Die vergessene Stadt

Nur noch über diese Dühne, dann sollte ich da sein. Warum muss auch dieses verdammte Buggy seinen Geist zwei Meilen vor dem Ziel aufgeben. Nun, vielleicht hätte ich auch einen Communicator mitnehmen sollen, aber bei diesem Dämpfungsfeld, das sich scheinbar hier breit macht hätte mir dies wohl ohnehin nichts genutzt. Zurück hätte ich es vielleicht geschafft - wenn ich den Wagen ein Stück geschoben hätte, aber wozu, wenn ich nach so vielen Jahren endlich vor dem Ziel meiner Träume stehe.

In so vielen Visionen, so vielen Träumen war sie mir erschienen, die verlorene Stadt. Immer wieder schien sie mich daran erinnern zu wollen, dass ich es sein sollte, der sie finden durfte - warum auch immer. All die Jahre, seit ich von dieser Sage gehört hatte, seit ich mein erstes Artefakt von dort in Händen gehalten hatte hat es mich nicht mehr losgelassen. Ich musste sie einfach finden, auch wenn sonst niemand jemals dazu in der Lage gewesen war dies zu tun. Karten habe ich gewälzt, hunderte, Planeten habe ich besucht, dutzende und dann doch ein verborgener Hinweis, wenigstens auf das System, auf die Sonne von der "die fremden Besucher" gekommen sein sollen. In Zeiten mit schier endloser Rechenleistung unserer Computer ist es dann wirklich kein Problem mehr gewesen, das tatsächliche System vor hundertausend Jahren herauszufinden - und dessen verschiebung im Laufe der Zeit. Zum Glück war der Planet auch nicht der grösste, man könnte ihn fast zu fuss ablaufen hatte ich das Gefühl im Vergleich zu den gewaltigen Ausmassen meines Geburtsortes. Aber selbst allerneueste Scans der Oberfläche waren ergebnislos geblieben. Warum früher niemand auf die Idee gekommen ist ihn einfach mal primitiv optisch anzuschauen kann ich mir in Anbetracht der leichtigkeit dieses Unterfangens wirklich nicht erklären.

Was für ein erregender Moment, als ich immer weiter auf den kleinen, silbern leuchtenden Punkt unter mir herangezoomt war und erkannte, dass dies die ewig gesuchte Stadt war, dass ich endlich am Ziel meines Strebens angelangt war. Sie würden mir Preise verleihen, noch und nöchter, würden mich endlos mit Ehrungen überhäufen und mir Vorträge anbieten bis zum Skt.Nimmerleins Tag, würden mir ein Leben in masslosem Luxus schenken, ganz abgesehen davon, was man für wissenschaftliche Erkenntnisse, für neue Lehren allein aus der existenz dieser Stadt und seiner Geschichte ableiten könnte, was man aus ihrem Bibliotheken lernen könnte, ich wagte nicht einmal davon zu träumen.

Und jetzt war ich hier, stand kaum einen Meter von dem Gipfel der Düne entfernt die mich noch von meinem ersten Blick auf die Silhouette der Stadt trennte. Nur ein paar Schritte noch und ich würde meinen Augen einen Anblick gönnen können, den ich mir von unmenschlicher Schönheit ausmalte.Nur noch einen kurzen Sprung und schon werde ich über die Kuppel hinweg sein.

Tatsächlich. Da liegt sie. Es ist wirklich phantastisch, wie makellos sie all die Jahre überstanden hat. Wie lange mag es wohl her sein, dass ein Mensch, dass irgend ein Lebewesen seinen Fuss in diese Strassen gesetzt hat, wie lang mag es her sein, dass überhaupt jemand die Türme schauen konnte wie sie als glänze Speerspitzen in den Himmel ragel, Zeit und Naturgewalten zu trotzen. Es müssen wohl Jahrhunderte sein, die die Artefakte durch das Universum gewandert sind bis sie mich gefunden haben. Aber genug des Staunens. Ich muss endlich näher, muss sie anfassen bevor ich es richtig glauben kann.

