Hellbound

Es war ein wunderbarer Tag - und ich hatte Urlaub. Es war alles wie für ein Sonnenbad geschaffen. Ich hatte mir alles schnell zusammengesammelt und war in den Stadtpark gegangen. Ich ging oft dort hin. Irgendwie gefiel es mir dort, so viel Grün um mich herum, viele, nette Menschen. Und man wurde als Frau nicht belästigt von irgend welchen blöden Kerlen die einem nur auf den Arsch gaffen wollen. Eigentlich mag ich es ja, wenn sie mich anschauen, aber auf die Dauer ist es dann doch ein bischen nervig.

So lag ich da auf meinem Strandtuch wie Gott mich schuf und hoffte, dass ich es nicht in die Lokalpresse schaffte womöglich mit einem unheimlich unerotischen Bild aus sechs Uhr mit zu viel 'Tiefenschärfe'. Meine Haut saugte die wärmenden Sonnenstrahlen genüsslich auf und ich genoss den Wind, der ein wenig kühlend über meinen Körper streichelte, meine Haare ein wenig wehen liess. Es war wie an einem Ferientag in der Karibik am Strand, nur eben mitten in der Grossstadt, was ich in diesem Moment gekonnt ignorieren konnte und mich vollkommen entspannte.

Ich hatte mich so sehr entspannt, dass ich eingeschlafen war. Gerade war ich noch von muskulösen Negern am träumen, die sich vor mir im Sand aalten, ihre Körper zu meiner Verfügung präsentierten, als mich das Getöse eines Blitzschlages aufweckte. Es hörte sich an, als wäre er direkt neben mir eingeschlagen, aber wahrscheinlich wohl bloss, weil er mich direkt aus meinen schönsten Träumen gerissen hatte.

Ich war auch im zweiten Moment noch sehr erschrocken, sah ich mich doch um und mit jedem Meter den ich in Augenschein nahm, den ich in den Park schaute, über meine Wiese, schaute ich nur in Dunkelheit. Erst hoffte ich noch, dass eben bloss ein Gewitter aufgezogen war und die Sonne ein wenig verdeckte, aber dafür war es dann doch einfach viel zu dunkel gewesen.

Wieder grollte der Donner und ich erwartete schon einen Blitz, der diese Nacht wieder erhellen würde und mir ein wenig mehr Einblick verschaffen würde. Der Blitz kam auch, aber viel mehr Einsicht hatte ich davon auch nicht, ausser eben die Vermutung, dass ich sehr lange geschlafen haben musste, denn nach meiner Erkenntniss war es tiefe Nacht. Und in einem Gewitter lag ich obendrein.

Aber so ein einfaches Gewitter war es dann doch nicht, wie sich leider sehr schnell herausstellen sollte...

Ich sah mich noch einmal um, drehte mich dabei ein wenig auf die Seite als ich die Pranke auch schon durch mein Gesicht fahren fühlte. Es musste ein gewaltiges Tier sein, das da auf mich los ging, so schwer wie sich dieser Hieb anfühlte. Schmerzgekrümmt robbte ich los, wollte einfach nur weg, völlig Planlos und vor allem panisch. Ich hatte nicht viel von diesem Ding gesehen, aber das was ich gesehen hatte hatte mir gereicht um zu wissen, dass dies nicht gut enden würde, bliebe ich einfach nur liegen. Riesige Zähne ragten mir entgegen und mindestens zwei Glühende Augen schauten mir feurig entgegen als wollten sie mich verbrennen, als könnten sie nur durch ihre Blicke flammende Geschosse feuern, mich aus der Entfernung töten wie ein Jäger sein Wild.

Zotteliges Fell schien seinen Körper zu bedecken. Es war jedoch nicht das Fell eines Teddy-bären, sondern wesentlich holziger, verfilzter, als hätte er hundert Jahre darauf geschlafen oder so.

