"Hallo, Onkel.", sagte der kleine zu mir und schaute mich mit seinen grossen Augen an. Wir kannten ihn nun schon länger und er traute uns nun schon etwas mehr. Er wollte wohl spielen und hatte sich von hinten an mich herangeschlichen, hielt seinen Teddy im einen Arm und mein Bein im anderen, während er an mir heraufschaute.
"Aber Steffen, du sollst doch schlafen." meinte sein Vater mit seinem einnehmenden Blick zu ihm und auch wenn es keine gute Gelegenheit gewesen wäre für diesen Moment das weite zu suchen hätte ich wohl ebenso gehandelt.
"Komm, ich bring dich wieder ins Bett, was?"
"Erzählst du mir auch eine Geschichte?"
"Mal schaun." sprach ich und nahm ihn an der Hand, liess mich von ihm in sein Zimmer führen. Lange wollte ich da nicht bleiben und so fand ich einen weg ihn so sehr abzulenken und mit Versprechungen über seinen Daddy einzudecken, dass ich um die Gutenachtgeschichte drum herum kam.
Nach ein paar Minuten nur hatte ich das auch schon erledigt. Endlich konnte ich mich daran machen die Sicherheit des Hauses weiter zu untersuchen. Es war nicht das erste mal, dass ich in der unbeobachteten Abgeschiedenheit einer guten Ausrede ein Haus unsicher machte und so stellte es für mich auch kein grösseres Problem dar die 'Sicherheitszentrale' ausfindig zu machen. Eigentlich war es lächerlich, mit was für Mitteln diese Menschen ihr Hab und Gut überwacht sehen wollten, aber mir machte es das ganze wunderbar einfach. Die Überwachungsvideos waren mein und auch sonst sollte der Rest der Alarmmelder abgeschaltet sein als ich wieder zu den anderen zurück ging.
"Wo ist er hin?" fragte ich recht scheinheilig, obwohl ich es mir schon denken konnte.
"Frag nicht." meinte er nur, was so viel hiess wie 'frag nicht!'. Es war also alles klar, und Spuren waren auch nicht zu sehen.
Seine Frau war bei ihrer Mutter im Urlaub - mit seinem Notar, was immer das bedeuten mochte. Jedenfalls würde uns niemand in die Quere kommen, zumal er auch nichts davon erwähnt hatte dass wir für unsere Unterredung, unseren Vorwand ein Zeitlimit hätten oder gar, dass noch ein anderer Besucher kommen würde. Er war immer sehr gründlich, und so etwas hätte er mit Sicherheit zumindest am Rande erwähnt.
In seinen Schränken war jede Menge Zeug, das eine Menge wert sein würde, selbst wenn wir es nachbehandelt hätten. Er hatte schon damit begonnen alles zu sichten, das beste herauszupicken und sich einen Überblick über den Rest zu verschaffen. Alles würden wir natürlich nicht tragen können, zumal manche Antiquitäten nicht gerade leicht oder einfach zu verpacken waren, ausserdem würde es mit Sicherheut auffallen, wenn wir allzu oft mit irgendwelchen Gegenständen oder Koffern zum Wagen gehen würden.
Ich wühlte ein wenig in den Schränken, schaute mich nach interessanten Dingen um, die unsere 'Kundschaft' angesammelt haben mochte, die mich vielleicht mehr interessieren könnten wie das Geld, das wir für die anderen bekommen würden. Manchmal war es ein mulmiges Gefühl in den persöhnlichen Dingen von verstorbenen zu wühlen, ihr Leben kennenzulernen, wenn es gerade erst geendet hatte und so auch dieses mal. Aber man gewoehnt sich erschreckend schnell daran.
Jedes mal, wenn ich wieder auf den Tisch schaute, wenn ich mich nach ihm umdrehte um zu schauen wie er voran kam, hatte sich mehr in unserem Koffer versammelt, hatten mehr an Geschmeide und kleinen, sehr alt und wertvoll aussehenden Gegenständen ihren Platz in den Halterungen des Deckels gefunden. Wir hatten mit der Zeit ein Auge dafür entwickelt, was wirklich etwas Wert war und was nur Gerümpel, was nur Kitsch war der nur ein paar Pfennige brachte, vor allem dann, wenn man sich der Peinlichkeit hingeben musste von einem Dritten lachend darüber aufgeklärt zu werden.
Gerade hatten wir ein bischen Unordnung gemacht, die einem Beobachter hätte auffallen können, als ich tapsende Schritte auf dem Gang hörte. Ich war ohnehin sehr aufgeregt, warum auch immer denn rein faktisch sollte ich dies nicht sein. Es war nicht das erste mal, dass wir genau so etwas auf genau die gleiche Weise taten, und doch war diesmal irgend etwas anders, irgendwie spürte ich, dass etwas geschehen würde, und es würde nicht angenehm sein. Jedenfalls ging ich dem geräusch entgegen und ich tat wohl daran, denn er hätte keinen Meter näher kommen dürfen.