Sie scheint wirklich recht klein zu sein, als wenn sie sich nur auf der Fläche von ein paar Dutzend Cashball-Feldern breit machen würde, dafür aber nicht weniger beeindruckend. Die Dünen reichen wirklich bis hin zur ersten Strasse, die Ziellos an der Stadtgrenze schlagartig endet wie abgeschnitten und so sauber und auch Sandlos scheint, als wenn eben erst jemand gefegt hätte. Wahrscheinlich funktionieren all die Systeme noch, deshalb hat man sie ja auch nicht vom Orbit aus scannen können. Hoch und erhaben erheben sich die Fassaden der Häuser neben mir als ich durch die erste Strasse gehe und auch wenn ich mich irgendwie ständig beobachtet fühle ist es fast so als wäre ich zu Hause.

Immer weiter gehe ich durch die Strassen und auch wenn keine wirklich aussieht wie die letzte habe ich mich doch ziemlich verirrt, wüsste im Zweifelsfall nicht mehr ob ich an der nächsten Ecke schon einmal gewesen bin. Aber das brauche ich auch gar nicht, denn die Strassen sind sehr logisch und Konzentrisch angelegt, lassen mich aber noch nicht in das zweifellos vorhandene Zentrum schauen. Trotzdem spaziere ich noch ein wenig weiter durch die Kreise, will mir noch ein paar der Gebäude anschauen, von denen keines wie ein Geschäft oder sonst etwas kommerzielles aussieht. Aber wahrscheinlich projiziere ich da nur die Vorstellungen einer eingeschränkten Weltwirtschaft mit ihren kapitalistisch egoistischen Zügen auf eine fremde Vivilation.

Es sieht wirklich alles so aus, als wäre es eben noch benutzt worden, als wäre hier nie jemand ausgezogen, vertrieben worden oder wäre überhaupt etwas länger nicht benutzt worden. Stühle stehen an ihrem Platz als wären sie eben erst dort hingestellt worden und es schien mir sogar so, als hätte ich irgend wo eine Schale Früchte auf einem Tisch gesehen die noch recht frisch aussahen, aber das können auch falsche gewesen sein, oder gar ein Hologramm, man weiss ja nie.

Ich glaube sogar nun, eine volle Umrandung der Stadt geschafft zu haben und gehe wieder mehr in Richtung dessen, was ich für die Richtung des Zentrums halte. Zumindest die Architektur scheint mir dort zuzustimmen, denn sie wird ungleich moderner, ungleich faszinierender anzuschauen als noch eben die Häuser, deren Gast ich war. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus und erwische mich des öfteren dabei, wie ich mit offenem Mund mit den Fingerspitzen über die Wände der Fassaden gleite. Noch immer fiel es mir schwer wirklich zu glauben, dass ich am Ziel meiner Träume, am Ziel all meiner Forschungen, wenn ich nicht ab und zu fühlen könnte, dass es wirklich, dass alles echt war, dass ich wirklich mitten drin stand.

So sehr war ich in meinen träumerischen Gedanken versunken, dass ich fast gar nicht bemerkt hatte, dass sich da tatsächlich etwas regte. Ich stolperte fast um eine Ecke, als es mich wie ein Schlag traf, als sich von der stillen Umgebung eine Bewegung abhob, die ich so bisher nicht festgestellt hatte, die so da nicht hingehörte. Ich hielt es für besser, erst einmal nicht direkten Kontakt aufzunehmen, sondern zu beobachten, was dort vorging, wer sich dort überhaupt regte, oder ob es nur ein Haushaltsrobot war, der die Kartoffeln waschen wollte. So linste ich erst einmal durch die offene Fassade dieses Hauses und harrte der Dinge, die da kommen sollte.

Lange wurde ich auch nicht enttäuscht, denn schon bald trat eine menschliche Person in mein Sichfeld. Noch hatte er mich nicht bemerkt und räumte ungestört weiter in den Schubladen, den Schränken und Eimern herum die sich dort befanden. Eigentlich sah er recht friedlich aus, auch wenn er sich mehr wie ein Plünderer verhielt, denn als ein Entdecker, ein Wissenschaftler wie ich, auch wenn er mehr nach Wertsachen auf der Suche zu sein schien denn nach einer Erweiterung seines Wissens über diesen Ort.

Nachdem ich nun wusste, dass es keine vollkommen unbekannte Gefahr sein würde und das Risiko mehr oder weniger Überschaubar war, traute ich mich nun ihn anzusprechen, ihn ein wenig auszufragen. Immerhin würde er sicherlich mehr über diese Stadt wissen als ich es in der letzten stunde hatte herausfinden können.

