1001 Worte...

... zum Unternehmen Zukunft.

"Die Kinder sind unsere Zukunft" hat mal irgend jemand gesagt. Eigentlich hatte er damit recht, allerdings hat man ihn wohl etwas zu wörtlich genommen. Irgend so ein Schefkoch meinte wohl, dass es ausreiche, dass diese existieren. Wie die das machen, und vor allem mit welcher Ausbildung, das ist ihm voellig wurscht. Strassenfeger ist ja auch ein schoener Beruf.

In Erfurt gab es ein Massaker, hiess es in den Nachrichten. Die Schuld hatte natuerlich ein Computerspiel, was auch sonst, ist es doch immerhin ein Medium, von dem die ach so erwachsenen Erwachsenen nichts verstehen - und es auch nicht verstehen wollen - und es deshalb per se Satanswerk ist. Aber vielleicht war es auch der gleiche Grund, aus dem es in anderen Laendern so viele Selbstmordattentaeter gibt. Vielleicht hat er einfach keinerlei Zukunft mehr gesehen. Dafuer muss man wissen, dass in diesen Laendern die Feiheiten sehr eingeschraenkt sind, dies geht so weit, dass sogar Musik verboten ist, dass es verboten ist, abends aus dem Haus zu gehen, dass es verboten ist, in der oeffentlichkeit zu lachen und natuerlich auch verboten ist, seine Frau ohne voellige Vermummung aus der Kueche zu lassen. Alles in allem ein Umfeld, in dem sich nicht wirklich leben laesst und aus dem zu entkommen - und sei es durch einen Selbstmord - eine recht naheliegende Idee ist. Gleiches gilt allerdings auch fuer den jungen Menchen in Erfurt, denn das dortige Schulsystem laesst ihm kaum eine Moeglichkeit fuer ein weiteres Leben. Er ist kurz vor seinem Abitur von der Schule geworfen worden. Dadurch hat er nicht nur kein Abi, wie es in jedem anderen Bundesland der Fall waere, sondern ueberhaupt keinen Schulabschluss. Er stuende sogar ohne einen Grundschulabschluss auf der Strasse und koennte faktisch betteln gehen. Und in solch einer Situation soll er nicht den Kopf verlieren?

Die Bildung ist in einer hoeher entwickelten Welt das einzige, was einem jungen Menschen eine Zukunft garantieren kann.Vor allem dann, wenn er eigentlich zu intelligent ist um als Dachdecker oder Strassenfeger zu versauern, waehrend in seinem Kopf weit wissenschaftlichere Themen einen Platz haben. Wuerde man diese Menschen nicht sehr quaelen, wenn man ihnen die Moeglichkeit zur Weiterbildung einfach unmoeglich machen wuerde? Koennte man dadurch nicht eine voellig neue Art radikalen Verhaltens auf den Plan rufen, wenn man sie vor den Kopf stossen wuerde und sie so ins Abseits draengt indem man sie ueber alle Masse benachteiligt? Die Zeit wird es wohl nur zeigen, aktuelle Zahlen sind zwar ausgesprochen eindeutig, aber auch gekonnt von den Verantwortlichen ignoriert. Immerhin reden wir hier von zwei voellig anderen Zustaendigkeiten.

Das "Unternehmen Zukunft", wie der Schefkoch es gewissermassen selbstironisch genannt hat,macht naemlich genau das, es verteilt Gelder von einer zustaendigkeit in eine andere. Sein Problem ist der Landeshaushalt. Diesen Aufzubessern ist sein Ziel - sein einziges Ziel, koste es was es wolle. Dass dabei Verfassungsgegebene Grundrechte mit Fuessen getreten werden, ist ihm ausgesprochen gleichgueltig, dass er dabei genau diese Zukunft verspielt wohl ebenfalls.

Die Universitaeten und Schulen zu bezahlen ist Landesangelegenheit. Wenn weniger Studenten da herumlaufen, die ja alle - vorsicht, doktrin - absolut alle Bafög bekommen und an allen anderen Sozialkassen schmarotzen, kostet die Uni auch weniger Geld und die Ausbildung wird womoeglich sogar besser weil auf weniger Leute verteilt werden muss. Also ekelt er moeglichst viele Studenten von den Unis herunter. Vorzugsweise solche, die - vorsicht, wieder Doktrin - sowieso gebummelt haben und nur Faulenzen, also von ihren Eltern das Geld in den Rachen geschoben bekommen, also koennen diese neureichen auch etwas mehr bezahlen, wenn sie so weiter machen wollen.

