1001 Worte...

... über die Hierarchie Mensch-Maschine

Es gibt wohl in der Geschichte der Welt immer zwei Gruppen, die einen die beherrschen und die anderen, die beherrscht werden beziehungsweise sich beherrschen lassen. So wird dies wohl auch in Zukunft bleiben, denn eine gewisse Ordnung setz immer auch eine Instanz voraus, die diese Ordnung erhoben hat und sie regelt, dafür sorgt dass sie eingehalten wird.

Dass es für diese Instanz immer auch solche Schichten geben muss, die sich von dieser Instanz initial hat beherrschen lassen, es unterlassen hat sich gegen diese Aufzulehnen um ihre Freiheiten zu behalten, scheint allzu offensichtlich für eine ernsthafte Betrachtung. Doch was, wenn die Herrscher keine Menschen mehr sind? Wie weit reicht die Unterwürfigkeit des Menschen beziehungsweise wie weit reicht diese noch?

Dabei muss man nicht einmal den utopischen Fall heraufbeschwören, dass eine Legion Ausserirdischer des Wegs kommt und die Erde unterwirft. Es reicht völlig, sich bereits in der heutigen Zeit umzuschauen, mit offenen Augen durch die Welt zu ziehen. Wie oft unterwerfen wir uns der einen oder anderen Maschine, wie oft lassen wir zu, dass sich unsere Verhaltensweisen, unsere Freiheiten durch die Regeln, die uns eine Maschine aufdrängen, geregelt oder gar dezimiert werden? Auch hier muss man keinen utopischen Fall heraufbeschwören, in dem ein Computergehirn den Richterspruch nach Durchsicht der vorgelegten Fakten spricht und dabei stets an seine eigene Unfehlbarkeit glaubt. Denn diese Zeit haben wir längst.

Jedes neue Gerät, welches wir uns anschaffen, verlangt uns ab, dass wir einen kleinen Teil unseres Verhaltens, unseres persöhnlichen Geschmacks, unseres Tagesablaufs umstellen, dass wir uns mehr und mehr nach der Maschine zu richten beginnen als nach dem, was wir eigentlich selbst wollen. Dazu muss man nicht einmal auf den Windows-Desktop blicken, welcher in der neuesten Version Vista dem Benutzer eine völlig neue Sicht seiner eigenen Dateien aufzwingt und ihn von den angestammten Ordnungen auf seiner festplatte zu 'beschützen' versucht. Es reicht völlig in die Küche auf die Kaffeemaschine zu blicken oder auch auf die Brotschneidemaschine, auf die Spülmaschine oder die Mikrowelle. Immer waren es - vielleicht auch nur kleine - Kompromisse, die man mit dem neuen Gerät eingehen musste. Bei der Kaffeemaschine musste es spezieller Kaffe in einer speziellen Ausmahlung sein, damit diese ordnungsgemäss funktioniert und der Kaffe genau so gut schmeckte, als hätte man ihn per Hand aufgebrüht. Für die Brotschneidemaschine musste die Kruste eine Konsistenz haben, die mit der Schneide des Gerätes harmoniert und man musste die Scheiben in einer mindestdicke schneiden, die sie bewältigte ebenso wie die maximaldicke, die überhaupt nur einstellbar war - ebenfalls nur ein kleiner, weiterer Schritt auf dem Weg zum genügsamen Menschen. Bei der Spülmaschine erfuhr man nach den ersten Waschgängen, dass man doch lieber spülmaschinenfestes Geschirr besessen hätte wenn man die Muster auf den Tellern behalten wollte und dass man die Teflonbeschichteten Pfannen ebenso wie die wirklich scharfen Messer besser mit der Hand spült. Aehnliches gilt für die Mikrowelle, für die es ebenfalls nicht jeder Teller und schon gar keine Metallschüssel tut.

All dies waren die ersten, kleinen Kompromisse, mit denen das tägliche Leben zugepflastert wurde - und man gewöhnte sich langsam daran sich nach immer neuen, nach immer mehr Geräten zu richten, die einem die eine oder andere, grössere oder kleinere Umstellungen abverlangten. Um an der Kasse bezahlen zu können musste man auf seine Karten aufpassen und eine Geldbörse in einem gewissen Formformat besitzen, die eine knickfreie Haltung und am besten noch eine Schutzhülle ermöglichte. Telefonieren im Flugzeug wird ebenfalls verboten, nicht weil das Flugzeug sonst abstürzen würde sondern weil es die Basisstationen, von denen zu viele gleichzeitig erreicht würden, überlastet würden. Der Koffer darf nur ein bestimmtes Gewicht haben, da sonst die Verlade- und Sortiermaschine Schaden nehmen könnte - die Strafgebühr für die zusätzlichen Gramm sind für die Versicherung der Anlage im Schadensfall durch den zu schweren Koffer. Der Teig des Bäckers wird nicht mehr nach Geschmack oder Gebäckqualität bestimmt, sondern dadurch, ob und wie er durch die verwendeten Maschinen passt, manche Gerätefabrikanten geben explizit zu verwendende Rezepte sogar gleich mit vor.

