1001 Worte ...

Erfahrungen mit der Alternative

(Von Ingmar Hensler)

 

 

Neulich dachte ich mir: “Probierst mal ne Alternative aus …”

Also hab ich mir so eine DVD bei einem Freund ausgeliehen, der sie zwar hat, aber nicht mehr benutzt. Das war schon ein Abenteuer für sich, denn man braucht ja nicht nur den Datenträger an sich, sondern auch noch irgend so nen ellenlangen Nummerncode, den man bei der Installation eingeben muss, um das überhaupt zu dürfen - regelrecht absurd. Dabei habe ich schon davon abgesehen, die allerneuste Version probieren zu wollen, davon habe ich nämlich breitflächig abgeraten bekommen.

Die Installation verlief dann relativ zügig. Vom Datenträger gestartet hatte ich dem System extra eine extra Festplatte spendiert, um es nicht zu schwierig werden zu lassen und ihm eine richtige Chance zu geben. Dass die Platte nicht die Erste im System war, hat zum Glück trotzdem funktioniert - für ein Betriebssystem von diesem Distributor ist das alles andere als selbstverständlich, da habe ich schon die schlimmsten Erfahrungen mitmachen müssen. Ebenfalls recht fix ging das Aufspielen der größeren Datenmenge von der DVD. Meine Erwartungen waren in Anbetracht dieses Datenvolumens folgerichtig recht hoch, wenn man bedenkt, was ich sonst so gewohnt bin, welche Massen an ausgesuchten Anwendungen für alle möglichen Anwendungsgebiete bei einer Standardinstallation auf meiner Platte landen und mich schon vom Start weg, faktisch bereits während der Installation selbst, arbeiten lassen. Ohne großes Nachfragen wurde die Kopiererei, und sogar die Anfangskonfiguration, dann aber durchgezogen.

Der erste Start war ebenfalls recht fix und ich konnte auf den Bildschirm schauen, den ein großer Teil der Bildschirmarbeiter nach wie vor benutzen müssen ohne die Möglichkeit einer Veränderung - zumindest nicht so, wie ich das gewohnt bin. Die angeschlossene Hardware funktionierte im Großen und Ganzen und der Zugriff auf das Internet ging dank in meinem Netz vorhandener DHCP-Server ebenfalls automatisch. Sogar ein paar kleine Spielchen waren dabei, auch wenn sie mir nicht ganz zusagten. Der Bildschirmhintergrund war nett anzuschauen, die Fenstericons rechts statt links und die Schnellstartleiste zur Taskleiste ebenso zuschaltbar wie die Statusicons für Bluetooth oder die Lautstärkeregelung.

Das war dann aber leider auch fast schon alles Gute, was man dazu sagen kann. Es funktioniert halt - irgendwie. Bis man versucht, etwas zu machen.

Mein erster Versuch, mit der Dateiverwaltung auf meinen Server zuzugreifen, konfrontierte mich mit einem Hilfsprogramm, das nicht sonderlich zielführend war. Der Griff zur Kommandozeile war jedoch schnell und die Verbindung ein NET-Kommando später auch schon hergestellt. Der weitere Versuch, einige Videos aus meiner Sammlung abzuspielen lief ebenfalls ins Leere, denn das System erkannte den entsprechenden Codec nicht. Es bot allerdings auch nicht an, entsprechende Dateien nachzuladen oder irgendeine andere Lösung durchzuführen. Office-Dokumente wollte es ebenfalls nicht anzeigen und produzierte mit dem mitgelieferten Text-Programm Wordpad bloß Datenmüll auf dem Bildschirm. PDF war der nächste Fehlschlag, animierte GIFs bloße Standbilder und von der angeschlossenen Webcam - es war sogar eine von der gleichen Herstellerfirma - konnte ich in Ermangelung eines entsprechenden Programms ebenfalls kein Bild empfangen. Ich führte dann erst einmal ein Systemupdate mit dem mitgelieferten Programm durch. Nach mehreren Stunden war die erste Phase hierbei abgeschlossen und alle Dateien heruntergeladen und installiert. Einen Neustart später schaute ich erneut nach Updates und siehe da, das System fand schon wieder einen ganzen Haufen. Und sogar noch ein weiteres Mal trieb es dieses Spielchen, wenn beim dritten Mal dann auch bloß noch mit einer Hand voll Dateien. Aber ich wollte dem System ja eine Chance geben und hakte dies als Neuinstallationssschluckauf ab, der jetzt bestimmt vorbei wäre.