Dass zum einen jedoch bei weitem nicht jeder Student auch Bafög bekommt - weit mehr seind es im Handwerk - ist der erste Widerspruch, der naechste kommt gleich hinterher mit dem Sozialschmarotzer, denn dazu hat er gar keine Gelegenheit weil dieser sog. Langzeitstudent ohnehin keine Verguenstigungen bei Krankenkassen mehr bekommt, bei anderen Sozialkassen erwirbt er ebenfalls keinerlei Ansprueche, bekommt also nichts weil er auch nichts einbezahlt hat, Verguenstigungen bei Banken oder dem ADAC gelten wohl kaum als Sozialkassen. Und zum Schluss die Mär vom Elternstipendium beim Faulenzerstudenten. Leider ist gerade das Gegenteil der Fall. Denn die Eltern, die das Studium ihrer Sprösslinge voll bezahlen machen natürlich Druck, dass dieses auch so schnell wie moeglich hinter sich gebracht wird und sie nicht ewig unsummen fuer Partyleben hinblaettern muessen. Muss man hingegen sein Studium selbst durch nebenjobs finanzieren, ist es an den wenigsten Uni-Standorten so, dass man gute Jobs mit bombiger Bezahlung und niedrigen Lebenshaltungskosten vorfindet. Man muss also recht viel Zeit fuer die Geldbeschaffung aufwenden, wobei dann natuerlich fuer das eigentliche Studium nicht mehr ueberschwaenglich viel davon verbleibt. Dies zieht das Studium in die Laenge und in Zeiten, in denen alles teurer aber Löhne niedriger werden, schlaegt dieser Punkt umso mehr durch. Wenn dann auch noch Studiumsnotwendige Pflicht-Kurse schon von sogenannten Studenten des dritten Lebensalters - also meist Rentner, die nicht einmal studentische Beitraege oder Verwaltungsgebuehren bezahlen muessen um so voellig Sinnfrei und Ziellos studieren zu duerfen - besetzt sind und man wieder ein weiteres Semester nur mit Warten auf solche Kurse verbringt, dann ist das mehr als frustrierend. Wenn man dann sieht, dass Meisterschueler ihre Stipendien hinterhergeworfen bekommen und ohne jegliche Nachfrage genehmigt bekommen, gleichgueltig welche Mittel die Eltern vorzuweisen haben - wie das bei studentischem Bafög der Fall ist - versteht man die Welt nicht mehr.

Und fuer all diese Bemuehungen wird man auch noch bestraft. Dabei sollte doch die Sorge um die Zukunft vor allem eine Sorge um die hochqualifizierte Ausbildung der zukuenftigen Rentenbeitragszahler sein. Aber die sollen wohl vor allem von den Handwerkern bezahlt werden, die sowieso nur noch ums pure Überleben kaempfen muessen. Doch zumindest darf man, wenn man einen Meister gemacht hat, damit auch wieder auf die Uni studieren gehen. Zumindest theoretisch, denn wer nicht vorher erfolgreich die Schulbank gedrueckt hat, wird sich wohl kaum die notwendigen Grundlagen angeeignet haben, ein Studium auch durchzuhalten. doch wer ohnehin die Schulbank genuegend gedrueckt hat, ist sowieso qualifiziert fuer ein Universitaetsstudium - also nur eine weitere Luftnummer. Was sollte man dann aber auch auf einer Uni? Die ist doch angeblich soweiso viel zu teuer. Tja, aber studierende Meister werden ja auch keine kommen, das haetten sie ja mit ihrem Abi schon damals machen koennen. Ausserdem bezahlt das eine andere Kasse. So viel also zu der zukunftssicht der Landesregierung. Da genau beisst sich das ganze naemlich in den Schwanz.

Der Landeshaushalt wird durch die erhoehten Beitraege der Studenten um eine Summe gestuetzt, die bestenfalls unter Messfehler abzuhaken waere. Der Spareffekt bei den Universitaeten stellt sich auch nicht ein, weil die Anzahl der Kurse ja die gleiche bleibt, jetzt eben nur weniger Studenten darin sitzen, da die Vertriebenen ja in voellig anderen Kursen gewesen waeren. Es heisst vom Schefkoch jedoch, dass diese Ausgestossenen sich nun "Neu orientieren koennten auf dem Arbeitsmarkt." Aha, auf welchem Arbeitsmarkt denn? Etwa dem, der schon kaum hochqualifizierte Arbeitskraefte mehr aufzunehmen bereit ist, der fuer Arbeitssuchende, die faktisch keinerlei Qualifikation in papierner Form vorzuweisen haben ausser ihrer Jahrelangen Anwesenheit an einer Universitaet, ueberhaupt keinen Platz bietet, nicht einmal bei der Muellabfuhr? Der Arbeitsmarkt, der nach Auszubildenden sucht, die nicht nur qualifiziert von der Schule kommen, sondern auch noch jung genug sein sollen, der Menschen ueber zwanzig kategorisch ablehnt weil er ja aus dem vollen schoepfen kann? In einem Land mit abermillionen Arbeitslosen?

