Göttlich!

Ich sitze wie fast jeden abend in meiner Stammkneipe. Wiede einmal warte ich darauf, dass sich etwas ergibt und ich weiss genau, dass sich etwas ergeben wird. Es war immer so, es wird immer so sein. Ich brauche nicht einmal etwas dafür oder dagegen zu unternehmen, es kommt einfach so, wie es immer kommt wenn mich jemand anschaut.

Dabei weiss ich nicht einmal, was ich dafür, oder auch dagegen mache, was ich so besonderes anders mache oder was sie ganz speziell dazu bringt, gerade mich anzusprechen. Aber was solls, solange all die so ist, solange tatsächlich funktioniert, was immer da auch funktioniere mag soll es mir nur recht sein.

Ich lächle sie einfach nur an. Ich bin eben ein netter Mensch und kann einem ebenso netten lächeln meines Gegenüber kaum wiederstehen. Warum sollte ich auch, Zeit habe ich ohnehin mehr als Genug und Kraft ebenso. Ich kann bei all diesen zwischenmenschlichen Spielereien eigenltich nur gewinnen, investiere ich doch ohnehin nicht genug um mit negativem Gewinn zu enden.

Gleich habe ich sie so weit. Sie fragt sich gerade, warum der da drüben sie immerzu so nett anlächelt und dann wieder verschämt weg schaut. Entweder sie spricht mich gleich an, oder aber sie kommt selbst rüber, versucht mich anzusprechen. Ich finde das ja immer mehr als interessant und vor allem auch extrem mutig von ihnen, auch wenn ihr Ego einmal nicht gar so gross ist wie das meine.

Ich weiss noch gut wie ich mich dabei gefühlt hatte, als ich in solchen Situationen war. Stets hatte ich die Angst abgewiesen zu werden, wenn ich aus mir herausgehe erst einmal einen auf den deckel zu bekommen, jedes mal einen dämpfer zu kriegen wenn ich all meinen Mut zusammen genommen hatte und meine zu dieser Stunde Angebetete ansprechen wollte. Dabei waren die Antworten meist mehr als blöde. Was man sich doch einbilden würde was man sei und derartiges war da noch nicht einmal die Spitze des Eisberges.

Man kann mir ja viel vorwerfen, aber nicht, dass ich jemals derart grob und abweisend gewesen wäre, wenn ich angesprochen wurde. Ich habe mir zumindest stets die Mühe gemacht, sie näher kennen zu lernen, ihr erst einmal in einem Gespräch auf den Zahn zu fühlen was noch mehr hinter der Fassade war bevor ich sie dann wegen ihrem Aussehen abgelehnt hatte, bevor sie dann selbst merkte das ich nicht mit ihr zusammen kommen wollte. Dabei halte ich es nach wie vor für die dezenteste Art ihnen dies beizubringen, wenn man einfach darüber spricht eine andere anzusprechen, weil sie einem so gut gefallen würde, weil sie so schöne Schuhe an hat oder auch, weil sie ihr Glas so zart hält. Bloss niemals sagen, dass sie einen schönen Körper hätte, oder schöne Augen. "Hab ich die etwa nicht? Für was hälst du mich denn?" Wären da zumindest ihre Gedanken, und auch die können schmerzen.

Sie lässt sich wirklich Zeit. Am Ende muss ich wohl noch selbst gehen. Das kann sie aber gleich vergessen. Schon mein zweiter Drink heute abend. Ich werd sie einfach noch ein bischen intensiver anschauen, werde noch mehr zartheit, noch mehr Verletzlichkeit, noch mehr Hoffnung in meinen Blick legen wenn ich verträumt in ihren Augen versinke. Wenn sie dann nicht kommt kann ich ihr auch nicht helfen. Selbst wenn sie schon einen Freund hätte würde sie mich erhören, würde sie mich zumindest einmal ansprechen um sich davon zu überzeugen, dass ich doch nicht der bessere wäre, dass ich vielleicht doch nicht ihr Traummann wäre. Zu dumm, dass ich dies doch bin, dass ich doch der Traum einer jeden Frau mit Geist und Verstand, mit Sex und Zärtlichkeit, mit Gefühl und Schwäche oder Stärke bin, der Wunsch einer jeden Schwiegermutter, der Alptraum jedes aggressiven Diskussionspartners. Zu dumm, dass ihre Versuche der selbstüberlistung einfach nicht funktionieren werden - ich bekomme sie ja doch.

