Plädoyer eines Linux-Jüngers für Windows

Es ist eine schlechte Welt, in der wir leben. Doch so ist es nun einmal, und es wird sich nicht von heute auf morgen ändern, es wird schon noch ein paar Monate dauern. Das ist der Status und dieser lässt sich nicht wegdiskutieren, man kann ihn leider bloss hinnehmen und den Regeln der Realität folgen.

Diese Realität besteht nun einmal daraus, dass Windows den Markt beherrscht - nach wie vor. Windows ist der Standard, an den sich jedes Betriebssystem zu halten hat, weil nun einmal jeder, der am Computer arbeitet oder damit umgeht, sich daran gewöhnt hat dass Dinge auf die Weise funktionieren, wie sie dies bei dem hinlänglich bekannten Windows tun. Dies lässt sich nicht einfach ausblenden, man kann es bloss hinnehmen und versuchen es besser zu machen, aber muss ebenfalls auch das bieten, was der gehasste Liebling vermag. Es ist ähnlich einer Frau in einem Männerberuf, sie muss mindestens doppelt so gut sein wie der Mann um auch nur anerkannt zu werden. Wenn also irgend etwas nicht so funktioniert wie erwartet, dann funktioniert es gar nicht - aus der Sicht des Umsteigers.

Klar ist es für Neueinsteiger etwas völlig anderes, für Menschen, die nicht durch die Benutzerführung von Windows verdorben worden sind. Doch solche Leute sind zunehmend seltener geworden, werden sie doch bereits in der Schule mit dem gesponsorten Marktführer konfrontiert oder spätestens am Arbeitsplatz dazu gewzungen werden, damit sogar zu arbeiten - so unmöglich das auch klingen mag

Dieses und alle weiteren Machwerke sind ausschliesslich mit Papyrus unter OS/2 bzw. eComStation entstanden, sowie gesetzt und veroeffentlicht worden

. Gerade an die Funktionen des Dateimanager-Teils des Windows-Explorers hat man sich sehr schnell gewöhnt, hat schnell übernommen, dass man alles mit der rechten Maustaste fast überall hin ziehen kann und dass dann irgendetwas passiert, was man sich am Zielort erst überlegen muss weil man dort ein Kontextmenu präsentiert bekommt in welchem man sich die Aktion dann aussuchen kann. Klar ist es auch hier verwirrend, dass in den Standardeinstellungen mit der linken Maustaste bloss auf ein und demselben Laufwerk verschoben wird, auf alle anderen jedoch kopiert, dass beim ersetzen von Ordnern beim Kopieren damit auch alle Dateien darin gemeint sind, mit 'abbrechen' jedoch der gesamte Kopierauftrag aufgebrochen wird und ein 'Nein' den Ordnet unangetastet lässt, also auch keine Dateien dort hinein packt. Dies erzieht ein wenig zu gleichgültigkeit seinen eigenen Daten gegenüber, hat also noch weitreichendere, negative Folgen. Doch da man auch für solche Fälle mit plugins, Zusatzprogrammen oder gleich einem neuen Dateimanager versorgt wird, ist dies keine unausweichliche Katastrophe, so wie es für jedes Zipperlein eben sein Zusatzprogrämmchen gibt, welches man einfach nur zu installieren braucht und welches dann wie von Geisterhand funktioniert.

Bei Linux ist dies leider nach wie vor etwas anders. Klar kann man sich auch hier auf die Bordmittel beschränken, die eine Distribution nun einmal so mitbringt, was zugegebenermassen weitaus mehr ist, als es bei einer Windows-Installation jemals vom Start weg aus gegeben hat. Sogar den Vergleich mit einem frischen OS/2 braucht es nicht zu scheuen, welches ja ebenfalls einiges an Programmen mitliefert, sogar gleich mehrere, kommerzielle Office-Programme in der Vollversion. Führt man immer nur die Standardaktualisierung durch, die das System auf dem neuesten Sicherheitsstand hält, so wird sicherlich auch noch alles richtig funktionieren und wenn man sich ausschliesslich durch die Programmsammlung des Distributionsanbieters wühlt, so wird auch jedes Programm, welches man zu installieren sucht, funktionieren wie gewünscht. Doch wehe dem, der mit dieser Paketverwaltung Dinge machen möchte, für die es eigentlich nicht vorgesehen ist.

