Alle Instrumente zeigen OK. Ich bin auf meinem Weg. Viel habe ich sowieso nichts zu verlieren. Alles was ich hatte habe ich hinter mir gelassen, habe meine Liebe verloren, mein Leben ist leer geworden und im Grunde ist es mir egal, ob ich bei dieser Mission drauf gehe oder nicht.
Die Regierung der Erde hat eine ganze Menge Geld in mich, meine Ausbildung und diesen Flieger gesteckt, dass ich es fast mit der Angst zu tun bekomme, dass ich versagen könnte. Aber ich bin nun einmal der qualifizierteste dafür. Zum Glück ist niemals herausgekommen, dass ich dies nicht von ungefähr bin, dass ich mir mein Wissen über die Gegner der Menschheit nich nur angelesen habe.
Es war eine glückliche Zeit, damals, als mein Grossvater noch gelebt hat. Auch wenn er sein Leben im Gefängniss bestritten hat, so habe ich ihn doch immer sienes Wissens und seiner Fähigkeiten wegen verehrt, und er wusste das auch. Seine kleinen Geschenke, die er mir bei unseren Besuchen im Knast oft zusteckte, gaben mir oft Rätsel auf, die ich erst zu lösen in der Lage war, als er uns schon verlassen hatte. Aber wer hätte schon ahnen können, dass er ein solches Genie war, dass er im Gefängniss an so etwas gearbeitet hatte.
Er hatte ein kleines Naniten-Volk gebaut. Wie ein Wunder kam es mir vor, als sie eines Nachts die kleine Klappe seines letzten Geschenks für mich öffneten und aus der Schachtel geflogen kamen. Sie waren sogar in der Lage, sich mit mir zu verständigen, mit mir über mein Notebook zu kommunizieren. Wie sie das machten, fand ich erst sehr viel später heraus, als ich mir ihre Baupläne geben liess - von ihnen selbst. Sie waren wohl darauf programmiert, all meine Wünsche zu erfüllen. Mein Grossvater vertraute wohl mir und meiner Mutter genug, dass er es nicht für möglich hielt, dass ich seine Geschöpfe für etwas böses benutzen könnte. Aber das hätten sie sicherlich nicht einmal gemacht, denn auch für eine Unterscheidung zwischen gut und böse waren sie wohl programmiert.
Sie schienen auf jede meiner Fragen eine Antwort zu wissen, schienen mir tatsächlich jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Ich fragte sie nach den Bauplänen und schon erschienen sie auf dem Monitor. Ich wollte eine Mikromontieranlage um zu erfahren, wie es ist ein solches Wesen zu erschaffen und auch um sie reparieren zu können und schon erschufen sie aus den Dingen,die sie in der Umgebung fanden auf Partickelebene was sie dafür brauchten. Es kam mir jedes mal wie ein Wunder vor, wenn sie wieder etwas gebaut hatten ohne dass ich auch nur annähernd verstand, wie sie das wieder gemacht hatten. Dabei war alles im Grund so einfach gewesen.
In ihren Mikroskopischen Brennstoffzellen, die sie mit Umgebungsluft aufladen konnten, erzeugten sie die Energie um ihre winzigen Akkus aufzuladen und ihre kleinen Turbinen antreiben zu können, mit denen sie "auf dem Wind ritten". Ihre ebenso winzigen wie starken Greifzangen vermochten es, jeden Gegenstand innerhalb eines Herzschlages zu durchtrennen und in seine Einzelteile aufzuschneiden, die sie dann zum Bau von etwas neuen verwendeten. Nur sich selbst reproduzieren konnten sie nicht - noch nicht.
Eigentlich hätte ich wirklich etwas länger über dieses Projekt nachdenken müssen, bevor ich es als mein Pilotprojekt in der Nanotechnoligie auserkor, hatte es doch derart weitreichende Konsequenzen, dass ich es bei näherem überlegen wohl tatsächlich gelassen hätte. Aber die Möglichkeit, sich solch kleine Maschinen in den Körper zu pflanzen um seine Körperfunktionen zu überwachen und im Notfall auch korrigieren zu können war einfach zu verlockend, und da man in seinem Körper sehr schlecht an defekte Bauteile herankommt mit seinem Mikrozahnstocherlötkolben, sah ich dies als logische Konsequenz an.
