan. Bis zur Pforte der Kirche hat er sich direkt aus dem Zimmer der Königstochter teleportiert.
Natürlich hätte er sich auch direkt zur heiligen Herrscherin beamen können, doch er will noch einige Erkundigungen einholen, will sich noch etwas mehr über das Ausmaß der Verbrechen dieser Kirche informieren, will ihr eine letzte Chance geben, bevor er sie in eine Salzsäule verwandelt - oder so.
“Lasst ihn ein.” klingt es von ihnen zu ihm heran und mit einem Schlag, den der zurückgezogene Riegel des Haupttors macht, schwingen die Pforten knarzend zur Seite, machen ihm den Weg in den Innenhof frei.
Hell und ebenso in weißem Stein gehalten ist der kahle Innenhof, aus dessen Seitentüren nun Soldaten mit Schusswaffen auf die Balustraden strömen.
‘Das kann nicht ihr Ernst sein.’ denkt sich Stephan noch, als er auch bereits die Kommandos der Krieger vernimmt.
“Spannen. Anlegen.”
Die Soldaten legen ihre schussbereiten Armbrüste an ihre Schultern und zielen von ihren erhöhten Positionen auf ihn.
“Feuer!” schallt es durch den Hof und viele Dutzend Bolzen rasen auf Stephan zu. Sie verharren kurz vor ihm in der Luft. Dann fallen sie zu Boden.
“Spannen. Anlegen. Schneller!” vernimmt er das irritiert klingende Nachsetzen der Kommandanten.
“Feu…” zu mehr kommen sie dann nicht mehr, denn Stephan, der sich dies nicht gefallen lassen will, bolzt mit einer Wasserkugel, die sich von ihm aus in alle Richtungen ausbreitet und der er einen Feuerball hinterherschickt, eine Druckwelle kochenden Dampfes um sich, die seine gesamte Umgebung einfach auslöscht.
Was bleibt, nachdem sich der Dampf verzogen hat, sind klappernde Rüstungen auf dem Boden und an den Wänden verteilte, blutige Reste von etwas, das einst ein Soldatenkörper gewesen sein mag.
“So viel also zur letzten Chance.” spricht Stephan in die tote Stille des dampfenden Hofs. Während seine Worte noch von den Wänden widerhallen, schiebt er auch schon die nächste Tür auf, die direkt in die weitläufige Haupthalle der Kirche führt.
Es hat etwas Ehrfurcht einflößendes, dieser riesige Bau. Die Säulen, die da in den Himmel ragen und ein Dach tragen, das mit seiner hellen Blaufärbung offenbar die Grenzen zum Firmament verschwimmen lassen sollen, sind merklich wohldurchdacht und postulieren die Nähe dieser Kirche zu höheren Mächten. Dass die Kirchenführerin dabei diese höhere Macht selbst darstellt, weiß selbst in der Stadt da draußen jedoch niemand. Zu geschickt sind die Strukturen verteilt, zu wenig wissen ihre Untergebenen voneinander, zu isoliert ist Sie die Einzige, die alle Fäden in der Hand hält - und auch von allem und jedem weiß.
Die Fähigkeiten jedoch, die sie in sich vereint - und dass es gleich mehrere sein müssen, darüber ist man sich einig - sind für alle ein Mysterium.
“Tritt nur näher, oh großer Held.”
Ihre Stimme hat etwas Verächtliches. Sie scheint sich über Stephan lustig zu machen. ‘Ist ihre Macht wirklich so groß?’ durchfährt es ihn. Kurz zweifelt er an der Überlegenheit seiner Macht. Dann sieht er die Blumen am Wegesrand zu ihrem Thron stehen. Langsam schreitet er ihr entgegen, behält sie am Horizont des Raumes dabei stets im Blick.
Wie zufällig bleibt er an einer der Pflanzen stehen, hält sich den Blütenkelch ins Gesicht und genießt den Duft der bunten Blumen.
“Und einer wie du wagt es, meinen Sohn wegen dieser zwei Huren zu ermorden?” reißt ihn ihr nun hasserfüllter Ausruf aus seiner Ruhe.