Diese wird dann nämlich entsprechend dumm reagieren und nicht nur mittelfristig die Installation ruinieren. So ist es beispielsweise nicht zwingend so, dass man zwar das neueste Programm möglicherweise in der Sammlung angeboten bekommt, dieses sich aber nicht starten lässt, weil es wiederum eine Systemdatei voraussetzt, die in der Version des Betriebssystems bzw. dieser Distribution nicht vorhanden ist und welches sich auch nicht in der Paketsammlung wiederfindet, da sie erst bei der neuesten Version, die erst im Betastatium verweilt, zugänglich gemacht wurde. Konkretes Beispiel sei hier die glibc genannt, die von neueren Programmen vorausgesetzt wird, bei ubuntu-dapper jedoch nicht verfügbar ist da sie das neue Feature von ubuntu-edgy ist, welches jedoch der Fenstermanager beryl voraussetzt und sie auch nicht selbst mitbringt. Sucht man sich nun eine andere Quelle, um an gerade diese Bibliothek glibc in der neuesten Version zu gelangen, so handelt man sich dadurch noch einige andere Aktualisierungen ein, die dann nicht unbedingt mehr mit vorhandenen Diensten und Programmen harmonieren, die ja eigentlich unberührt bleiben sollten. Akut war im dokumentierten Fall ein Netzwerkdienst betroffen, welcher Laufwerke eines entfernten Rechners zugänglich machen sollte, sowie der Manager für USB-Laufwerke, die ebenso unzugänglich blieben.

Dass man für solche Sachen dann eine nichtssagende Fehlermeldung ohne Hilfemöglichkeit oder weitere Informationen zu sehen bekommt, ist ein Analogon zu Windows, welches dies im Falle des Falles gleichermassen handhabt - der Benutzer muss ja auch nicht alles wissen. Dennoch muss es Linux eben nicht genauso schlecht machen wie Windows. Es muss besser sein als dieses, um zumindest als 'Gut' wahrgenommen zu werden. Dennoch bekommt man gleichtote Fehlermeldungen geliefert - zumindest auf der graphischen Oberfläche.

Überhaupt ist man bei keinem anderen System derart viel zwingend in der Textconsole unterwegs wie unter Linux. Klar liegt dies an der Entstehungsgeschichte sowie an der grundsätzlichen Architektur des Systems, dennoch muss man schon für eine abgesicherte Paketzugänglichmachung mindestens ein Kommando von unsäglicher kompliziertheit und Komplexität sowie eine editierte Konfigurationsdatei hinter sich bringen, um überhaupt in den Genuss der berechtigung zu gelangen, sich das neue Programm herunterladen und installieren zu können. Und selbst dann bekommt man von letzterem oftmals gar nichts mit, weiss gar nicht so recht, was da gerade alles gekommen ist das man benutzen könnte, denn eine aufgeschlüsselte Rückmeldung gibt es ebensowenig wie einen Eintrag im Startmenu, welches mitlerweile auch Linux in jeder Ausprägung mit bringt. Oft wird es aktuell gehalten, bringt für viele Anwendungen Icons und Start-Einträge mit. Meist jedoch wird nicht einmal eine Textdatei angezeigt, die eine wenigstens geringfügige Erklärung über die neuen Funktionen gibt. Die Serverdienste um mit Windows-Rechnern Verbindung aufzunehmen sowie die Dienste um deren Laufwerke zu benutzen werden kommentarlos ins System kopiert und nichteinmal mit den fundamentalsten Konfigurationsdateien versorgt, so dass man zumindest bei einer Suche einen Anhaltspunkt haben könnte.

