Zeitenwende

 

(Von Ingmar Hensler)

 

‘Langweilig….. Tot langweilig!’

Etwas anderes konnte Sie nicht mehr denken - seit Ewigkeiten. Schon längst hatte sie vergessen, was und wer sie eigentlich war, ihren Namen, ihre Herkunft und vor allem, was geschehen war, bevor sie in diesem Eisblock eingeschlossen worden war. Nur, dass sie offenbar nicht sterben konnte, wusste sie noch - und dass ihre Fähigkeiten durch dieses spezielle Eis verstümmelt waren. Und es geschah einfach nichts, das ihre Lage irgendwie verändert hätte. Alles war sooo langweilig.

 

Stephan war bereits seit vielen Jahren auf seinem treuen Pferd unterwegs. Als junger Mann, so wusste er noch, hatte er den Auftrag vom Hofmagier des Königs erhalten, nach der Lösung zu suchen. Doch was diese war, darüber hatte sich der Magier nur in Rätseln ausgesprochen. Und mit diesen wusste er kaum etwas anzufangen. Zumindest aber wurden er und auch sein Pferd vom Magier mit einem Langlebigkeitszauber belegt. Ob das eine Belohnung sein sollte, daran zweifelte er mit den Jahren immer mehr.

 

Der Hofmagier Andros war das letzte Überbleibsel des Königshofs, von dem man noch sagen konnte, dass er die Autorität des Staates aufrecht erhielt, nachdem auch der König in sein magisches Exil geschickt worden war. Seitdem war eine lange Zeit vergangen, viele Jahrhunderte sagte man sich hinter vorgehaltener Hand, denn die Furcht vor jenen, welche den König verbannt hatten, steckte nach wie vor auch allen Untertanen in den Knochen. Doch auch diese wussten von kaum mehr als weiter erzählten Geschichten und Märchen von dem, was einst vorgefallen war. Keiner wusste genau, wie oder warum dem König und seiner Frau dies angetan wurde - und schon gar nicht von wem. Nur der unsterbliche Hofmagier blieb als Hort des Wissens und der Magiekunde wie ein Fels in der Brandung der Zeit, als Konstante in der Geschichte des Königreichs.

 

Doch der Zauberstab des Magiers war gebrochen, als er versuchte, eine Weissagung zu erforschen. So stand geschrieben, dass ein Auserwählter kommen werde, um der Welt, der Magie und Allem das Gleichgewicht zu bringen. Das war jedoch dem Magier zu ungenau, wusste er damit doch nicht einmal, nach was für einem Auserwählten er suchen sollte geschweige denn, wie dieses Gleichgewicht denn aussehen sollte oder warum denn die Welt überhaupt im Ungleichgewicht sei. All seine Kräfte nutzte er, um mehr Wissen, mehr Weisheit und mehr Erkenntnisse aus dem Buch der Weissagung zu ziehen, doch überforderte dies seinen Zauberstab, der all die Jahrtausende an seiner Seite gewesen war. Er wusste, dass er ohne dieses Werkzeug es nicht schaffen würde, auch nur einen seines geliebten Fürstenpaares aus seiner Gefangenschaft zu befreien. Doch nur dunkle Magie würde es ihm ermöglichen, den Stab zu reparieren, einen neuen Kristall der Fokussierung zu erschaffen, der an der obersten Spitze thronte und ihm half, seine Gedanken zu kapseln und gebündelt in eine magische Form zu bringen - zumindest stärker, als ihm dies ohne diesen Stab möglich war. So suchte er tief in den Archiven seiner geheimen Bibliothek nach Hinweisen, wie diese Zauber zu erschaffen sein würden. Dies fesselte seine vollständige Aufmerksamkeit und Zeit, so dass er den Burschen Stephan losschicken musste, nach dem Auserwählten zu suchen. Dank eines Langlebigkeitszaubers würde dieser auch nicht allzu schnell aufhören zu suchen. Damit hatte er vor allem eines, nämlich Zeit - alles, was wichtig war, war unsterblich. Es konnte also nur eine gute Lösung geben. Dachte Andros.

 

Jan wedelte über dem Topf im Damp seiner Suppe herum, an der er den halben Nachmittag gearbeitet hatte. Er fächelte sich den Duft um die Nase und war zufrieden mit sich. Wahrscheinlich würde es auch heute wieder den Gästen seines Chefs schmecken, dann müsste er nächsten Monat vielleicht mal nicht den Pferdestall sauber machen müssten. Wohl nur sein Chef wusste, dass er wohl der Beste Koch im Land war, denn nur er bekam mit, dass seine Gäste inzwischen aus dem Gesamten Land angereist kamen, um in seinem kleinen Lokal etwas zu essen. Er genoss es und er liebte es, dass er Jan fast nichts bezahlen musste, denn er hatte ihn eines Tages als Findelkind vor seiner Tür gefunden. Keine Nachricht - Nichts. Auch später hat sich niemals jemand gemeldet, der sich für das Kind interessiert hatte, und so hat er es als das Seine angenommen und aufgezogen, ihm aber nie die Wahrheit gesagt. Und so genoss er zu allem Überfluss auch den Überfluss, den er durch Jan und seine unversehens aufgetauchten Kochkünste genießen konnte.

 

Stephan betritt einige Stunden zu früh das Lokal. Müde ist er von der langen Reise und möchte eigentlich nur etwas trinken, sein Pferd ein bisschen ausruhen lassen und vielleicht mit ein wenig Hafer verwöhnen, dann direkt wieder mit seiner Suche fortfahren. “Gibt noch nix zu essen!” kommt es rau hinter der Theke hervor. Der kräftige Barmann wischt über den Tisch und sieht nicht so aus, als wolle er schon jemanden bedienen. “Ist OK, ich möchte nur etwas trinken, bin schon lange unterwegs.” “Cervisia? Wasser? Oder vielleicht lieber Milch für den kleinen? Hahaha…” lacht ihn der Mann an und stellt ihm einen grossen Krug Bier auf den Tisch. Da geht hinter der Theke die Klappe zur Küche auf und Stephan bleibt der Mund, den er gerade dankend zum Krügerrand führen wollte, offen stehen. Nie hatte er auf seiner langen Reise ein so eindeutiges Zeichen gesehen wie in diesem Moment. Der gesamte Raum war für ihn mit einem magischen Leuchten erfüllt, dass er gar nicht glauben konnte, dass der Inhaber dieses Leuchten offenbar gar nicht wahrnehmen konnte, so offensichtlich war es für ihn. Nein, täuschen konnte er sich in diesem Fall ganz bestimmt nicht. Aber es würde sicher nicht einfach werden, wen auch immer er hinten in der Küche vorfinden würde, davon zu überzeugen, dass eine grosse Aufgabe vor ihm stehen würde. Diesen Gedanken quälend ewige Sekunden lang im Kopf abwägend trank er dann doch noch von seinem Gebräu. Und als er wieder davon erwachte, servierte ihm der lachende Barmann direkt einen zweiten Krug und auch einen Teller der Suppe, die sein “Auserwählter” gekocht hatte.

 

Ritter Ro reiste bereits sein halbes freies Leben lang durch das Land, suchte sich Aufträge, Probleme die er als Ritter lösen konnte, Räuberbanden, die er festnehmen konnte, Monster, von denen er Dörfer befreien konnte, nur einen Drachen hatte er noch nicht gefunden, mit dem er sich als Ritter hätte unsterblich machen können. Hätte er Stephan gefragt so hätte er ihm sagen können, dass er davon aber nicht körperlich unsterblich geworden wäre, sondern bloß in den Geschichtsbüchern. Aber das hätte Ro schon gereicht, wenn es dafür nur genug Entlohnung gegeben hätte. So stand er mit seiner prächtigen Rüstung und seinem Knappen, dem Bauernjungen Felix, seinem Schwert Taurin und den glänzend polierten Helm in der Tür “bekommt ein müder Ritter hier wohl auch etwas zu speisen?”