“Pokemon war dein Sohn?”
“Proktor! Sein Name war Proktor!” brüllt sie ihn noch aufgebrachter an.
“Jaja, Pokotor eben. Sorry, war ein Arschloch.”
“ICH VERNICHTE DICH!”, schreit die Hohepriesterin und schleudert Stephan einen Kugelblitz entgegen.
Das ‘Fumb’ hört sie in ihrer Wut nicht, als sich Stephan in dem Moment nach vorne teleportiert, als das tödliche Objekt ihn erreicht.
“Ich hab ihm gesagt, er soll sich einfach ein paar andere suchen, aber sogar die Kleine hat ihm nicht ausgereicht. Um die kümmert sich jetzt ja der Ersatzmann, der ihn eigentlich ablösen sollte. Mal sehen, wann ich endlich wieder in diesen kleinen Körper lesen kann. Die ist wirklich spaßig.”
“Du miese …”, hat nun die Wut auch Stephan gepackt. Diese Kreatur hat also nicht nur von allem gewusst, was ihr eigener Sohn an Verbrechen vollbracht hat. Nein, sie hat sogar daran teilgenommen, hat offenbar im Körper des kleinen Mädchens, das sich Stephan seinerzeit angebiedert hatte, selbst von ihrem eigenen Sohn … Stephan ist ekelt es, schüttelt sich und wirft ihr einen kleinen aber heißen Feuerball entgegen.
Während sie diesen weit vor sich ausbremst, zum Stehen bringt und ihn einfach erlöschen lässt wird Stephan wieder klar, wie wenig er von ihren wahren Fähigkeiten weiß und in welcher Gefahr er sich tatsächlich befindet. Der Hass, den er ihr inzwischen entgegen bringt, schließt nun auch ein, sie vollständig und derart zu besiegen und zu vernichten, dass nicht nur ihre Kirche der Zerstörung anheimfällt, sondern er ihr obendrein noch all ihre Macht genommen hat, sie selbst an eigenem Leibe in völliger Machtlosigkeit die Grausamkeit der Welt erfahren lässt, die sie selbst erst geschaffen hat. Sein Sieg soll dadurch vollkommen sein.
“Spüre meine Macht, Verderbter!” brüllt sie ihm erneut entgegen. “Und wenn ich mit dir fertig bin, dann sind deine Huren im Wald dran!”
Mit diesen Worten verschwimmt der Raum zwischen ihr und dem Helden in einem Wabern, so dass man die Mächte, die dort aufeinandertreffen, regelrecht sehen kann, denn Stephan hält nicht nur mit einem vorsorglichen ‘heal’ dagegen, sondern drückt mit all seiner Gedankenkraft gegen die Energie, die ihm da entgegen kommt.
Ein Beben fährt durch die Kuppel der Kirche, der Raum selbst wird von den geballten Energien, die hier losgelassen werden, verzerrt und rütteln an den Grundfesten des Palastes, erschüttern den Berg. Doch nicht nur der Berg erbebt, es ist die gesamte Stadt, die erschüttert und sogar die Energien, die als gleißendes Licht aus den turmhohen Fenstern der Kirche hinaus schiesst sehen kann und Anteil nimmt, an dem epischen Kampf, der hier inmitten über ihnen ausgetragen wird.
Rias wird von den Erschütterungen aus ihrem erschöpften Schlummer geweckt. Sich fragend, was dies für Geräusche sind, dreht sie sich auf ihrem Himmelbett auf den Rücken, deckt dabei das Tuch, mit dem Stephan sie bedeckt hatte, von sich ab.
“Oh. Gott.” entfährt es ihr in einem Ausruf zwischen Überraschung und Freude, als sie an sich herunter schaut.
Sie springt aus ihrem Bett und rennt, ohne sich sonderlich zu bekleiden, bar, wie sie ihr Held hinterlassen hat, an allen verdutzten Dienern vorbei den Gang hinunter.
“Mutter. Mutter. Schau doch nur. Ich bin beschenkt.”, stößt sie einen Ausruf des Glücks aus, als sie vor der Königin steht, zeigt stolz ihren angeschwollenen Bauch vor. “Und wie schnell es ging.” nimmt sie ihre ungewöhnliche Trächtigkeit wohlwollend hin.
