Caesars neue Waffen

 

(Von Ingmar Hensler)

 

Mit was würden wohl zukünftige Kriege geführt?

Caesars Antwort wäre wahrscheinlich eine Spekulation auf die Art, Ausführung und Reichweite, das Material und die Geschwindigkeit von Speergeschossen gewesen. „Mit Pfeilen, die schneller fliegen, als das Auge erkennen kann, die ein Dutzend Krieger tödlich durchbohren und dann noch immer durch einen Schild hindurchfliegen wie durch Butter, die so schnell abgeschossen werden können, dass der Schütze gar nicht mehr selbst nachladen muss und die so schnell verschossen werden können, dass er auch nicht mehr allzu genau und lange zielen muss. Geschosse abschießend, die im Hundert kaum mehr eine Sesterze kosten und die selbst von Kindern gefertigt werden könnten aus Dingen, die im Überfluss vorhanden sind.“ Es wäre im Wesentlichen ein Extremum dessen gewesen, was er sich in seiner Zeit mit seinen technischen Möglichkeiten vorstellen konnte, was für die damalige Zeit und Technologie gerade so für erreichbar gehalten wurde und im Rahmen ihrer Fantasie lag.

Doch Technologie, Wissenschaft, Technik entwickelt sich weiter, der Fortschritt ist nicht aufzuhalten und so hat sich im Laufe der Zeiten auch immer wieder Art und Weise der Kriegsführung geändert. Es gab Zeiten von Pfeil und Bogen, Zeiten von Kriegern auf Pferden mit Lanzen, Zeiten von Schiffen mit Kanonen, Zeiten von Giftgasen, Zeiten von Atombomben. Man muss schon von Glück reden, dass es zumindest bisher keine Zeit der Kriegsführung mit biologischen Viren gab, auch wenn virale Kriegsführung bereits im vollen Gange ist, denn heute haben wir die Zeit der medialen Kriegsführung.

Bereits hier erkennt man schon die offensichtliche Unvorstellbarkeit dieses neuen Schlachtfeldes für unsere Vorgängergeneration. Wer hätte sich noch gegen Ende des letzten Jahrtausends vorstellen können, dass es so etwas wie das Internet in jede Glühbirne, Heizung, Uhr oder Toaster schaffen würde, dass die Telefone die Größe eines kleinen Taschenrechners erreichen würden und dabei die Rechenleistung eines Cray-Supercomputers bei weitem übertreffen könnten - auch wenn beide Entwicklungen im Grunde durch den banalen, technischen Fortschritt absehbar gewesen waren. Und wer hätte sich all das vorstellen können, was wir heute bereits mit diesem Medium Internet anzustellen wissen, im Guten wie im Schlechten. Dabei stehen wir gerade erst am Anfang dieser Entwicklung, ist das Internet kaum älter als ein Uni-Absolvent.

Die Tatsache, dass man überhaupt in und durch soziale Medien Kriege führen könnte, dass man durch künstliche Intelligenzen und deren Äußerungen in diesen Medien die Meinung gesamter Völker steuern könnte, war bis vor Kurzem noch unvorstellbar, wenn auch nur wegen rein technischer Herausforderungen. Durch die Meinungsumfragen der Regierungen hat man dann zumeist auch bereits die Handlungen dieser Regierungen gesteuert und Freunde oder Feinde in Konflikten geschaffen.

Nun kann man sich natürlich an Fermis Paradoxon

Wenn es eine andere Spezies gibt, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sie sich innerhalb weniger hunderttausend Jahre über die gesamte Galaxie verbreitet hätte - oder eben es gibt noch keine und wir sind die Ersten!

festhalten und seine Schlussfolgerungen schließen, die im bittersten Fall sicherlich zu ähnlichen Resultaten führen würde

Eine Ableitung von Fermi ist, dass die Außerirdischen zwar da sind, sich aber so sehr nicht bemerkbar machen, dass davon auszugehen ist, dass sie uns in einer Art Naturschutzgebiet eingezäunt haben mit Technologien, von denen wir nichts merken.

