Historie: Stage6.com - Aufstieg und Niedergang eines Videoportals

Es war einmal die Spezifikation eines Videokompressionsstandards. Und es war ausgerechnet Microsoft, welcher in einer ersten Vorabversion vergönnt war, diesen in seinem Betriebssystem zu implementieren. Doch ausgerechnet den bösen Hackern und Crackern vom Dienst sowie der Pornoindustrie war es zu verdanken, dass dieser eine derartige Popularität erlangen konnte, wie er es bis zu diesem Zeitpunkt - und sicherlich auch noch darüber hinaus - erlangt hat. Denn es waren die Cracker, die sich dieser ersten Manifestation annahmen und ihn von den Einschränkungen befreiten, die ihm die Microsoftschen Schergen auferlegt hatten. Fortan wurde aus mp42.dll beispielsweise ein 3ivx.dll und so irgendwann ein divx.dll, welcher die Komprimierung und Dekomprimierung auf weit höherem Niveau erlaubte als es zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen war.

Die Spezifikation selbst lag jedoch frei, so dass man sich nicht lange an die Fesseln der Microsoftimplementierung halten musste - und schon gar nicht durfte, denn das Programm gehörte ja Microsoft. Es wurde von Grund auf neu Programmiert, optimiert und mit Hilfsprogrammen versehen dass es eine Freude war ihn zu verwenden. Und natürlich hat er seine Wurzeln nie vergessen, so dass es auch heute noch möglich ist, die Pornofilme der Gründerzeit mit diesem Codec

COdieren, DECodieren - das komprimieren und depomprimieren von Videodateien

wiederzugeben. So wurde ein Unternehmen rund um die Entwicklung und Vermarktung des nun offiziell DIVX genannten Codecs gegründet, welches auch das Marketing für entsprechende Hardware übernahm. So ist es ausschliesslich dieser Entwicklung zu verdanken, dass heutige, aktuelle DVD-Player unter dem Fernseher nebem normalen DVD's eben auch Scheiben oder Speichermedien aller möglicher Art mit eben Filmdateien wiedergeben können, welche mit dem divx-Codec komprimiert wurden. Dies hat schlicht und ergreifende den vorteil, dass auf einen DVD-Rohlung nicht mehr nur 2 Stunden Film wie bei einer Kauf-DVD passen, sondern 9 bis 12 Stunden in ebenbürtiger Qualität. Die Vorteile liegen auf der Hand.

Sicherlich ist es einem anderen Hype, einer Internetmode zu verdanken, dass es dann zur Existenz eben jenes Videoportals kam, dessen Tod ich hier beklagen möchte - STAGE6.COM.

Ein jeder wollte dabei sein, wollte auch ein Stück vom ach so offensichtlichen Kuchen ab haben. Was dies jedoch auch dem grössten jemals an Einnahmen gebracht haben mag bleibt wohl eine ewig offene Frage. Zumindest DIVX kann man diese Plattform als Werbung in eigener Sache zu Gute halten, denn immerhin benötigte man zum anschauen oder gar online-stellen eines Filmes mindestens das entsprechende Browser-Plugin, besser jedoch gleich die gesamte Create-Suite von DIVX, die gleich das einfache konvertieren ganzer Video-Sammlungen erlaubt. Hatte man sich diese Software-Sammlung erst einmal auf den eigenen Rechner geholt, konnte man nach Herzenslust auf der entsprechenden Seite STAGE6.COM videos in allerbester Qualität anschauen - zumindest wenn es der Hochlader gut mit einem gemeint hat.

Dies war auch schon der allergrösste Unterschied zu praktisch allen anderen Videobörsen, vor allem natürlich zur grössten unter ihnen: youtube.com. Auch hier kann man dank eines plugins bewegte Bilder anschauen. Jedoch sind diese in derart schlechter qualität, dass sie zu viel mehr als dem, weswegen sie bekannt geworden ist, nicht geeignet sind: Spassvideos. Und selbst wenn man den film bloss in schlechtester Qualität schauen möchte, die Maus nicht bewegt und auch sonst mit seinem Rechner und der Internetverbindung nichts anstellt, so sollte man sich vor Vorführungsbeginn besser noch einmal einen Kaffee holen, denn deren Server scheinen chronisch überlastet zu sein selbst derart kleine Datenmengen zu übertragen.