 

Auch für Ritter Ro ist der Raum nicht heller beleuchtet, als eine normale Gaststätte, kann er das Leuchten aus der Küche ebensowenig wahrnehmen wie das andere. Dies ist für Philipp jedoch  abermals ausgesprochen deutlich. Der Sucher kann sein Glück gar nicht fassen, schon wieder war er auf jemanden gestoßen, der alle Merkmale eines Auserwählten hatte, und das sogar noch im gleichen Raum. Und es würde sogar extrem leicht sein, diesen einen davon zu überzeugen, dass er mit ihm kommen müsse. Stephan konnte sein Glück gar nicht fassen und nahm, quer über seinen genüsslich geleerten Teller greifend, einen grossen Schluck aus dem Krug mit dem Cervisia.

Als er wieder aufwacht, sitzen ihm Ritter Ro mit seinem Knappen gegenüber. “Gehts wieder?” die kurze Frage nach seinem Wohlergehen. Auch Jan kommt gerade, für Stephan strahlend hell leuchtend, mit einem Krug Wasser, stellt ihn zu ihm auf den Tisch und setzt sich sogar kurz zu ihm. “Ich hatte schon Angst, dass es an meiner Suppe liegen könnte. Aber all die Anderen hat sie ja nicht so umgehauen wie dich. Hast du deinen Rausch ausgeschlafen?”, lachen sie gemeinsam über die Situation.

Nach ein paar Schluck wasser und einem langen und tiefen Atemzug, legt Stephan dann jedoch sein Siegel auf den Tisch, welches ihn als Gesandten des Hofmagiers identifiziert. Die Augen aller Anwesenden weiten sich und auch der Chef, der Vater von Jan, kommt interessiert zu der Runde dazu.

“Der Hofmagier hat mich abgeschickt um Auserwählte zu finden, die für besondere Aufgaben vorbestimmt wurden. Er hat mir die Kraft gegeben sehen zu können, wer eine magische Aura einer solchen Vorbestimmung hat.”

“Bestimmung interessiert mich nicht. Wenn ihr meine Dienste nicht bezahlen könnt, bleibe ich wo ich bin.”, erwidert jedoch der nicht mehr ganz so edle Ritter.

Stephan schaut weiter in die Runde, endet mit seinem Blick bei Jan, der regelrecht erschrocken zusammenzuckt, bis ihm sein Vater beruhigend die Hand auf die Schulter legt. “Mein Sohn soll also auch einer dieser Auserwählten sein? Zum begnadeten Koch auserwählt sicherlich. Aber ohne meine Erlaubnis wirst du ihn nirgendwohin entführen.” Mit diesen Worten wird Jan dann auch wieder entspannter, schaut erst seinen Vater, dann wieder Stephan an.

 

Doch die Ruhe hält nur bis zu dem Moment, an dem Stephan - nun schon wieder ganz der erhabene Abgesandte, der er war - zwei Ledersäckchen auf den Tisch stellt. “Was würden eure Dienste denn kosten, wenn mir diese Frage erlaubt sei?”, richtet er seine Worte an den Ritter mit seinem Knappen. In diesem Moment hätte man die Spannung sicherlich mit Jans Küchenmessern zerschneiden können, gierten doch alle auf den zu erwartenden Inhalt der beiden Säckchen zwischen ihnen auf dem Tisch. Wenn ein offiziell abgesandter eine solche Frage stellte bedeutete dies aller Wahrscheinlichkeit nach, dass Geld für ihn nicht das Problem sein sollte, die Säckchen also prall gefüllt sein würden.

“Äh, fünfz … hundert Goldstücke die Woche plus Spesen und Heilung.” korrigierte Ro seinen Preis schnell ein Stückchen nach oben, denn sein Normalpreis war eigentlich nur zwei Goldstücke am Tag inklusive Spesen. Außerdem hatte er eigentlich keine Lust, auf eine unbestimmte, sicherlich extrem gefährliche Mission mit einem Offiziellen, aber unbekannten zu gehen, an der der Wortwahl nach auch noch sehr viel zu hängen schien.

 

“Hier. Vorschuss für zwei Wochen.”, war nur die kurze Antwort von Stephan, der lieber vor einigen Stunden schon wieder aufgebrochen wäre anstatt mit langen Verhandlungen weitere Zeit zu verschwenden. So öffnete er das eine Säckchen und schüttete eine Goldmünze nach der anderen auf den Tisch, bis sich ein kleiner aber sehr ansehnlicher Haufen funkelnder Wertstücke vor dem Ritter angesammelt hatte.

Kurz hielten alle inne, bestaunten das, was sich da auf dem Tisch angesammelt hatte. Auch der Ritter hatte noch nie so viel Gold auf einmal gesehen und beeilte sich nach einigen langen Sekunden dann auch sehr, sein frisches Einkommen in seinen eigenen Beuteln zu verstauen. “Wir warten auf euch bei den Pferden.”, keuchte er dann, als er versuchte mit dem zusätzlichen Gewicht am Gürtel aufzustehen und das Gasthaus verliessen.

 

“Wie schaut es denn mit dem Meisterkoch aus? Wir könnten ein rundes Mahl auf unserer Reise sehr zu schätzen wissen.”

“Äh, tausend Goldstücke. Das sollte den Verdienstausfall für die Zeit decken.” “Aber Vater…” “Psst, jetzt nicht.” ergab sich ein kurzes Zwiegespräch in der anderen Partei. Offenbar war die genannte Summe höher als das, was Jan für möglich gehalten hatte.

“Tausend Goldstücke. Ist das dein letztes Wort?” stocherte Stephan etwas nach.

Auch der Vater ahnte, dass Jan eigentlich nicht weg wollte, aber doch irgendwie ahnte, dass es wichtig sein würde. Außerdem konnte der Halbmagier gar nicht so viel Gold dabei haben, wie er da verlangte.

“Zehntausend!”, schob der Wirt nach.

“So sei es denn!”, konstatierte Stephan schlagartig und finalisierte damit das Geschäft, bevor es sich jemand anders überlegen konnte. Kurz murmelte er eine Beschwörungsformel und bewegte seine gespreizte Hand über dem Beutel, aus dem er eben noch die Münzen für den Ritter geschüttet hatte. Mit einem lockeren “Hier!” warf er dem noch immer stehenden Mann das Säckchen zu.

“Du wirst so lange aus dem Beutel Münzen ziehen können, bis die Summe aufgebraucht ist. Übrigens hättest du auch Millionen wünschen können, das macht für die Zauberformel keinen Unterschied. Aber achte darauf, dass keine bösen Menschen davon erfahren. Du weisst schon, was ich meine.” Den ersten Blick, den er dabei aufsetzte, verstand der Vater sofort. Egal ob es ein Berg von Gold oder eine Münze nach der anderen war, ein Verbrecher würde ihn dafür umbringen wollen. So steckte er den Beutel tief in seine Tasche und verabschiedete sich von seinem Sohn, wünschte ihm alles Gute und wünschte sich, dass Jan schnell wieder und sicher wieder nach Hause kommen solle. Einen halben Krug Wasser später hatte Jan auch schon ein paar Sachen zusammengepackt und das Pony von seinem Vater gesattelt bekommen. So zog die kleine Gruppe alsbald den langen Weg zum Hofmagier zurück, den Stephan die vielen vergangenen Jahre hinter sich gebracht hatte, um auch nur einen einzigen mit einer Auserwähltenaura zu finden - und jetzt konnte er sogar zwei davon vorweisen. Der Hofmagier würde sicher sehr mit ihm zufrieden sein.