. Doch Gedanken über den Fall der Fälle haben sich schon viele Filmemacher gemacht, die allzu oft zu dem gleichen, visuellen Ergebnis gekommen sind. Immer war es ein großes Raumschiff, das mit einer Strahlenwaffe und einer Energieschildpanzerung auf die Menschheit losgeht - das sind exakt die Grenzen unserer Fantasie, die aktuellen Grenzen unserer technischen Fähigkeiten und auch die Grenzen unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse.

All diese Einschränkungen treffen aber sicherlich auch auf die Vorstellungskraft der alten Römer zu, auf die Erkenntnisse der Gelehrten des letzten Jahrhunderts und auf die Ängste der Steinzeitmenschen, wenn es um die Furcht vor einem übermächtigen Gegner ginge.

In der rein menschlichen, globalisierten Welt mag dies auch noch zutreffen. Im dritten Jahrtausend, in dem der gesamte Planet so gut wie jedem bekannt ist und es keine primitiven Wilden im eigentlichen Sinne mehr gibt, die nicht zumindest mit einem Mobiltelefon herumlaufen. Doch noch vor wenigen hundert Jahren war es ohne weiteres möglich, eine entlegene Insel zu entdecken und dafür, dass man mit einer Schusswaffe auf einen Vogel geschossen hat, als Gott gefeiert zu werden. Die technische Unvorstellbarkeit dieser in diesem Moment überlegenen Technologie sorgte dafür. Manchmal reichte es hier, einfach eine Schusswaffe abzufeuern, später musste es bei dem ein oder anderen Regenwaldvolk dann schon ein Flugzeug sein, mit dem man als Gott von über den Wolken zu ihnen herabgestiegen kam.

Was wäre wohl in der heutigen, nahezu aufgeklärten Welt der Technologieanbetung schon weitaus schwieriger, durch etwas, das durch den Menschen des dritten Jahrtausends nicht als einfache, höher entwickelte Technologie entlarvt werden würde, als Gott angebetet zu werden. Würde Unverwundbarkeit, Unsterblichkeit, unbegrenzte Körperkraft bereits ausreichen oder müssten dafür dann schon Tote wiedererweckt werden können? Wie wäre es mit Fliegen oder Dinge aus dem Nichts zu erschaffen? Menschen durch Handauflegen Heilen oder Pflanzen in seiner Umgebung wachsen lassen?

Die Fähigkeit als solche würde vielleicht nicht einmal so sehr einen Unterschied zu einem normalen Menschen der Zukunft machen, aber wenn man sie im passenden Kontext einsetzt, das richtige Publikum zur richtigen Zeit findet - wie eben der Flieger und das primitive Buschvolk - dann ist eine Anbetung zumindest als Halbgott sogar ähnlich wahrscheinlich wie die Verführungsmacht des Nationalsozialismus zum Dritten Reich.

Jedoch wäre tatsächlich all dies noch vorstellbar, wäre es durch unseren eigenen, technologischen Fortschritt sogar noch irgendwie erklärbar. Die Inversion des Asimovschen Gesetzes zur Magie

„Jede hinreichend entwickelte Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“

, nämlich die Frage, wie weit etwas entwickelt sein muss, damit es von uns als Magie anerkannt werden würde, bringt uns der Frage nach der Unvorstellbarkeit zukünftiger, außerirdischer Angriffswaffen dabei schon näher.

Tatsächlich gibt es in der aktuellen Popkultur den einen oder anderen Ansatz, welches Mittels es für eine fremde Macht bedürfte. So wird bei „Colony“ von den Invasoren eine riesige Wand einfach um eine gesamte Stadt gebaut dergestalt, dass einfach gewaltige, undurchdringliche Wände vom Himmel fallen und sich um die Stadt herum auseinanderfalten, sie so einzuschließen beginnen. Dennoch werden sie bloß als Invasoren erkannt und mit und gegen Technologie bekämpft. Als Götter gelten sie nur bei den geistig Schwachen, die die Gelegenheit nutzen, eine Religion um die Invasoren und den Tag des Jüngsten Gerichts zu konstruieren und Macht als Machtloser über Ohnmächtige auszuüben.