"Na, wartest du auf deine gute-Nacht geschichte?", fragte ich den kleinen, der mitten im Gang stand und mir entgegenlächelte. Allein schon daran las ich ab, dass er nicht das geringste vermutete, was vor sich ging, was wir hier eigentlich taten. Ich warf noch schnell einen Blick zurück um die Ecke und alles war klar. Der Junge hatte seinen Teddy in den Armen und watschelte vor mir her wieder zurück in sein Bettchen. Ich half ihm noch wieder die Stufen zu seinem Hochbett hinauf zu steigen, nahm ihm dafür den Bär aus den Händen. Unbemerkt und hinter seinem Rücken tränkte ich sein fell noch schnell mit dem Betäubungsmittel und drückte ihn wieder an seine Seite. Schon kurz nachdem er mich nach seinen Märchenbüchern geschickt hatte war er eingeschlummert. Ich brauchte nicht einmal eine einzige Zeile vorzulesen - wunderbar.
Als ich wieder zurück kam war das Chaos beseitigt und fast schon alles verstaut. Der Eckige Koffer würde reichlich kostbarkeiten enthalten wenn ich ihn das nächte mal in geöffnetem Zustand vorfinden würde, so viel konnte ich auch dieses mal sicher sein.
Aber dieses mal würde es anders kommen. Wir hörten einen Schlüssel an der Haustür und als wäre es das normalste der Welt gingen wir dem entgegen. Es sollte niemand kommen, uns stören hatte er gesagt und wir hatten uns in unserer unendlichen naivität darauf verlassen. Aber wohl auch er konnte überrascht werden wie wir nun zu spüren bekamen. Wir gingen den Flur entlang, sahen schon, wie sich die Haustür zur Seite bewegte, gegen die anderen Wand schlug und und grau melierter Mensch die Tür für eine Frau offen hielt.
Alles an ihr, ihre Haltung, ihre Kleidung, ihr Blick, sogar ihr Begleiter strahlten eine unglaubliche Arrganz aus, die uns fast schon gar nicht mehr warzunehmen in der Lage war. Aber so weit konnte sie sich dann doch noch herab lassen, auch wenn sie dafür keinesfalls ihre Nase senkte.
"Wo ist er? Ich bin gekommen um alles mitzunehmen, meine Pelze, meinen schmuck, meine Wertpapiere und meinen Sohn!", keifte sie uns entgegen. Wir waren um keine Ausrede verlegen und meinten, dass er wohl gleich wieder kommen würde, wäre er doch nur mal auf die Toilette gegangen, hätte uns aber schon so lange warten lassen, dass wir nun keine Zeit mehr hatten. Wir hätten ihm einen Zettel auf den Küchentisch gelegt mit einer Mitteilung, sie sollte ihm dies ausrichten - was sie mit Sicherheit kulant überhörte.
Wir verabschiedeten uns recht höflich, auch wenn wir keines weiteren Blickes gewürdigt wurden, und gingen durch die noch immer geöffnete Tür unseres Weges. Naja, fast unseres Weges, waren wir doch ein bischen deprimiert da uns jede Menge Beute entgangen war. Die Aktien hätten uns zwar nichts genutzt, die ich nicht einmal zu Gesicht bekommen hatte, aber doch der Rest, den er eingepackt hatte wie er meinte.
Unser Weg führte noch kurz am Haus vorbei, hatten wir doch wie immer ein bischen weiter weg geparkt um nicht direkt vor dem Haus aufzufallen und womöglich noch mit irgend etwas in Verbindung gebracht werden könnte. Das hatte sich bisher immer so bewährt. Wir schauten noch einmal durch das Fenster und beobachteten die beiden, wie sie begannen fast schon übereinander herzufallen. Der Mann mit den hellen Haaren nahm sie in den Arm, hob sie an sich empor und tanzte mit ihr durch den Raum, küsste sie und entlockte ihr sogar ein liebevolles Lächeln. Es war klar, was hier lief. Wahrscheinlich würde nun sowieso ihnen all das zugesprochen werden, was wir angefangen hatten, wir wären aus dem Schneider und sie schuldig wie die Nacht - wunderbar!
Voller Schadenfreude über unser perfektes Verbrechen bogen wir um die nächste Ecke, blickten suchend nach unserem Fahrzeug als ich den Boden unter den Füssen verlor. Aber nicht lange, denn schon stand ich in einer art Gang, einer überbauten Brücke aus Stein und auf der Suche nach einem Ausweg, nach dem Ausgang liefen wir einfach den Menschen nach, die alle an uns vorbei in die selbe Richtung gingen. Vollkommen apathisch wankten sie wie in trance an uns vorbei, beachteten uns nicht mit einem einzigen Blick.
Alles äusserst merkwürdig dachte ich noch bei mir, als wir ihnen folgten, nun weniger weil wir einen Ausgang suchten sondern vielmehr um zu schauen, wo die alle hin wollten. Es war nicht weit und schon wurde unser gemeinsamer Weg von einer Wand gestoppt, deren gebaute Schlitze zwar für mich ausreichend, für meinen Begleiter jedoch ein wenig zu eng waren, so dass ich ihm wieder heraus helfen musste als er stecken blieb. Ich wollte dennoch wissen, was dahinter war und zwängte mich hindurch, von ihm ermutigt durch die Bemerkung, dass er ein paar meter weiter ein paar Öffnungen sah die grösser wären und auch für ihn passen würden.