 

In den nächsten Tagen ritten sie gemeinsam den allen irgendwie bekannten Weg zum Hof des Königs, der ganz in der Nähe des Turms des Hofmagiers lag. Jeder im Land kannte den Weg, denn alle Wege führten zur Hauptstadt und damit zum Königshof, denn das Verkehrsnetz des Landes war sternförmig angelegt. Somit musste jeder Händler, der quer durch das Land reiste, mindestens einmal auf seinem Weg durch die Hauptstadt und dort Wegezoll bezahlen. Doch dies war noch immer günstiger, als einen der kostenlosen, aber unbewachten Querverbindungswege zu bereisen, auf denen meist Diebe und Räuberbanden darauf lauerten, dass jemand ohne eigene Wachleute des Weges kam und leichte Beute darstellen. Außerdem waren die offiziellen Straßen befestigt und damit umso schneller zu befahren.

Schon aus Langeweile heraus unterhielten sie sich irgendwann rege und erzählten ein jeder den ein oder anderen Schwank aus ihrem Leben. So wurde der Ritter von seinem Vater auf Reisen geschickt, um sich die Hörner anzustoßen. Alsbald fand er seinen Knappen im Wald verträumt umherirren und nahm sich seiner an, begann sogar, ihn ein wenig am Schwert, Schild, Bogen und Dolch auszubilden, ihm den ein oder anderen Kniff beizubringen, so dass er nicht ohne ihn zwangsweise zum Opfer würde. Der kleine Koch hatte dabei eine ähnliche Sequenz zu berichten, denn er liebte es wohl schon immer, durch den Wald und die wilden Felder zu tollen und sich an den vorherrschenden Aromen zu erfreuen, die die vielen unterschiedlichen Kräuter und Gewächse ihm bei genauerem hinsehen, zerreiben, riechen ihm offenbarten. Er erzählte sogar, dass er es inzwischen sogar aus hundert Schritten Entfernung schaffte, Kräuter zu erkennen, die er suchte, so sehr fielen sie ihm ins Auge.

Für Stephan war all dies nur eine Bestätigung seiner Vermutung und Ausdruck dessen, was er in den Auraträgern zu erkennen glaubte, nämlich dass sie durchaus über rudimentäre, magische Fähigkeiten verfügten. Der Koch sah die Aura des von ihm Gesuchten erstrahlen und auch Ritte Ro hatte mit dem Finden des Knaben mitten im Wald sein seherisches Gespür bewiesen.

 

Wie erwartet kam nach drei Tagen die Stadt hinter einem Hügel ins Blickfeld der Helden und auch, wenn alle mit dem Anblick gerechnet hatten, versprach es ihnen einmal mehr die Sprache und ließ sie einige Sekunden mit weit aufgerissenen Augen stehend verharren, den Ausblick über die wunderschöne Hauptstadt genießen. Dabei lag ihr eigentliches Ziel nicht direkt vor ihnen in der Zentralstadt, sondern auf einem Hügel nördlich davon - der Turm des Hofmagiers. Der Weg dahin war dann nur noch ein Katzensprung, den sie noch vor Sonnenuntergang hinter sich legen konnten.

 

Der Hofmagier Andros wartete bereits vor seiner allsehenden Kugel in der zentralen Halle im ersten Stockwerk seines Turms und beobachtete die Gruppe dabei, wie sie ihre Pferde und Ponys in der Eingangshalle unterbrachten und versorgten, dann zu ihm die breite Treppe hinauf stiegen.

“Dein niederster Diener grüßt dich, oh Andros.” bietet Stephan seinen Ehrengruß seinem Meister dar, welcher sich zu ihm umdreht und wohlwollend seinen Kopf neigt.

“Grüße auch dir, mein Bester. Wie ich sehe, hattest du Erfolg. Sehr schön, du hast beide gleichzeitig gefunden. Ich hatte schon erwartet, dass ich dich zwei Mal aussenden müsste. Kommt zu mir, ihr Auraträger, kommt zu mir, Jan und Felix.”

“Äh, Felix? Ihr meint sicher Ro? Er hat doch die Aura …. “ entfährt es Stephan, während Felix und Jan leicht verwirrt auf den Hofmagier zu gehen. Erst jetzt fällt Stephan auf, dass die Aura, die er die ganze Zeit Ritter Ro zugeordnet hatte, gar nicht von ihm ausgegangen war, sondern eben von seinem Knappen Felix, die so kräftig und umfassend war, dass sie auch Ro umschloss und ihn so getäuscht hatte. Entsprechend verwirrt schaute sich auch Ro um, schaute fragend zu Stephan, der nur schulterzuckend erwidern konnte “Hmm, vielleicht wartest du erstmal unten….”. Ro verzog nur kurz das Gesicht, fühlte dann aber an die Säckchen an seinem Gürtel und ging dann hinunter zu den Pferden, suchte sich erstmal etwas zu trinken.

 

“Ich habe wichtige Aufgaben für euch.”, erhob Andros abermals das Wort und machte eine gewichtige, umfassende Geste mit beiden Armen. “Jan, dein Weg wird dich weiter in den Norden führen. Deine Künste werden dort gebraucht um die eine Hälfte des Unrechts aufzuheben, welches einst das Königspaar heimgesucht hat. Aber fürchte dich nicht, du wirst nicht alleine gehen müssten, Stephan wird dich begleiten und dir dabei mit seinen Fähigkeiten und Kräften zur Seite stehen.”

Stephan neigte den Auftrag annehmen, den Kopf in Richtung des Hofmagiers, wusste bei der Erwähnung des Paars und der Richtung bereits, um was es gehen würde.

“Ihr habt keine Zeit zu verlieren. Zieht gleich los. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, werde ich ein Zeichen geben.” Abermals nickte Stephan Andros zu, wusste bereits, was zu tun war. Und weil Jan natürlich keine Ahnung hatte, wie ihm geschah, trat Stephan zu ihm heran und führte den verdutzten Koch aus der Halle heraus neuen Abenteuern entgegen.

 

“Felix, du wirst mir mit der in dir gespeicherten Kraft helfen, den zerstörten Stab der Macht wiederherzustellen, damit wir gemeinsam die andere Hälfte des Unheils bekämpfen können. Ich habe bereits alles vorbereitet. Folge mir!”, lässt Andros keinen Zweifel daran, dass in seinem Turm geschehen wird, was, wann und wie er es sagt.

Mit einer Mischung aus Würde, Eleganz und Kraft geht Andros voran, leitet Felix den Weg in die Katakomben. Er schaut sich nicht um, kennt den Weg so gut, dass er ihn mit geblendeten Augen gehen könnte, so oft war er ihn schon gegangen. Auch schaute er sich nicht nach seinem Begleiter um, erwartete schlicht, dass er sich wenige Schritte hinter ihm bewegte. “Es ist bereits seit viel zu langer Zeit alles vorbereitet. Ich habe auf absolut alles geachtet, habe alles mehrfach kontrolliert und überprüft. Dieses mal wird nicht - darf nichts schief gehen. Das Schicksal der gesamten Welt steht auf dem Spiel. Du musst bereit sein. Du musst dich deiner Energie bewusst sein. Nur so können wir das Königreich retten.”

 

Über verschlungene Wege und Tunnel tief unter dem Turm gelangten Sie nach einer gefühlten Ewigkeit endlich in eine größere Halle. Mit ihren acht Ecken bot sie genug Wand um an so viele magisch leuchtende Fackeln aufzuhängen, dass der Raum in ein mystisches, blaues Licht gehüllt wurde. Auf der Empore im Zentrum stand eine Feuerschale, in der eine ewig flackernde Flamme in einem surrealen grau brannte, ohne einen sichtbaren Ursprung zu haben, ohne Holz oder Öl, aus dem sie entspringen könnte. Auf der einen Seite der Schale lag der zerbrochene Schaft eines Stabs, auf der anderen lag der Kristall, der offenbar in die Spitze gehörte. Das Zeremoniell zur Wiederherstellung war vorbereitet und harrte nur noch seiner Durchführung.