Ich trat aus meinem Versteck direkt vor das Haus, stand auf dem weg vor der Fassade, aber hinter ihm - noch hatte er mich nicht bemerkt. Ich räusperte mich "Verzeihung!". Wie vom wilden affen gebissen reisst er sich herum, starrt mich an als würde er einen Toten sehen und bleibt wie angewurzelt und sprachlos ein paar Sekunden so stehen. Gerade wollte ich auf ihn zu gehen, beginne meinen nächsten Satz schon mit einem ahnungslosen "Äh..", da tweicht seine paralysiertheit einem erneuten Rucken, das ihn sich wieder scheu verhalten lässt.

Er schaut an sich herunter und erst jetzt betrachte ich ihn genauer. Er schaut auf ein kleines Kästchen an seinem Gürtel mit ein paar blinkenden Lichtern an der Oberseite, die wohl einen Status anzeigen mögen, denn im nächsten Moment blickt er schon wieder mich an, der ihn ein wenig verwundert mustert. Noch immer blicke ich an ihm herunter, schaue sein buntes Hemd an, das locker über die Jeans-Hose hängt und verbirgt, was ich auch bei besserer Beobachtung aus besserem Versteck nicht hätte sehen können. Was ich jedoch hätte machen sollen, wie ich mir schon beim nächsten Wimpernschlag überlege, denn dieser Mensch greift schnell hinter sich und zieht eine Waffe aus dem Hemd, zielt auf mich und drückt auch ohne zu zögern gleich ab.

Schwer getroffen taumele ich nach hinten und stürze mit einem grosse, roten Fleck auf der Brust auf die Strasse.

Ich öffne die Augen. Warum lebe ich noch? Ich schaue mich um. Der Raum ist hell erleuchtet, ohne dass ich irgend wo eine Lampe oder eine offensichtliche Lichtquelle sehen könnte. Meine Unterlage ist weich und griffig, stützt mich aber dennoch gut ab ohne dass ich einsinke. Komisch, so ein Bett habe ich mir schon immer gewünscht, aber irgendwie war niemals jemand in der Lage, trotz unseren überragenden, technischen Fähigkeiten eine solche trivialität zu liefern. Erst jetzt bemerke ich richtig, wo ich überhaupt bin. Um mich herum stehen ein paar Roboter, die mit ihren Armen selbst für meine unwissenden Augen sehr medizinisch aussehen. Sie müssen mich wohl wieder zusammengeflickt haben. Aber warum haben sie das getan? Hab ich vielleicht ein Schild auf dem Rücken "Flick mich?" oder machen die das mit jedem der hier her kommt.

Aber wo sind dann die anderen? Ich bin wohl kaum der erste, der in diese Gegend gekommen ist und es überlebt hat. Es scheint mir doch ein widerspruch zu sein, dass die Stadt sich derart effektiv gegen fremdlinge zur Wehr setzen kann, sich Jahrhunderte vor der Aussenwelt verstecken kann und nur durch die Sage einer unüberwindlichen Festung von sich hören macht und mich dann auf einmal wieder gesund pflegt. Irgend etwas muss sich geändert haben, irgend etwas muss jetzt anders als noch bevor ich herkam sein.

Ich fasse den Entschluss, mich noch einmal dieses Plünderers anzunehmen, der mich da so garstig gerichtet und mich einfach so von der Strasse gefeuert hatte. Er war mit Sicherheit nicht das erste mal hier, dafür wusste er vorhin viel zu genau, wo er zu suchen hatte, was er durchsuchen konnte, was von Wert war und was nicht. Er würde ohnehin viel mehr über die Vorgänge hier wissen als ich.

Schnell hatte ich den Weg aus dem Gebäude, das sich wohl sehr nahe am Zentrum befinden musste - sonst hätte ich es sicherlich schon vorher einmal gesehen - gefunden und wollte gerade schon losstürmen und ihn erneut suchen, da merkte ich, dass ich doch wesentlich näher an besagtem Platz war als ich hoffte. Kaum war ich vor die Tür - oder wie immer man es nennen soll, immerhin gab es nur einen Durchgang, aber keinerlei Verschluss fü dieses Loch - da stand ich auch schon am Rande eines grösseren Platzes mit einer gewaltigen Figur im Zentrum, in deren Sockel ein Durchgang zu sein schien. Genauer konnte ich es nicht erkennen, denn es standen noch sehr viel mehr steinerne Figuren wie zur Anbetung aufgereiht um sie herum und versperrten direktere Einblicke.