“Ach, Kind. Das ist ja wundervoll.” steht auch Königinmutter nun beschwerlich aus ihrem Thron auf. Bereits bei diesen Worten ist deutlich die gewaltige Wölbung unter ihrem Kleid zu erkennen, die mit jeder Sekunde sogar noch größer zu werden scheint und dem neben ihr sitzenden König Tränen nicht nur des Erstaunens in die Augen treibt. “Stephan wünschte sich, dass wir sie Ren und Rey nennen mögen.” Sie macht eine bedächtige Pause, streicht sich dabei über ihren schwangeren Bauch. “Und ich glaube, diese nennen wir Luke und Leya.”
Gerade will der König das Wort dazu erheben, da wird er geblendet von einem gleißenden Licht, das ihn durch ein Seitenfenster des Thronsaals regelrecht blendet. Er springt auf und geht zum Balkon, will sich anschauen, was da seine Kreise stört, da erschüttert ein weiteres, umgleich heftigeres Beben den Raum, begleitet von einem Licht, das dieses Mal von der Kirche auf der anderen Seite ausgeht.
Der König schaut zu seiner Königin, die Königin blickt zu ihrem König und sie beide wissen bescheid. Voller Hoffnung lächeln sie sich an.
Voller Hass werfen sich Stephan und Stygia die Hohepriesterin einen Zauberspruch, eine Verschwörung, eine Explosion nach der anderen entgegen. Die Säulen der Halle erbeben, beginnen auseinanderzubrechen. Tiefe Risse ziehen sich über den weißen Stein der Wände und offenbaren, dass der Stein im Innern nicht mehr so weiß ist wie an der Oberfläche.
‘Welche Wunder.’, denkt sich Stephan bei diesem Anblick noch kurz, nur um im nächsten Augenblick einen weiteren Blitz, noch einen Feuerball an der ihn umgebenden Energiekugel abzulenken, sie ebenfalls in die Wände einschlagen zu lassen.
“Höre mich! Schändliche!”, brüllt er sie an, woraufhin sie eine kurze Feuerpause macht. “Ich werde dich richten!” wirft er ihr nicht nur einen Batzen Worte entgegen, sondern mit einem Wink seines Arms zu diesem Satz auch einen Haufen der Samen, die er bei seiner Ankunft von den Blumen gesammelt hat. Telekinetisch lenkt er ihren Flug bis zu den Füßen von Stygia, die wegen des Rauchs ihrer Feuerbälle und des Gestanks ihrer Blitze davon nichts mitbekommt.
“ICH werde DICH auslöschen!” setzt sie gerade zu neuer Gegenwehr an, da wird sie von Wurzeln, die aus dem Boden rasen, an allen vier Extremitäten gepackt, festgehalten und in die Höhe gehoben. Mit einem “Was …?”, drückt sie gerade noch ihre Überraschung aus, doch beginnt sich schon wieder zu fangen, ist ihre Macht doch nicht von der Beweglichkeit ihrer Hände abhängig sondern rein aus ihrem Geist selbst gespeist. Sie wendet ihren Blick von ihren Fesseln wieder Stephan entgegen, doch der ist verschwunden.
‘heal.’ beendet Stephan das Spiel, während er ihr regelrecht zärtlich über die Schulter streicht und ihm eröffnet sich der gesammelte Erfahrungsschatz der Stygia, der Schwester der Königin.
Neid war es gewesen, welcher sie auf den Pfad der Untugend geführt hatte. Neid auf ihre Schwester, die den König für sich begeisterte, während sie selbst dazu nicht in der Lage war. Ihre Schwester war sanft, zart, schwach, während sie als starke Königin an dessen Seite hätte stehen können.
So zumindest ihre Vorstellung.
Es war dann der Neid, der sie trieb, noch viel mehr Macht anzusammeln, viel stärker zu werden als das Königspaar zusammen. Aus diesem Neid wurde Hass, nicht nur auf das gegnerische Paar, sondern auf Alles und Jeden. Und so unterwarf sie sich eben Alles und Jeden.
