Vom Scheitern einer Idee an der Zielgruppe

 

(Von Ingmar Hensler)

 

Es war und ist ein hehres Ziel, das er sich da gestellt hat, der Herr Doctor. Angetreten war er sogar damit, sich wählen lassen wollte er sich damit und messen lassen wollte und will er sich daran, wie er mit genau diesem Versprechen umgeht. Dem Vorgänger einen Kontrapunkt vorhalten wollten sicherlich viele, die ihn genau deswegen gewählt hatten - zum Bürgermeister. Besser sollte alles werden, mitreden wollte man, wollte informiert werden, was die Stadt so treibt, was im Rathaus so geschieht, was entschieden wird, bevor es entschieden wird. Zu lange hatte man der vorherrschenden Macht dabei zuschauen müssen, wie alles hinter allzu gründlich verschlossenen Türen stattfand und das tumbe Volk bestenfalls dann über den Ausgang der aufdoktrinierten Mehrheitsverhältnisentscheidung in Kenntnis gesetzt wurde, wenn ohnehin ein Umkehren so gut wie ausgeschlossen war.

So war der Status quo. So war er fast zwei Jahrzehnte lang. So ist eine gesamte Generation herangewachsen. Diesen Lauf der Dinge hat eine Generation von Wahlvieh eintrainiert bekommen, kennt es nun kaum mehr anders. So ist das doch mit dieser Demokratie, oder?

Früh informieren, schon vor Beginn in Entscheidungsfindungsprozesse einbinden, so früh wie möglich nach Eingaben und Ideen fragen und diese einarbeiten, wo immer dies möglich ist - das ist der Gedanke der gelebten Offenheit, die dieser Neue jetzt auf einmal anbringt.

Das konnte ja nur schiefgehen.

Es ist aber im Grunde auch der Widerspruch vom sich schlecht informierenden Volk, das gefragt werden will, obwohl es sich nicht die Zeit nimmt, sich eine Informationsgrundlage zu beschaffen und dann entsprechend antwortet, wenn es überraschenderweise doch gefragt wird.

So überraschend die Frage, so unqualifiziert dann auch die Antworten. So ist das eben, wenn normalmenschlicher Allgemeinverstand auf dezidiert korrektes Juristendeutsch trifft.

Könnte man die Vorgaben noch deutlicher formulieren? Könnte man deutlicher verkünden, dass man noch nichts zu verkünden hat und erst mal nur auf eine breitgefächerte Ideensammlung hofft, dass man bereits vor Projektbeginn den Bürger einbinden will - mit deutlicher Betonung auf „vor“? Könnte man den beteiligungswilligen Bürger auch gleich für komplett hirnlos darstellen und das Offensichtliche auch noch dick mit Buntstift unterstreichen?

Immer das Schlimmste anzunehmen und sich freuen, wenn es besser kommt, das ist im Grunde die Maxime des Pessimisten, der sich sicherlich öfter freuen kann als der Optimist. So war faktisch jede Veranstaltung mit diesem gelebten Ziel der frühen Offenheit von Menschen durchtränkt, die eine Anklage an den Bisch Bürgermeister zu richten hatten, was denn in der Vergangenheit so schlecht und schlimm gelaufen ist, was vermurkst wurde und was immer noch nicht besser geworden ist. Es wurden ihm Beschlüsse vorgehalten, für die sich sein Vorgänger und die dort bereits blockierende Mehrheitsfraktion verantwortlich zeigen. Es ist dem Bürgermeister schlimmstenfalls hoch anzurechnen, dass er nicht zu dem billigsten Mittel der Verteidigung greift und genau dieses Mehrheitstaktieren und dem Beharren auf Vergangenheitsbeschlüsse anprangert oder zumindest den Anwesenden einmal deutlicher erklärt, damit es auch Menschen verstehen die keinen Unterschied machen zwischen „parkfrei“ und „autofrei“.

Natürlich könnte man sich fragen, wer diese Mehrheitsverhältnisse, die nicht die des Bürgermeisters sind, eigentlich zu verantworten hat. Man könnte fragen, warum der Frust dieser Fraktionen eigentlich so groß ist, dass sie ihren Frust an einer mutigeren Zukunftsgestaltung auslassen. Man sollte auch fragen, auf Kosten von was genau eigentlich der Haushalt in den letzten Jahren zusammengespart wurde, um das Heere Ziel der schwarzen Null zu erreichen. Man wird dann zu einem Ergebnis kommen, welches die Bewegungsspielräume des jetzigen „Nachfolgebürgermeisters“ deutlichst erklären.

Aber es fragen zu wenige. Das Volk ist fragen eben nicht gewohnt. Das Volk hinterfragt kaum mehr, sondern denunziert lieber diejenigen, die es tun. Das Volk interessiert sich nicht mehr, sondern lässt lieber diejenigen auflaufen, die etwas verändern wollen, die Dinge verbessern wollen. Das Volk hat nur eine Stimme, und die nutzt es immer wieder, um genau die gleichen Leute zu wählen, die in all den Jahren nur Verschlimmbesserungen gebracht haben in der Hoffnung, dass sich vielleicht dieses Mal etwas ändern würde. Genau genommen ist exakt dies die Definition von Wahnsinn und nicht von Demokratie.

Aber wenn die Medien dem Volk auch immer wieder sagen, dass „die Anderen“ die Falschen, die Bösen, die Unfähigen sind - vielleicht sollte man doch mal das Volk austauschen?