Voodoo

 

 

 

„Oh Schatz, du warst wieder wundervoll.“

„Danke, das hört man gerne. Man ist ja auch irgendwo Dienstleister.“

<lacht> „Und wenn mein Mann wüsste, dass ich diese Dienstleistung an externer Stelle hole, dann hätte ich wohl meine finanzielle Grundlage verloren.“

„Tja, da kann man wohl nix machen. Wenn du dich nicht gerade scheiden lassen willst, wird es wohl noch eine weile so weiter gehen müssen.“

Er rasiert sich in ihrem Bad und kämmt sich die Haare mit einer Bürste, die auf dem waschtisch liegt. Eigentlich ist es die Haarbürste ihres Mannes, der aber auf Reisen ist und sowohl ihm als auch ihr dieses Abenteuer ermöglicht.

„Aber ich werde wohl nicht ewig warten können. Und erst recht, wenn ich auf die Bürste schaue, werde ich auch nicht gerade jünger.“

Mit diesem unterschwelligen Ultimatum lässt er sie auf ihrem Bett alleine liegen - nackt und benutzt und ein bisschen verzweifelt.

Eigentlich liebt sie ja ihren Geliebten, aber ihr Mann weiss von nichts, liebt sie genauso, vergöttert sie fast schon und erlaubt ihr fast jede finanzielle Eskapade die sie sich wünscht. Eigentlich geht es ihr in ihrer Ehe nicht schlecht - ganz im Gegenteil - aber mit ihre Gefühlen ist sie eben ganz wo anders.

Sie liegt noch ein wenig auf ihrem Bett, lässt die letzten paar Stunden noch einmal revue passieren, lässt sich durch den Kopf gehen, was eben durch ihren Unterkörper gegangen ist, stellt sich noch einmal vor, wie wunderbar Er sie wieder rangenommen hat, wie sehr er sie befriedigt hat. Der Vergleich mit den Leistungen ihres eigenen Mannes fällt da schon schwerer. Natürlich weiss sie, dass er sich immer die grösste Mühe gegeben hat, sie zu befriedigen, und bis vor wenigen Jahren hat es dies auch sehr gut geschafft.

Bis vor wenigen Jahren war ihr Liebesleben in Ordnung gewesen. Sie war befriedigt, war mit ihren Emotionen in ihrer Ehe geblieben, bei ihrem Mann, und hatte auch sonst kaum Anlass zur Sorge oder zum Unwohlsein. Sie liebte ihren Mann sogar so wie am ersten Tag, so wie an dem Tag, als sie geheiratet hatten. Doch dann irgendwann war alles anders geworden, dann irgendwann war es passiert, sie hatte Ihn kennen gelernt, hatte ihn gar lieben gelernt.

Dabei war eigentlich gar nichts anders gewesen in ihrer Ehe, in ihrem Liebesleben mit ihrem Mann. Eigentlich war alles genauso harmonisch wie am ersten Tag ihrer Ehe, wie immer. Vielleicht war aber auch genau das der Grund, warum sie auf dieses Angebot so einfach eingegangen war.

Sie hatte ihn - natürlich - auf der Arbeit kennen gelernt. Sie waren sich so mit der Zeit näher gekommen, ebenso wie ihre Stühle, die sie immer näher aneinander gerückt hatten. Im grunde war es ausgesprochen romantisch gewesen, so wie Schulkinder, die füreinander schwärmen und sich so Millimeterweise näher zu kommen versuchen. Irgendwann kam es dann zu einem ersten, heimlichen Kuss in ihrem einsamen Büro hinter versteckenden Monitoren und ab da ging alles ganz schnell.

Es wurde als Abenteuer definiert und genau so im verborgenen ausgelebt. Dass er nun zu ihr gekommen war, zeugte ein wenig von einer gewissen Dreistigkeit ihrem Mann gegenüber, aber auch von ihrem Mut, sich ihrem geliebten voll und ganz hinzugeben. Sie wollte ihn, und er wollte Sie. Dennoch konnten sie in diesen Tagen nicht recht zusammenkommen, denn nach wie vor stand ihr Mann noch zwischen ihnen.

Doch alles Nachdenken half nun nichts, sie musste ja doch aufstehen, einkaufen gehen für das Wochenende an dem ihr Mann wiederkommen würde.

Auf dem Weg zum Markt dann schaut sie sich an einer Ampel verträumt um, das erste mal wie ihr scheint, denn dieses mal fällt ihr ein kleiner Laden ins Auge. ‚Voodoo-Zubehör‘ nennt er sich und im Angesicht dieses Wortes fällt ihr die Lösung ihres Problems wie Schuppen von den Augen. Dies war die Möglichkeit, dies war das Ziel. Bloss direkt fragen, was sie brauchen würde, wollte sie in dem Laden nicht, denn sonst würden sie ihren Plan gar verurteilen, würden sie melden oder womöglich verfluchen. Man kann ja nie wissen.

Die Bücherei gleich nebenan führte aber zufälligerweise ein Handbuch für Voodoo-Flüche, Tränke und Zauber, aus dem sie sich erst einmal bediente. Alles andere holte sie sich aus dem Internet - zumindest das Wissen über derlei Dinge. Es war erstaunlich, wie wenig man für offenbar unglaublich tödliche Tränke brauchte, aus welchen unauffälligen Utensilien man den Tod herstellen konnte.