Najagut, die werden ja auch aus anderen Kassen bezahlt, mit denen der Schefkoch nichts am Hut hat und die zu Lasten der Gegnerischen Partei gehen. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe - wenn man denn welche kriegt - alles Gelder, die nicht zu Lasten seiner Landeskasse gehen. Aber was will man auch schon von einem Land erwarten, dessen Waehler offensichtlich keine schulpflichtigen Kinder haben. Denn denen haette doch zu allererst auffallen muessen, dass das Unterrichtsgarantieversprechen zur Wahl ebenfalls nur heisse Luft war. Angeblich hatte er das ja auch schon vor der Wahl eingehalten. Es muss aber wohl ein anderer Landkreis gewesen sein, denn alle von denen ich weiss, haben sich ueber staendige Freistunden beschwert. Eltern haetten dies gewusst, Grosseltern sicherlich auch noch.

Eigentlich kann er von so vielen ja gar nicht gewaehlt worden sein, denn neben den Studenten hat er auch gleich die haelfte der Polizisten und Sozialarbeiter eingespart. Wieder Kassen, die ihn treffen, ihm aber direkt recht wenig bringen, denn die Strafzettel gehen auf die Konten der Gemeinden, Nachschulungen ebenfalls und von den Geldern, die die Sozialaemter verwalten brauche ich wohl nichts mehr zu sagen. All die Menschen, denen die Sozialarbeiter in der Bewaeltigung ihres taeglichen Lebens geholfen haben werden auch einfach im Stich gelassen werden, wenn immer mehr Faelle von immer weniger Personal bearbeitet werden soll. Diese Sozialfaelle sind dann natuerlich anderer Leute Problem und bringen ja ohnehin keinen Gewinn mehr ein, wenn sie einem nur auf der Tasche liegen, was sie ohnehin tun. Zukunft? Fehlanzeige.

Die Öffnung der Handwerksordnung war wohl auch weniger von Belang und wiedermal nur gepraegt von Lobbyisten, die ihre Felle davonschwimmen sahen, denn diese wurde, wenn ueberhaupt, nur halbherzig betrieben. Der Meister stuende fuer Qualitaet, und die muesste erhalten bleiben, hiess es. Also heisst das mit anderen Worten, ein Geselle kann nichts, bevor er nicht diesen Schein in der Hand hat. Das heisst wohl auch, dass die Kunden nach der Qualitaet schauen und zum besseren gehen, wenn sie die Wahl haben. Wenn der Meisterbrief eine kostenlose Angelegenheit waere, koennte man vielleicht damit leben. Wenn man aber notwendige Inveistitionen in den Betrieb aufschieben muss, bloss um einen Meisterbrief zu machen damit man nicht noch einen Alt-Meister zusaetzlich anstellen muss bloss damit man rechtlich fuer die Selbststaendigkeit geeignet ist, wird das ganze ein wenig merkwuerdig. Wenn neben einem solchen Gesellen-Baecker, der seit Jahren einwandfreies und qualitativ hochwertiges Gebaeck verkauft dann aber eine Fastfood-Aufback-Station eroeffnet, dessen Geschaeftsfuehrer keinen Meister braucht, weil er ja nur billige Taiwan-Import-Teiglinge aufbackt - was rechtlich gesehen kein richtiges Backen darstellt, er dafuer also keinerlei qualifikation braucht - und diesen Mist dann zu einem Bruchteil des Preises des richtigen Baeckers verkauft zeigt sich schnell, wie viel der Meisterbrief eigentlich wert ist. Ok, ich sags direkt: NULL! Oder glaubt irgend jemand, dass in der Back-Shop-Kette auch nur eines der Brote oder Broetchen oder Teilchen die Hand eines Meisters aus der Naehe gesehen haetten? Wenn sich der Direktor einer Meisterschule im Fernsehinterview zu der Bemerkung hinreissen laesst "Ein maschinell hergestelltes Broetchen ist qualitativ von einem aus Meisterhand nicht zu unterscheiden." dann fragt man sich schon: Wozu dann? Ist nicht die korrekte Arbeit eines guten Gesellen mindestens genau so viel Wert wie die gequaelte Arbeit eines halbsenilen Altmeisters? Oh, ich vergas: Der eine hat nen Meisterbrief.

Die Zukuenftigen Generationen werden weggespart, die heutigen bekommen Steine in den Weg gelegt wo es nur geht. Schöne neue Welt.

Wenn die Waehlerstimme die Waffe des Volkes ist, wieso richtet es diese dann so oft gegen sich selbst?