Ich wartete nicht auf ihn als ich sah wo ich angekommen war. Hier also gingen die alle hin. Sie wollten scheinbar alle nur unter ein paar Torbögen hindurch, die mitten in einer Halle, einem Tempel gleich, aufgestellt waren. Irgend etwas stand darüber eingemeisselt, was ich aber nicht weiter beachtete - vielleicht konnte ich es auch einfach nicht recht entziffern, so dass ich es schlicht überlas.
Ich fand das alles sehr faszinierend und schaute mich noch ein bischen um, wollte wissen, was sich dahinter verbarg, warum sie gleich nach ihrem Durchgang wie ausgewechselt vollkommen anders als zuvor bewegten und auch keines so gemeinsamen Weges mehr gingen. Ich ging auf den Torbogen zu, der am wenigsten durchgangen wurde. Eigentlich ging gar niemand dort hindurch, was mich im nachhinein eigentlich hätte stutzig machen sollen, aber als ich mir darüber Gedanken machen konnte war es bereits zu spät.
Da stand ich nun, wie angewurzelt und stellte eigentlich keine Veränderung an mir fest - abgesehen davon, dass mein Begleiter mich offenbar nicht sehen konnte, auch wenn ich kaum vier Meter von ihm entfernt stand, nach ihm rief. Dafür konnte mich aber jemand anderes sehen, der mich auch gleich ansprach.
"Aha, da bist du also."
"Wieso? Hast du mich erwartet?"
"Nein, eigentlich nicht. Ich stehe immer hier und warte auf neuankömmlinge, die ich ausbilden kann. Und du bist endlich mal wieder einer."
Ich drehte mich ein wenig hilfesuchend um, wollte meinem Kumpel bescheid geben mich doch bitte hier heraus zu holen und mir diesen ekelig wiederlichen Kerl von der Pelle zu halten. Scheinbar sah er mich auch endlich, kam auf mich zu. Er war schon fast bei mir, musste nur noch unter dem Torbogen durch und ... war weg.
Womit hatte ich das bloss verdient, dachte ich noch so bei mir, da kam auch schon die prompte Antwort.
"Du warst ein schlechter, ein böser Mensch, zu deinen lebzeiten!"
"Bin ich tot?"
"Nicht wirklich. Aber jetzt bist du gewissermassen sein Sklave, musst geraderücken, was du verbrochen hast, musst es irgendwie ausgleichen, zum Beispiel dadurch, dass du auch andere böse bestrafst, so wie ich.", und kaum hatte er es ausgesprichen, fuhr auch schon seine gewaltige, immer länger werdende Zunge heraus, durch die Wand und griff sich einen kleinen, dicken Mann der auf seinem Esel vor dem Tempel vorbei ritt. Kaum hatte er ihn zu sich herein gezogen, da spuckte er auch sogleich all seine Wertsachen auf die Strasse, wo sie von den armen Kindern der Strasse aufgelesen wurden, kaute ein wenig durch und rülpste mich an dass ich riechen konnte, was der Dicke zum Frühstück gegessen hatte - Und all das sah ich fast wie durch ein drittes Auge, das vor dem Gebäude in der Luft schwebte.
"Und jetzt sei lieber froh, dass du nicht genau so geendet bist, wie der Kerl von eben... Viel Spass noch beim 'bestrafen'! HäHäHä..."
"Naaeeeeiiiiiinnnn!!!!"
Ich schrecke auf. Fast stosse ich mir den Kopf an dem Regal über meinem Bett, so Besinnungslos vor Angst bin ich. Nass geschwitz fühle ich meinen Körper unter der Bettdecke und ich wusste, dass es nicht der Schweiss von nächtlicher Überanstrengnung war, der mich so durchgenässt hatte. Nein, das war Angstschweiss.
Ich drehe mich zur seite und stelle meine Füsse auf den Boden. Es tut gut, wieder etwas festes unter sich fühlen zu können. Mein Kopf ist schwer, fast zu schwer für meine Arme, auf die ich sie zu stützen versuche. Viele endlose Minuten sitze ich so schwermütig nachdenklich über meinen Traum so auf dem Bett, bevor ich mich dann doch anziehe und zu meinem Kumpanen fahre. Das hatte mich ganz schön geschafft. Aber es war schon richtig, alles war so schlecht, so böse was wir taten und manchmal war es ein Wunder, dass wir dabei nicht erwischt worden waren. Ich musste damit aufhören. Wir mussten damit aufhören bevor es zu spät war, bevor mich die Teufel kriegen würden.
Einen machen wir noch, dann ist endgültig schluss. Der muss noch sein, dann würden wir ohnehin ausgesorgt haben. Ein absolut reicher Kerl, schon alleine das Haus liess einen vor Ehrfurcht erstarren. Wenn man bedenkt, wie sich seine alte kleidet, geschieht der das ganz recht.
Nur diesen noch, dann ist schluss ...