Langoliers?

Jetzt ist es schon so viele Jahre her, dass ich mit den paar Leuten dieses Elebnis gehabt habe. Es waren schon ein paar heisse Tage gewesen, als wir uns in dem so leeren Flugzeug wiedergefunden haben und wohl irgendwie durch dieses Zeitloch geflogen waren. Wir waren die einzigen Überlebenden dieses Effektes gewesen und das nur, weil wir geschlafen haben als es passiert war. Und dann dieses ständige Rauschen hinter den Bergen, das immer näher kam. Wenn ich da schon gewusst hätte, dass das diese Fiecher gewesen sind, ich hätte mir sicherlich die ganze Zeit in die Hosen gemacht, oder mich wenigstens im Flugzeug versteckt und darauf gewartet, dass die anderen endlich nachkommen und wir wieder wegfliegen können.

Dass die aber auch so lange damit warten mussten. Irgendwie war für mich die ganze Zeit klar gewesen, dass die Lösung des Rätsels im Flugzeug lag, denn immerhin sind wir ja damit gekommen. Und mehr als losfliegen und darauf hoffen dass wir auf dem gleichen Weg zurück auch dieses phänomen wiederfinden würden konnten sie ja dann auch nicht - von wegen ach so geplant.

Und jetzt kann ich deswegen kaum mehr schlafen, werde ständig von der Angst wach gehalten, dass ich wieder einmal aufwachen könnte und mich in einer leeren Welt wiederfinde und dieses mal nicht einmal einen Anhaltspunkt hätte wie ich da wieder herauskommen könnte. Nicht nur, dass ich Angstzustände habe einzuschlafen, sogar wenn ich aus Müdigkeit doch einmal eingeschlafen bin werde ich auch noch von Alpträumen geplagt, immer wieder der gleiche, immer wieder dieser Moment, in dem unsere Stellungen von diesen Fressmaulbewehrten Getieren niedergemampft werden und wir es dann doch nicht mehr in das rettende Flugzeug schaffen. Genau in diesem Moment wache ich natürlich schweissgebadet auf und frage mich immer und immer wieder, ob ich denn überhaupt Angst haben muss, ob ich denn überhaupt all diese Horrorszenarien wirklich erlebt habe, oder ob sich da eine unterbewusste Angst in mein tägliches Leben geträumt hat, die ich nicht mehr vergessen konnte und dadurch in die Realität transponiert habe, dass ich an diese Paranoia glaube. Alles kommt mir dann so surreal vor, sogar die Welt, in der ich aufgewacht bin und ich stelle mir abermals die Frage nach der wirklichen Realität, der Welt in der ich wirklich lebe, existiere.

Wir haben uns aus den Augen verloren. Selbst in meiner Erinnerung an den Tag danach, an die Momente nach dem Aufwachen, sind so verschwommen, dass es mir immer möglicher erscheint, dass ich mir all dies nur in einem Flughafenschlaf-Traum eingebildet habe. Keinen von ihnen habe ich wiedergesehen, keiner von ihnen hat sich jemals wieder bei mir gemeldet. Ich weiss nur noch, dass wir an eine Wand gelehnt wieder in die normale Zeit zurückgekehrt sind und dann unserer Wege gegangen sind - natürlich erst nachdem wir einen gemeinsamen Kaffe getrunken haben. Aber das wars dann auch gewesen. Ich haben icht einmal eine Quittung von diesem letzten Kaffe in meiner Tasche gehabt, habe keine Addressen oder Telefonnummern ausgetauscht und auch sonst keine wirklichen Beweise für meine Anwesenheit in dieser kleinen Gemeinschaft, mit der ich dieses Abenteuer erlebt haben will. Vielleicht sollte ich wirklich einmal zu einem Psychiater gehen, vielleicht kann mir ein Fachmann helfen, könnte mich hypnotisieren und herausfinden, was Wirklichkeit und was Phantasie ist, was ich mir einbilde und was ich wirklich erlebt habe.

Aber wozu Geld verschwenden, wenn man dies auch selbst herausfinden kann. Ich habe mir schon lange überlegt, dass es doch physikalisch möglich sein müsste, ein solches Blitzband, wie wir es aus dem Flugzeugfenster gesehen haben, zu erzeugen und damit dann, sogar auf dem Boden der speziellen, erweiterten Relativitätstheorie, eine Art Zeitverschiebungsfeld zu erschaffen, das mich genau dorthin bringen könnte, wo wir mit dem Flugzeug hingekommen sind.