Der nächste Schritt war dann natürlich, dafür zu sorgen, dass ich an all meine Daten rankam, dass ich mit meinen Dokumenten arbeiten, meine Videos zumindest anschauen konnte, dass ich sicher im Internet surfen, meine Mails abrufen konnte. Folgerichtig suchte ich anfangs nach der Softwareverwaltung, um all das darüber herunterladen zu können. Dummerweise gab es das unter diesem System nicht in der gewohnten Form, sondern war bloß zum Entfernen von Programmen geeignet. Ich musste also jedes meiner Lieblingsprogramme von Hand von der Quellseite im Internet herunterladen und installieren - und das alles ohne einen vernünftigen Downloadmanager und mit dem ständigen, bestimmt gut gemeinten Nachfragen des Systems, ob man das denn auch wirklich wolle.

Einen geschlagenen Tag später war ich dann fertig mit all den Downloads und Installationen, die in keinster Weise zu automatisieren oder am Stück abzuarbeiten schienen, immer wieder irgendein OK brauchten und oftmals am Ende sogar einen Neustart des Systems verlangten. Letzteres habe ich jedoch immer bleiben lassen - wozu braucht auch ein Webcam-Program nen Systemneustart? Von den angeblich abertausend Treibern für alle möglichen Systemkomponenten und Hardware habe ich jedenfalls reichlich wenig gemerkt, vielmehr wollte das System für den vollen Zugriff auf Mainboard-Komponenten oder Grafikkarte jedes Mal die Treiber-CD des Herstellers haben - automatisches Herunterladen des aktuellsten Treibers gab es nicht. Und hier habe ich noch die Suche nach entsprechenden Codecs für meine Filmesammlung ausgelassen - die gibt es nämlich nicht in autorisierter Form. Einzig ein paar Codec-Packs findet man auf den Internetseiten von Fachzeitschriften, die diese jedoch gleich dutzendweise installieren wollen/können und ein paar Dienstprogramme zur Fehlerbekämpfung gleich mitliefern.

Ein komisches Gefühl hat man bei der Installation all dieser Dinge natürlich schon, denn wer weiß schon so genau, was all diese Programme wirklich noch alles im System anstellen, wer hinter dem Download steckt oder ob irgendeine Komponente davon womöglich gar nachträglich kompromittiert wurde. Hier gibt es keine Garantie für irgendetwas.

Jenseits dessen endete ich in einem Betriebssystem, das mich im Normalfall Geld gekostet hätte, mir weniger Grundsicherheit bietet als mein Stammsystem, mehr Arbeit für Serviceaufgaben von mir verlangt und auf dem ich im Endeffekt mit den gleichen Anwendungen arbeite, wie sonst auch immer. Einzig die Verfügbarkeit von Spielen ist hier zuverlässiger, weil sie meist für dieses System programmiert wurden - zum Laufen habe ich sie bisher jedoch trotzdem immer gekriegt.

Die Oberfläche ist sicherlich Geschmackssache. Man kann sie einfach mögen. Wenn man jedoch etwas Richtiges gewohnt ist, wenn man die Möglichkeiten eines modernen Desktops kennt, dann sieht all das schon sehr altbacken aus. Das Startmenu sortiert sich scheinbar immer wieder selbst, zeigt nicht alle verfügbaren Anwendungen an, hat aber immerhin eine ausgesprochen brauchbare Suchfunktion zum Finden und starten von Programmen. Die Taskleiste zeigt ein Vorschaubildchen, wenn man mit der Maus darüber fährt, gruppiert aber leider auch Fenster. Die Schnellstartleiste gibt es erst nach einem Griff in die Einstellungen ebenso wie die Statusicons von Dienstprogrammen rechts unten. Dass der Dateimanager standardmäßig keine Baumstruktur anzeigt, scheint eine der Wirren der aktuellen Zeit zu sein und ist leider bei vielen neueren Systemen zu finden. Die Möglichkeiten der Dateioperationsdialoge sind jedoch sehr begrenzt, und dass für jede Aktion ein eigener Statusdialog geöffnet wird, scheint als unglaubliche Platz- und Fensterverschwendung, die einem irgendwann zwangsweise den Überblick raubt - selbst bei mehreren Bildschirmen.