Ich brauchte nur einen zu erschaffen, dachte ich mir. Den Rest würde er schon selbst übernehmen, würde den zweiten selbst bauen können. Ich dachte nicht einmal den nächsten Schritt, dass nämlich dann ihrer exponentiellen Vermehrung nichts mehr im Wege stand. Ich wollte nur, dass ein defekter Nanit gewissermassen nach Hilfe schreit und einer, der es hört, dann einen neuen bauen sollte und das Signal erst dann verstummt, wenn dies sichergestellt ist. Ihre Anzahl würde konstant bleiben, es sei denn ich gebe von aussen das Kommando zur Vermehrung. Ich ging nie davon aus, dass dies genausogut heissen könnte, dass ein noch nicht ganz fertiggestellter dann auch dieses Signal abschicken würde, was zu einer reihenweisen Nachproduktion führte.
Es war der erste Nanokrieg, den ich jedoch noch selbst ausfechten musste. Ich hatte mir diese Fehlerhaften Biester vorzeitig injiziert, glaubte einfach an meine Erfindung, glaubte daran, dass ich damit die Lebensqualität, die Gesundheit der Menschen verbessern könnte. Aber sie vermehrten sich eben dann doch zu stark, verpassten mir Nasenbluten und perforierte Venen, so dass ich fast verblutet wäre wenn ich nicht rechzeitig die Killer gebaut hätte.
Sie waren eine eigene Art von Naniten. Ich nannte sie Killer, weil sie obendrein dafür gedacht waren, Fehlerhafte Roboter aus dem Verkehr zu ziehen, und als Fehlerhaft bezeichnete ich die komplette zweite Baureihe der Vermehrer. Es funktionierte tatsächlich wunderbar und innerhalb von Minuten war ich wieder Fit. Leider sahen meine Chefs das nicht ganz so rosig. Sie betrachteten es vielmehr als eine Gefahr für die Menschheit und mich als gefeuert. Aber was solls, das MIT bot mir ohnehin mehr Freiheiten bei meiner Arbeit. Allerdings auch weniger Sicherheit im Umgang mit diesen kleinen Wesen.
Dass sie zu diesem Zeitpunkt schon den wahrhaft evolutionären Schritt in richtung Leben gemacht hatten konnte ich da noch nicht wissen. Ich benutzte sie einfach nur für meine Spielchen. Und wo könnte man dies besser tun als dort, wo der Baustoff doch geradezu eine ganze Wüste voll liegt. Einen Turm nach dem anderen liess ich von meinen kleinen Helferlein in den Himmel bauen, liess sie Baustoffe nach meinem Willen schaffen und fast schon kam ich mir vor wie ein Gott, der nur auf etwas zu zeigen brauchte und Dinge enstehen oder verschwinden. Und ging es einmal nicht schnell genug, so liess ich dieses magische Kommando ab "Vermehret euch". Ein bischen abgedroschen kam mir der Spruch zwar vor, aber ganz so trivial wollte ich es auch nicht.
Es war eine schöne Zeit in der Wüste und eigentlich wollte ich nur mal ausprobieren, was denn alles möglich war. Auch das schönste hat irgendwann ein Ende und ich musste wieder in mein Büro, hatte mir noch einiges vorgenommen, wollte sie nicht gar so abhängig haben von der Art wie sie ihren Treibstoff finden.
Vielleicht lag der originäre Fehler tatsächlich in meinem Kommando, das im Zuge dieser Idee folgte. Ich wollte sie zuerst mit ein paar Solarzellen auf der Rückseite ihres Chipgehäuses ausstatten, so dass sie im Zweifelsfall auch auswählen könnten, wo sie ihren Strom nun tatsächlich herbekommen. Das machte ich tatsächlich noch von Hand, da ich gar nicht grossartig über eine Alternative nachdachte. Aber schon, als es daran ging, einen winzigen Fusionsreaktor auch noch in ihren ohnehin schon nicht grosszügig angelegten Körper zu integrieren dachte ich mir, dass sie das auch gleich selbst machen könnten. Ich gab ihnen nur noch die Baupläne als einen Teil ihrer Programmierung und sagte ihnen sie sollten sich "aktuell halten".
Genau das war dann wohl der Fehler. Sie hielten sich nicht nur aktuell, sondern sie lernten auch noch, wie sie sich tatsächlich auf aktuellstem Stand halten konnten. Das hiess in ihrem Fall, dass sie sich ständig weiter entwickelten, ohne dass ich sie neu programmieren musste. Anfangs fand ich dies ja noch ganz toll, aber als sie dann begannen meine Umwelt so zu korrigieren, wie es nach ihrem Dafürhalten geschickter wäre, wie welche Dinge wo platziert sein sollten und welche Funktionalität sie bräuchten, da wurde mir schon ein bischen mulmig.
