Mit Kanonen auf Spatzen?

"Wie lange noch?"

"Noch etwa eine Stunde bis t=0..."

"Ok."

Der Funker dreht sich wieder um und macht seinen Job. Ich setze mich wieder auf meinen Platz, überpruefe den Gurt und versuche entspannt zu tun. Aber es ist mir bisher kaum etwas derart schwer gefallen wie dieser Auftrag, auch wenn ich ihn von der Regierung direkt legitimiert erhalten habe. Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen.

Wir hatten gerade das Genom der Malariafliege komplett entschlüsselt und waren dabei aufzulösen, was die einzelnen Gene bedeuten, was wir als Wissenschaftler damit anfangen könnten. Die Idee war genau so einfach wie im Grunde gut, denn wir hatten uns zum vorläufigen Ziel gesetzt, eine solche Fliege zu entwickeln, die sich nur wenige Generationen lang fortpflanzen können würde, aber aufgrund ihrer besonderen Merkmale bevorzugter Paarungspartner für normale Fliegen sein würde. Wenn uns die gelungen wäre hätten wir wohl innerhalb weniger Wochen diese Fliegenart ausgerottet und damit die Malaria Erkrankungen praktisch völlig eliminiert. Eine Krankheit mehr, die wir nicht mehr fürchten müssten.

Wir hatten dabei schon von einer manipulierten Fischart gelernt, die aufgrund ihrer Grösse ebenfalls den bevorzugten Paarungspartner abgab, dabei die normalen Fische verdrängte, die aber eine so kurze Lebenserwartung hatte, dass sie gar nicht erst zum Laichen kommen würde. Bei diesen Versuchen war es immer die Angst der Umweltschuetzer gewesen, dass einmal ein paar Exemplare dieser Spezies in die freie Wildbahn gelangen würden, denn der Bestand an dieser Fischart würde sich binnen Kuerzestem praktisch vollkommen auslöschen. Eine wirklich unschöne Vorstellung.

Aber so einfach wurde es dann doch nicht, ein Lebewesen nach unseren Vorstellungen zu erschaffen. Wie es schien wollte sie sich einfach nicht unserem Willen unterwerfen, wollte sich nicht so manipulieren lassen, wie wir dies vorgehabt hatten, und auch wenn alles auf den ersten Blick so perfekt aussah barg es doch bei weiterem hinschauen viel gewaltigere Gefahren in sich als nur die Ansteckung mit Malaria.

Sie sollte also keine Krankheit mehr übertragen. Ganz so schafften wir es dann doch nicht. Zwar uebertrug sie keine Malaria mehr, aber dafür war alles, was sie stach, innerhalb weniger Sekunden tot. Und mehr noch, sie hatte bei dieser Gelegenheit auch noch ihre Eier in die Leiche gelegt. Zwar starb sie dann auch wie gefordert, jedoch blieben dafür dann Millionen von Nachkommen übrig, selbst wenn sie sich vorher nicht gepaart hatte. Ein Wesen wie dieses würde innerhalb von Wochen, vielleicht sogar Tagen die gesamte Erde übernommen haben, um erst dann mangels Wirt auszusterben.

Obendrein würde sie auch noch danach viel zu lange leben als dass es irgend etwas bringen würde sich davor zu verstecken, denn unsere Laborexemplare starben einzig aus dem Grund, weil sie ihre Eier gelegt hatten, wiel sie ein Lebewesen gestochen hatten. Ansonsten schienen sie für Fliegenverhältnisse praktisch unsterblich zu sein. Eines unserer ersten Exemplare lebte gar ein Jahr, bevor es dann verhungerte. Das ist sogar mehr, als es die Kakerlage getan hätte, wenn sie nicht von ihr gestochen worden wäre. Ich war schon drauf und dran, das Projekt als einen Fehlschlag zu bezeichnen und die Daten offen zu legen, damit vielleicht jemand anderes daraus seinen Nutzen für die Menschheit ziehen könnte als ein unvorsichtiger Mitarbeiter einen fatalen Fehler machte.

Zum Glück hatte ich einen Schutzanzug an, so dass es nicht mich erwischte, er jedoch wurde von einem dieser kleinen Biester durch das Moskitonetz gestochen. Er war sofort tot und man konnte sogar fast zusehen, wie die Eier in ihm heranwuchsen. Es schien jedoch noch mehr Fehler im System gegeben zu haben, so dass es wohl nicht seine alleinige Schuld war, dass dies passieren musste, denn nachdem ich den Raum ausgeräuchert, ausgebrannt hatte und gerade meinen Anzug ausziehen wollte sah ich durch das Fenster der Schleuse, wie sich dort ein Drama abspielte. Naja, eigentlich sah ich davon kaum mehr etwas, sondern nur noch, wie meine Kollegen auf dem Boden lagen und sich auflösten.

Ich machte mich gleich los und versuchte einen äusseren Posten zu erreichen, von dem aus ich telefonieren konnte. Wie es schien war dieser Posten mit seinen zwei Wächtern allerdings das einzige, was im Umkreis noch am leben war. Bei näherem Nachdenken machte ich mir dann auch meine Gedanken über die Stadt, die ganz in der Nähe lag und nun sicherlich ein Angriffspunkt für sie sein würde.