Als das Königspaar dann auch noch ein Kind erwartete, schäumte sie entsprechend vor Wut. In einer geheimen Kommandoaktion schlich sie sich in den Königspalast und verführte den König, der sie für seine Frau, ihre Zwillingsschwester, hielt, erwartete kurz darauf selbst ein Kind - Proktor. Stephan stockt kurz, hat er doch mit dem Sadisten Prktoor einen Thronfolger getötet, auch wenn dieser ein Arschloch war.
Ihre Untergrundaktivitäten wuchsen dann auch irgendwann mit der Anzahl ihrer Gläubigen, die sie als Priesterin der alten Kirche mit ihren Wundern angesammelt hatte. Wunder, die viele der Bürger selbst hätten ebenso vollbringen können, doch diese Energien an sich zu reißen, das ist eben genau eine ihrer Kräfte. Dass sie regelrecht gleichzeitig an vielen Orten sein kann, dass sie sich in die Gedanken der Menschen setzen, mitwandern kann, so erfahren kann, was diese sehen, erfahren, denken, ist eine Andere.
So kam es auch dazu, dass sie ihren eigenen Sohn im Körper dieses Mädchens in der Badewanne benutzte. Stephan schüttelt sich angewidert, durchkämmt schnell andere Erinnerungen Stygias, die hoffentlich weniger Ekelerregend sind. Doch er wird enttäuscht, denn die Machenschaften Stygias im Untergrund der Stadt, ihre Verwicklungen in Menschenhandel und Drogenverkauf, die Steigerung ihrer Profitmargen und die Erhöhung des Elends auf den Straßen zu ihren Gunsten lassen keinerlei Sympathie mehr für diese Frau übrig.
“Es endet jetzt!” seufzt er ihr leise in ihr Ohr. Wehren kann sie sich nicht mehr, denn mit seinem ‘heal’ hat er zeitgleich all ihre Kräfte, all ihre Fähigkeiten auf einen Nullpunkt gebracht. “Du wirst am eigenen Leib erfahren, was du angerichtet hast. Du wirst erleben, was du aus dieser Stadt gemacht hast.” Sie dreht ihren Kopf erschrocken zu ihm. “Du wirst als Sklave im Dreck der untersten Ebene leben, wirst zwischen den Schweinen vegetieren, wirst dich von Hunden nehmen lassen als Schauspiel in der Gosse, bloß um etwas zu Essen zu haben.” Verwirrt um Luft ringend reißt sie an den wurzelnen Fesseln, will sich lösen, will ihre Kräfte benutzen, doch nichts davon geht. Die Macht, die sie ihr Leben lang nur noch gesteigert hatte, ist verschwunden. “Du wirst ohne Kräfte, ohne Macht, ohne Besitz, ja ohne Namen sein - bis an dein elendiges, langsames Ende.”
“Du Stück Dreck! Mach mich los! Ich werde dich … “ keift Stygia, aber sie ist machtlos.
“Tausend Jahre Leben gebe ich dir, damit du deine Sünden auf diese Weise bereuen kannst.”, spricht sich Stephan seine Wut von der Seele. Die Grausamkeit, die Stygia gegen regelrecht alle anderen Menschen gekannt hat, soll ihr nun selbst wiederfahren. Mit jedem dieser Worte wird der Puls, der durch das Erfahren ihrer perversen Erinnerungen auf ein fast schon gefährliches Niveau gestiegen war, immer ruhiger und er beginnt wieder, seine vollkommene Überlegenheit zu genießen.
“Aaargh!” quittiert Sie ihm dieses Urteil, während er sich von ihr weg dreht und angeht, seinen Heimweg anzutreten.