“Ich brauche dein Blut!”, packt Andros den überrumpelten Felix am Arm, führt ihn zu der Feuerschale und sticht ihn kurz aber tief in den Zeigefinger. Nachhaltig drückt er einige Tropfen des kostbaren, roten Nass aus dem kleinen Loch heraus und lässt es in die graue Flamme tropfen, die alsbald ihre Farbe in ein pulsierendes grün änderte. “Keine Angst, die Zeiten, dass ein Blutopfer bedeutet hatte, dass man jemandem die Kehle aufschlitzte und ihn ausbluten ließ sind vorbei. Es hat sich herausgestellt, dass es völlig ausreicht, einen einzigen Tropfen Blutes hinzu zu geben.”, beruhigt er den überrumpelten Knappen, der gerade eben erst seine Hand zurückgezogen hatte, gar nicht realisiert hatte, was eigentlich vor sich ging, so beeindruckt war er noch von dem Anblick der merkwürdigen Halle. “Und jetzt stell dich da vorne auf die markierte Stelle. Ich habe das genau ausgemessen. Es ist wichtig, dass du genau da stehen bleibst, egal was passiert, verstehst du?” fährt Andros den Jungen abermals eindringlich an, ihm unbedingt vermitteln wollend, von welcher Wichtigkeit all diese Kleinigkeiten sind und was Bedeutsames davon abhängt.

“Also gut. Ich werde jetzt mit dem zeremoniell der Wiederherstellung des Meisterstabes beginnen. Konzentriere dich ausschließlich auf die Flamme, denke an nichts anderes. Ich weiss, das ist für einen ungeübten Geist nicht leicht, aber du musst es versuchen. Erinnere dich immer wieder an diese eine Sache, wenn du merkst, dass du abschweifst.” Felix nickt nur, stellt sich auf das Kreuz, um welches ein Kreis gezogen war in dem er wohl bleiben sollte. “Klatu Verata Nektu. Analnatrach. Ut Was Betat. Dochiel Djenveh! … “, beginnt der Magier seine Beschwörung.

 

Das Jan-Stephan-Team war unterdessen auch schon wieder auf dem Weg weiter in richtung Norden. Stephan wusste von seinem Auftrag noch bevor ihn der Hofmagier auf seine Suchmission losgeschickt hatte. Andros schickte ihm telepathisch abermals die Beschreibung ihrer Mission um sicher zu gehen, dass auch nichts vergessen wurde, dass alles in den Regeln der Magie ablief und keine Fehler begangen wurden, die Welt nicht tatsächlich in den Abgrund geführt wurde. So führte ihr Weg immer weiter durch immer kälter werdende Gefilde bis es irgendwann sogar so kalt war, dass sie durch Schnee stapfen mussten. An diesem Punkt ließen sie dann auch ihre Reittiere zurück, da diese mit der Kälte nicht gut zurecht kamen. Ein kurzes Flüstern von Stephan in die Ohren der Tiere und diese liefen auf geradem Weg zurück zum Turm des Magiers, warteten da bis sie wieder gerufen wurden. Mit einem kleinen magischen Helferzauber korrigierte er daraufhin ebenfalls ihre Kleidung so, dass sie sie sogar wärmten, während sie weiter durch die schneebedeckte Landschaft des hohen Nordens gingen, direkt dem gewaltigen Gipfel des höchsten Gebirges des Nordpols ihres Landes entgegen. Dort würde ihr ultimatives ziel liegen und auch, wenn die beiden weitgehend schweigend ihren Weg fanden so wussten doch beide irgendwie von der ultimativen Bedeutung ihrer Aufgabe, auch wenn das Bild, das die beiden von ihrem Ziel im Kopf hatten eher divergierte.

 

Ritter Ro war anfangs ziemlich deprimiert und erschrocken, dass nicht er es war, der zum einen der Auserwählte gewesen war und zum anderen, dass er nicht einmal mehr benötigt wurde. Auf der anderen Seite hatte er seine Bezahlung ja bereits erhalten und so tat er, wie ihm vom Hofmagier geheissen. Oder zumindest fast.

Nachdem er die Halle des Magiers über die Treppe verlassen hatte, bediente er sich erst einmal an dem Tisch, der im Erdgeschoss gegenüber der Pferdestation gestanden hatte. Er war beladen mit exotischen Früchten und gegrillten Schenkeln irgendwelcher schmackhaften Tiere - und Cervisia. Wissend, was zuverlässig mit Stephan nach Genuss auch nur eines Schlucks dieses eigentlich köstlichen Getränks geschehen war, nippte Ritter Ro erst einmal vorsichtig an dem Krug und erst, als er sich sicher war, dass er nicht ebenso wie der magische Gehilfe zusammenklappen würde, gönnte er sich einen größeren Schluck, füllte seinen Magen als Vorrat für seine zukünftige Reise. Seinen Knappen Felix hatte er bereits gedanklich abgetan und an den Hofmagier überschrieben. Der würde sich sicherlich gut um ihn kümmern, wenn er schon darauf bestanden hatte, sich von ihm helfen zu lassen. So aß und trank der Ritter sich noch einmal bevor er sich dann - nicht verabschiedung - von dannen machte und seinen Weg wieder alleine suchte, neuen Abenteuern und Heldentaten entgegen. Und hohen Honoraren.

 

Die Kammern unter dem Turm indes waren angeschwollen von der Beschwörungsformel des Hofmagiers. All seine Kräfte versuchte er zu bündeln bei dem Versuch, den Stab zu reparieren, der ihm helfen sollte, seine Gedanken und damit seine magische Macht noch weiter zu bündeln, so weit zu steigern, dass er endlich in der Lage wäre, den schief gegangenen Zauberspruch rückgängig zu machen. Denn vor all der Zeit war er es selbst gewesen, der bei dem magischen Versuch die Königin aus ihrem eisigen Gefängnis zu retten, einen Fehler machte, nur kurz abgelenkt war, und dadurch den König ebenfalls in einen Eisblock, der nach wie vor unverändert im Thronsaal stand, eingeschlossen hatte. Die Scham hatte es ihm seitdem unmöglich gemacht, auch nur die Stadt wieder zu betreten, so machtlos wie er sich fühlte. Allein die Hoffnung auf eine erfolgreiche Suche seines getreuen Stephan hielt ihn bei klaren Gedanken.

Immer wilder zogen die Nebelwolken durch die Tunnel. Immer dichter wurden die Schwaden, die sich aus kondensierter Magie zusammensetzten. Felix unterdessen sah inzwischen kaum mehr quer durch den zentralen Raum, konnte den Magier nur noch Schemenhaft erkennen wie er mit erhobenen Armen an der Feuerschale stand und Flammen und Nebel unter Kontrolle zu halten schien. Der Wiederhall seiner Worte schwoll zu einer gewaltigen Kakophonie der Magie, einem Chor der Beschwörungsmacht an, bis, ja bis endlich mit einem ohrenbetäubenden Paukenschlag der Stille alles vorbei war.

Der Magier war an der Schale zusammengebrochen. Dennoch schaffte er es noch, in einer Hand den Stab zu halten. Den Stab, den er zu reparieren suchte. Und fürwahr, repariert war er nun, prangte doch an seiner Spitze der riesige Kristall, in dem nicht nur die graue Flamme lodern flackern, sondern in dem sich auch das gesamte Königreich widerspiegeln schien.

Es dauerte einige Minuten, bis sich sowohl Felix von all dem Erlebten erholt hatte als auch Andros wieder genug Kraft gesammelt hatte, um sich zu erheben.

“Wohlan den. Lass uns anfangen. Wir haben einen König zu befreien, ein Königreich zu retten, ein Königspaar wieder zusammen zu führen. Folge mir!”