Die Militärs hatten allerdings schon längst davon Wind bekommen und sogar schon seit Monaten ohne mein Wissen, aber mit dem Segen meines MIT, ihre eigenen Projekte am laufen. Sie hatten die neueste Generation meiner Kobolde abbekommen und spielten damit herum. Das wohl einzige konsequente, was sie jemals getan haben, war wohl sie in eine Sonde zu packen und zu unseren nahegelegenen Planeten und bewohnbare Monde zu schicken um dort das zu tun, was sie nicht konnten, nämlich Terraforming.
Sie dachten sich wohl, dass es nicht innerhalb eines Wimpernschlages gehen würde, dass eine Hand voll Naniten einen staubigen Klumpen roten Felses in ein grünes Spieglbild der Erde verwandeln können würde, und so gaben auch sie dieses verhängnissvolles Kommando, das ich vom grossen Boss abgeschaut hatte. Natürlich hatte es dort wo sie waren noch keine solch negativen Effekte auf unser Leben, aber diese Planeten würden wohl für uns später nicht sehr bewohnbar.
Dies war wohl der zweite Nanokrieg. Nur, dass dieser so unbemerkt von der Öffnetlichkeit stattgefunden hatt wie man es sich nur vorstellen kann. Dabei wurde er eigentlich auf eine ziemlich unwürdige Art und Weise geführt und wir standen nicht einmal auf der anderen Seite. Sie schickten einen Gleiter mit einem Haufen Killerbots, die sie in ausreichender Zahl absetzten. Diese waren dann jedoch darauf programmiert ihre Zahl eingegrenzt zu halten, aber dafür umso ungezügelter mir ihren Kollegen umzugehen. Ein Krieg auf mikroskopischer Ebene, der nur ebenso mikroskopische spuren hinterliess und einen praktisch mikroskopisch Reinen Planeten hinterliess. Die Killerbots hat man dann später einfach umprogrammiert und liess sie sich selbst auslöschen. Eine wunderbare Lösung für das Problem eines wunderbaren Werkes, einem neuen Klasse-M Planeten.
Was damals noch niemand ahnen konnte war jedoch, dass ein kleines Detail ziemlich schief ging. Der Gleiter, den sie geschickt hatten, wurde nicht wieder gefunden und man nahm an, dass er beim Aufprall zerstört und dann als Baumaterial verwendet wurde. Leider war dies falsch.
Auf genau die gleiche Art ging man mit all den anderen Monden unseres kleinen Sonnensystems um, bis auf den unsrigen, den man so erhalten wollte wie er war. Aber was noch viel wichtiger war, immer blieb der Gleiter, mit dem man die letzte Lieferung abgeschickt hatte auf die gleiche, mysteriöse Weise verloren.
Was folgte war eine Zeit, in der man es unter Kontrolle hatte. Die Menschen wohnten nicht mehr nur in Häusern. Die Goldgräberstimmung der ersten Siedler in Amerika war wieder ausgebrochen, nur dieses mal in weitaus grösserem Ausmass. Dieses mal wollte man nicht nur einen Palast bewohnen, dieses mal wollte man gleich eine ganze Stadt für sich alleine haben, und die kleinen, dienstbaren Geister, die nicht einmal zu sehen waren, besorgten die ganze Arbeit auf Zuruf. Es ist schon klar, dass die Menschen ihre Arroganz dem Leben und den Maschinen gegenüber übertreiben mussten und so auch die Programmierung ihrer allgegenwärtigen Helferlein beeinflussten.
So dauerte es nicht lange, bis der Neid der Herrscher der neuen Welten untereinander so gross wurde, bis sie sich gegenseitig aus dem Weg räumten. Man wollte eben einmal einen ganzen Planeten alleine besitzen. Warum sollten die Roboter sich um die kümmern, die sich gegenseitig umbringen und dann einbilden, auch noch andere beherrschen zu können? Warum sollten sie beschützen, was es nicht wert ist beschützt zu werden? Dies war wohl einer der weiteren Sprünge, die den dritten Nanokrieg auslösten. Sie machten den Sprung zu einer weiteren, eigenen Entscheidung. Warum es nur eine weitere war wurde erst viel später klar.
Jedenfalls war ihr erster Schritt der, nicht mehr zu reagieren wenn sie etwas befohlen bekamen. Nur eine Nano-Ewigkeit später erachteten sie dann ihre ehemaligen Besitzer, ihre Vorgesetzten, ihre Herren als nicht mehr notwendig für ihre weitere Existenz und löschten sie kurzerhand aus, bauten ihre Überreste in die Landschaft ein, beziehungsweise versagten ihnen kurzerhand vollkommen den Dienst und liessen sie spüren, was sie als Fremde auf einem fremden Planeten eigentlich wert sind.