Die Entscheidung fiel dann jedoch auf eine Puppe, die sie mit einem Haar ihres Mannes zu impfen hatte, um sie dann zu meucheln und ihn so eines Unfalls sterben zu lassen. Hörte sich alles sehr einfach an und die Beschreibungen hätten ausführlicher nicht sein können. Und ein Haar ihres Angetrauten würde sie schon irgendwo auftreiben können - zur Not würde sie ihm im Schlaf eines abschneiden.

Der Voodoo-Laden war sehr hilfreich, als sie mit der Liste ihrer Zutaten zu ihnen kam. Sie kramten in ihrem Lager herum, wuselten durch die Regale ihres Geschäftes und hatten in einigen Minuten das gute Dutzend Ingredienzen zusammengesucht. Als es dann jedoch ans bezahlen ging, sie schon ihr Geld im Portemonnaie zusammen kramte, wurde ihr Gegenüber dann doch ein wenig redseliger. Ob sie auch wirklich wisse, auf was sie sich da einlasse. Ob sie auch wirklich wolle, was sie da heraufbeschwören könnte. Ob sie auch wirklich wisse, womit sie da umgehen würde. Natürlich beantwortete sie all diese Fragen mit einem überlegt betontem ‚Ja‘. Als sie dann aber wieder auf dem Heimweg war, ihr diese Fragen noch einmal durch den Kopf gingen, musste sie sich eingestehen, dass es eben nicht so war, dass sie sich eigentlich nicht so gut mit der Materie auskannte, wie sie vorgegeben hatte, dass sie für einen derartigen Fluch doch recht Ahnungslos war.

Doch nun gab es kein Zurück mehr. Nun musste es geschehen. Ein Teil der Zutaten hatte sie aus dem Gemüseladen um die Ecke erstanden, weil sie frisch sein mussten und auch frisch verarbeitet werden sollten. Sie wollte sich gerade in diesem Punkt exakt an die Anweisungen halten, von denen sie in jedem Rezept gelesen hatte.

Zu Hause angekommen, malte sie das Pentagramm auf dem Boden, stellte die Kerzen an den Ecken auf und begann damit, in einem Topf die Zutaten zu mischen. Den Ausdruck aus Wikipedia neben sich liegend und das Holzfeuer in einer Schale vor ihr prasselnd hielt sie sich genau an jedes Wort ihrer Anweisungen. Dann jedoch, als es an die entscheidende Zutat ging, merkte sie, dass sie gepfuscht hatte. Das Haar fehlte.

Panisch suchte sie in Gedanken nach einer Möglichkeit, dachte darüber nach, wo etwas äquivalentes zu finden sein könnte, ob er vielleicht noch irgendwo ein Lager seiner Körperbehaarung zurück gelassen hatte. Sie blickte sich suchend in ihrer Wohnung um, suchte auf dem Bett, am und gedanklich auch im Schrank zwischen der Kleidung und schliesslich fiel ihr Blick in das dunkle Bad. Hier wusste sie, wo mit Sicherheit noch ein paar Haare zu finden waren.

Sie sprang auf und wenige Sekunden später war sie mit zwei wurzelbewehrten Haaren wieder da, wickelte sie um die nächste Zutat und machte mit der Herstellung ihres Voodoo-Fluchs weiter.

Einige Stunden später lag sie auch schon im Bett und schlummerte tief und friedlich. Lange hatte sie noch wach gelegen, hatte sich Gedanken darüber gemacht, ob der Zauber denn auch wirken würde, wie er denn wirken würde, wie es denn möglich sein könnte, dass er bewirkte, dass ihr Mann eines Unfalltodes sterben würde. Wie sollte es bloss möglich sein, dass die symbolische Hinrichtung einer kleinen Puppe aus rein pflanzlichen Zutaten in Verbindung mit einer Gemüsesuppe, eine solche Wirkung haben konnte. Dies wollte ihr gewissermaßen als ausgebildete Naturwissenschaftlerin noch immer nicht so recht in den Kopf. Aber das würde sich sicherlich am nächsten Morgen schon endgültig klären.

An diesem Morgen jedoch wurde sie nicht von der Sonne geweckt, die durch ihr Fenster schien und sie in der Nase kitzelte, dieses mal wurde sie von einem gewaltigen Krachen aus dem Schlaf gerissen. Es war das Krachen von zwei Autos, die zusammengeprallt waren. Sie dachte sich schon, warum dies passiert war und dachte sich auch schon, wer das einzige Opfer bei diesem Unfall gewesen war - schlief wieder mit einem lächeln auf den Lippen und der Sirene eines Krankenwagens in den Ohren ein.

Um wenige Minuten später wieder von einer aufgerissenen Tür geweckt und schockiert zu werden.

„Hallo Schatz, ich bin wieder zu Hause! War ein Wahnsinns Betrieb am Flughafen. Freust du dich, dass ich wieder da bin?“

<Verzögerung, grosse Augen>

„Ahhhh... Neeiiiinnnnnn!!!!“