 

Jan war wieder einmal zusammengebrochen. Genau genommen war er nicht zusammen, sondern nur etwas hinunter gebrochen. “Warte, ich muss den Zauber korrigieren.”, rief Stephan ihm zu. Er hatte nichts von den Problemen seines Begleiters mitbekommen, weil er einige Schritte vor ihm wanderte. Doch nach einem kurzen Kontrollblick war es ihm klar. “Ich hätte wohl bedenken sollen, wo wir sind. Wenn wir warm gehalten werden, dann ja auch das Eis unter uns. Das muss ich abstellen. Abra Kadabra, dreimal schwarzer Kater.” “Das soll ein Zauberspruch sein?”, fragt Jan, dem gerade letzteres doch regelrecht aberwitzig vorkam. “Nein, das ist nur Blabla. Einen Zauber zu wirken braucht es nicht unbedingt Worte.” Und mit einem Wink seines Arms korrigierte er die Magie um die beiden herum.

Bereits wenige Minuten später waren sie dann auch schon vor ihrem Ziel. Die Höhle, die sich knapp unter dem Gipfel befand, war der Ort, an dem seinerzeit der magische Kerker der Königin mit ihr materialisiert war. Eigentlich wusste Stephan gar nicht genau, was sie hier anzustellen hatten. Es war nie die Rede davon gewesen, welchen Zauber er zu wirken hatte oder was eigentlich Jan hier sollte, selbst wenn er der Auserwählte war.

Sie betraten gemeinsam die Grotte. Jan wusste eben so wenig wie Stephan, was er überhaupt auf dieser Mission sollte. Dennoch ging er weiter in den Berg hinein, schaute sich in seiner Neugier dann auch die Eisfigur an, die ganz im Zentrum der Höhle stand. Und da geschah es. “Mutter!”

 

Ro war schon recht weit gekommen, aber das Gold an seinem Gürtel wog schwer. So fand er alsbald dann auch ein Wirtshaus, in dem er sich erst einmal einen neuerlichen Festschmaus gönnte.

“Eine einzige Münze hatte der Alte nur noch! Das ist doch das letzte! Durchgebracht haben muss es es. Vielleicht sollten wir mal das Hurenhaus heimsuchen, irgendwo muss das ganze Gold ja wohl abgeblieben sein.”, hörte er von einem Tisch weiter hinten in der Ecke. “Aber der Junge schien die Wahrheit gesagt zu haben. Er hätte das alles durchs Fenster beobachtet, die Leute reden gehört. Tausende hätten es sein sollen, ja zehntausende. Vielleicht sollten wir den nochmal genauer befragen. Vielleicht hat dieser Kerl aber auch das Gold vor uns geklaut. So ein Verbrecher!”

Ro machte sich seine Gedanken. Eine derartige Summe kannte er nur von einem, nämlich dem Vater von Jan, dem Wirt des Suppenkönigs. Der Ritter bezahlte, beeilte sich auf sein Pferd zu kommen und gab ihm die Sporen, einer böse Vorahnung folgend.

Das Suppenhaus lag nicht weit entfernt, liess ihm nicht allzu viel Zeit mehr zum Nachdenken, sich noch mehr Sorgen zu machen als ohnehin schon. Und tatsächlich, als er an seinem Ziel ankam, die Tür aufstieß, fand er einen verwüsteten Gastraum vor - und hinter dem Tresen den Arm des Wirts hervorlugen. Mit einem Satz war er bei ihm, doch die Eile war vergebens. Nur noch einen toten Körper fand er vor. Einen toten Körper und ein Ledersäckchen direkt daneben.

Die Räuber mussten wohl von dem lauschenden Jungen zwar alles erzählt bekommen haben, aber dann einen fatalen Fehler gemacht haben. Denn wenn man in das Säckchen griff, fand man immer nur eine einzige Münze vor. Wenn man darin herum wühlte, suchte, ohne die Münze heraus zu nehmen, blieb auch nur diese eine darin. Der Hauptmann musste also, nachdem sie den Wirt erschlagen haben, ihre Finger in den Goldbeutel gesteckt haben, nur eine einzige Münze vorgefunden haben, diese womöglich auch herausgenommen haben, aber den Sack dann frustriert weggeworfen haben.

Ro nahm den Beutel an sich, griff hinein und entnahm eine Münze. Er steckte sie in seinen eigenen Beutel, griff erneut in den magischen Sack und holte erneut eine Münze heraus. Es funktionierte also tatsächlich noch, wie von dem Magier beschworen. Die Räuber waren nicht nur verbrecher, sondern auch noch doof. Und sie hatten dafür auch noch den Wirt ermordet.

Wut stieg in dem Ritter auf. Und je länger er darüber nachdachte, desto wütender wurde er. Als er die Tür erreicht hatte, kochte er vor Wut. Als er auf seinem Pferd saß, hätte seine Rüstung als geschmolzenes Metall von ihm abfallen können. Als er dann bei dem Hurenhaus, von dem die beiden erzählt hatten - und das sie als nächstes überfallen wollten - ankam, hätte ihn ein Pfeilregen in seinen Rücken nicht mehr davon abhalten können, grausame Rache an den Verbrechern zu nehmen. Mit gezogenem Schwert sprang er von seinem Pferd direkt in den Rücken des ersten Mannes, streckte ihn so nieder während sein Schwert bereits im Rücken des Zweiten steckte, ihn damit ein für alle Mal ausschaltete. Seine Kraft war durch seine Wut so erhöht, dass er die Klinge nicht aus ihm heraus zog, sondern das Schwert nach oben hin weg hob, ihn damit fast in zwei teile schnitt. Der Mann am Boden hatte sich noch immer nicht erhoben, versuchte noch, seinen Rücken wieder gerade zu biegen, als er von dem Blutschwall seines Kumpanen gebadet wurde. Aber viel Zeit um seine Lage zu bedauern hatte er ohnehin nicht mehr, denn das nächste, was er im Gesicht spürte war nicht eine seiner Hände, mit denen er sich das fremde Blut aus den Poren wischen wollte, sondern die Schwertspitze Ro’s, die aus seiner Nasenspitze heraus tief in den Boden jagde.

Erschöpft und ebenfalls blutüberströmt hielt sich Ro am Knauf seines Schwertes fest, das noch immer im Schädel des einen Mörders steckte, während er auf die Knie fiel und weinend zusammenbrach. Erst jetzt bemerkte er, dass beide Männer tatsächlich bereits ihre Messer gezogen hatten, also als nächstes sich wohl über die Einwohner des Hauses hergemacht hätten, vor dem er sie gestellt hatte.

Endlich hatte er wenigstens ein mal eine richtige Heldentat getan.

 

Jan schaute sich die Frau hinter der dünnen Eisschicht an. Ging noch näher zu ihr hin, schaute noch genauer. Kurz drehte er sich zu Stephan um, stockte in einem unausgesprochenen Wort. Dann lief ihm eine Träne über die Wange und ein Wort aus seinem Mund “Mutter.”

Stephan blieb der Atem ebenso stehen wie das Herz. Mit vielem hatte er gerechnet, aber dass der Hofmagier derartige Zusammenhänge tatsächlich vorhersehen konnte war beeindruckend. Und dass er hier stehen konnte, empfand er als absolut erhebend. Er nahm dabei nicht einmal wahr, wie die eben geweinte Träne Jans nicht nur über dessen Wange, sondern auch von ihr herunter und auf das Bein der eingefrorenen Königin tropfte.

Ein Grollen erhob sich aus den Tiefen des Berges, wurde lauter und immer lauter und zu einem Ohrenbetäubenden Lärm, der sich ausgerechnet in der Kammer der eingeeisten Königin zu konzentrieren schien. Die beiden bekamen es mit der Angst zu tun, sammelten ihre Sachen ein und verließen fluchtartig die Gipfelhöhle. Mit einem letzten Blick von Jan nach dessen Mutter sah dieser nur noch, wie das eisige Gefängnis der Königin einen Riss bekam, und dann von herabfallendem Eis und Schnee der offenbar einstürzenden Höhle verschüttet wurde.