Ganz anders so auf Stage6. Selbst Fernsehserien, die in HD-Auflösungen online gestellt wurden, werden derart flott übertragen, dass man sie schon nach dem ersten Klick anschauen kann während das Plugin alles notwendige im Hintergrund veranlasst. Und selbst wenn einem dies - weswegen auch immer - zu langsam ist hat man immernoch die Wahl, sich die Videodatei direkt auf den eigenen Rechner herunterzuladen und anzuschauen, wann immer einem danach ist - ein Vorhaben, welches bei faktisch allen anderen Webseiten die Online-Videos anbieten zum scheitern verurteilt ist. Wer will denn schon seinen Web-Browser für einige Tage offen halten, bloss um den vorgeladenen Film dann anschauen zu können, wenn er wirklich einmal dafür Zeit hat. Und zwar Genau dann und nicht wieder erst zehn Minuten später wenn der Browser das Bookmark geladen, das Plugin aktiviert und den Film endlich heruntergeladen hat und einem am Ende dann auch noch verbietet, einigermassen flott im Film herumzuspulen ohne gleich wieder minutenlang irgendwelche Dinge nachzuladen, die er eigentlich schon wissen sollte.

Die Gründe, warum Stage6 allen anderen Videoportalen überlegen war liegen also auf der Hand. Doch warum und vor allem wie kam es dann dennoch zu seinem Ende?

Der offizielle Niedergang fing sicherlich damit an, dass stage6 als Unternehmen vom Mutterkonzern divx ausgegliedert wurde. Angeblich sei dieser Schritt notwendig, damit man sich jeweils auf seine Kernkompetenzen konzentrieren könne, den VideoCodec weiterentwickeln könne beziehungsweise stage6 irgendetwas machen könne worüber in den Pressemitteilungen dann kein Wort mehr verloren wurde. Ein knappes Jahr später war dann das erwartete so weit und die Schliessung des Portals binnen Wochenfrist wurde verkündet - ganz offiziell, nachdem bereits drei Wochen zuvor jegliche Konten gesperrt wurden, der Login verweigert und ein passwort-recovery nicht zu funktionieren schien. Es hatte sich halt einfach nicht gelohnt.

Warum hätte es das auch sollen? Wie könnte sich auch der Marktführer finanziell lohnen, wenn man dort nichts weiter machen kann als sich online irgendwelche Briefmarkenvideos anzuschauen. Es war einzig der Werbeeffekt für DIVX, welcher dieser seite einen Sinn gab. Und doch war es ihr Erfolg, der sie sich selbst eliminieren liess. Denn Videos in grösseren Auflösungen kosten auch bei effizientester Komprimierung immernoch mehr Speicherplatz, also mehr Bandbreite, also mehr Geld für den Hoster. Dieses Geld müsste natürlich irgendwie wieder eingenommen werden, und all dies einfach als Werbung für divx abzusetzen, dafür scheint die Summe dann doch zu gross gewesen zu sein.

Was bleibt ist leider der fahle Nachgeschmack, dass sich das schlechtere Produkt eben doch immer durchsetzen wird. So verbleibt man also mit einer der schlechtesten Videobörse mit den dümmsten Videos in miserabelster Qualität und ohne jeglichen Benutzungskomfort. Niemals mehr wird sich problemlos ein gutes Video auf die eigene Festplatte verirren, niemals mehr wird man Kinotrailer in maximaler Auflösung auf dem gesamten Bildschirm schauen können und niemals wird man sich das heruntergeladene auf dem eigenen Fernseher vom USB-Stick aus anschauen können ohne zuvor viel Arbeit in sinnlose Transkodierungen gesteckt zu haben.

Und die Vorwürfe? Wenn man beste DVD-Auflösung hochladen konnte, war sie doch bestimmt voll von Kinofilmen.

Nein, das war sie eben - leider - nicht. Zwar wurde dies angemahnt, es wurde jedoch auch sehr schnell gehandelt und so konnte man nur vereinzelt einen alten Klassiker herunterladen. wirklich bekannt war sie vielmehr für den Fundus an Serien und Dokumentationen, die im heimischen Fernsehen entweder nicht laufen oder aber niemals wiederholt werden. So fand sich bis zum Schluss, als die Leitungen glühten, eine Sammlung Quarks&Co, sowie die komplette Serie an Kurzdokus von Harald Lesch, die Fernsehseriendokus von Micheal Moore sowie die vieler, vieler Anderer. Dazu eine ganze Menge japanischer Zeichentrickserien und Mystery-Filmchen, Fernsehaufnahmen von Serien - sollte man sie verpasst haben - aber auch die unvermeidlichen Spassausschnitte aus der täglichen Werbung oder Outtakes. Im Grunde jedoch alles Dinge jenseits von Kinofilmen, die man sich im Daumenkinoformat mit äquivalent schlechtem ton auf anderen Portalen nicht antun möchte.

So gesehen geht mit dem ende von Stage6 auch ein Bildungskanal verloren, ohne dass die breite Öffentlichkeit davon gross Notiz genommen hätte.