Na endlich, sie steigt von ihrem Barhocker herunter, schleicht mit entgegen. Ich versuche, überrascht zu schauen, versuche nicht anzunehmen dass sie zu mir will. Ich habe mich extra nicht in Richtung der Toilette gesetzt, damit ich sicher sein kann, dass sie auch zu mir will, und nicht im letzten Moment an dem ich etwas sagen möchte, doch noch die Kurve kratzt und aufs Klo geht, mich äusserst peinlich dann da so sitzen lässt, mit noch offenem Mund und den ersten, möglichen Worten der Begrüssung auf den Lippen. Das ist mir einmal, einmal zu oft passiert.

Sie kommt direkt auf mich zu. Sie wird mich ansprechen, wird das erste Wort sagen das das Eis brechen soll, das die Barriere zwischen Blick und Sprache bannen soll. Sie wird irgend etwas blödes sagen.

Es ist immer so. Vollkommen gleichgültig was man sagt, bei näherer Ueberlegung ist es vollkommen an den Haaren herbeigezogen, unlogisch, überflüssig, offensichtlich oder sonst irgend ein Ausspruch, den man hätte lassen können ohne der Welt damit eine ungerechtigkeit angetan zu haben. Aber was auch immer aus ihrem Munde kam, es war mehr als nur das Wort, das sie sprach, es war natürlich auch und vor allem ihre Stimme, die ich vernehmen durfte, es war der Test, wie ich auf sie reagieren würde, es war der Versuch des Beginns einer humanverbalen Kommunikation. Und auch wenn all diese Gespräche nur auf das eine herausliefen, wenn die tiefere Intention all dieser Worte war sie möglichst schnell in ihr Bett zu verfrachten, sie im wahrsten Sinne des Wortes zu knacken - wenn auch wesentlich mehr als nur auf körperlicher Ebene - so war ich immer wieder erfreut, fand es immer wieder einfach schön.

Es war wohl eher tatsächlich das Verlangen, sie eben nicht nur körperlich zu knacken, sondern sie ganz und gar nach mir verlangend zu machen, sie so lange in selbstzweifel zu verwickeln, sie so lange alles hinterfragend machen bis ihre Barrieren fallen, bis sie alles aufnimmt, mich als ihre Lebenslehre aufzunehmen bereit ist und für meine Beeinflussung offen wird. Auch wenn es hier endet, wenn hier alles aufhört ein einfaches Spiel zu sein, wenn hier die verantwortung mit ihr machen zu können was immer mir in den Sinn kommen mochte den Spass der sicherlich später dieses Tages noch folgen würde überwiegt, so ist es dies alles im Endeffekt doch wert.

Ich mag es, wenn ich den Menschen eine neue Sicht der Dinge geben kann, wenn ich sie tatsächlich für alles offen machen kann, sie für neue Ansichten, Meinungen, Erfahrungen öffnen kann. Viele Menschen sind einfach nur verbohrt, haben ihre Welt, in der sie leben und können ganz einfach nicht mehr über den Tellerrand schauen, verdrängen die Sicht für das Wesentliche im Leben, die Fähigkeit zu Sehen. Eigentlich versuche ich nichts weiter, als ihnen ihre angeborene Neugierde wieder zurück zu geben - nicht mehr und nicht weniger.

Und was bleibt für mich übrig? Was bleibt mir von all dem, was ich den Menschen gebe, was ich speziell den Frauen zu geben versuche? Was habe ich im Endeffekt davon? Manchmal scheint mir wenigstens diese Antwort sehr einfach, fast schon trivial zu sein, nämlich dann wenn sie vor mir liegt wie Gott sie schuf und ich betrachten darf, um was ich die Stunden zuvor so hartnäckig gekämpft hatte, wozu ich mich um Kopf und Kragen geredet hatte. Wäre dies nicht jedes mal ein wahrhaft göttlicher Anblick den ich dann geniessen durfte, ich glaube ich würde schon längst mit diesem Kapitel meines Lebens abgeschlossen haben, hätte wohl schon dabei, bei dem ersten Blick der mir nicht vollkommen gefallen hätte die Beine in die Hand genommen und hätte mein Heil in der Flucht gesucht. So lange dies nicht eintritt, werde ich wohl weiter machen, werde ich weiter die Köpfe und Verstände verdrehen, werde weiterhin Sichtwiesen erweitern und Meinungen verdrehen, werde meine wirren Lehren verbreiten unter denen die sie eigentlich gar nicht hören wollten, unter denen die eigentlich nur in mir die Maske sehen, die sie auf den ersten Blick und vielleicht sogar noch auf den zweiten begehren, werde all denen, die sich wagen mir nahe genug zu kommen geben, was sie nicht haben wollten, aber eigentlich gesucht haben. Ich werde weiter machen ihren Verstand zu erweitern weil ich es kann. Ich habe die Macht dies zu tun!