 

Mitten im Thronsaal hatte er seinen König verlassen und mitten im Thronsaal stand er nun um alles wieder gut zu machen - Andros. Einst hatte er ihm Treue geschworen, weil er an das Gute in seinem Herzen geglaubt hatte. Bis zum Ende hatte er daran festgehalten, doch dann geschah ein Unglück nach dem anderen. Die Königin verlor ihren Sohn und ihr Herz wurde von Eis zerfressen, verschlang sie bis auf die letzte Stelle ihres Körpers und mit der Kälte ihrer Seele schloss sie sich selbst in ihr eisiges Gefängnis ein, nachdem sie sich in die höchsten Gefilde des Königreichs zurückgezogen hatte, um von dort aus über alle zu herrschen. Zum Glück ging ihr Plan nicht auf, wurde von ihrer eigenen Aufgehalten und eingefroren in diese undurchdringliche Barriere. Bei ihr galt es, nicht nur diese zu durchdringen, sondern auch die Kälte ihres Herzens zu erwärmen, die Dunkelheit ihrer Seele mit Licht zu erfüllen. Aus diesem Grund hatte er nach ihrem verschollenen Sohn suchen lassen, hatte sich auf eine sehr lange Wartezeit eingestellt und seinem ergebensten und treuesten Diener sogar die unsterblichkeit verschafft, auch wenn dieser davon nichts wusste. So war zumindest der Faktor Zeit nicht mehr wichtig.

Beim König selbst sah die Sache hingegen anders aus, denn hier war es Andros’ höchst eigenes Versagen gewesen. Er hatte versucht, mit Hilfe eines mächtigen Zaubers, einer Beschwörung aus uralter Zeit, als noch Dämonen und Titanen auf der Welt gewandelt sind, den selbst erzeugten Käfig der Königin zu durchbrechen, sie zu erweichen, ihren Geist zu erreichen und zu beruhigen. Vielleicht hatte dies nicht funktioniert, weil der Grund - der verlorene Sohn - nicht geheilt war. Vielleicht war es auch der Bote, der ausgerechnet in diesem Moment dazwischen rief und seine Konzentration ablenkte. Vielleicht war es auch sein Unwissen über gerade diesen Zauber oder die Entfernung zu seinem eigentlichen Ziel gewesen, denn er wollte diesen demonstrativ vor dem König in dessen größter Halle vollführen, um sich und seine Macht noch mehr herauszustellen, sich zu produzieren und vielleicht auch andere Zuschauer einzuschüchtern und dadurch eventuelle Spione aus feindlichen Ländern davon ab zu halten, jemals dieses Land anzugreifen.

All dies ging schief, der Stab zerbrach, der Zauber mislang.

Und das Resultat war, dass der König danach ebenfalls in einem eisigen Gefängnis fest sass. Sein verzerrtes, verzweifeltes Gesicht konnte man durch das Eis gut erkennen, konnte sehen, wie er nach einer helfenden Hand zu greifen versuchte, wie er um Hilfe schreien wollte. Auch deshalb war Andros seit diesem Tag nicht mehr hier gewesen.

Doch nun hatte er alles beisammen, was er für die Rettung des Königs brauchte. Und die Königin würde gleichsam ein Ende ihrer selbstgewählten Verbannung erfahren, von ihrem Leid befreit und die beiden würden wieder zusammengeführt werden. Nichts geringeres hatte er sich vorgenommen. Für nichts weniger hatte er all die Jahre die uralten Schriften studiert, hatte alles nur lernbare über Titanen und Dämonen in Erfahrung gebracht, hatte währenddessen immer wieder Konzentrationsübungen gemacht und auch seine Fingerfertigkeit im Ausüben von Zaubern gesteigert, so dass seine magischen Kräfte im Vergleich zu damals nun regelrecht potenziert waren. Und dem Stab hatte er ebenfalls noch stärkere Fähigkeiten verliehen, die ihm nun zu Diensten standen.

Dieses mal sollte alles funktionieren. Dieses mal stand er direkt vor dem Ziel seines Zaubers. Dieses mal würde ihn nichts ablenken können.

Seinen frisch geflickten und mit neuer, erweiterten magischen Energie aufgeladenen Stab stieß er in Mitten des Thronsaals auf den Boden und der gesamte Raum würde wurde in hell leuchtende, blaue Flammen gehüllt, die von einer Seite zur anderen huschten, die in wirren Kreisen durch den Raum sausten und sich mit einem Schlag wieder in der kristallenen Spitze des Zauberstabs ansammelten. Ein gewaltiger, grünlich blauer Strahl ging sowohl von dem Stabkristall als auch von den Aufgerissenen Augen und dem Mund des Magiers aus und bündelten sich auf den verzauberten König, schmelzen den Eisblock auf nicht physische Art und Weise.

Felix war mitgekommen und hatte die Tür hinter Andros geschlossen, hatte daraufhin direkt an der Pforte gewartet. Er wusste sowieso nicht, was er hier sollte, was er tun sollte, was seine Aufgabe sein würde. Nach seinem Wissen hatte er seine Aufgabe, nämlich den einen Tropfen Blut abzugeben, den er in der Untergrundhalle in die Feuerschale gespendet hatte. Dies schien seine einzige Aufgabe in diesem Schauspiel zu sein, das offenbar von weit epischerem Ausmaß war, als er sich je hätte vorstellen können. Und jetzt half er quasi auch noch dabei, den König und damit im Grund das gesamte Königreich zu retten. Er schwelgte in wahren, höchsten Glücksgefühlen.

 

Ritter Ro bemerkte von all dem nichts. Er hatte im Blut der Räuber gebadet und völlig ausser Atem kniete er nun zwischen den Einzelteilen, in die er die Verbrecher zerlegt hatte. Sein Adrenalin, sein Hass auf diese Kerle hatte ihn sicherlich dazu befähigt, übermenschliche Schläge zu vollführen. Und es war der nun abschwellende Adrenalinschub, der ihn regelrecht zusammenbrechen ließ.

Glücklicherweise hatten die Mädels all dies mitbekommen, hatten gemerkt, dass da zwei Gewalttäter auf ihr Zuhause zu kamen und nichts gutes im Schilde führten. Das ganze Haus war in wilder Aufruhr gewesen, hatte entweder versucht, den Eingang - alle Eingänge - zu verbarrikadieren, oder aber ihre wenigen echten Habseligkeiten zusammen zu packen um irgendwie zu verschwinden. Als dann der Kampflärm zu hören war, waren alle an die Fenster gerannt, hatten ihre Nasen an den Scheiben plattgedrückt, ihre Finger durch die Jalousien gesteckt um diese abzubiegen und besser sehen zu können, war da draussen vor sich ging. Kurz wars gewesen, kur und Genugtuend. Schon nach wenigen Sekunden bereits hatten die Angreifer von einem tapferen Helden ihre endgültige abreibung bekommen, der im Alleingang das gesamte Haus und sicherlich all seine weiblichen Insassen gerettet hatte.

Als der Ritter dann zusammenbrach waren die Barrikaden schnell wieder abgebaut gewesen und die ersten Holden rannten zu ihm, wischten ihm mit ihren weichen Unterröcken das Blut vom Gesicht, versuchten ihn wieder auf die Beine zu heben und geleiteten ihn mehr tragend als leitend ins Haus um ihn dort zu säubern und zu verwöhnen, sich von allen Seiten dankbar zu zeigen.

Ritter Ro, mit einem dankbaren Lächeln auf den Lippen, ging leicht stolpernd aber in maximaler Erwartungsfreude, widerstandslos einfach mit. Die Dankbarkeit junger, hübscher Frauen wie dieser kannte er aus Erzählungen … von Freunden … die das gehört hatten … wo anders. Ja, so wars.