Ich könnte wirklich ein solches Feld erschaffen, könnte eine Maschine Konstruieren, die dies schafft, dafür habe ich lange genug über diesen Details gegrübelt, auch wenn mich meine Kollegen fast gesteinigt hätten als ich von Zeitverschiebungen und Relativitätsverschiebungen zu reden angefangen habe. Es ist eben noch immer ein rotes Tuch in der Wissenschaft, solche Unkonventionelle Ansätze tatsächlich zu verfolgen, sie tatsächlich mit Leben zu füllen und nicht nur auf dem Papier schon beim nächsten Umblättern sterben zu lassen. Dabei war es ja nicht einmal anti-schwerkraft oder gar Überlichtgeschwindigkeit, an dem sich schon schier Generationen von Wissenschaftlern ihren Ruf ruiniert haben.

Zumindest für einen Moment sollte sich ein solcher Durchgang relativ Problemlos erzeugen lassen, wenn man nur genügend Power zur Verfügung hätte. Es steht leider ausser Frage, dass ich tatsächlich Zugang zu einem Kraftwerk, oder auch nur einem Umspannwerk bekommen könnte. Es wird wohl alles darauf hinaus laufen, dass ich mich bei der Natur bedienen muss, die mich wenigstens für einen Moment lang mit genügend Saft versorgen kann und mir mit einem Blitz die Pforte zu der Antwort auf meine Frage nach Wahrheit oder Traum öffnen wird.

Dabei kennt man doch bei genauer Überlegung diesen Effekt schon, auch wenn er kaum wissenschaftlich erforscht wurde. Immer wieder hörte man von Kugelblitzen, die über die Dächer jagten und die Sicherungen gleich Reihenweise zerstörten. Ein Phänomen, das offensichtlich auch in der Lage war, an einem Ort stehen zu bleiben, zu verweilen und das eine ganze Zeit lang bevor es dann einfach verschwindet, das hört sich schon nach der Beschreibung genau wie jenes an, das uns mit dem kompletten Flieger in diese Parallelwelt beförtdert hat. Wenn es das denn wirklich war, was wir da erlebt haben, dann dürfte es sich sogar noch einfach gestalten als Ich erst angenommen habe, dürfte ich mich gar nicht mal mit kompliziertester Elektronik herumschlagen müssen, geht es doch im Grunde nur darum einen Blitz im Medium Luft in eine Form der kontrollierten Selbsterhaltung zu bringen und damit ein Feld zu erzeugen das gross genug ist, damit ich hindurch passen kann.

Eine einfache Vorrichtung wird genügen müssen nicht nur um den Blitz einzufangen und in meinen Keller zu transportieren, sondern auch um das Blitzfeld zu erzeugen, den Blitz als Form selbst zu halten und durch die Luft zu jagen, ihn von Isolatoren umgeben in einen dreidimensionalen Kreis zu zwingen, diesen dann auch noch in dieser Vorrichtung gross genug ziehen damit sich in dessen Mittelpunkt ein Durchgang bilden kann.

Die Blitzableiter sind schnell angezapft, auch wenn ich mehrere davon installieren muss damit ich noch genug von dem Blitz abbekomme und er nicht irgendwo anders verpufft, am Ende sogar noch quer durch mein Haus geht und es dabei ein wenig verkohlter hinterlässt. Die ganze Arbeit, die ich mir mit meinem Projekt mache tut mir sehr gut, wie ich jedes mal merke, wenn ich wieder einmal darüber nachdenke. Ich mache mir viel zu viele Gedanken darüber, wie ich am besten die Kabel verlege, wie und wo ich meine Apparatur aufbaue und ob ich es schon bis zum nächsten Gewitter schaffen werde, dass ich darüber sogar ein wenig vergesse, wovor ich all die Monate solche Angst gehabt habe. Manchmal gelingt es mir sogar, ein bischen zu schlafen ohne dass ich gleich wieder von diesen furchtbaren Alpträumen geweckt werde. Aber lange hält dieser Zustand meist nicht an und gerade wenn ich mich dessen wieder bewusst werde ist es auch schon vorbei mit der Erholung, brechen die Monstren wieder in meine angenehmen Träume ein und fressen ihn mir weg. Es ist grauenhaft.

