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Es war tiefe Nacht. Immer wieder horche ich in die Dunkelheit hinein. Ich muss sie irgendwie orten, muss irgendwie herausfinden, ob sie wieder in der Nähe ist. Sie darf nie mehr so nahe kommen, wie vorhin, die Bestie der Nacht.

Meine geliebte Frau dreht sich zu mir um, fragt mich etwas, aber ich höre garnicht mehr recht hin. Sanft lege ich einen Finger auf meine Lippen, gebiete ihr Stille. Schnell wird ihr der Ernst der Lage klar. Es war nicht das erste mal, dass wir eine derartige Krise zu überstehen hatten und so verkriecht sie sich ängstlich in einer Ecke, verbirgt sich in einem Winkel, hüllt sich nicht nur in Schweigen sondern auch in eine Tarnung, die sie unter sich liegend gefunden hat.

Fast schon verliebt schaue ich ihr zu, denke darüber nach, dass ich all dies nur für sie tat, dass ich nur sie zu beschützen versuchte. All meine Gleichgültigkeit dem Tode gegenüber ist vergessen, ist verdrängt seit ich sie gefunden hatte, seit ich sie an meiner Seite weiss, die meinem Leben neuen Inhalt, neuen Sinn gegeben hat. Für sie konnte ich kämpfen, in ihr hatte ich einen Menschen gefunden, für den es sich lohnte in diesen Krieg zu ziehen, mich der Bestie zu stellen, mich der Jagd hinzugeben und wenn es das letzte ist, was ich tun würde, so würde ich doch zumindest meine Genugtuung haben dass ich es für sie aushauche, dass ich mich für sie geopfert hätte, dass sich all das gelohnt hätte.

Wieder höre ich es nahen, das Tier hinter dem ich her war. Eigentlich müsste es gross genug sein, dass ich es auch aus der Entfernung sehen könnte, dass ich es nicht erst hören und vielleicht auch sehen könnte wenn es schon zu spät war, wenn ich schon ihre ängstlich schmerzhaften schreie hörte, wenn die Bestie schon zugeschlagen hatte. Eigentlich müsst ich wenigstens die Richtung heraushören können, aus der sie auch mich überfallen würde, dachte ich mir und noch während ich das letzte Wort in meinem Geist wieder und wieder klingen liess, mich damit selbst versuchte ein wenig aufzubauen, mich so zu beeinflussen, dass ich sogar selbst daran glauben könnte, dass ich sie auf diese Art wirklich anpeilen könnte, dass ich so einen taktischen Vorteil erlangen könnte aus dem Wissen heraus, dass ich vielleicht endlich einma mehr wusste als sie war es auch schon beinahe zu spät.Wie ein tödliches Geschoss hörte ich es an mir vorbeiziehen, hörte es die Luft durchschneiden und mir in einer Geschwindigkeit wieder entfleuchen, dass ich schon dachte das meine Reflexe niemals dafür ausreichen konnte, dass die Reflexe eines Menschen niemals dafür ausreichen könnten dieses Bies aus dieser Welt zu entfernen.

Vielleicht war es über mich selbst, aber mit der Zeit, mit der Dauer dieser Gedanken kam ein unglaublicher Hass in mir auf, der meinen Adrenalinhaushalt auf gefährliche Weise zu beeinflussen begann, der mich kaum mehr klar denken liess und mir sogar begann in der recht schwül gewordenen Athmosphäre meines Jagdreviers den schweiss auf die Stirn zu treiben. Vielleicht war es auch Angstschweiss, aber in diesem Moment war mir dies reichlich gleichgültig geworden. Ich kämpfte nicht mehr für sie, ich kämpfte nicht mehr für meine Liebe, die ich bisher nur zu beschützen suchte, ich kämpfte nicht mehr für mein Leben das ich mir ihr, das ich überhaupt verleben wollte, ich kämpfte nur noch dafür gegen dieses schier unheimliche Wesen in den Krieg zu ziehen, siegreich in den Krieg zu ziehen. Koste es was es wolle.