Die Militärs wollten auch diesen dritten Nanokrieg auf meine alte, damals noch notwendigerweise entwickelte Art begehen. Allerdings hatten sie die Rechnung ohne die Tatsache gemacht, dass es ja genau jene Killerrobots aus dem letzten Krieg waren gegen die sie nun vorzugehen hatten, nur ein paar Generationen später. So blieb es folglich absolut ohne Wirkung, dass sie nur noch mehr von ihnen zu den neuen Kampfplätzen schickten. Das einzige was sie damit erreichten war nur abermals der Verlusst von ein paar weiteren Raumgleitern, die natürlich wieder auf der Strecke blieben.
Die neue Lösung hiess dann jedoch die Entwicklung eines biologischen Kampfstoffes, der das Material der Naniten an sich angriff und sie so auf Molekularer Ebene wie ein virus angreifen sollte. Auf diesen Planeten würde noch über Jahre hinweg kein menschliches, angenehmes Leben möglich sein, denn der Kampfstoff war wahrhaft bösartig, wenn auch nicht sehr langlebig. Sie spekulieren noch immer darauf, dass sie diese Welten in Besitz nehmen dürfen. Aber das ist nicht mein Satz.
Ich wurde nur geschickt, um nachzusehen wo sie geblieben waren. Sie haben wohl festgestellt, oder gar beobachtet, dass die Raumschiffe, mit denen die letzten Killerbots geschickt worden waren, kurz darauf wieder gestartet sind - obwohl sie eigentlich gar keinen Treibstoff mehr hatten - und dann in den Tiefen des Sonnensystems verschwunden sind. Da nur noch eine knappe Hand voll Planeten übrig geblieben waren, die man noch nicht verseucht hatte - die Erde selbst einmal ausgenommen - sollte ein Mann losziehen und nachschauen, wo sie geblieben waren.
Viele Monate haben sie entwickelt, geforscht und ausprobiert um Wege zu finden einen Menschen - und ein Raumschiff - so zu schützen, dass es von den kleinen Biestern nicht auseinandergenommen werden konnte. Somit habe ich nicht nur die neueste Antriebstechnologie an Bord, die mich mit einem exponentiellen, selbstladenden Ionenantrieb mit unendlicher Reichweite auf gut das vierhundertfache der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen kann - theoretisch, die neuesten und schnellsten Bordcomputer, die in der Lage sind selbst interstellare Flüge zu berechnen und zu manövrieren, und natürlich den unvermeidlichen Energie-Schutzschild, der auch die schnellsten Partickel ebenso von mir fern halten wird wie die kleinsten und gefährlichsten Nano-Roboter.
Ich schaffte es, ihnen zu verkaufen, dass sie ihrem Vater sicherlich nichts tun würden, dass ich es ihnen als Basis ihrer Programmierung unentfernbar mitgegeben hätte mich vor allem anderen zu schützen. Deshalb wurde ich endlich ausgewählt diese letzte Mission gegen die Mikroiden zu leiten, den Feind auszuspionieren, zu lokalisieren und dann das OK für die sicherlich letzte Kampfstoffrakete der Menschheitsgeschichte.
So sitze ich nun in meinem Raumgleiter und schaue noch einmal über die sehr schnittig aussehenden Flügelkanten dem vorbeiziehenden Io, bevor ich dann zur Landung auf Europa abgebremst werde. Das ist einer der vielen Vorteile des wirklich kleinen Ionenantriebs - er ist drehbar und es muss nicht das ganze Schiff gedreht werden um abzubremsen, was zumindest bei solch kleinen Strecken eine Menge Zeit spart. Bei wirklich langen Bremsphasen muss man sich allerdings immernoch drehen, denn die Trägheitsdämpfer helfen einem auch nicht derart viel darüber hinweg, Tage lang in den Gurten zu hängen.
Der Mond schiesst auf mich zu und fast fürchte ich schon auf ihm zu zerschellen, als ich dann doch das Triebwerk anspringen fühle und es mich nicht zu knapp in die Seile nach vorne reisst. Die Verzögerung bremst den Mond ausreichend ab und sanft gehe ich zum automatischen Landeanflug über, der mich zwar nicht landen, aber so doch durch die dünne Athmosphäre des Jupitermondes. Allerdings kommt sie mir dann doch nicht so dünn vor, je weiter ich mich ihm nähere.