 

Ganz in sich zusammengefallen war der Gipfel dann doch nicht. Stephan spürte in seinen Eingeweiden jedoch, dass es der richtige Zeitpunkt gewesen war, als Jan seinen unterschwelligen Auftrag ohne direkte Anweisungen ausgeführt hatte. Es war so lange her gewesen, als er den Auftrag mit der Suche bekommen hatte, dass er gar nicht mehr wusste, warum er ihn eigentlich gesucht hatte. Aber nun kam alles wieder, erinnerte er sich an all die Wichtigkeiten, die er im Laufe der Jahre verdrängt hatte. Jan war tatsächlich der Sohn, der der Königin vor vielen Jahren entführt wurde. Dass nie ein Erpresserbrief, eine Lösegeldzahlung oder ähnliches kam, wodurch man den geliebten Sohn hätte wiederbekommen können, machten die Sorgen der Königin nicht geringer - eher im Gegenteil, denn Unwissenheit und Ungewissheit ist oftmals schlimmer als die Gewissheit eines tödlichen Verlustes. Es gab vermutungen, dass die Räuberbande von wilden Tieren aufgerieben wurde, dass ihnen selbst das Kind gestohlen und in Unwissenheit seiner Herkunft aufgezogen wurde, dass das Kind selbst vielleicht bei all den Irrungen seiner Entführung zu Tode gekommen sein konnte. Auch diese Vermutungen und Gerüchte gaben der Königin keine Beruhigung und so wurde ihr Herz erst schwer und dann Dunkel, ihre Seele abwesend und dann kalt, ihr Interesse an der Welt um sie herum erst abhanden und dann mit Wut, dann mit Hass erfüllt. Ihre Wut entlud sich schließlich in ihrem Plan, vom höchsten Gipfel herab die gesamte Welt zu vernichten, die ihr so viel Schmerz zugefügt hatte. Den dunklen Mächten war es ein leichtes, eine so abhanden gekommene Seele zu korrumpieren und ihr die nötigen Kräfte zu geben, um dies zu erreichen. Wohl nicht eingeplant war, wie dieser Plan nach hinten losgehen konnte und sie durch ihre eigene Magie eingeschlossen werden konnte.

Doch wenn nun der verloren geglaubte Sohn Jah ihr Herz durch seine Träne erweichen konnte, ihre Seele wieder herstellen würde, dann würde nicht nur ihr eisiges Gefängnis entfernt, sondern auch die Last des Verlusts auf ihr und damit vielleicht auch die Korrumption durch die dunklen Mächte.

Der Gipfel explodierte förmlich, als die Königin denn endlich erwachte. Sie war so schön wie damals, als sie noch neben ihrem Gatten auf dem Thron gesessen hatte, mit ihrem Kind glücklich spielte. Leider war sie jedoch noch immer so kalt, wie vor einigen Minuten noch, bevor sie sie gefunden hatten. Es schien ganz offensichtlich - Jans Träne hatte nur bewirkt, dass sich ihr Gefängnis aufgelöst hatte.

Sie schwebte weit über dem, was einst die Spitze über ihrer Grotte gewesen war. Schaute sich aus eisig blauen Augen um, erblickte dann auch Jan und Stephan.

“Du! Er hat dich mir vorenthalten. Jetzt erkenne ich es deutlich! Das wird er büßen!”

Und mit diesen Worten begann es.

Ihr wütender Blick richtete sich in Richtung der Hauptstadt, während sie ihren Arm in die Luft streckte, sich ein langes Schwert in ihrer Hand herausbildete, ein eisiges, dampfendes Schwert, das sie nun in Richtung ihres vermeintlichen feindes richtete. Mit einem Donnerschlag, der davon zeugte, dass sie sich schneller als der Wind bewegte, raste sie alsbald in ihrer Wut davon, fegte eine Schneise der Vernichtung überall dort entlang, wo sie wie eine Stampede aus tausend Dämonen brachial entlang flog. Jan wurde dabei von einem Eisklumpen erschlagen, der durch die Wucht ihrer Beschleunigung so schnell gewesen war, das er seinen Körper unversehens durchschlug. Jan hatte gerade noch Zeit, das riesige Loch in seiner Brust zu bestaunen, bevor er leblos umfiel.

Genau so ging es jedoch auch vielen anderen Menschen, die der rasenden Königin im Weg standen. Alle wurden niedergemäht, als seien sie Gras unter Wagenrädern. Sie verbreitete Tod, wo immer wie auch lang flog.

Doch dann geschah das furchtbare. Als wenn alles nicht schon schlimm genug gewesen war, erhob sich Jan wieder. Zuvor noch definitiv tod und ohne einen Teil seiner wichtigsten, inneren Organe, lief er nun wieder aufrecht, griff nach einem Stock und stürmte mit diesem in der erhobenen Hand seiner Mutter hinterher. Stephan hatte gerade noch sehen können, dass seine Augen so kalt und eisig waren, wie die der Königin, bevor Jan ausser sichtweite war.

“Oh Gott, was wird bloß werden.” fuhr es verzweifelt aus ihm heraus, als er sich resigniert auf einen Fels setzte und die Schneise entlangschaute, die von ihm in Richtung Hauptstadt verlief. “Viel Glück, Chef.”

 

Andros sackte auf die Knie. Felix war direkt bei ihm, versuchte ihn zu stützen, ihm aufzuhelfen.

“Danke, mein Junge.”, fuhr es die beiden von vorne an. Der König stand da. Auf dem Podest, auf dem eben noch der Eisblock gestanden hatte, stand nun ein regelrechter Götze. Groß, stark, goldener Helm, mit seinem Speer in der einen Hand und strahlendem geschliffenem Schwert in der anderen. “Es wurde auch langsam Zeit!”

Doch dann richteten alle ihre Blicke in die gleiche Richtung. Ein grollen fuhr zu ihnen, wurde immer lauter, immer stärker, wurde zu einem Bombardement aus Donnergrollen, erschütterten den Boden und sogar die massiven Wände der Thronhalle, ließen die dicken Holztüren in ihren Verankerungen wanken.

“Was ist das?”, fragte Felix regelrecht unschuldig. Jedoch er erntete nur ein Kopfschütteln von Andros.

“Ich kann sie spüren.”, erwiderte jedoch der frisch erwachte König. Auch er blickte in die Richtung des Donnergrollens, schaute mit einem starren und harten Blicks, der nicht nur gefühlte blitze in diese Richtung aussendete, sondern begann, aus den Augen heraus tatsächliche, elektrische Funken zu schlagen.

“Bewaffne dich.” flüsterte Andros zu seinem noch menschlichen Begleiter. “Es wird schmutzig werden - und hart.”

Felix tat, wie ihm geheissen, holte sich von der Rüstung, die in einer Ecke stand Schwert und Schild, setzte sich den Helm auf und wartete mit den anderen beiden auf die Dinge, die da mit dem Lärm auf sie zukommen würden.

“Wachen! Sammelt euch. Gebt Alarm an alle Waffenträger. Dies ist die Schlacht der Schlachten! Wir werden nicht weichen!”, rief da der König aus, rief es durch die Halle und ward gehört in allen Ecken und Enden des Königreiches. Ein jeder erkannte seine Stimme, ein jeder griff zu irgend einer Waffe, sei es Schwert, Armbrust oder Küchenmesser. Ein jeder war wie von einem magischen Ruf getrieben und tat, wie ihm von seinem König geheissen.

 

Bloss Ritter Ro lag zwischen den Mädchen des beschützten Hauses und ließ sich baden, streicheln, speisen.

 

Die Königin indes raste mit unmenschlicher Geschwindigkeit auf die grosse Halle zu, in ihren Augen der funkelnde, konzentrierte Hasse au den, dem sie die Schuld für ihren Verlust gab, ihr Schwert voran. Was jedoch ebenfalls geschah war nicht nur, dass sie eine Schneise von Vernichtung und Tod als Schallwelle hinter sich her zog, sondern auch, dass der Tod in etwas sogar noch viel schlimmeres umgekehrt wurde, denn all die Toten, die Leichen, auch diejenigen, die schon länger Tot waren, auf Friedhöfen lagen, standen kurz hinter der Druckwelle der Königin wieder auf. Sie erhoben sich und richteten ihre Schritte ihrer Herrin hinterher, gingen auf die Stadt, auf den Königshof zu. Und was noch nicht tot war, erschlugen sie, zerrissen sie, erstachen sie. Und welches Opfer danach noch genug am Stück war, erhob sich ebenfalls wieder und wankte seinen Häschern hinterher, tat ihnen gleich, schloss sich der Armee der Untoten an.