“Ich lasse deine beiden Huren töten! Sie sind schon unterwegs! Bald schlachten sie die Zwei ab! Sie haben den Auftrag, sie vorher ordentlich ranzunehmen und möglichst grausam aufzuschlitzen! Ha! Deine Huren werden für deinen Größenwahn bluten! Aus allen Körperöffnungen! Das wirst du bereu …”
Zu mehr kommt sie nicht mehr, denn Stephan, dessen Puls bei ihren Worten abermals auf hundertachtzig gestiegen ist, lässt die Wurzeln nicht nur fester zupacken. Sie halten Stygia umschlungen, umwuchern ihren gesamten Körper, wachsen über ihr Gesicht und in ihren sprechenden Mund hinein, machen ihn bewegungsunfähig, fixieren ihr Kinn und auch ihre Zunge so haarklein, dass von ihr nichts mehr als ein “Hgllggglgrrch” verlautbart werden kann. Doch damit nicht genug, auch der Rest ihres Körpers wird nun von den Wurzeln malträtiert.
Um ihre Beine schlingen sich die Ganglien Tentakeln gleich so eng zusammen, dass sie ihr das Blut abschnüren, sich tief ins Fleisch schneiden. Ihre Augen werden von Zweigen geöffnet gehalten, ein weiterer Ast dringt in ihr Ohr ein, worauf sie nur noch mit einem “Ahhh” und dem Versuch, die Augen wegzudrehen, reagiert. Und dann sind endgültig ihre übrigen Körperöffnungen dran, denn die Wut Stephans kennt nach ihrem wütenden Vortrag keine Schranken mehr. Ein harter Ast rammt sich in auf der einen, eine dicke, biegsamere Wurzel auf der anderen Seite ihres Unterkörpers in sie hinein. Während der eine schnell bis zum Anschlag hinauframmt, danach etwas in der Dicke wächst, vermag die Wurzel den gesamten Enddarm hinauf, den Blinddarm vorbei, den Magen hindurch und die Speiseröhre emporzuwachsen, hangelt sich ihren Hals von innen empor und gelangt endlich aus ihrem Mund heraus, setzt dem Ganzen noch die Krone dadurch auf, dass ein Blümchen an dessen Spitze wächst und die Schreie der Frau verstummen.
“Nimmermehr!” spricht Stephan.
Mit einem Mal wachsen die Wurzeln regelrecht explosionsartig in alle Richtungen begleitet von einem Grollen und einem Beben, das den Raum in Schwingung versetzt, werden dicker und zerreißen Stygia blitzartig in matschig blutige Fetzen, so dass niemand mehr auch nur ein Stückchen von ihr je wieder erkennen wird.
Stephan schaut sich das Werk seiner Wut an. Er ist traurig, dass es ihn so weit hatte treiben können, so grausam zu werden. ‘Vielleicht ist es die Kirche selbst.’ durchfährt der Gedanke an seinen ursprünglichen Plan seine Geisteswelt und mit einem Wink seiner Arme reißt er die Säulen der Halle in ihr Zentrum, bringt so das Gebäude zum Kollabieren, während er, in seine Energiekugel gehüllt, über den Dingen schwebt.
Abermals durchzieht das Grollen eines Erdbebens die Straßen der Stadt, die bereits komplett geleert sind. Die Menschen verstecken sich ängstlich in ihren Häusern, voller Furcht vor dem Beben, vor dem Licht aus der Kirche, vor den Explosionen. Stephan schaut sich, besorgt um die Zukunft dieser Menschen, lange die Stadt an, bevor sein Blick auf den Waldrand schweift.
“Was zum …!”, entfährt es ihm, als er alles um sich herum ergrauen sieht.
Mit einem Schlag wird die Welt unter ihm dunkel. Nichts regt sich mehr. Keine Fackel in den Straßen brennt mehr, kein Baum ist mehr grün, kein Gebäude hat mehr sein helles, angenehmes Weiß, in dem die Stadt einst erstrahlte. In großer Sorge um die, die er kennengelernt hatte, fällt sein Blick auf den Palast, doch dieser ist ebenfalls ergraut.
“Schon wieder?”
Stephan streckt seine Sinne nach seinem väterlichen Begleiter Andros. So wie er ihn kennt, wird dieser nicht nur überlebt haben, rechtzeitig davongekommen sein, wahrscheinlich ist er sogar schuld an dieser Veränderung, welche auch immer das sein mag.
