Dem Jeck ist kalt!

 

 

 

Es wird die närrische Jahreszeit genannt, die Fünfte. Beginnen wird sie wie in jedem Jahr am 11.11. - der doppelten Doppelzahl wegen. Das ist aber auch schon irgendwie das einzig konsistent Festzuhaltende. Außer vielleicht, dass trotz aller Wetterwechsel die entsprechenden Fastnachtsumzüge in regelrecht eisiger Kälte stattfinden.

Man sieht sie an den Straßenrändern stehen, auf den Umzugswagen herumwinken und Dinge werfen, aber gemeinsam haben sie auf jedem Fall, dass ihnen allen kalt ist. Die Funkenmariechen mit ihren arschkurzen Röckchen beißen die Zähne zusammen, die Kostüme der anderen sind meist sichtbar dick unterpolstert, manchmal schneit es einem sogar um die Ohren und es fällt nicht sonderlich schwer sich vorzustellen, dass diese Umzüge sogar noch besser besucht wären, wenn man nicht davon ausgehen müsste, für die nächsten paar Tage gesamtfamilienweise das Bett hüten zu müssen.

Natürlich begründet sich der Termin historisch gesehen als gebunden an kirchliche Feste. Es ist die Zeit, in der nochmal ordentlich gefeiert wird, bevor an Aschermittwoch die sechs Fastenwochen als Vorbereitung auf das Osterfest beginnen. Ostern wiederum ist auf den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling terminiert und zwar seit 1700 Jahren. Fast alle anderen, kirchlichen Feiertage richten sich ebenfalls nach dieser Rechnung. Aber erst seit dem 14. Jahrhundert finden überhaupt erst die Karnevalsumzüge statt.

Ursprünglich war aber diese Zeit nicht einmal ein heidnisches Fest, welches das Christentum annektiert hätte, wie viele andere Feste auch, sondern es war schlicht die Zeit, in der die Vorräte des Winters gegessen werden mussten, bevor diese endgültig verdorben waren. Mit der Zeit ist hieraus ein traditionell ausgelassenes Fest geworden, denn man kann sich leicht vorstellen, was mit Früchten passiert, wenn diese zu lange liegen. Auch gegorene Früchte entwickeln Alkohol. Dass sich daran dann eine gewisse Enthaltsamkeitszeit anschloss, ist selbsterklärend.

So viel mit den eigentlichen Kirchenfesten hat dies also eigentlich gar nicht zu tun, auch wenn es sich eben terminlich an diesen ausrichtet. Natürlich ist es als westlicher Christ opportun einen gewissen Respekt gegenüber Glaubenstraditionen hegen und nicht gerade in die Fastenzeit ein Volksfest der Völlerei terminieren. Doch gerade in Anbetracht der sich offensichtlich auswirkenden Klimaveränderung könnte man überlegen, ob es nicht dem Volkswohl gut täte, wenn es eben nicht unvernünftig gekleidet in Massen auf den Straßen tanzt, schwitzt und eben auch friert.

Just sind diese Zeilen der Überlegungen und des Grübelns geschrieben, ereilt die Zeit auch schon ein Jahr, in welchem es ausgerechnet am Tag der traditionellen Rosenmontagszüge eine Sturmwarnung des Wetterdienstes gab. Viele Umzüge fanden dennoch statt und hatten kaum Probleme mit dem Wetter, an dessen Kapriolen man sich ja mittlerweile gewöhnt hatte. Aber bei einigen Umzügen, die für ihre aufwändigen Motivwagen bekannt sind, zog man die Vorsicht dem Verlust vor und sagte sie schlicht ab, versprach einen späteren Ersatztermin.

Es geht also doch.

Besucht war der Zug - und einige andere, die ebenfalls abgesagt hatten - ebenso gut wie an dem Originaldatum, die Menschen hatten offenbar keinerlei Probleme damit, den geschichtlich-religiösen Bezug zu ignorieren.

Da stellt man sich doch alsbald die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, die gesamte Karnevalszeit auf einige Wochen nach Ostern zu verlegen. Da wäre es bereits ein bisschen wärmer, das Wetter generell nicht gar so frostig und in einer Zeit der Überversorgung existiert sowieso keine notwendige Kopplung an noch existierende Vorräte mehr.

Oder am besten gleich auf den 31. Oktober, da ist seit einigen Jahren ja auch immer noch warm.

Denn vor einigen Jahren wurden von Staatswegen sämtliche Umzüge abgesagt weil gerade irgendwo auf der Welt krieg war. Zum Ausgleich forderte die Fastnachts-Zubehör-Industrie dann von der Regierung einen Ausgleich - oder schaffte ihn sich selbst. Und weil man sich dabei ebenfalls verkleidet, importierte man das angelsächsische Halloween für den 31. Oktober.

Eine perfidere Wahl hätte die katholische Kirche kaum zulassen können, denn die evangelische Kirche feiert just an diesem Tag ihren höchsten Feiertag, den Reformationstag. Dieser wurde nun im neuen Brauchtum einseitig ersetzt durch das definitiv heidnische Halloween.