Endlich ist es so weit. Wir können beweisen, wie treu wir unserem Land, unserem ehrwürdigen Herrscher sind, wie wir seinem Urteil vertrauen und für ihn in die Schlacht ziehen. Endlich ist es so weit und er spricht zu uns, macht uns ein letztes Mal Mut für die Schlacht, die uns unmittelbar bevorsteht. Bei den anderen mag das nicht nötig sein, die sind ohnehin schon die ganze Zeit dermassen aufgepusht, dass man sie kaum mehr beruhigen könnte, aber bei mir ist es nicht so. Ich habe trotzdem Angst.
Natürlich vertraue ich unserem Herrscher, natürlich vertraue ich darauf, dass er immer die richtigen Entscheidungen zum Wohl unseres Heimatlandes trifft, aber diese Schlacht ist nicht wie jede andere. Diese Schlacht ist radikal anders, so radikal, dass einen kein Training dieser Welt darauf vorbereiten könnte. Ja, ich habe Angst.
Wieder sagt er uns, welchen grossartigen Dienst wir für unser Volk leisten würden, wieder sagt er uns, wie stolz er darauf ist, solche Soldaten, solche Untertanen, solche Kämpfer in seiner Armee zu haben. Wieder sagt er uns, wie geehrt er sich fühlt, uns dienen zu dürfen. Mir laufen die Tränen über die Wangen, aber ich bewege mich keinen Millimeter, dafür bin ich auch einfach zu bewegt von seiner Rede.
Er hat es tatsächlich geschafft, ich fühle mich gut. Ich fühle mich sogar so gut, dass ich mich darauf freue. Ich fühle mich so gut, dass ich es kaum mehr erwarten kann, endlich in Richtung des Feindes losziehen zu können, um ihm zu zeigen mit wem er sich da gerade anlegen will. Ich brenne darauf, auf dem Feld der Ehre ihm gegenüber stehen zu könnnen. Der Feind hat nicht den Hauch einer Chance gegen uns.
"Huahh..." ist unsere Antwort auf sein letztes Wort. Wir sind bereit. Tausend Mann sind bereit, für ihn diese Schlacht zu schlagen und sogleich laufen wir los. Keine Angst mehr liegt in meinen Augen und auch meine Kameraden haben nicht den Hauch eines Zweifels an der Richtigkeit unseres Einsatzes, an dem Erfolg unserer Aktion. Voll motiviert geht es im Laufschritt den Hügeln entgegen, hinter denen das Lager des Feindes liegen soll.
Die eine Hand am Schaft, die andere Hand am Griff unseres Säbels ziehen wir im Laufschritt der Schlacht entgegen, nur unser Ziel vor Augen, nur vor unseren inneren Augen immer wieder abspielnd, was wir tun werden wenn wir unser finales Ziel erreicht haben. Ich versuche zwar mich umzuschauen, aber keiner von meinen Kameraden schaut zur Seite, keiner von ihnen wendet seinen Blick von unserem Ziel ab, auch wenn es noch gar nicht zu sehen ist. Alle sind fest davon überzeugt, das absolut Richtige zu tun. Warum bin ich das bloss noch immer nicht?
Ich sage kein Wort. Keinen Zweifel werde ich über meine Lippen bringen. Dafür ist diese Sache einfach zu wichtig, als dass ich eine Meuterei anzetteln möchte. Vielleicht aber werde ich mich dann doch vom Feld der Ehre sehr unehrenhaft zurückziehen, vielleicht werde ich mich einfach nicht so hundertprozentig meinen Kameraden anschliessen, vielleicht lebe ich lieber in Unehre, als in Ehre zu sterben.
Da ist er, der Hügel hinter dem der Feind lauert. Es ist noch früh am Morgen und er wird sicherlich noch nicht bereit sein. Wir werden ihn in den Betten, beim Frühstück, beim kollektiven Waschen überraschen. Er wird keine Chance haben gegen unsere Übermacht.
Der Späher hat berichtet, dass es tatsächlich der letzte Hügel ist, der uns noch von ihnen trennt. Wir nehmen Aufstellung. Es bleibt keine Zeit mehr sich zu Ordnen, wenn er uns erst einmal erspäht hat. Dann muss alles schon passiert sein. Es wird der Überraschungseffekt sein, der einmal mehr eine Schlacht entscheiden wird. Es wird der erste Eindruck sein, den sie von uns bekommen, der sie vor uns Erschauern lassen wird. Wir werden siegreich sein.
Jetzt endlich ist es so weit. Wir schreiten über den Hügel. Der Hauptmann wird das Signal geben zu beginnen, wenn es so weit ist.
In einer Reihe stehen wir auf dem Hügel um das Lager des Feindes. Friedlich scheint es in dem kleinen Tal vor uns zu liegen und es ist tatsächlich so, wie angenommen. Alle gehen noch immer ihrem Morgenwerk nach, fürchten nicht, dass sie jemand dabei stören könnte.
Da, endlich haben sie uns entdeckt, endlich hat uns der erste erspäht. Es spricht sich herum wie ein Schrei, der durch die Menge der sicherlich nicht weniger ehrenhaften Männer geht. Alle schauen uns an, alle zeigen sich beeindruckt von der Masse der Krieger, denen sie da gegenüberstehen. Ein jeder greift auch schon reflexartig zu seinem Schwert, wendet aber keine Sekunde seinen Blick von uns ab. Jetzt ist die Zeit gekommen.
Der Hauptmann gibt uns das Signal. Es geht los.
Wir ziehen unsere Säbel. "Huahh..." ist unser Kriegsschrei. Wie zum Angriff haben wir uns aufgestellt, zeigen unsere blanken Waffen vor die so in der Morgensonne erstrahlen. Es muss ein wahrhaft beeindruckender Anblick sein, der sich ihnen da bietet. Nur zu schade, dass dies nicht länger anhalten wird. Aber zumindest haben wir ihre aller Aufmerksamkeit, all ihre Augen sind auf uns gerichtet.
Wir drehen den Säbel vor uns, richten ihn auf unseren eigenen Körper und stossen zu. "Uhhh!!"
Es tut nicht einmal weh, aber ich verliere die Kontrolle über meinen Körper, kann nicht mehr stehen, kippe zur Seite um. Meinen Kameraden liegen neben mir. Keinen Schmerz fühle ich, spüre nur, wie das Leben aus mir entweicht, fühle meine Arme nicht mehr, fühle wie meine Augen schwer werden. Warm fühlt es sich an, das Blut das über meine Hände tropft. Sollte das wirklich das letzte sein, was ich sehen soll?
Ich schaue mich noch einmal um, suche den Hauptmann, sehe ihn genauso am Boden liegen wie alle meiner Kameraden. Der Hügel ist übersät von unseren leblosen, stillen Körpern.
Ich schaue über das Lager und es ist wie eine Befreiung. Ich sehe die verwirrten, panischen Gesichter der Feinde unseres Landes. Jetzt endlich entpuppen auch sie sich als Menschen - und sie haben Angst, Angst vor uns. Panisch rennen sie los, lassen einfach alles stehen und liegen, verlassen das Feld, das Lager, das Land. Endlich sind wir frei.
"Den Krieg zu gewinnen, ohne auch nur eine einzige Schlacht zu schlagen, das ist die höchste Kunst der Kriegführung"
Ja, ich habe das richtige getan.