1001 Worte über "Leben braucht Stess"
Es ist gewissermassen ein geflügeltes Worte, jenes Zitat das vom Altmeister selbst stammen könnte: "Leben braucht stress".
Natürlich wünscht man sich eine harmonische Welt, ohne Elend, Kriege, Hunger, Verkrüppelungen und Behinderungen, eine Welt in der es keinen Tod und kein Leid mehr gibt. Doch wäre das tatsächlich so gut für uns? Würde sich dadurch wirklich der Sinn unserer Existenz erschliessen?
Wohl kaum, denn wenn alles so perfekt angefangen hätte, dann wären wir erst gar nicht so weit gekommen wie wir heute, nicht nur technisch sondern auch als Spezies, sind.
Was wäre denn, wenn wir beispielswiese Flügel hätten? Hätten wir dann etwa interesse daran gehabt, so etwas wie Flugzeuge zu entwickeln? Hätten wir dann all die Grundlagen dafür entwickeln müssen, die mathematischen Formeln schaffen müssen? Hätten wir die Ärodynamik erforschen müssen oder all die anderen, technischen Notwendigkeiten, die für den Bau eines Flugzeugs notwendig sind? Natürlich nicht! Wozu auch? Genau so verhält es sich in vielen anderen Bereichen. Wozu eine Sehverbesserung basteln, wenn man bereits alles sehen kann? Wozu ein Auto bauen, wenn man bereits selbst so schnell wie ein Gepard rennen kann? Wozu überhaupt Häuser bauen, wenn man ein wasserdichtes und wärmendes Fell besitzt? Wozu künstliche Körperteile entwickeln, wenn sie einem ohnehin nachwachsen würden? Wozu überhaupt sich für irgend etwas anstrengen, wenn es die Natur einem völlig frei feil bietet?
Es war immer schon der Stress, der jegliche Evolution angetrieben hat. So ist es nicht verwunderlich, dass diese drei Worte das Mantra der Evolutionsbiologen geworden ist, denn schon im allerersten Grundlagenbuch, "Der Ursprung der Arten", war die Anpassung einer bestimmten Vogelart an ihre äusseren Umweltbedingungen der zentrale Punkt der Beobachtungen. Damals wie heute waren es Finken, die als Beispiel herhalten mussten und auch heute kann man ein neues, solches Beispiel anführen.
So hat auf den Galapagosinseln das Wetterphänomen El Nino als Äusserer Einfluss ganze Arbeit geleistet und für die Entstehung von Vampirfinken gesorgt. Denn während es auf der einen Seite für Fische optimale Bedingungen geschaffen hat, wurde durch die veränderte Wetterlage eine, die normalen Finken betreffende, Dürre hervorgerufen. Die Finken der Insel mussten sich anpassen um zu überleben und wanderten in einen anderen Teil der Inselwelt ab, auf dem es von Tölpeln nur so wimmelte, die sich vorwiegend von den nun in Hülle und Fülle vorkommenden Fischen ernährten. Irgend einer der Finken muss wohl einen verletzten Vogel erwischt haben, an dessen Wunde er sich an dem heruntertropfenden Blut laben konnte, was sich herumgesprochen hat. Heute haben diese Finken nicht nur techniken entwickelt, sich der Eier der Tölpel zu bemächtigen und diese zu zerbrechen, sondern sie setzen sich auch ganz dreist direkt auf die Verwandschaft und picken ihnen die Federkile auf um ihnen das Blut direkt aus dem Körper saugen zu können. Der neue Name "Vampirfink" trifft also perfekt den Tatbestand und ihr Verhalten hat auch bereits dazu geführt, dass sich der Körperbau der kleinen Tiere verändert hat. So sind ihre Beine wegen der Eierjagd kräftiger geworden und der Schnabel etwas spitzer als bei ihrer Elternverwandschaft, die zurückgeblieben waren und sich nach wie vor von Früchten etc. ernähren.
Dieses Paradebeispiel der Evolutionslehre lässt sich in dieser engen, biologischen Form natürlich nicht direkt auf den Menschen übertragen, auch wenn wir in den letzten Jahrhunderten bereits etwas grösser geworden sind. Sucht man nach tiefergehenden Anpassungen muss man schon nach Knochenformationen im Innern unseres Schädels suchen, der dafür verantwortlich ist, dass unser Gesicht im Vergleich zu unseren Vorfahren so viel flacher geworden ist, was dem Gehirn wiederum mehr Raum geschaffen hat sich zu entwickeln - wie auch immer die Kausalität zwischen diesen drei Dingen aussehen mag. Für diese Entwicklung muss man jedoch bereits einige viele Jahrtausende in der Vergangenheit graben, wohingegen man für unsere technologische Evolution nicht so grosse Zeiträume betrachten muss um das Dogma als bewiesen betrachten zu können.