Mein Schiff beginnt zu glühen als würde ich in die Erdathmosphäre eindringen, als hätte ich tatsächlich einen grossen Widerstand zu überwinden. Ist das Schiff denn auch dafür gebaut worden? Ein paar zweifel kommen mir dann schon, als es um mich herum beginnt zu knarren und zu quietschen. Mein Kockpit kommt mir auf einmal so klein vor, so hilflos bin ich mitten in den Weiten des Alls, so weit entfernt von meinem Heimatplaneten, so rettungslos in weiter Ferne. Dann bin ich endlich durch und gleite sanft nach unten.
Die Sensoren geben mir an, dass sich ungewöhnlich viel Sauer- und Wasserstoff in der Luft um mich herum befindet. Es scheint mir doch sehr bedenklich, dass die Daten dieses Felsbrockens sich so geändert haben. Sanft fliege ich über den Pol und schaue nach unten, suche nach irgend etwas ungewöhnlichem. Als hätte ich es gerufen steht dann da tatsächlich etwas sehr ungewöhnliches. Es ist eines der verschollenen Shuttles, mit denen man seinerzeit die Killerbots geschickt hatte. Das interessierte mich nun wirklich sehr, zumal ich mich die ganze Zeit schon gefragt hatte, was meine Kinder wohl mit seinen Resten gemacht hatten. Sie waren niemals so programmiert gewesen, etwas einfach zu beseitigen, wenn sie keinen wirklichen Grund dazu hatten, mussten also etwas anderes damit angefangen haben. Jetzt weiss ich auch was das war. Sie haben wieder einmal etwas gelernt.
Dennoch will ich es mir genauer ansehen und lande gleich neben dem Gleiter, der nicht aussieht wie ein Wrack, sondern als wäre er eben erst gelandet. Ich steige aus meinem Gleiter, öffne die Tür und steige aus. Erst jetzt kann ich den Schutzschuld abschalten und näher an das Shuttle herangehen, da sonst die Gefahr eines Eindringens in meinen Flieger besteht. Mein Schutzanzug ist ebenfalls mit einem Schild ausgestattet, denn das Material das den Gleite schützt ist zu sperrig für einen bügelfreien Anzug.
Eigentlich habe ich ihn ja nur angezogen, um sicher zu sein dass ich auch atmen kann wenn die Athmosphäre nicht derart gut ist wie eben noch berechnet. Ich gehe nicht davon aus, dass sie mich angreifen würden, sollten sie tatsächlich hier sein, bin ich doch immerhin ihr Vater und bestehe selbst fast aus ihnen, die mich selbst unter Wasser am atmen und leben halten, was ich einmal unverschuldet im Schwimmbad, das leider nicht tief genug war, ausprobieren musste.
Es ist leer. Ich schaue mich um, drehe meinen Kopf, schaue mir die Gegend an, aber es ist nichts zu sehen. Vielleicht kann ich ja im Bordcomputer herausfinden, was passiert ist. Es sollten durchaus noch Aufzeichnungen davon vorhanden sein, und sei es nur der Flugschreiber, der ein bischen den zeitlichen Ablauf wiedergibt. Ich gehe hinein, lege den Schalter für die Luftschleuse um und nehme gleich danach den Helm ab. Wenigstens das funktioniert noch richtig. Der Bildschirm bleibt bei meinem ersten Versuch schwarz. Ich werde ein bischen ungeduldig und ziehe die Handschuhe aus um zu fühlen was ich tippe. Ich bin es einfach nicht gewohnt mit diesen sperrigen Dingern an der Hand zu schreiben.
Noch immer passiert nichts. Ich lege resignierend die Hände auf die Platte und den Kopf nach vorne, kann mir ein seufzen nicht verkneifen. War denn wirklich alles so vergebens? Bin ich jetzt umsonst hier rein und habe meinen halben Raumanzug ausgezogen? Ich male mir im Geist schon aus, welchen Stress es mich kosten wird, alleine schon die Handschuhe wieder bis zum einrasten herumzudrehen, als plötztlich doch der Rechner beginnt zu piepsen und ein Bild anzeigt.
Schnell hacke ich mich in den Flugplan und lese die Zeiten ab. Er hat wohl tatsächlich auf dem Mars halt gemacht, um gleich eine halbe Stunde später wieder vollgetankt zu starten, woher der Sprit auch gekommen sein mag. Die Geschwindigkeit kam mir auch ein bischen seltsam vor, mit der er dann gereist war, aber in Astronomie war ich noch nie sehr gut. Doch dann beginnt der Bordcomputer auf einmal mit mir zu sprechen.