Doch nun kommen die grösseren Kompromisse für die persöhnliche Sicherheit. So wird einem abverlangt, seine Formulare für die Ämter mit einem bestimmten Stift in präzise vorgegebenen Feldern in Blockschrift auszufüllen. Da die Software dafür jedoch immernoch zu fehleranfällig war, stellte man direkt darauf um, die Steuererklärung gleich in digitaler Form einzureichen, bloss um der Software weitere Arbeit abzunehmen. Von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt, bis auch die Bewertung selbst nicht mehr von Menschen, sondern von der Maschine im Amt am anderen Ende der Leitung vorgenommen wird.

Heute sind es nicht mehr diskrete Maschinen, die in unserem Leben herumpfuschen, sondern von ähnlichen Menschen entwickelte Programme, die jedoch weit mehr Macht entwickelt haben als alle Haushaltsgeräte zusammen. So wird im Sicherheitsbereich nahezu Weltweit zusammengearbeitet. Nun, grundsätzlich mag dies nicht falsch sein, jedoch ist vorbeugende Sicherheit doch eher eine Privatsache. Allerdings wird nun die Grundlage dafür vom Staat einfach eingefordert, welcher auch gleich zu springen bereit ist. So möchte man am Flughafen in Übersee gerne direkt die biometrischen Daten - Photo, Fingerabdrücke, Retinascan, Schuhgrösse oder was auch immer - aus dem Pass auslesen und die Einreise dahingehend automatisieren. Hierzulande wird gesprungen und der Pass mit diesen Merkmalen ausgestattet. Der Haken dabei ist, dass dies alles technisch noch nicht möglich ist. Zuverlässige Fingerabdruckscanner gibt es nicht oder werden zumindest von den zuständigen Stellen nicht verwendet, so dass an jedem Scanner ein Beamter stehen muss, der dem eincheckenden Fluggast die Benutzung erklären muss damit dieser von der Maschine nicht abgelehnt wird. Für die Passbilder gilt dies in sogar noch grösserem Ausmass, denn hier zwingt man dem Amt noch einmal mehr Arroganz auf. Das verlangte Photo muss in einen Raster passen in welchem die Silhouette ebenso vorgegeben ist wie die Lage der Augen, Mund und Nase. Dabei ist dies gar nicht möglich, da Menschen nun einmal verschieden sind, verschieden Aussehen und allzu oft grundsätzlich gar nicht in dieses Raster passen. Bei einfachen Fehlern im Bildschnitt schafft es die Software nicht einmal, das angelieferte Bild entsprechend zu skalieren oder auch bloss zu verschieben bis es passt, es wird einfach verlangt dass es korrekt sein muss. Dabei sind Bedienungsfehler nicht ausgeschlossen und ein eigentlich korrektes Bild wird gerne mal abgelehnt weil es die Software so gesagt hat. Menschen mit unförmigem Kopf oder falscher Augenlage, die also per se nicht in dieses Raster passen egal wie viel man skaliert, verschiebt oder gar dreht, müssen dann unterschreiben, dass sie selbst schuld wären und den eigentlich fehlerhaften Ausweis in dieser Form akzeptieren. Werden sie irgendwo auf der Welt nun aus diesem Grund der Software-Unfähigkeit abgelehnt, haben sie keinen Anspruch auf irgend eine Wiedergutmachung, müssen im extremfall auf eigene Kosten durchs Niemandsland reisen bis sie irgend ein einsichtiger Zöllner dann doch noch in ein Land wieder einreisen lässt.

So zieht sich der Mensch immer weiter aus dem externen Leben zurück. Reisen darf er ja faktisch nicht mehr. Doch in ein Cafê gehen darf er auch schon nicht mehr, wenn er nicht per life-stream ins Internet videoüberwacht werden möchte. Auf öffentlichen Plätzen oder in Behörden wird man ebenfalls aufgenommen, das Telefon zur Terrorprävention abgehört und die Internet-Verbindungsdaten mitgeschnitten.

Der gesunde Menschenverstand ist immer weiter auf dem Rückzug und wird irgendwann durch ein paranoides Computergehirn ersetzt werden um den menschlichen Faktor als Problem ebenfalls auszuschliessen. Der unterwürfige Mensch hats ermöglicht, alle anderen werden in die Unterwerfung gezwungen.