Spätestens hier hatte ich dann kaum mehr Lust, mit diesem Fenstersystem zu arbeiten. Nicht nur, dass man für einfachste Fensteraktionen wie das Ändern der Größe oder Position immer exakt die richtige Stelle - einen Rand oder die Titelleiste - treffen muss, es gibt auch keinerlei sinnvollen Automatismen zum Einrasten oder Sortieren bei mehreren Bildschirmen. Dass man Fenster an den Bildschirmrand ziehen kann, damit es eine Hälfte ausfüllt, funktioniert eben nur bei einem einzigen Bildschirm recht gut, wenn man nicht an mehrere denkt, endet man mit ganzen 2 Monitoren Platz zwischen den geteilten Fenstern. Wenig zielführend.

Diese funktionale Dissonanz spiegelte sich aber auch beim Spielen von Vollpreisspielen wieder, nämlich wenn ich versuchte, neben dem Spielen noch irgendetwas nebenher zu machen - und sei es nur einem Download beim Vervollständigen zuzuschauen. Dies ging schlichtweg nicht! Zumindest war dies in den Fällen der Fall, die ich spielen wollte. Wenn das Spiel startete, dann startete es im Vollbildmodus. Das wäre kein Problem, wenn es sich auf allen Bildschirmen ausbreiten würde, was es nicht tat, oder aber wenigstens die anderen Bildschirme nicht schwarz schalten würde, so dass man den Inhalt der restlichen Arbeitsoberfläche noch sehen könnte. Vielleicht hätte ich selbst damit noch leben könne, man muss auch nicht ständig den Facebook-News lauschen oder ein Auge im Google-Plus-Stream haben, noch lade ich ständig irgendetwas herunter, dem ich zuschauen müsste. Angechattet werde ich aber doch des Öfteren, die Notwendigkeit der quasiparallelen Bedienung ist also gegeben. Dafür hatte ich immerhin zwei Möglichkeiten: Aus dem Vollbildschirm auf die Arbeitsoberfläche und zurück wechseln oder die Anwendung in den Fenstermodus versetzen und dann die Anwendung wechseln. Letzteres funktionierte nur in Ausnahmefällen, weil das Spiel die Maus exclusiv besitzen möchte und sie selbst dann nicht abgibt, wenn sie nicht im Fokus. Vollbildschirmspiele jedoch scheinen nicht korrekt wiederhergestellt zu werden, wenn man zu ihnen zurückkehrt. So blieb der Bildschirm reproduzierbar schwarz, wenn ich weiterspielen wollte, auch wenn die Hintergrundmusik noch funktionierte. Das Ding funktioniert taugt für mich nicht mal recht zum Spielen, selbst wenn mehr Spiele verfügbar sind.

Nach ein paar Tagen Abstinenz von diesem Hindernis stieß mich die Presse auf irgendwelche Sicherheitslücken einiger Programme, die ich dort installiert hatte. Die Beseitigung auf meinem Arbeitssystem war das Ausführen des Systemupdates. Die Erwartung, dass es bei jenem Alternativsystem zumindest ähnlich einfach von statten ginge, wurde jedoch jäh enttäuscht. Das Ausführen des Systemupdates machte leider nur genau das - das Basissystem zu aktualisieren. Da aber leider noch nicht Dienstag war - aus irgendeinem Grund gibt es selbst sicherheitsrelevante Aktualisierungen von dieser Firma nur an Dienstagen - hielten sich die Aktualisierungen in Grenzen. Vor allem jedoch gab es keinerlei Korrektur für irgendeines der von mir nachinstallierten Programme. Nichts für Office, Medienspieler, Codecsammlung, Webbrowser oder Mailprogramm.

Der Gedanke, dass ich jetzt wieder einige Stunden mit händischem Aktualisieren verbringen könnte, ließen mich spontan das System löschen und mit sinnlosen Youtube-Videos füllen, was mir immer noch als eine sinnvollere Verwendung dieser Festplatte vorkam als für dieses Betriebssystem.

Am Ende meiner kleinen Selbsterfahrung bleibt die Lehre, dass Microsoft Windows ein vollständig rückständiges Betriebssystem ist, das dem Anwender so viele Steine in den Weg zur täglichen Arbeit legt, dass alleine der Aufwand für Systemwartung mehr Geld kostet als ein unnötiger Wartungsvertrag mit einem kostenlosen Linux und einem Desktop meiner Wahl.