Ein merkwürdiges Kunstverständnis hatten die Bewohner gehabt, dachte ich noch bei mir bevor ich den Entschluss packte, mich doch erst einmal bei meinem "Mitbewohner" zu erkundigen, wie die Dinge hier liefen. Zum Glück konnte ich mich daran erinnern, was auf die Ecken der Häuser gemalt gewesen war als ich durch die Ringe gewandert bin, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis ich in den geometrischen, bunten Zeichenfolgen die richtige herausgesucht hatte die die Strasse markierte aus der ich eingesammelt worden war. Und tatsächlich waren es dann nur noch wenige hundert Meter bis ich am Ort meines Ablebens angekommen war und auch wenn dort kein Blut mehr lag - was die Robots wohl gleich mit aufgewischt hatten - erkannte ich das Haus gleich wieder.

Mein Begleiter war schon weiter gezogen und rumorte gerade in dem nächsten Gebäude herum als ich dichter herankam. Wenigstens war ich dieses mal vorbereitet. So einfach wie das letzte mal würde er mich nicht über den Haufen schiessen können. Immer näher schlich ich an ihn heran, näherte mich ihm bis auf knapp zwei Schritte. Ich wollte in der Lage sein ihn zu erwischen falls er nach der Waffe greifen wollte, ihn in genau diesem Moment niederzuschlagen wenn er mich angreifen wollte, wenn er mich töten wollte - schon wieder. So sprach ich ihn erneut an.

"Hallo!", war meine kurze Ansprache. Wieder drehte er sich wie panisch um und wurde sogar noch viel panischer, als er mich erkannte. Nun bekam er es erst recht mit der Angst zu tun und wankte ein paar Schritte zurück. Gerade dachte ich noch bei mir, dass er wohl geglaubt hatte, dass die mich aufsammelnden Robots, die er sicherlich dabei beobachten konnte, wohl nur den Kadaver wegräumen wollten als ich merkte, dass es ein strategischer Fehler gewesen war, ihm bei seinen wanken zögernden Schritten nicht hinterher zu gehen, denn nun war er ausserhalb meiner direkten Armreichweite.

Lage hatte ich keine Zeit meinen Fehler zu bereuen, griff er doch schon wieder nach seiner Waffe. Dieses mal war ich jedoch schnell genug um seinem Schuss auszuweichen und stürzte mich auch gleich auf ihn - so mir dies denn möglich war. Sein zweiter Schuss ging dann auch vollends ins leere und an mir vorbei während ich auf ihm lag und versuchte seine Pistole zu erreichen, ihn am Boden zu halten und vorerst nur zu entwaffnen. Dummerweise war auch dies ein Fehler, denn er hatte mehr als nur diese eine Projektilwaffe, was ich jedoch erst bemerkte, als sein Messer schon tief in meinem Bauch steckte.

Die Schmerzen machten mich vollkommen Bewegungsunfähig, liessen mich von ihm ablassen und scheinbar war ihm ein erneuter, endgültiger Schuss aus seiner Kanone zu wertvoll als dass er mir noch den Rest hätte geben wollen und so ging er einfach wortlos ein Haus weiter, machte weiter als wäre ich vollkommen Bedeutungslos, als wäre es die normalste Sache der Welt - nun, für ihn war es das vielleicht auch. Jedenfalls lag ich da und krümmte mich vor Schmerzen, machte schon meinen Frieden mit der Welt - wenigstens dieses mal sollte ich ja Zeit dafür haben - und wartete auf meinen Tod. Aber dieser kam noch nicht.

Das einzige was kam war ein weiterer Roboter, der dem aus dem Hospital sehr ähnlich sah und sich auch so verhielt. Er kam direkt auf mich zu, streckte seine Geräte nach mir aus und ehe ich es mich versah hatten die blauen Strahlen aus seiner Armspitze auch schon die Wunde in meinem Bauch zusammengelötet, so dass nicht einmal eine Narbe zurück blieb. Ich war wieder wie neu, vollkommen ohne Schmerzen, vollkommen ohne blutende Wunden, und sogar das Magendrücken von vorhin war weg.