Endlich habe ich es geschafft, habe es fertiggestellt, was mir Klarheit schaffen soll. Endlich kann ich die Frage beantworten, was auf der anderen Seite ist. Ein Gewitter zieht auf und ich stehe hoffend, bangend in meinem Keller, vor dem Kreisförmigen Gebilde, in dem ich den Blitz erst fangen und dann grösser ziehen will. Ich habe sogar daran gedacht, dass ich auch die Blitzableiter der umgebenden Häuser angezapft habe, einfach mal ein Kabel von drüben zu mir herüber gezogen habe. Das Gewitter zieht auf, wird immer schlimmer, oder sollte ich sagen, immer schöner? Ich höre es immer lauter über mir herziehen. Gleich wird der Blitz irgendwo in meiner Umgebung einschlagen, und wenn es irgend ein Haus in meiner Umgebung trifft, habe ich schon gewonnen.

Da ist er. Ich habe ihn fast spüren können als er direkt in mein Dach eingeschlagen ist, oder besser, in meinen Blitzableiter. Rasend schnell verteilt er sich in der Scheibe, rast im Kreis, immer wieder herum und ich beginne, die Scheibe grösser zu ziehen, drehe an dem Rad. Langsam aber sicher nimmt das Gerät den gesamten Raum meines Kellers ein, zieht sich vom Boden bis zur Decke, eingehüllt in das gleissende Licht purer Energie, die ich tatsächlich geschafft habe hier gefangen zu nehmen. Ein glühender, sprühender Kreis-Strahl tut sich vor mir und endlich kann ich auch sehen, worauf ich die ganze Zeit gehofft habe, worauf ich die letzten Tage hingearbeitet habe.

Es ist wie eine helle Scheibe, durch dir man sogar teilweise hindurchschauen kann. Nicht so hell wie der gleizende Lichtbogen am Rand, der wie berechnet den Durchgang aufspannt, aber dennoch dunkel genug, dass man noch etwas dahinter erkennen kann. Auch wenn es nicht anders zu erwarten war sehe ich doch ganz deutlich meinen Keller auf der anderen Seite. Ich beginne mir zu überlegen, ob ich wirklich hindurchgehen will. Was hätte ich wirklich davon, weiss ich doch nicht einmal, ob mich der Blitz nicht einfach rösten würde, versuchte ich es. Wenn tatsächlich all das blosse Einbildung gewesen war, dann läge dies sehr nahe und ich würde einen Kontakt mit einem Blitz, einem gezüchteten Kugelblitz, sicherlich nicht ohne wieteres überleben.

Aber was, wenn ich nicht geträumt hatte? Was, wenn ich tatsächlich auf der anderen Seite ankomme, in einer anderen Zeitzone, einer vergangenen Zeitzone derer ich nicht Herr werden würde und die kurz vor der Vernichtung durch diese Langoliers stünde? Ich weiss ja nicht einmal, ob und wie ich dann noch zurück kommen könnte. Aber würde ich das überhaupt wollen? Würde ich in einer Welt leben wollen von der ich wüsste, dass sie in jeder Sekunde ihrer Existenz nur sehr knapp vor der Vernichtung steht?

All diese Fragen rasen mir durch den Kopf und ich bleibe wie angewurzelt, nachdenklich vor meiner Zeitmaschiene stehen. Ich kann den letzten Schritt, den endgültigen Schritt einfach nicht machen, zu viele Zweifel nagen an mir, zu viele Ängste lassen meine Füsse am Boden kleben. Ehe ich mich versehe, ist auch schon alles wieder vorbei. Der Blitz hat seine Energie verpufft, versiegt einfach so in der Luft und es ist, als wäre er nie da gewesen, abgesehen von der Tatsache, dass meine Füsse tatsächlich am Boden kleben - meine Gummisolen war es dann doch zu heiss geworden.

Irgendwie bin ich schon ein bischen glücklich, dass ich es nicht getan habe. Gleichgültig, was geschehen wäre, ich wäre immer der verlierer gewesen. Wenn ich alles nur geträumt hatte, und nicht tatsächlich durch Zufall ein Dimensionstor gefunden hatte, dann würde ich sicherlich von dem Blitz erfasst und ein sehr Staubiger Bestandteil meines Fussbodens werden, wenn überhaupt noch. Hatte ich es nicht geträumt, dann würde ich in eine Welt versetzt, aus der es für mich kein Entkommen mehr geben würde. Ich wage doch einmal zu bezweifeln, dass das von mir aufgestossene Tor allzu lange Bestand hat, dass ich auch wieder da hindurch zurück gelangen könnte. Somit wäre ich dort drüben auf jeden Fall verloren. Und selbst, wenn ich tatsächlich wieder in meine Zeit zurück kommen könnte, wenn ich wieder nach Hause kommen würde, wo würde ich dann noch hin kommen? Ich würde tatsächlich endgültig in einer Welt leben müssen, von der ich dann definitiv wüsste, dass sie kurz vor dem Abgrund daherschwimmt, von der ich ständig befürchten müsste, dass auch diese Realität von diesen Dingern aufgefressen wird.