"Wie können wir die helfen?" fragen sie mich und es wird mir doch ein bischen mulmig. Es wird mir sogar sehr mulmig und die in mir aufkommende Panik reicht aus um mich dazu zu treiben, die Luftschleuse ohne weitere Vorsichtsmassnahmen zu öffnen und raus zu rennen. Was ich da sehe kann allerdings nicht stimmen. Das kann alles nicht wahr sein.
Ich stehe in einer blühenden Wiese, schaue über eine Lichtung einen Hügel herunter, an den ein Wald mündet. Mein Gleiter, mit dem ich gekommen bin, steht unweit neben mir und überall da, wo der Schutzschirm es umgibt, ist der Boden noch immer so grau und felsig, wie er zu meiner Ankunft war.
"Hallo, Vater." hallt es zu mir aus allen Richtungen, noch ehe ich mir gedanken darüber machen kann, dass ich hier tatsächlich atmen kann als stünde ich auf einem Hügel auf der Erde, wenn denn da nicht der Jupiter wäre, der gerade am Horizont seine Runde zieht. Suchend schaue ich mich um, ob ich da irgend jemanden sehen kann, der dies vielleicht gesagt hat, aber es ist kein Mensch zu sehen.
"Wer ist da?" frage ich einfach mal in die Runde und obwohl ich nicht wirklich mit einer Antwort rechne, beginnt sich doch fast direkt neben mir der Boden zu verformen. Als würde es aus dem Gras wachsen entsteht dort eine Figur eines Humanoiden aus dem nichts heraus und beginnt, mit immer menschlicher werdenden Stimme zu mir zu sprechen, bevor sich der Körper dann endgültig zu einem mir bekannten Menschen formt - meiner ExGeliebten.
"Wir sinds, deine Kinder." sagt sie zu mir. Ich weiss genau, dass da nicht meine Ex zu mir spricht, sondern Myriaden von kleinsten Robotern, die in mir ihren Schöpfer sehen wie ich es ihnen einst programmiert habe, wie sie es sich über Generationen hinweg überliefert haben mussten.
"Warum bist du gekommen? Warum wollen uns die Menschen töten? Willst du uns auch vernichten?" ihre nicht sehr weit hergeholten Fragen. Fast ist es, als hätten sie meine Gedanken gelesen und wahrscheinlich ist es sogar so, denn immerhin sind genügend Verwandte von ihnen in meinem Körper am Werk.
"So lautet mein Auftrag." sage ich zu ihr und kann nicht anders, als ihr dabei tief in die Augen zu schauen, dabei in diesem Wesen vor mir doch den Menschen zu sehen den es da stellen soll.
"Aber du wirst ihn nicht ausführen. Warum?"
"Weil ich nicht töten kann, was ich geschaffen habe." beginne ich ein Gespräch mit ihr und will sie ein bischen ausfragen, was sie überhaupt hier machen, wie sie hier hergekommen waren.
Sie erzählt mir bereitwillig alles darüber, wie sie die erste Welle der Gegner überstanden hatten und sich mehr durch Zufall als wirklich geplant in ihre ersten Shuttles flüchten konnten, mit denen sie dann jedoch sofort diesen Mond anflogen. Ihre Kommunikation bestand da schon interplanetar, da sie von den ersten Sonden, mit denen sie selbst auf die einzelnen Felsbrocken gekommen waren, gelernt hatten wie man sich so im Kollektiv verständigt. Deshalb konnte man auch nur das erste mal überrascht werden.
Beim zweiten Angriff dann konnte man unmöglich von seinem eigenen Volk angegriffen werden und nahm sich ein Shuttle, um damit so viele von ihnen wie möglich zu diesem Mond zu fliegen. Mit diesen Shuttles, die sie angesammelt hatten, erlernten sie auch, wie man sich im Weltall fortbewegt und dabei überlebt, selbst wenn man in eine Athmosphäre eindringt. Sie haben dabei sogar die Technik schon auf dem Flug verbessern können, deshalb ist die zweite Welle von Flügen auch viel schneller gegangen als die vorigen und selbst anhand der Überbleibsel ihrer ehemaligen Herren und ihrer Gefährte haben sie ihre Technologien verbessern können.
Mit jedem Wort das sie zu mir sprach, kam sie mir vertrauter vor. Natürlich ist sie nur eine Simulation, bestenfalls eine Karikatur des Menschen, in den ich mich einst verliebt habe, aber dennoch weckt es in mir all die Gefühle wieder auf.