Fix war ich aufgestanden, wollte meinen erneuten Tod abermals rächen und ging hinter ihm her, nah mir noch einen metallischen Geganstand, eine art Vase, mit, mit der ich ihm eins überziehen wollte. Ich hatte nicht bemerkt, dass ein weiterer Droide hinter mir hergelaufen kam, und sich schützend hinter mir aufgebaut hatte. Dieses mal schrie ich ihn nur an als ich den Gegenstand nach ihm warf, gleich nach dem nächsten griff ohne einen Treffer abzuwarten.

Er schien etwas zu sagen, zumindest bewegte er seine Lippen, schaute noch einmal auf sein Gerät an seinem Gürtel als er sicher war, dass mein Geschoss vorbei fliegen würde und zielte dann erneut auf mich. Konzentriert schaute ich auf den Lauf, wollte allem ausweichen, das er auf mich abfeuern würde und bemerkte dabei gar nicht, dass ich nicht nur die Wand hinter ihm getroffen hatte.

Die Vase war zwar vorbei geflogen, aber sie war hinter ihm an der Wand zweschellt - sie war wohl doch nicht aus herkömmlichen Metall - und sich ein Splitter davon in den kleinen, elektronischen Kasten an seiner Hüfte gebohrt hatte. Die Lämpchen glühten jetzt nicht mehr, auch wenn ich dies erst wahr nahm als er mir ein paar Worte entgegenwarf die ich nun tatsächlich höhren konnte. "Stirb, Bastard!"

Sogleich bewegte sich der Droide hinter mir und stapfte knapp an mir vorbei, fing sogar den Schuss ab, den der Plünderer noch auf mich abgefeuert hatte und rannte dann auf direktestem Wege auf ihn zu. Als er merkte, dass es mein neuer Freund nun auf ihn abgesehen hatte, sprintete er los und rannte um die nächste Ecke, den Roboter dicht auf den Fersen. Kaum waren die beiden verschwunden, hörte ich auch schon einen gellenden Schrei der die Strassen durchzog. Schnell rannte ich ebenfalls hinterher um nachzuschauen, was passiert war, was der Robot mit ihm gemacht hatte.

Ich war kaum um die Ecke, da stockte mir der Atem. Dies war natürlich eine Erklärung für all die Skulpturen, die im Zentrum aufgebaut waren. Der Mann stand zappelnd da und wurde vom Boden auf immer steifer, konnte sich scheinbar nicht mehr bewegen. Ich ging langsam näher und sah dann auch, dass der Droid ihn von der anderen Seite mit einem Strahler bearbeitete, der ihn offenbar versteinerte.

Immer bleicher und blasser wurden die Farben seiner Hose, immer kälter das Aussehen seiner Beine, seiner Füsse als sie sich immer mehr dem Erscheinungsbild kalten Betons annäheten. Ich würde ihm nicht helfen können, und eigentlich wollte ich dies auch gar nicht. Immerhin hatte er mich mehr als einmal auf dem Gewissen. "Warum hast du bloss meinen Generator zerstört?" fragte er noch bevor seine Bewegungen ganz erstarrten, das Licht in seinen Augen endgültig erlosch. Es war wohl tatsächlich die kleine Blackbox gewesen, die ihn die ganze Zeit beschützt hatte, ihn in ein Kraftfeld gehüllt und somit vor den Wächtern verborgen hatte.

Aber warum war ich dann nicht ebenfalls einer von seien steinernen Kameraden geworden? Warum war ich dann noch immer am Leben, und das sogar aus der Gnade eben dieser Wächter heraus? Nun, wenigstens wieder einmal eine konkrete Frage, die ich mir stellen konnte.

Es kam eine Art Greifbare angerollt, die die neu entstandene Figur aufzuladen versuchte. Ich nahm dies als willkommene Abkürzung um zu dem Ort zu kommen, der mir für meine nachforschungen am erfolgversprechendsten war und setzte mich auf die flache Oberseite des kleinen Helfers, der mich dann auch sicher dorthin brachte, wo ich es annahm. Ich sprang schon am Eingang zu dem Platz von ihm herunter, schaute ihm dann zu, wo er das neue Kunstwerk platzieren wollte und als er abgezogen war machte ich mich dann auch auf den Weg in die Mitte des Platzes, zu dem Zugang zu dem vielversprechenden Sockel der zentralen Figur.