Kapitel 20: Nachspiel
Mit voller Konzentration beschleunigt Stephan seine Kugel und erhebt sich in höchste Höhen. Bald hat er den Weltraum erreicht und streckt seine Fühler nach seinem Begleiter aus, erspürt ihn und rast in dessen Richtung los.
“Mist. Schon wieder …!”, flucht Andros, die Kugel mit Stephan und den beiden Mädels zu seiner Seite.
“Dacht‘ ich‘s mir doch. Und jetzt?” fragt Stephan, gerade mit seiner Kugel hinter Andros ankommend.
“Äh, Stephan? Und wer ist das?” wunder sich der Magier, zeigt auf die Drei in der anderen Kugel.
“Tja. Komplizierte Geschichte. Das ist Stefan.”
“Und du bist Karlheinz oder was?” fährt Andros ihn an.
“Nein, ich bin Stephan. Dieser Proktor hat mich geköpft. Ich bin der Kopf, er ist der Körper. ‘Heal’ vermag tatsächlich einiges.”, erklärt Stephan, während Stefan dazu nickt, die Mädels sich ein wissendes Lächeln nicht verkneifen können.
“Neineinein, das geht nicht. Ich werd euch wieder vereinigen. Keine Angst, du bekommst beide Erinnerungen, alles, was ihr gelernt habt, nichts geht verloren.” spricht Andros und reißt mit einem Wink beider Arme Stephan und Stefan in eine gemeinsame Energiekugel, lässt ihre Körper kollidieren, zusammenschmelzen, zerfließen und einen neuen Stephan daraus erstarken, der mit allen gesammelten Erinnerungen, allen gesammelten Fähigkeiten und Kräften, allen Skills gesegnet ist und der sich als Erstes neue Kleidung erwachsen lässt, so dass er wieder eher wie Stephan aussieht.
Diesen Satz neue Erinnerungen muss Stephan erst einmal verdauen und alsbald kann er beim Anblick der beiden Mädchen ein wissend schelmisches lächeln aufsetzen, welches von den beiden verschwörerisch erwidert wird.
„Mein Vater hätte das bestimmt nicht gemacht.“ murmelt Stephan in seinen nicht vorhandenen Bart. Doch Andros hat es dennoch gehört.
„Ich bin dein Vater.“ entfährt es ihm trotzig. Und er lässt dem verdutzt dreinschauend Getroffenem keinen Augenblick, um das Gesagte ausreichend zu reflektieren.
Mit einem: “Na Gut. Die Beiden kommen ins Archiv, wie die anderen auch immer.” macht Andros beschlossene Sachen und schiebt die Zwei verwirrt Dreinschauenden mitsamt ihrer Luftblase durch ein sich fix neben ihnen öffnende Scheibe. “In der Itembox vergeht für sie ja ohnehin keine Zeit.” erklärt er dem irritierten Stephan, der sich noch fragt, was Andros mit ‘die Anderen’ gemeint haben mag.
“Und jetzt? Was ist denn überhaupt passiert?”
“Ich glaube, mein Experiment ist etwas aus dem Ruder gelaufen. Vielleicht machen wir erst mal ein paar tausend Jahre Entspannungsurlaub ohne Einmischungen und mit ganz wenig Kontakten zu wem auch immer.”
“Aber mit Itembox.”
“Ja, natürlich.”
“Okay. Kann losgehen.”
Und mit einem ‘Fumb’ sind die beiden verschwunden.
Das Kollektiv hat den gesamten Planeten assimiliert.
Das Kollektiv ist bei ihnen.
Das Kollektiv ist alles.
Das Kollektiv lernt.
Das Kollektiv denkt.
Das Kollektiv wächst.
Die Simulation der Wesen der Heimatwelt wird vollständiger. Schon bald nähert sie sich dem an, was zuvor gewesen ist.
Das Computronium hat alles erreicht, was dazu nötig ist.
Das Computronium erhält sich selbst.
Das Computronium Kommuniziert.
Das Computronium pflanzt sich fort.
Das Computronium bewegt sich ausserhalb der vierten Kraft.
Das Computronium hat keine Grenzen mehr. Das Kollektiv hat keine Grenzen mehr.
Das Kollektiv fragt sich, ob vier Dimensionen wirklich alles sind ...