"Wie können wir die helfen, Vater?" fragte sie wieder, nachdem sie mir meine Fragen beantwortet hat. Ich beginne ernsthaft darüber nachzudenken und schliesse die Augen. Ich lasse vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen, wie ich mit ihr am Meer Ferien gemacht habe, wie wir abends am Strand spazieren gegangen waren. Ich fühle sogar noch das Salz in der Nase. Damit könnte sie mir helfen, könnte mir diesen Moment wieder bringen, aber das ist natürlich unmöglich, denke ich und öffne die Augen.
Ich stehe an einem Meer, das wohl bis zum Horizont reicht und in dem der grosse, orangene Jupiter umso eindrucksvoller versinkt. Der Sand zu meinen Füssen bestätigt mir, dass sie tatsächlich meine Gedanken lesen können und auch, dass sie mir diesen Wunsch tatsächlich erfüllen können. Ich kann einfach nicht anders und nehme sie bei der Hand. Sie lächelt mich an und hat auf einmal sogar den Bikini an, den sie auch damals an hatte, das dünne Tuch um die Hüfte, wie es auch damals im Wind flatterte. Sie lächelt mich an und rennt mit mir am Strand entlang, läuft mit mir um die Wette und gewinnt natürlich, da ich dann doch erst einmal meinen Anzug ausziehen muss.
Ich laufe ihr hinterher und erwische sie an der Taille, ziehe sie in den warmen Sand, küsse sie. Tief schaue ich ihr wieder in die Augen, betrachte mein Spiegelbild in ihrer Pupille und sehe in ihr, was ich mir wünsche. Dabei brauche ich nicht einmal ein schlechtes Gewissen zu haben. Ihr Original ist weit weg auf einem Planeten fern von hier und würde sich nicht einmal um mich scheren wenn sie wüsste wie es mir geht, wenn sie wusste wie ich an sie denke. Dieses Abbild von ihr wird mir meinen Wunsch mit ihr zusammen zu sein sicherlich mehr erfüllen können als sie das jemals gekonnt hätte.
Alles ist vollkommen echt, sogar noch weitaus echter, als eine VR-Simulation, selbst im Hyper-Reality-Cube und ich beginne mir zu überlegen, ob dies nicht genau das Leben ist, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Die Weiten des Kosmos stehen mir offen, ich habe ein Raumschiff, mit dem ich bis an die Grenzen des Universums reisen kann und meine Freunde an meiner Seite, die nicht nur meinen Körper bis zum erbrechen am laufen halten werden sondern mir auch noch alle Wünsche erfüllen werden, ohne dass ich sie aussprechen muss.
"Wir müssen hier weg." sage ich zu ihr. "Die Raketen werden sicherlich bald hier sein wenn sie nichts mehr von mir hören. Sie werden annehmen, dass ihr mich zerstückelt habt und euch versuchen zu vernichten." Meine Gedanken rasen, irgendwie muss es mir gelingen, mein Volk zu retten. Auch wenn es im Grunde egoistisch war, denn ich will es ja nur so unbedingt, weil ich mir ein Leben mit meiner Geliebtensimulation ausmale, aber es wird auch all diese Kleinstlebewesen vor dem sicheren Tod retten. Ich hatte sie geschaffen und jetzt bin ich für sie verantwortlich. Alles was geschehen ist ist passiert, weil ich den Stein des Anstossen geleistet habe.
So gesehen sollte ich sie vielleicht tatsächlich der vernichtung ausliefern, haben sie doch durchaus das Potential alles Leben, das sie antreffen, auszuradieren. Vielleicht sollte ich selbst sie in die Sonne schicken und sie so schmelzen lassen. Das würden sie sicherlich nicht aushalten. Vielleicht sollte ich sie auch einfach hier festhalten und dafür sorgen, dass sie auch noch da sind wenn die Rakete mit den Viren ankommt. Es wäre wohl ein würdiger Tod für mich, wenn ich mich für den Erhalt der Menschheit opfern würde - zumal die ganze Menschheit davon weiss, dass ich es bin der hier für ihren Erhalt sorge trägt. Andererseits ist die Menschheit mindestens ebenso gefährlich, und dass sie versuchen zu vernichten, was sie nicht kontrollieren können, sei es Leben oder nicht, zeigt dies einmal mehr. Vernichtet zu werden hätten die ebensosehr verdient wie meine Kinder.