Die Königin schaute sich nicht um. Sie kannte nur ein Ziel, hatte nur eine Person im Auge. Und mit einem Schlag einer Naturgewalt gleich, explodierte ihre Anwesenheit durch die Mauern der Burg, hindurch durch die Wände der Halle, ließ Fenster und Türen um sich herum explodieren und hieb mit all ihrer titanischen Macht auf den im Zentrum von allem stehenden König ein.

Doch titanisch konnte der König ebenfalls und widerstand.

 

Die Magie, die Andros aufgewendet hatte, steckte nun offenbar in seinem König, machte ihn stark, mächtig, zu einer Naturgewalt, die der Königin widerstehen konnte. Nichts von alledem war so geplant - genau genommen war das exakte Gegenteil geplant gewesen. Jan hätte der Königin ihre Wärme und ihren Sohn zurückgeben sollen, der König wäre einfach wieder aufgetaut worden und das Königspaar hätte mit ihrem wiedergefundenen Nachwuchs das Königreich in eine neue Blüte geführt. Irgendwo auf dem Weg musste es ein Vorzeichenfehler gegeben haben, denn all dies würde nun wohl nie geschehen. Das Königspaar im Blick, wie sie mit gekreuzten Schwertern mitten in einem Trümmerfeld von einem noch immer in sich zusammenstürzenden Thronsaal standen und das Leben aus dem Körper des jungen Felix, der so eben von einem grossen Stück Wand zerdrückt worden war, entweichen fühlen, machte Andros einen magisch verstärkten Sprung, erhob sich in die Luft, und war schon im nächsten Augenblick bei Stephan.

 

In der Stadt erhob sich eine Schlacht, wie sie in den Kriegen sämtlicher Königreiche zuvor nicht geschlagen worden war. Die Erhobenen stürmten die Stadt von der einen Seite, die Wachen verteidigten, was sie konnten und von überall sonst her strömten die bewaffneten Bürger zu Hilfe eilend gegen die untoten Gegner. Es wurde gemetzelt, es wurde gemeuchelt, es wurde geschossen und es wurde gestochen. Wer konnte, schaltete die gestorbenen Gegner durch Abtrennen von Körperteilen aus, köpfte sie, hieb Arme und Beine ab, doch in der Zwischenzeit wurden sie von umso mehr Gegnern konfrontiert. Und wer dabei weniger Glück hatte, der wurde nicht nur niedergestreckt, sondern erhob sich alsbald zu allem Überfluss als einer der untoten Gegner erneut, um wenig später gegen seine eben noch Weggefährten zu kämpfen. Trotz allem hielten sich beide Seiten die Waage, keiner konnte einen grossen Vorteil erringen. Es war im grunde eine Patt-Situation.

Doch das Königspaar kämpfte noch. Sie spiegelten im Grunde den Stand der Schlacht wider, schenkten sich nichts, boten ihrem Gegner keine Gelegenheit, eine Schwäche auszumachen, hieben mit aller Macht und allen Waffen, die sie zur Verfügung hatten, auf sich ein. Ihr Ursprung wurde immer offensichtlicher. Dies waren keine Menschen mehr, hier kämpften Titanen und Götter miteinander. Es war nicht wichtig, wer gut oder böse war, es würde nur einen Ausgang geben können.

 

Andros und sein Stephan schauten aus gebührender Entfernung zu. Die Besorgnis von Andros spiegelte sich im Gesicht seines Getreuen wieder. Eine Lösung lag nicht mehr im Bereich der Fähigkeiten der beiden - nicht einmal gemeinsam. “Es ist vorbei.”, sprach Andros, legte seine Hand auf die Schulter seines Gefährten und mit einem Ploppp waren beide verschwunden.

 

Die Macht der beiden Kombatanten schenkte sich nichts, ergab ein Equilibrium der Magierichtungen, bildete mit jedem weiteren Schlag eine größere, glühendere Blase des Lichts, der Kälte, der Naturgewalten und der Magie, hell und dunkel. Gerade wehr der König einen scharfen Hieb seiner Frau ab, da kommt sie auch schon wieder angesprungen, sein Schwert hinter ihm vermutend und so außerhalb ihres Gefahrenbereichs. Einen Stich mit ihrer Eiswaffe planend flog sie von oben auf ihn herab und mit aller Kraft stach sie ihm das blau glühende Schwert durch den Leib. Der König spuckte ihr sein Lebensblut entgegen, hustete aus, was er eben noch als Atem zum Kampf hatte. Dann spuckte auch die Königin ihren letzten Atem in Form ihres schwarzen Blutes über die Schulter ihres ehemals Geliebten. Schlaff hingen nun ihre Arme herunter, ihre Beine verloren den magischen Halt in der Luft. Sie hatte die Rechnung ohne die Lanze gemacht, die der König in der anderen Hand hielt und die ihr nun einmal quer durch den Körper reichte. Sie war ihm direkt in die Waffe gesprungen, hatte sich mit ihrem finalen Vernichtungshieb selbst in die Waffe ihres Gegners gestürzt.

So gegenseitig aufgespießt, besiegelten sie endgültig und für alle Zeiten das Gleichgewicht, jedoch wohl anders, als sie es sich vorgestellt hatten - sie löschten sich gegenseitig aus.

Doch eine geringfügige Nebenwirkung hatte das Ganze. Die Magische Corona, die sich um die beiden Kämpfer gebildet hatte, hatte nun keinen Halt mehr von innen. Sie explodierte förmlich um sie herum, mähte alle verbliebenen Gebäude nieder wie Gras, und mit den Häusern dann auch alle Kämpfer, die in dieser elendigen Schlacht noch geblieben waren. Auch hier blieb der Tod kein dauerhafter Zustand. Die vernichteten Krieger standen wenige Momente später wieder auf als rasende Naturgewalt, die sich wie eine Wolke in alle Richtungen ausbreiten, zerfetzte, was sie berührte, wieder auferstehen ließ, was sie tötete.

Wahrscheinlich war Ritter Ro mit seinen Gespielinnen die letzten, die in dieser Welt noch am Leben waren, bis dann auch sie die Wolke überrollte. Sie blies alles nur so hinweg, ließ kein Haus, keinen Baum stehen und tötete alles und jeden auf ihrem Weg. Dann stieß sie auf der anderen Seite der Welt mit sich selbst zusammen, schwappte empor, wieder hernieder und raste mit ebenso großem Tempo in die entgegengesetzte Richtung, abermals über die gesamte Welt, ebnete nun selbst Berge zu Hügeln ein. Zu aller Letzt traf diese Welle wieder auf das noch immer in ihrem Sterben verharrenden Königspaar. Sie auszulöschen hatte dann den endgültigen Effekt der Vernichtung zur Folge.

 

Viele tausend Kilometer entfernt schwebten Andros und Stephan inmitten der absoluten Leere außerhalb ihrer ehemaligen Heimatwelt. “Wir brauchen wohl ein neues Zuhause.” meinte Andros nur kalt, als die blaue Kugel, die eben noch ihre Welt gewesen war, wie ein Feuerwerkskörper zerplatzte, dabei nicht einmal einen Laut von sich gab. “Eines mit Cervisia.”, erwiderte Stephan. Und mit einem Plopp, waren sie abermals einfach verschwunden.

 

 

 

 

Anmerkung:

Diese Geschichte ist aus einer Eingabe des Nachwuchses entstanden, der eines Tages mit einer Liste von Vorgaben zu mir kam und meinte, ich solle daraus mal eine Geschichte machen. Hab ich dann auch und so ist dann noch eilig in der Nacht vor Weihnachten pünktlich die letzte Zeile zu Papier gebracht worden.