Gerade liess ich diese Eindrücke noch einmal revue passieren, da packte mich wieder die panische Angst, die mich getrieben hatte loszukriechen, von diesem gewaltigen Höllenhund zu fliegen, riss mich auf die Knie und liess mich zumindest ein wenig schneller krabbeln als bloss auf dem Bauch über den Rasen. Bei näherer Überlegung hätte ich dies vielleicht auch lassen sollen, bot ich ihm doch nun einen Anblick, der ihm wohl durchaus bekannt vorkommen musste. Ich hatte noch immer nichts an, hatte ich doch mein Sonnenbad in vollkommener Blösse genossen, so wie Gott mich schuf.

Schon wollte ich mich in die Senkrechte wuchten, war schon dabei mich aufzurichten, da drückte mich das Gefühl von einem hart zupackenden Gebiss in meinem Nacken wieder herunter, drückte mich auf die Knie unter dieses Tier, das sich nun wohl an mir zu schaffen machen wollte.

Ein Blitz. Oh Gott, wo kam der her?

Das kann kein normaler Blitz gewesen sein, der hätte mich erschlagen, und ihn auch. Ich schaute auf meine Hände, die ich in das Gras vergraben hatte, hob sie ein wenig an, drehte sie vor mir herum. Ich glühte förmlich, und irgendwie fühlte ich dabei auch, wie die Energie dieses Blitzes auf mich überging, wie ich nicht nur froh sein konnte nicht geröstet geworden zu sein sondern vor allem, dass er mich überhaupt getroffen hat und ich nun etwas davon hatte. Als ich mich dann herum drehte, sehen wollte ob mein Peiniger ebenfalls betroffen war, schien auch schon alles zu Ende zu sein, denn zuminest war er einfach weg, hatte mich mit meinem mittlerweile ganzkörperglühen alleine gelassen, liess mich in meiner leuchtenden Aura in der Nacht zurück.

Damals wusste ich mit dieser Kraft noch nicht umzugehen, die mich da ereilt hatte. Ich wusste nicht einmal, was mich da getroffen hatte, wie mich das hätte beeinflussen können. Wenn ich so heute zurückdenke, was würde ich darum geben diese Macht nicht bekommen zu haben. Nicht nur, dass der Anfang wirklich furchtbar war. Es ist auch die Tatsache, dass ich dadurch derart stark geworden bin.

Viel Macht bedeutet auch viel Verantwortung. Wenn ich meine Blicke über die Dächer streifen lasse und mir all die Lichter anschaue, wenn ich all die Rauchfahnen der Schornsteine zähle und bedenke, dass unter jedem von diesen ein Verbrechen stattfinden kann, so sehe ich auch, dass ich der einzige Mensch bin, der die Kraft aufbringt wirklich dagegen vorzugehen. Alleine die Vorstellung, dass in diesem Moment irgendwo ein Verbrechen geschehen könnte wird mir schlecht, könnte ich wieder einmal aus der Haut fahren. Die Vorstellung, dass irgend wo ein Unschuldiger Mensch von einem anderen ausgeraubt oder misshandelt wird und ich nichts dagegen unternehmen könnte, ich nicht einmal davon wüsste macht mich unruhig, macht mich wütend. Ich kann so viel, vermag so viel zu kämpfen, so viel zu verändern nur durch meine Anwesenheit.

Ich hocke wieder einmal auf einem Sims, schaue von dem Dach in die Tiefe, auf die Strasse unter mir, sehe all die Menschen unter mir herziehen, all die Menschen über die ich meine schützende Hand halte, auch wenn sie mich nicht einmal wahrnehmen wenn ich einfach nur über ihnen sitze und zuschaue, wie sie ihrem Tagewerk nachgehen, wie sie sich treffen und reden, sich unterhalten, sich küssen. Das Leben ist einsam als Nachtwächter, vor allem auf die Art. die ich für mich ausgesucht habe.

Und jedes mal, wenn ich wieder einen überwältige, wenn ich einem hilflosen weibchen aus der Bredouille helfe, wennich ihren Peiniger peinige, ihn mit einem einfachen, leichten Hieb schon an die Wand streiche, dann mache ich einen schüchternen Schritt aus der Anonymität, den einzigen den ich mir in dieser Form vorstellen kann, den einzigen, den ich mir gönne, wenn man das gönnen nennen kann.

