Der Besuch

Fast ein Tag wie jeder andere. Ein Morgen in der Uni und wie fast jeden Mittwoch warte ich auf meinen Kommilitonen Andre. Einmal mehr ein Uni-Tag, an dem ich nicht einschlafen darf, auch wenn die Wahrscheinlichkeit dafür heute sehr gering ist..Vielmehr werd ich wohl viel zu sehr in Gedanken versinken, mir überlegen, ob ich wirklich das richtige mache, oder ob er vielleicht etwas anderes gemeint haben könnte.

Mit nachdenklicher Mine sitze ich auf meinem Stammplatz, schaue ihn mehr oder weniger betrübt und anteilnahmslos an.

"Was ist dir denn über die Leber gelaufen?"

"Naja, ich hatte Besuch. Du kennst ihn vielleicht. Luzi."

"Oh, was wollte der denn?"

"Keine Ahnung. Ich weiss noch, dass ich eigentlich wach war, wenn auch in Gedanken. Ich überlegte gerade, ob ich überhaupt im Grunde bin, oder besser, wie unglücklich ich wirklich bin. Plötzlich tut sich ein Loch vor mir auf. Mitten in meinem Teppich schlagen doch tatsächlich die Flammen aus dem Loch. Ich dachte mir noch, was das soll dass der mir hier die Bude anzündet, da labert der mich auch schon zu von wegen 'letzter Wunsch' und 'auf dem Sterbebett die Seele verschenkt' und so. Als würde der mich davon abbringen wollen, ausgerechnet der.

Er nimmt mich dann sogar mit. Irgendwie mit viel Qualm und Dampf, angeblich in die Zukunft. Ich sehe mich in alt. Ich sah wirklich gut aus, so mit strahlend weissen, langen Haaren und so. Und dann sehe ich ihn , wie er neben mir steht, also neben meinem Alter, und ich ihm meine Seele dafür verkaufe, meine unsterbliche Seele für ein Jahr mit meiner Geliebten, mit der Frau, an die ich mein Herz verloren habe und es niemals wiederherstellen konnte, es nie wieder zurückbekommen habe. Ich sah mich tatsächlich meine Unsterblichkeit gegen mein Herzensglück eintauschen.

Das war tatsächlich auch schon alles was er mir gezeigt hatte. Natürlich liess er mir noch ein paar Sprüche übrig, von wegen dass ich mir das schon im Leben hätte überlegen sollen, ob ich sie nicht auch so hätte erreichen können, dass ich sie tatsächlich selbst einmal hätte wiederkriegen können. Aber das waren alles Fragen, mit denen ich mich schon so oft auseinandergesetzt hatte, dass ich ihn nach Hause geschickt hab."

"Und warum ziehst du dann so ein Gesicht?"

"Naja, wenn es mir am Ende meines Lebens so viele Gedanken macht, meine Liebe wiederzuerlangen, dann musste ich das ja wirklich als das höchste Gut meines Lebens, als das Wichtigste auf der Welt eingeschätzt haben. Wenn mich das so bewegte, dass ich meine Seele dafür eintauschte, dann muss es einfach sehr viel wichtiger gewesen sein, als alles was ich sonst getan habe.

Ich hab tatsächlich die ganze Nacht nicht schlafen können wegen diesen konfusen Gedanken. Ok, ich habe eine Freundin die mich liebt, die mich vergöttert und nicht müde wird mir zu sagen wie sie für mich empfindet, aber ich kann dann immer nichts anderes tun, als daneben zu liegen und mein schlechtes Gewissen versuchen zu unterdrücken, zu versuchen nichts Negatives zu sagen und zu versuchen, wenigstens ein bisschen verliebt auszusehen, damit sie sich nicht gar zu alleingelassen fühlt mit ihren Emotionen. Ich will ihr einfach nicht weh tun, will ihr ihr Glück nicht streitig machen. Es ist halt dumm gelaufen für mich, dass ich dabei selbst auf der Strecke bleibe.

Es stimmt ja schon, dass ich mir sehr oft nichts Schöneres vorstellen kann, als Sie noch ein mal in den Armen halten zu können, als vielleicht sogar eine Nacht mit ihr zu verbringen, selbst wenn sie nur neben mir schlafen würde, als mit ihr etwas essen zu gehen oder einfach nur den Tag mit ihr zu verbringen. Ich kann mir kaum etwas Schöneres vorstellen, als ihr sagen zu können dass ich sie liebe.

Aber dann denke ich wieder an meine Freundin und ich transferiere meine Gedanken auf sie, dass es für sie mit mir genauso ist wie für mich mit meiner einen Geliebten.

Naja, jedenfalls war der wilde Luzi wieder weg als wäre nichts passiert. Naja, fast, denn das einzige, was von ihm übrig war ist ein verbrannter Kreis auf meinem Teppich. Er hätte wenigstens die Innenfläche auch noch verbrennen können, dann hätt' ich's abstreiten können."

"Und wieso änderst du dein Leben dann nicht?"

"Hab ich drüber nachgedacht, aber es war der Teufel, der mich zur Weisheit führen wollte. Da muss doch irgendwo ein Haken sein, oder?"