Es war eine art Legionär mit Schild und Speer, welches er gen Himmel richtete, scheinbar auf einen Stern zielend zum Wurf ausholte. Ich kannte mich nicht so arg gut mit den Sternen aus und auch wenn so hätte ich es sicherlich nicht geschafft das Universum um diesen Planeten zu mappen. Aber egal, ich wollte nachschauen, was sich in seinem Sockel verbarg. Immer näher tastete ich mich heran, huschte um all die Statuen die mir den Weg versperren wollten und vermied es dabei stets, ihnen zu versuchen in die Augen zu schauen. Nachdem ich ja nun wusste, was dies für Gestalten gewesen waren wollte ich einfach nicht mehr wissen. Zumal mir ihre noch erkennbare Kleidung ohnehin sehr viel von ihnen verriet. Sie schienen alle wirklich nicht gerade innerhalb einer Woche gesammelt worden zu sein. Ihr Erscheinungsbild war zwar keineswegs verwittert oder gar beschmutzt, aber doch derart unterschiedlich in der Aufmachung, dass sie aus hunderten modischen Epochen stammen mussten - und aus ebenso vielen unterschiedlichen, gesellschaftlichen Schichten.

Je näher ich kam desto deutlicher konnte ich das elektrische Brummen eines Generators höhren, das mir aus dem Tor entgegenhallte. Wenn ich auf der Suche nach der Energiequelle gewesen wäre, ich denke hier hätte ich sie gefunden.

Eigentlich war der Sockel recht klein, oder zumindest habe ich mir mehr von ihm erhofft, hatte damit gerechnet, dass mich überragende, technische Spielereien verzücken würden, aber es war nur ein Schacht in die Tiefe und eine Art Kontrollanzeige mit Display zu finden. Das Display zeigte jedoch nur einen leeren, natürlich von kleinen Sternen besätes Firmament an, und es schien mir so, als hätte dort etwas zu sehen sein sollen. Ein Blick auf die Kontrolltafel und ein paar spielereien mit den dort befindlichen Tastern brachten dann jedoch auch etwas neues zum Vorschein und sobald ich offenbar den richtigen gefunden hatte brachte auch die Anzeige eine aktualisierte Ansicht zutage.

Ah, ein Planet. Da hin zeigt also sein Speer. Wahrscheinlich waren sie alle irgendwann dahin ausgewandert, oder hatten ein paar Abgesandte dahin entsannt. Dieser Planet musste für sie ja wahnsinnig wichtig gewesen sein, dass sie solch ein Bauwerk bloss seiner Erinnerung zuliebe hier aufstellen. Irgendwie kommt er mir bekannt vor. Irgendwie weckt er ein Gefühl von heimischkeit in mir, mit dem ich im ersten Moment nicht sehr viel anzufangen weiss. Dann trifft es mich wie ein Schlag. Das ist mein Heimatplanet, mein kleiner, blauer Geburtsort.

Meine Gedanken rasen. Was hatte es damit auf sich? Was mochten sie für eine Beziehung zu uns haben? Was bestand für eine Verbindung zwischen ihnen und uns, die noch gar nicht mal so lange her sein kann. Allerdings kann ich mich auch in dem Alter der Stadt extrem verschätzt haben, immerhin ist sie zwar ausgestorben, aber es gibt hier noch genügend instandhalterische Aktivitäten und Energien, die sie noch für wesentlich länger erhalten dürften.

Vielleicht bringt mir ja der Schacht ein paar neue Erkenntnisse, dachte ich so bei mir als ich weiter auf ihn zu ging. Es schien wirklich ein vollkommen leerer Schacht zu sein, gerade gross genug dass man hindurchfallen könnte ohne anzustossen. Ich hielt vorsichtig meine Hand in das Loch vor mir. Es war merkwürdig, sie fühlte sich viel leichter an als eben noch. Aber da war kein Luftzug von einem Wind, der sie vielleicht tragen könnte. Ich überlegte kurz und sprang einfach hinein.