Wie sollte es auch anders sein. Sollte ich als Valkyre über die Strassen turnen? Das wäre zu offensichtlich. Dann wäre ich nicht mehr der Schrecken der Nacht für das Gesindel der Strassen, den Abschaum der Hinterhöfe, für alle die ich jage, die aktiv die Angst der Menschen schüren sich auf die Strassen zu trauen, sich in die Dunkelheit zu wagen, das Phantom, das irgendwo lauert um zu warten dass irgend etwas schlechtes passiert um dann gnadenlos zuzuschlagen.

Mein hautenger Lackanzug hielt mich warm, auch wenn mittlerweile Herbst geworden war, die Blätter nur noch an Fetzen an den Bäumen hingen und mir so kaum noch Schutz boten wenn ich durch die Wipfel turnte. Ich hatte ihn mir in einem Cat-Woman inspirierten Moment gemacht und er leistete gute Dienste, sah ich doch so noch ein bischen verlockender und auch etwas furchterregend aus - nur dass ich eben nicht ganz Cat-Woman war. Allerdings zog ich es auch vor, mich waffenmässig ein wenig mehr einzudecken als nur ein paar Krallen am Handschuh.

Dort unten läuft eine Frau herum. Wenn ich so etwas nicht schon gesehen hätte würde ich ihr fast einen schönen Abend wünschen, aber leider ist mir diese Gegend nur zu bekannt, weiss ich auch als normale Frau noch durchaus um die Gefahren einer jeden dunklen Ecke dieser Strassen. Ich verfolge sie ein wenig, nehme die Abkürzung über die Dächer, behalte sie immer in Sichtweite. Ich weiss genau, dass gleich etwas passieren wird, es ist so ein Gefühl, das dann jedes mal in mir aufkommt, das mich dann jedes mal ergreift und mir schon im Vorfeld das Adrenalin in die Adern schiessen lässt.

Da passiert es. Sie ist an einem dunklen Hinterhof, einer unbeleuchteten Seitenstrasse zu dicht vorbei gegangen und schon haben sie ein paar Hände ergriffen, haben sie dort hinein gezogen. Ich hoffe einmal für sie, dass dieses Gesindel sie nicht sofort ausgeknipst haben, sonst kann ich wirklich nichts mehr für sie tun. Allerdings für diese Kerle dann auch nicht, denn das würden sie teuer bezahlen. Ich würde sie nicht nur auseinander nehmen, ich würde sie zerstören, würde sie zerfleischen, würde sie mit jeder Faser ihres Körpers für diese Schandtat bezahlen lassen wie sie kein Gericht dieser Welt für etwas bezahlen lassen könnte.

Ich stehe über der Dunkelheit, schaue in die Tiefe, sehe die Frau wie sie eine Hand vor den Mund gedrückt bekommt, an die Wand gedrückt wird, wie sie ihrer Handtasche beraubt wird die auch gleich durchwühlt und ausgeschüttet wird. Sie scheinen nicht sehr begeistert von ihrem Fund zu sein, gehen weiter auf sie los. Einer von ihnen zieht ein Messer und will sie weiter bedrohen, möchte noch mehr Geld aus ihr herauskitzeln.

Sie haben mich noch nicht bemerkt. Wie auch, immerhin stehe ich vier Stockwerke über ihnen, auch wenn die Nacht noch so hell ist. Ich lasse mich einfach in die Tiefe fallen, schwinge mich von Laternenpfahl zu Regenrinne zu Wäscheseil und mit einem gewaltigen Schwung, den ich mir auf dem Weg nach unten zusammengesammelt habe kicke ich zwei von ihnen gleich beim ersten Versuch dermassen an die Wand, dass sie sich nicht mehr bewegen. Der dritte lässt von der Frau ab und möchte sein Messer gegen mich richten, möchte sich mit mir messen. Netter Versuch kleiner, aber vielleicht hättest du doch erst einmal ein paar Jahre training einlegen sollen denke ich mir noch als ich auch ihn gegen die Wand stosse.