Krieg trieb schon immer die technische Entwicklung an und die Angst vor dem nächsten Krieg und der Wille zur Überlegenheit in eben jenem treibt nicht nur Regierungen, sondern eben auch Forschergeist an. Die drohende Gefahr ist also im gleichen Licht zu betrachten wie die körperliche Belastung im Angesicht eines Raptors zur Zeit der Dinosaurier
jaja... hinkt etwas... ;-)
. Waren es anfangs bloss neue Waffen, aus denen mit der Zeit friedlichere Werkzeuge wurden - von der metallurgischen Entwicklung für bessere Schwerter profitierte dann auch die zivile Wirtschaft in Hinblick auf Tischkultur oder auch Schmuck - so waren es später die Werkzeuge zur Waffenherstellung, welche weiterverwendet wurden. So kommen die Teflonpfannen etwa aus dem Projekt Manhatten, also dem Bau der ersten Atombombe, und Akkuschrauber wurden offenbar erst auf den ersten Weltraummissionen als notwendig angesehen. Selbst die Miniaturisierung von Recheneinheiten, heute Mikroprozessoren genannt, war eine Anforderung des Militärs, welche in ihren Flugzeugen die Flugbahn von Atomraketen vorhergesagt haben wollte. Und die materialisierte Form des Anzugs des Iron-Man, welche bereits zumindest rudimentär realisiert wurde entstammt dem Wunsch eines staatlichen Kriegsherren, der einen Comic zu viel gelesen hatte, welcher wiederum aus einer fundamentalen Kriegsangst geboren wurde.
Und wenn es nicht gerade der Krieg ist, welcher unsere Fantasie antreibt, so ist es doch der Wille einen Misstand zu beseitigen, mit dem man ein genügend grosses Problem hat, um es mit der ausreichenden Energie anzupacken. Ich brauche ein Werkzeug, um meine Arbeit schneller und mit weniger Leistungseinsatz erbringen zu können, welches es aber nicht gibt, so baue ich mir eines. Ich empfinde einen Misstand zwar als gerade noch akzeptabel aber doch irgendwie als störend, so beseitige ich diesen. Und wenn ich für diese Neueinrichtung etwas tiefer greifen muss, erst einmal eine technologie erforschen muss die ich als Grundlage dafür benötige, so werde ich eben etwas länger dafür brauchen.
Doch bisher hat der Mensch nicht einmal auf seine äusseren Einflüsse reagieren müssen, hat sich kaum mehr als in seiner Anfangszeit gegen Naturkatastrophen lokalen Ausmasses erwehren müssen. Wie er sich also in Zukunft entwickeln wird, wenn sich die Erde und ihre Biosphäre in globalem Ausmass verändern wird, ist noch gar nicht abzusehen. Abzusehen ist hingegen, dass diese Veränderung so schnell vonstatten gehen wird, dass es weniger das Leben ist, welches sich dieser Veränderung anpassen wird, sondern dessen Resultat - die Technologien, die der Mensch geschaffen hat. Alles andere wird wohl aufgrund der zu langen Generationenzyklen auf der Strecke bleiben, da sie sich nicht schnell genug anpassen können, da der Stress zu gross ist und zu schnell gekommen ist. Die Eiszeiten kamen ja auch nicht über Nacht, beziehungsweise in einigen Jahrhunderten, sondern brauchten schon einmal ihre tausende Jahre um sich auszubreiten, und gaben dadurch den Tieren eine realistische Chance, zumindest in andere Regionen zu flüchten.
Heutiger Existenzstress evolutionärer Grössenordnung wird wohl nur vom Menschen dank seiner hochentwickelten, technisierten Lebensweise überstanden werden - und natürlich von den Insekten, deren Zyklen kurz genug sind und die ohnehin hart im Nehmen sind. Abzusehen ist dabei die Entwicklungsrichtung des Menschen kaum, greifen doch die Gegenmassnahmen gegen die globale Erwärmung aus allen Töpfen modernster Technologien, sowohl der Materialwissenschaften wie auch der Informationstechnologie zur Vorhersage der Auswirkungen unseres Tuns bis hin zu nanotechnologischen Ansätzen uns gar selbst neu zu erschaffen und sogar der Gentechnologien, um angepasstes Leben gleich selbst zu erschaffen.
Ganz abgesehen von biologisch-geologisch-evolutionären Stressfaktoren gibt es allerdings auch die wirtschaftlichen Situationen. Gelöst wurden diese bisher ebenso dogmatisch wie jene Massnahmen gegen den Klimawandel, der doch eher weit von jeglicher Logik entfernt ist
"Es ist zu teuer das Klima zu retten!"... (ohne Worte)
. Als es nämlich an die Umwandlung eines gesamten Wirtschaftssystem hin zum kapitalismus ging - zu nennen sind hier konkret die Fälle DDR, Irak und Sovietunion - da meinten die amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler, dass man dies durch einen Schock vollziehen müsse, und zwar müsse man möglichst schnell alles, was bisher Staats- oder Volkseigentum gewesen war einfach zu einem mehr oder weniger angemessenen oder selbst symbolischen Preis an irgendjemanden - vorzugsweise Inländer, aber nicht zwangsweise - verkaufen, damit dieser sich dann um die Weiterführung des Betriebes kümmere und die Wirtschaft im neuen Sinn zum Laufen bringt. Dies hat in der DDR einigermassen funktioniert, hat im Irak schon zu mehr Chaos geführt als es überhaupt hätte bringen können und in der Sovietunion hat man dieses Experiment nach kurzer Zeit abgebrochen da maneingesehen hat, dass es nicht funktionierte. Wenn China nicht seinen eigenen weg zu einer wirtschaftlichen Mischform gefunden hätte, so wäre das entstandene Chaos sicherlich von globalem Ausmass gewesen und hätte auch die amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler ganz konkret auf ihrem Konto getroffen. Aber natürlich war deren Gegenargument, dass "Der Schock einfach nicht gross genug gewesen war!", man also noch mehr in noch kürzerer Zeit hätte machen müssen.
Durchaus auch eine Auslegung des Satzes "Leben braucht Stress" ...