Am nächsten Morgen ist es wieder so weit. Schon lange bevor ihr Wecker klingelt reisst es mich aus dem Schlaf. Ich möchte nicht da sein, wenn sie erwacht, möcht enicht materieller Rest ihres körerlich ausgelebten Traumes werden, möchte nicht materialisieren wie ein verwischter Wunsch aus ihrem Unterbewusstsein, vor dem es ihr dann Graut, weil sie weiss was ich mir ihr anzustellen weiss. Ich möchte lieber ein schöner Traum bleiben, an den sie sich erinnert, über den sie vielleicht sogar nachdenkt als denn ein verflossener Spasserfüller, den sie zu hassen beginnt wenn sie mich wieder einmal trifft, wenn sie die Eiffersucht quält über das was ich auch mit anderen spiele, auch wenn es ein äuserst ernstes Spiel ist.

Viel Macht bringt auch viel Verantwortung mit sich. Ich kann alles mit den Menschen machen, kann sie mit der mächtigsten Waffe, die existiert besiegen, vernichten oder erschaffen - dem Wort. Sie sind mir alle ausgeliefert, mir, meiner Glaubwürdigkeit und meiner unbesiegbaren Waffe die ich auffahren kann wie immer ich es mag. Bloss die Wahl, wen man verschont, wen nicht und wen man zu etwas macht, aus wem man mehr herausholt als er selbst glaubt liefern zu können erfordert mehr Weisheit als auch ich manchmal glaube aufbringen zu können. Und dann läuft es doch nur auf solche Spielereien heraus, wenn ich am zweifeln bin.

Erst vor der Tür kleide ich mich an um sie nich aufzuwecken und lasse vorsichtig ihre Wohnungstür ins Schloss gleiten.

Vielleicht ist es doch nicht ganz so gerecht, wie ich mir dies alles ausmale, vielleicht sollte ich wirklich einen Beweis meiner so gewünschten Existenz hinterlassen, sollte sie an all das erinnern, was ich ihr gesagt habe, war dies alles doch von genügend Wert gewesen, dass es nicht im ewigen Lauf der Geschichte ungeachtet untergehen sollte. Aber warum sollte ich davon ausgehen, dass auch sie derart ehrlich zu mir gewesen war. Vielleicht war es für sie letztenendes ja doch bloss ein billiges Spielchen gewesen, bei dem es zumindest ihr nur auf die Erfüllung ihrer fleischlichen Gelüste ankam. Für diesen Fall war mir das Risiko dann doch zu gross im Vergleich zu dem fragwürdigen Gedanken eines Hinterlassens einer Art Abschiedsbotschaft

Dabei war es echt. Jedes Wort das ich gesagt habe, jede Streicheleinheit, die ich ihr verabreicht habe, jedes Gefühl, das sie von meiner Richtung aus empfunden haben mochte war absolut echt.

Ich liebe Frauen, und ich liebe die Schönheit, ich liebe es Menschen kennen zu lernen und ich liebe es, wenn sie mir vertrauen, mir ihren Körper als Geschenk ihrer Gefühle darbieten, ich liebe es wenn ich mich mit ihnen unterhalte und in ihrem Unterbewusstsein graben kann, wenn ich aus ihren Formulierungen lesen kann, wer sie sind, was sie sind, wie ihr bisheriges Leben war und was sie sich erträumen, wenn ich ihr Weltbild erweitern kann und wenn ich das ihre kennen lerne. Ich liebe eine jede von ihnen, und zwar ganz und gar und vor allem wahrhaftig, ehrlich.

Wieder schaue ich mir im Innenspiegel mein Antlitz an, schaue in meine dunklen, tiefen Augen, inspiziere den Sitz meiner braunen, langen Haare, überzeuge mich von meinem Aussehen, das sie zumindest dazu gebracht hatte, mich anzusprechen und wieder sonne ich mich im Anblick meiner selbst.

'Ja. Ich bin ein Gott..'