Schnell sammelt sie ihren Kram ein und will sich noch bedanken, will mir näher treten und mir wohl die Hand geben aber ich bin schon wieder weg - natürlich nicht ohne die drei Ganoven noch zusammen zu binden damit die faulen Bullen sie einfach einsacken können. Ich mag es nicht, wenn sie so scheinheilig sich bedanken wollen dafür, dass ich sie aus etwas heraus geholt habe, was sie eigentlich auch selbst zu verschulden haben. In dieser Gegend muss man eben ein wenig vorsichtiger sein, darf man sich eben nicht gar so auffällig anziehen und erst recht nicht gar so dicht an der Hauswand vorbei gehen, dass man sogar von einem kleinen Kind in einen Hinterhalt gezogen werden könnte.

Eigentlich war das ja zu einfach. Nur zwei, und dann auch noch so schnell besiegt. Irgend was muss hier faul sein, das denke ich mir schon seit Tagen. Aber worin sollte der Sinn liegen, mich derart einfach gewinnen zu lassen, worin sollte der Gewinn für diese Kerle liegen, wenn sie sich praktisch selbst stellen? Naja, vielleicht zwitschert es mir ja ein Vögelein.

Ich bin schon wieder fast auf dem dach, habe die Feuerleiter an der Hauswand genommen, gegen die ich die drei geklatscht hatte. Ein Stockwerk noch und ich bin wieder da, wo ich mich eigentlich am wohlsten fühle, wo ich mich zu Hause fühle - über den Dächern der Stadt. In all den Monaten hatte ich mich mehr als nur daran gewöhnt, meine Nächte hier zu verbringen. Es machte mir mehr als nur Spass, über die Zinnen zu turnen, von den Schornsteinen herunter zu beobachten, in die Fenster der Welt zu spionieren und ein wenig das Gewissen der Nacht zu spielen. Es war ein neues Leben für mich, das ich nun ebenso lebte wie ich am Tage meiner normalen Arbeit nachging.

Endlich war ich wieder auf dem Dach. Ich war vollkommen in Gedanken versunken gewesen, so dass ich garnicht darauf geachtet hatte, dass sich dort noch ein paar mehr Leute versammelt hatten. Und das waren eine ganze Menge mehr.

Sie mussten die Zeit genutzt haben die ich wieder für den Aufstieg brauchte, um sich zu sammeln, um hier her zu finden, denke ich bei mir und schaue noch einmal in die Tiefe, dieses mal eigentlich mehr auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit als denn meine Hilfe anbietend. Natürlich. Es war ein Hinterhalt gewesen, es war ein abgekartertes Spiel das sie mit mir getrieben hatten. Die Frau steckte auch mit drin, hatte nur geschauspielert und hat die Jungs gleich wieder losgeschnitten. Na klasse. Der Weg nach untern wäre somit auch ersteinmal abgeschnitten. Naja, mal schauen was die Buben hier oben so drauf haben, vielleicht erledigt sich das ganze ja einfacher, als ich das im Moment sehen kann.

Ok, diesmal haben sie mich ziemlich am ... - zuminest Mengenmässig. Ich bin umzingelt. Aber eigentlich sind es ja nur vierzehn, die könnte ich sogar schaffen wenn ich es geschickt anstelle. ...

... ... ...

Ok, das waren vier. Verdammt, ein Tritt ins Genick. Ich fliege über die Brüstung. Ich falle. Nein, so darf es nicht enden. Ich falle. Oh Gott.

Schwärze. Ich sehe nur noch Dunkelheit. Meine Augen tun mir weh. Ich habe nichts mehr an. Wieso das denn? Und dann dieses Gewippe. Langsam fühle ich meinen Körper wieder.

Oh Gott. Ich werde vergewaltigt. Es ist dieses Tier wieder. Oh Gott, der ist noch immer so gross und dick. Was wohl diesmal mit mir passiert?

Ich liege auf meinem Badetuch.

Oh mein Gott. Es ist nicht 'wieder', es ist 'immer noch'!

Ich habe alles nur geträumt.

"Neeeiiiiinnnnnn!!!!"