Fast schon wie im Wahn schlug ich um mich ein jedes mal, wenn ich auch nur zu erahnen begann dass ich in meiner nächsten Umgebung nicht mehr alleine sein könnte, wenn ich erahnte dass es da sein könnte, wenn ich mir erhoffte dass ich es vielleicht einfach mit einem Zufallstreffer erwischen könnte, wenn ich mir erhoffte alles dem Schicksal überlassen zu können wenn ich wieder siegreich in heimische Landen einkehren würde. Dabei waren meine Waffen gar zu menschlicher Natur, waren diesem Wesen der Nacht eigentlich schon unterlegen. Verhältnismässigkeit der Mittel nennt es der Politiker wenn es einem anderen den Krieg erklärt und meint damit auch nicht weniger als nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen. Dabei ist doch gerade die Definition von Kanone für ihn von Interesse. Für mich ist es in diesem Moment eher die Definition von Spatz, gegen den ich hier angetreten war.

Wieder kam es herangenaht, nahe, ganz nahe konnte ich seine Bewegungen vernehmen, hörte dieses leise Summen in der Luft wenn es sich bewegte, hörte es verstummen wenn es seinen Weg unterbrach, wenn es stoppte wohl um sich auszuruhen. Es würde wohl die einzige Möglichkeit sein, dass ich es tatsächlich erwischen konnte. Ich würde es wirklich förmlich im Schlaf überwältigen müssen, würde es von hinten angehen und ihm in den Rücken fallen müssen wenn ich siegreich enden wollte, wenn mein Feldzug überhaupt enden sollte und nicht damit, dass der Morgen graute und ich von meinem Leben ausgelacht werden würde weil ich es nicht schaffte einen solchen, eigentlich unscheinbaren Gegner zur Strecke zu bringen.

Ich konnte fühlen, wie es sich neben mir bewegte, wie es förmlich einen Bogen um mich zu machen versuchte, wie es darauf lauerte sich über das hilflose Wesen neben mir herzumachen wenn ich einmal unachtsam wäre, wenn ich meine Beschützerpflichen vernachlässigen würde nur um mich weiter heraus zu trauen und es auf eigenem Boden zu erlegen. Aber diesen Gefallen mache ich ihm nicht. Ich habe Zeit, ich kann warten, und wenn es die ganze Nacht dauert, wenn ich hier für Stunden bewegungslos verharren muss um endlich die Gelegenheit zu bekommen, die Chance auch einmal zum Angriff über zu gehen wenn ich es in meinem eigenen Terrain erwische.

Da ist es. Endlich habe ich es gesehen. Ich brauche auch nicht lange, um es vollständig zu identifizieren, um mir darüber klar zu werden, dass dieses eigentlich unscheinbare Getier, das da in meiner unmittelbaren Nähe verweilt, genau das ist, wonach ich schon die ganze Zeit suche, wonach ich jage, welches ich töten will, aus dieser Welt ausradieren, seine existenz auslöschen. Ich beginne schon mit der Vorstellung zu spielen wie es sein würde, wenn ich mich über meinen Sieg freuen würde, wenn ich nur noch die Reste dieses Wesens auflesen würde um mich an seinem Tode ergötzen zu können. Ich würde ein Freudenfest feiern zu meinen Ehren, würde über sein Leid lachen, mich über es lustig machen wie es zerfetzt unter mir liegt. Und während ich schon meinen Sieg feiere, mich an dem erfeue was ich gleich erst vollbringen werde beginne ich auch schon Pläne zu schmieden, wie ich denn diesen Sieg würdig herbeiführen könnte.

Ich pirschte mich heran. Vorsichtig würde ich sein müssen, sehr vorsichtig. Dieses mal würde sie mir nicht entwischen, dieses mal würde ich die Bestie erlegen, würde ihr ein für alle mal das Licht ausblasen. Mit einem gewaltigen schlag wollte ich sie vernichten, wollte sie aus diesem Leben, aus dieser Welt befördern. Meine Waffe hatte ich schon in der Hand, holte weit aus. Ich war nahe genug dran, das Licht stand auch gut. Jetzt würde ich es schaffen. Jetzt würde ich sie nicht mehr verfehlen können. Sie würde nicht einmal wissen, was sie getroffen hat, was sie getötet hat.

Schnell führte ich meinen finalen Rettungsschlag aus, liess meinen Hieb die Nachtluft durchschneiden erwischte Zielgenau mein Opfer genau zwischen die Augen.

Es tat einen Platsch und ich hatte gewonnen. Nie wieder würde diese Schnake unsere Nacht stören können.