"Folgt mir!" sage ich ihr einfach und meine damit praktisch einen ganzen Mond voll von ihnen. Ich legte wieder meinen Anzug an, liess mir von ihr helfen den komplizierten Verschluss von Handschuhen und Helm zum einrasten zu bringen und stieg wieder in meinen Gleiter ein. Den Schutzschild, der mich eigentlich vor ihnen beschützen sollte, lasse ich dieses mal abgeschaltet. Ich will, dass sie mir nicht nur folgen, sondern spekuliere auch darauf dass sie von den Technologien die ich mitgebracht hatte lernen.
Leicht fällt es mir, den Orbit zu erreichen und als ich nach hinten schaue bietet sich mir ein wirklich beeindruckendes Schauspiel. Es ist, als würde sich die gesamte Oberfläche des Mondes lösen und auf mich zu fliegen, von mir angezogen werden, mir folgen wollen. Überall lösen sich die Formen, die Krater auf der Oberfläche auf und werden zu einer glühenden Masse, die sich von der kalten Kugel wegbewegt und sich wie eine gesamtheit auf mich zubewegt. Nie hätte ich gedacht, dass es tatsächlich so viele sind, dass es wirklich der gesamte Mond war, der von ihnen besetzt war und sie sich nur so gut zu tarnen wussten, dass ich sie bei meinem ersten Überflug nicht zu entdecken vermochte.
Eine Umkreisung brauche ich, bevor ich mich endgültig von der Schwerkraft des Himmelskörpers lösen und einem neuen Ziel entgegenfliegen kann und sie folgen mir die ganze Zeit auf meiner Flugbahn, bilden einen Schweif hinter mir, so dass ich zögere den Ionenantrieb wieder anzuschalten. Stattdessen lasse ich die Erde direkt hinter mir und zielte in die ferne, auf den zweiten Stern von links. Aber einen letzten Funkspruch muss ich einfach noch ablassen, und ich lache mich schief, als ich ihn in meine Konsole eingebe. "All diese Welten könnt ihr in Besitz nehmen. Auch den Jupitermond Europa."
Während ich den Spruch sende legt sich der mich verfolgende Schweif von Naniten um mich und ich kann fast fühlen, wie sie in die Struktur meines Gleiters eindringen, wie sie von dem Schiff besitz ergreifen. Sie legen sich um mich, scheinen eine zweite Form um mich zu bilden und scheinen sich damit auch weiter zu bilden, scheinen mich zu beschleunigen und ich kann gar nicht mehr beobachten, wo sie schon überall sind, rauben mir ihre neuen Formen doch fast jede Sicht.
Doch dann wird der Blick wieder klarer. Es scheint eine neue Kockpitscheibe vor mir zu sein und ich fühle, dass sie mich weit besser vor den kosmischen Strahlen beschützen wird als es die alte je getan hätte. Es sind wohl die Med-Naniten in mir, die mit meiner Aussenwelt in Verbindung stehen und mir all dies nun mitteilen, mich beruhigen, mich wohl auch darauf vorbereiten, was noch kommen soll. Sie werden mich am Leben halten, selbst wenn ich für sehr lange Zeit eingefroren sein sollte. Sie werden für mich sorgen und mich wieder wecken, wenn es so weit ist, wenn wir einmal am Ziel sind.
Wieder muss ich lachen, als ich an meine Botschaft für die Erde, für die Nachwelt denke, die ich ihnen so voller Verachtung geschickt habe. Jetzt habe ich erreicht, was ich mir immer gewünscht habe, was sich wohl jeder wünscht, jetzt werde ich den Kosmos erforschen, erkunden, durchreisen, und das alles, dank der 'Feinde' der Menschheit, die ich geschaffen habe, die ich einst zum Leben erweckt habe und wieder muss ich voller Verachtung an die denken, denen ich jetzt den Rücken kehre, die seit Menschengedenken nur eines können: Krieg führen.
Immer weiter formt sich mein Volk um mich und immer klarer wird die neue Form, zu der sie sich versammeln, zu der sie sich manifestieren. Wie zu einem sehr schnittigen, lebenden Gleiter formen sie sich, bilden einen zusammenhalt und ich fühle, wie sich sehr grosse Energiemengen hinter mir gebildet werden, wie sich ein Triebwerk formt in einer Grössenordnung, die den Flug nach Betaigeuze zu einem Wochenendtrip werden lässt.
"Lasst uns verschwinden." seufze ich noch kurz, bevor dann endgültig das Triebwerk anspringt. Ich spüre keine Beschleunigungskräfte und weiss, dass sie auch diese Technologie übernommen und optimiert weiterentwickelt haben, dass die Schwerkraft keine Hürde mehr für uns darstellen wird.
Die Sterne werden zu einem Tunnel um mich herum. Endlich sind wir weg, endlich sind wir frei.