Tatsächlich hatte ich recht. Ich stürzte nicht etwa in die Tiefe, auch wenn ich einen kurzen Augenblick diese Angst hegte, sondern schwebte ganz behutsam in die Tiefe als würde mich eine unsichtbare Plattform tragen. Aber da war keine. Wahrscheinlich hatten sie tatsächlich eine Art Anti-Grav-Vorrichtung bauen können. Warum auch nicht, schliesslich forschten wir ebenfalls seit geraumer Zeit an derartiger Technologie

Wenn man einen Supraleiter im Magnetfeld dreht kann man über ihm eine verkleinerung der Schwerkraft messen. (Bei still stehendem Supraleiter ist diese verkleinerung noch immer ca, 2% !! (nach Potkletnov) )

, auch wenn wir sie bisher nicht gerade zur Marktreife entwickeln konnten. Sie mussten wirklich sehr weit gewesen sein. Wie heisst es doch so schön? Wenn die Technolie nur weit genug entwickelt ist ist sie von Magie nicht mehr zu unterscheiden. Und hier kam mir einiges wie Magie vor.

Ich hatte die Sohle erreicht und verliess den Schacht wieder in einen absolut dunklen Raum. Sobald ich jedoch den ersten Fuss wieder auf den Boden setzte dimmte das Licht und es wurde sanft heller. Wieder konnte ich keinerlei feste Lichtquelle entdecken, keine Lampe in der Umgebung finden von der dies vielleicht hätte stammen können. Aber zumindest fand ich einen weiteren Schacht, der mich dieses mal horizontal durch den Keller transportierte. Ich glitt abermals schwerelos durch eine Glasröhre die mir den Weg leitete und mir genügend Sicht gestattete um sehen zu können, wo ich hier eigentlich gelandet war.

Es waren Grabmäler. Überall um mich herum waren Sarkophage aufgestellt, die jeweils ein aufgemaltes, stilisiertes Gesicht zeigten und eine korrespondierende Kette von Symbolen, wie ich sie schon auf der Strasse gesehen hatte. Ich konnte sie zwar nicht lesen, aber immerhin dachte ich mir schon, dass die wohl ihre Namen und womöglich persöhnliche Daten sein würden. Es waren wirklich tausende, womöglich noch mehr die hier lagerten, die hier in Reih und Glied aufsortiert waren. Ein bizarrer Anblick, der sich mir bot.

Aber irgendwann nach schier endlos erscheinenden, gruseligen Minuten kam ich am Ende des Schachtes an durch den ich geflogen wurde und landete abermals in einer Kammer die heller wurde, sobald ich sie betrat. Jedoch nicht ganz so, wie die, aus der ich gekommen war. Vor allem war dieses mal ein heller Punkt auf dem Boden. Es sah sehr verlockend aus sich dort hinein zu stellen und darauf zu hoffen dass etwas passierte, zumal dies ansonsten eine Sackgasse gewesen wäre. Die Wände waren kahl soweit ich dies erkennen konnte und auch sonst konnte ich keinerlei Kontrollelemente feststellen die meiner Bedienung hätten harren können. Und so stellte ich mich hinein in die Erleuchtung.

Um mich herum wurde nun noch dunkler und auch das Licht in dem ich stand wurde etwas schwächer, wohl damit ich die Bilder an der Wand besser erkennen können würde. Und was ich sah, beantwortete mir wirklich alle Fragen, die ich im Laufe des Tages angesammelt hatte, und sogar noch ein paar mehr. Aus irgend einem Grunde konnte ich nun sogar ihre merkwürdige Schrift verstehen, konnte die Symbole und Farben lesen und einer logik zuordnen, wie sie deutlicher nicht sein konnte.

"Vor langer Zeit lebten wir auf dem Planeten, auf dem die evolution uns erschaffen hat.

Wir schufen uns und unsere Stadt der Forschung und der Künste mitten im Meer auf einer kleinen Insel, damit wir nicht von den gewaltigen und schier unbesiegbaren Ungetieren vernichtet werden würden, die die Kontinente bevölkerten.

Wir lernten uns zu schützen und wir lernten die Naturgewalten unserer Umgebung nach unserem Willen zu beherrschen.