Und jetzt sitze ich hier in dem Flieger, der den tod bringt. Allerdings wird da unten ohnehin nicht mehr viel leben, und selbst wenn, so würden die kleinen Biester sicherlich bald erwischen, was sie noch nicht getötet haben. Einzig fragwürdig ist dann bloss noch, ob wir sie wirklich alle mit einem Schlag erwischen werden, selbst mit meiner kleinen modifikation. Trotzdem frustrierend, dass wir sie auf eigenem Boden einsetzen müssen. Aber es gibt wohl leider keine andere Möglichkeit.

Zu schnell würden sich die Biester verbreiten, wenn wir sie nicht sofort erledigten. Innerhalb von wenigen Stunden hätten sie schon das Erste Dorf niedergemacht, würden verlassen wo wir zugelassen hatten dass sie die ersten Opfer finden. Für Napalm in diesen Mengen und in dieser Präzision wäre keine Zeit geblieben und die mögliche Flughöhe dieser winzigen Dinger überstieg ebenfalls geringfügig den Wirkungskreis dieser teuren Munition - ausserdem war die eine Bombe billiger, Geld regiert eben doch die Welt.

"Ja... Ja... Roger!", er drehte sich zu mir, "Wir haben den endgültige Abwurfbefehl erhalten."

Ich nickte. Was sollte ich auch dazu sagen, immerhin waren wir gerade dabei, mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen, oder besser, mit Atombomben auf Fliegen. Aber was sollten wir auch anderes machen. Diese Population würde sich innerhalb kürzester Zeit an jegliches Gift anpassen, das wir in der Lage wären in akzeptabler Zeit zu entwickeln. Dieses mal war es wirklich eine verzweifelte Endlösung.

Was musste ich aber auch der Experte für diese Dinge sein. Damals waren wir noch idealisiert von der Bedrohung von der anderen Seite der Welt, wollten eine Abschreckung schaffen - und das hatten wir ja auch getan. Wenn ich bedenke, dass es meine Idee gewesen war, die Sprengkraft einer normalen Bombe mit dieser einfachen Vorrichtung zu potenzieren wird mir noch immer ganz schlecht. Es war nur der Wissenschaftliche Gesichtspunkt, über den ich nachdachte, als ich mich damit auseinandersetzte, nichts anderes, eine Herausforderung, die es zu lösen galt. Das Ziel wurde dabei eigentlich ausser Acht gelassen, nämlich dass es ja primär darum ging, eine Massenvernichtungswaffe zu optimieren. Wahrscheinlich haben die Erschaffer von Trinity ebenfalls so gedacht.

Allerdings war es auch immer wieder ein berauschender Anblick gewesen, wenn man ihr bei ihrer Arbeit zuschaute. Es begann nie einfach mit einem kleinen, weissen Punkt in der Mitte, sondern immer gleich mit einem gewaltigen Blitz, der den Tag noch einmal etwas mehr erhellte, und wenn man dann wieder etwas sehen konnte war da nur noch dieser weisse Lichtball, der sich vor einem aufzubauen begann, der immer grösser wurde, bis man dann das Grollen aus der Entfernung auf sich zurasen hören, ja sogar fühlen konnte. Eine wahrhaft beeindruckende Vorstellung, die mein Baby da lieferte, auch wenn der Effekt gar so grausame Auswirkungen haben konnte. Man konnte seine Augen einfach nicht von ihr abwenden. Dieses Licht hat ganz einfach etwas schönes an sich.

Aber wenigstens machten wir uns ein bischen Gedanken über die Folgen, darüber was für Auswirkungen die Strahlung auf Organismen haben konnte. Es wurde mein nächstes Forschungsgebiet, dem ich mich umso intensiver zu widmen begann, dachte ich doch noch ich könnte damit wenigstens ein bischen wieder gut machen. Aber die Mutationen, die ich unter dem Mikroskop liegen hatte machten alles andere als Mut, dass man einen positiven Aspekt aus diesen Erscheinungen ziehen konnte.

Bis natürlich auf die Tatsache, dass die Genetiker sehr an meinen Tierchen interessiert waren. Sie rissen sich förmlich darum, eine sei es noch so kleine Probe meiner Exemplare zu bekommen, sie untersuchen zu können, ihre Gene zu zerfleddern und nachzuschauen, was sie reproduzieren koennten. Vielleicht hatte ich zu oft den Film 'Die Fliege' gesehen, dass ich mir einbildete, dass man daraus auch etwas gutes ziehen konnte, als ich mich ebenfalls auf Genomebene der Sache widmete.

Weil wir es konnten! Ach, hätte ich es doch gelassen, wäre ich doch wenigstens nicht derart erfolgreich gewesen. Aber was hatte ich auch für eine Wahl, immerhin hatte ich das Geld der Militärs hinter mir, die mich nach meiner ach so erfolgreichen Arbeit an ihren lieblingsspielzeugen bei praktisch allem unterstuetzt hätten. Und mit genügend Geld ist der Erfolg auch nicht mehr weit, und der war es gewesen, Lebewesen manipulieren zu können, selbst wenn es nur eine Fliege war. Sie hatten sich bestimmt gedacht, dass man genausogut einen Eimer dieser Fliegen über Feindesland, Kommunistenland abwerfen könnte und dann nur noch zuzuschauen brauchte, wie die kleinen Biester so etwas wie den Marburg-Virus übertragen. Dessen tödlichkeit konnte man wenigstens einschätzen.

Im Gegensatz zu dem Verhalten der Fliegen.

Irgendwie wird aber auch alles, was ich anpacke, eine absolute Katastrophe.

"4...3...2...1...Abwurf!"