Ich gehe wieder nach oben und lege mich ins Bett. Es ist schon spät geworden und der Stress hat mich doch mehr mitgenommen als ich zugeben wollte. Wieder dauert es eine Ewigkeit bis ich eingeschlafen bin, wieder werde ich von all diesen konfusen Gedanken gequält und nur die mich übermannende Müdigkeit schafft es mich endlich zum schlafen zu bringen. Aber selbst da habe ich keine Ruhe und schon nach wenigen Sekunden REM-Schlaf werde ich von dem gleichen Alptraum gequält, der mich all die Monate seit diesem einen, schicksalhaften Tag verfolgt hat. Wieder wache ich schweissgebadet auf und kann nun gar nicht mehr schlafen.

Noch den Schlaf in den übermüdeten Augen höre ich aus dem Keller ein Geräusch, das laut genug ist um durch den prasselnden Regen auf meinem Dach zu mir zu gelangen. Ich reibe mir kurz die Augen und laufe in Morgenschlappen die Treppen hinunter, verfolge den Lärm bis hinunter in den Keller.

Da war er wieder, der Kugelblitz. Er hatte sich wohl erneut durch einen Blitz hierher verirrt und war in meiner Maschiene gelandet. Ich hatte vergessen die Kabel abzuziehen und die Blitzableiter wieder ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen als ich ins Bett gegangen war. Da war er also wieder, der Durchgang, da war sie auch wieder, die Entscheidung.

Ich weiss genau, wenn ich nicht da durch gehe, werde ich niemals wieder eine Ruhige Nacht bekommen. Es ist keine Frage mehr von Leben verlieren wenn ich versuche durch zu gehen, sondern vielmehr von kein Leben mehr wirklich haben, wenn ich es nicht tue. Was wäre mein Leben schon noch Wert, wenn ich andauernd von all diesen Zweifeln geplagt würde.

Vorsichtig gehe ich auf das hell erleuchtete Zentrum des Kreisblitzes zu. Ich werde gut zielen müssen, damit ich nicht tatsächlich Opfer einer kleinen Ungeschicktheit werde. Ein beherzter Sprung wird ausreichen. Ich Ziele. Und... Jetzt!

Hart schlage ich auf dem Boden meines Kellers auf, schlage mir den Kopf an dem Regal an - und verliere das Bewusstsein. Als ich aufwache, ist das Gewitter scheinbar vorbei. Jedenfalls regnet es nicht mehr, als ich wieder nach oben gehe. Der Blitz, der noch immer seine Kreise in meiner Apparatur zieht wird sich schon irgendwann wieder verdrücken, genau wie das letzte mal. Es hatte sich also nichts getan, nichts hatte sich geändert. Na Klasse, was hatte ich aber auch erwartet? Ein Empfangskommitee von Langoliern, die schon mit gewetzten Zähnen auf mich warten und mir vorher noch das Ketschup reichen? Jedenfalls bin ich zu müde für solche Spässe.

Mir den Kopf reibend von dem Aufschlag gehe ich wieder nach oben in mein Bett. Es ist still draussen geworden. Vielleicht kann ich ja dann endlich wieder einmal bei offenem Fenster schlafen. Gerade habe ich die Läden zur Seite geschlagen und festgemacht, da fällt mir auf, dass ich da eben im Keller ja eigentlich geschlafen habe. Zwar nicht ganz freiwillig, aber ich habe tatsächlich geschlafen. Und dieses mal sogar ganz und gar ohne einen einzigen Alptraum.

Irgendwie froh über mein Experiment lege ich mich ins Bett und mache die Augen zu. Ich werde ganz hervorragend schlafen heute Nacht. Endlich wieder einmal eine Nacht seit so vielen Monden, die ich durch schlafen werde. Einzig störend sind nur die Nachbarn. Was machen die bloss da hinter dem Hügel. Ich glaube ich mache das Fenster lieber wieder zu. Dieses knisternde geraschel geht einem wirklich auf die Nerven ...