Wir lernten die Materie nach unseren Vorstellungen zu formen, sie nach unserem Willen für unsere Zwecke zu benutzen und auch ihre Energie auszunutzen.

Wir lernten sogar die Energien des Universums" - und dabei zeigte er mir ein schwarzes Loch - "anzuzapfen und für uns zu verwenden, auch wenn wir unseren Planeten dabei nie verliessen.

Wir lernten sogar die technologie der unbegrenzten Zellregeneration, die unsere Körper vor dem Verfall bewahrte.

Dann jedoch geschah es. Eine Naturkatastropfe löschte praktisch alles Leben auf. Ein Asteroid kollidierte mit unserem Planeten und vernichtete ihn fast vollständig.

Wir schafften es noch, ihn zu verlassen und uns eine neue Heimat zu suchen. Mit fünf Raumschiffen, die all unser Wissen, all unsere Fähigkeiten, all unsere Mitmenschen beherbergten machten wir uns auf den Weg.

Eines ist in einem Nebel verschollen.

Eines ist in einem Sonnensturm von einem Kometen getroffen worden.

Drei schafften es.

Wir konnten unsere Stadt wieder aufbauen, fast genau wie wir sie verlassen hatten, in noch grösserer Perfektion und mit all unseren technischen Möglichkeiten ausgestattet, derer wir im Laufe der Jahrtausende fähig geworden waren.

So lebten wir lange Zeit in Frieden und Abgeschiedenheit.

Aber wir hatten uns verändert.

Wir waren dekadent geworden.

Es schien, als hätten wir alles gelernt, was uns das Universum hatte geben können und so erstarrten wir in lithargie und apathischer melancholie, erfreuten uns allenfalls an den Schauspielen der Natur, die wir in den Galaxien beobachten konnten oder auch den Auseinandersetzungen andrer Völker, die ebenfalls den Weltraum eroberten, aber weit weniger friedfertig waren wie wir.

Niemals suchten wir Kontakt, noch mischten wir uns in die Entwicklung eines dieser Völker ein.

Unsere jungen Menschen wurden dem müde und drängten auf zu neuen Abenteuern wie sie es nannten, wollten neue Erfahrungen machen. Sie bauten sich Raumschiffe mit den Mitteln ausgestattet die ihnen ermöglichen sollten, unangreifbar durch die Unendlichkeit zu reisen wie sie es wollten.

Hundert von ihnen brachen auf.

Einer davon besuchte unseren Heimatplaneten, auf den der Speer zeigt. Dieser wollte dort leben und mit dem Volk, das dort neu entstanden und uns sehr ähnlich war sein Lebensglück suchen.

Von den anderen haben wir nie wieder etwas gehört.

Die anderen, die hier geblieben waren wurden stetig träger, liessen sich von nichts mehr ablenken und unterhalten. Wir langweilten uns und liessen uns von unseren mechanischen Helfern immer mehr tragen, liessen uns von ihnen sogar füttern.

Eines Tages schalteten wir den Regenerationsgenerator ab und starben wenig später unter der Last unserer eigenen existenz.

Die Roboter werden unsere Körper vor dem endgültigen Zerfall bewahren und uns in Kästen der Erhaltung betten, falls wir für Nachfolgende noch benötigt werden. Sie sind es auch, die unsere Hinterlassenschaften schützen werden, damit sie nicht in falsche Hände fallen. Jeder Eindringling muss vernichtet werden, wir dürfen nicht entdeckt werden, von niemandem. Wir haben Abwehrvorrichtungen für selbst diesen Fall entwickelt, werden ihre Masse zur Abschreckung umwandeln.

Tatsächlich könnte man das gesamte Universum mit unsere Macht auslöschen, in jeder erdenkbaren Zeit. Behaltet dies als Warnung.

Du bist einer der Hundert. Du bist genetisch mit uns verwandt. Du bist unser Nachfahre, der unser Erbe antreten soll. Lerne und lebe."

Sprachs und hinterliess mich mit mehr Fragen als zuvor. So war es damals und ist es noch heute, denn selbst nach hunder Jahren lerne ich noch immer von ihnen. Und das beste dabei ist, ich kann sein wo immer ich will, ohne mich auch nur aus meiner Erhaltungskammer zu bewegen. Technologie machts möglich.