Es würde wohl tatsächlich ausreichen, wenn eine einzelne Person, die sich ihrer unmittelbaren Umgebung als unangreifbar, als übermächtig, als unsterblich darstellen könnte - sei es durch einen persönlichen Schutzschild oder durch extern herbeigeführte „Zufälle“ diverser Wächter - und dabei die Menschen auch in den Massenmedien von sich zu begeistern in der Lage wäre. Ein Seelenfänger gewissermaßen, der mit etwas psychischem Nachdruck die gesamte Bevölkerung um sich schart - weltweit. Auch dies wäre noch vorstellbar, wenn auch die Gehirnforschung in dieser Hinsicht nicht sonderlich weit fortgeschritten ist und etwas, das auch nur annähernd als Schutzschild zu bezeichnen ist, eher in den Bereich der Scienfe-Fiction zugehörig ist, ist es doch zumindest denkbar.

Doch welche tatsächliche technologische Übermacht wäre vonnöten? Was wäre das Undenkbare, das zu denken nun die Aufgabe ist? Eine Dimensionsverschiebung, die dafür sorgen würde, dass sich die Erde in einem Universum wiederfindet, in welchem keine Sonne zum Überleben des Planeten notwendig wäre? Eine Stimme dazu, die von überall her klingt und auf die jedes Lebewesen der Welt hört und sich ihrem Willen unterwirft? Eine spontane Entfernung aller Menschen vom Angesicht der Erde ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen, sämtliche Infrastruktur intakt zu behalten und am Besten direkt durch andere Platzhalter zu ersetzen, um so den Planeten funktionstüchtig zu übernehmen?

Zugegeben, all dies findet sich bereits in aktuellerer Science-Ficiton-Literatur. Es scheint also noch immer allzu denkbar zu sein.

Welche Grenzen der Vorstellung eines modernen Menschen muss man überschreiten? Wo muss die Reise hingehen, um sich auch nur unsere eigene Welt in eintausend Jahren vorzustellen, wo wir uns noch nicht einmal vor zwanzig Jahren hätten ausmalen können, wo wir uns heute technologisch befinden?

Es gibt den Begriff der disruptiven Innovation, einer entsprechenden, innovativen Neuentwicklung, die so bahnbrechend scheint, dass sie alles auf diesem Gebiet bisher da Gewesene in den Schatten stellt, übertrifft und schlicht als veraltet hinter sich lässt und abschafft. Für Pferdekutschen waren dies die Automobile, für den Eislieferanten waren dies die Kühlschränke, für die CD war dies die Musikverfügbarkeit über das Internet, für die Wochenschau im Kino war es die Tageschau im Fernsehen ist es die Nachrichtenseite im Internet, für das Mobiltelefon war es das Smartphone, für den Verbrennungsmotor in Autos und Zweirädern ist es nun der Elektromotor.

Zukunftsforscher beschäftigen sich im Wesentlichen mit nichts anderem als dem Versuch, solche Dinge vorherzusagen, und scheitern allzu oft dennoch. Denn wenn es nach ihnen ginge, würden wir heute bereits seit langem mit fliegenden Autos zur Arbeit kommen und unsere Städte auf dem Meeresboden oder in fliegenden Kuppeln bauen. All dies ist prinzipiell möglich, Pläne dafür gibt es seit längerem, gebaut worden ist jedoch der geringste Teil davon, fliegende Taxis sind gerade in der Entwicklung, und auch wenn es selbstfahrende Autos bereits gibt, sind sie doch eher eine Randerscheinung der gerade den Markt übernehmenden Elektroautos und damit eine eher vorhersehbare Technologieänderung, die im Wesentlichen bereits seit Jahrzehnten auf dem Markt ist.

Auf der einen Seite könnte die Menschheit auch schlicht von Aliens mit gewaltig großen Keulen mit riesigen Nägeln

Referenz: Die Simpsons

vernichtet werden, auf vollkommen konventionelle Art und Weise, anstatt mit jahrtausendeweit entfernten Zukunftstechnologien, gegen die es für uns schlicht keine Verteidigung gäbe. Auf der anderen Seite sind die Gefahren, dass wir uns mit unseren gestrigen Technologien selbst auslöschen eher noch größer.