Natürlich gibt es ein Hilfesystem, doch dieses ist nicht wirklich etwas für den Einsteiger, der mit dem Unterschied zwischen GruppenID und SambaGruppenID erst einmal im Regen stehen gelassen wird. Diese Gruppen oder gar Benutzer werden auch nirgendwo synchronisiert und auf den gleichen Stand gebracht, weil dies ein potentielles Sicherheitsrisiko sein könnte. Dieser Sicherheitsfanatismus, so richtig er in der heutigen Zeit auch sein mag, macht der einfachen Bedienbarkeit des Basyssystems einen weiteren Strich durch die Rechnung wie etwa der Explorer-Ersatz unter Linux. Davon gibt es ebensoviele wie graphische Benutzeroberflächen und sogar noch mehr. Was ihnen aber allen gleich ist ist die Abhebung vom System in vielen Punkten - aber eben wieder nicht in allen. So lässt sich zwar die Netzwerkverbindung konfigurieren, was auch beim nächsten Systemstart und für alle Programme auf allen Ebenen so bleibt, wenn man sich jedoch durch sein Netzwerk hangelt, sich von Festplatte zu Festplatte auf dem einen oder anderen entfernten Computer hangelt, so ist es mit der durchgängigen Verständlichkeit aber schon vorbei. Möchte man eine Datei bearbeiten, für welches der Dateimanager ein eigenes Programm mitbringt, so funktioniert dies gerade noch. Soll die Datei jedoch mit einem anderen Programm geöffnet werden - beispielsweise ein Film mit dem VirtualLanClient VLC - dann ist dies ein schwierigeres Unterfangen, denn dieses Programm kann mit dem gelieferten Dateinamen, welcher sich auf eine Netzwerkfreigabe bezieht, nichts anfangen. Dafür hätte man dieses entfernte Laufwerk mit einem kommande auf der Textconsole in das Dateisystem verbinden müssen, somit es einen lokalen Dateinamen bekäme und der Film auch für den VLC zugänglich würde. Doch dies geht über die Benutzeroberfläche gar nicht, über die Textconsole nur bedingt und erst nach eingehender Studie der Dokumentation gerdade so in Ausnahmefällen, denn OS/2-Freigaben werden zwar im graphischen Manager angezeigt, jedoch nicht ins Dateisystem verlinkt, womit diese Laufwerke vorerst von einer externen Bearbeitung verschont bleiben müssen. Die Benutzerführung ist also gelinde gesagt Inkonsistent

Doch weiter mit Programmen, die nicht funktionieren weil sie nicht trivial nachinstallierbare Dinge voraussetzen. Derzeit aktuelles Beispiel sei Skype, welches in der neuen Version vor allem die Unterstützung des derzeit favorisierten Audio-Systems mitbringt. Solche Systeme werden nämlich ebenfalls von Zeit zu Zeit gewechselt, weil Entwickler abspringen, das System unter einer anderen Lizenz herausgebracht wird oder einfach ein neues, besseres, allgemeingültigeres entwickelt wird, welches mehr Unterstützung in der Entwicklergemeinschaft findet. Ob ich für eine Installation die notwendigen Bibliotheken an Bord habe ist nicht sichergestellt, wenn die neue Version nicht funktioniert werde ich nicht wissen, woran es eigentlich liegt und wenn ich für die Vorgängerversion nicht das notwendige, alte Soundsystem im System integriert habe schaue ich ebenfalls in die Röhre. Ähnlich sieht es wie oben bereits angedeutet mit neuer Software aus, die oftmals mit der neuesten Programmierumgebung entwickelt wird und entsprechend die neuesten Versionen der verbreiteten Programmierbibliotheken verwendet, die dann ebenfalls nachinstalliert werden müssten - wenn sie denn verfügbar sind. Wenn man extrem viel Pech hat, so sind die in den Installationskapeten definierten Abhängigkeiten jedoch konträr zu den installierten Bibliotheken, die dann zwangsweise entfernt werden, womit dann grosse Teile des Systems nicht mehr funktionieren weil sie ausschliesslich nach der alten Version suchen. Natürlich sollte dies nicht vorkommen, kann es aber durchaus.

Viele dieser Punkte treffen natürlich nur zu, wenn man eher das ist was als 'Poweruser' bezeichnet wird, man sich also mehr mit dem System beschäftigt als nur seine Texte zu schreiben, im Internet zu surfen, Mails zu schreiben und Solitär zu spielen. Doch diese Grenze wird leider bereits dann überschritten, wenn man ein Windows-Spiel zum laufen bekommen möchte, oder aber auch ein Linux-Spiel konfigurieren will, welches die Mitarbeit verweigert, ganz zu schweigen von der Suchorgie die sich anbahnt, wenn sich einmal ein Programm nicht in das Startmenu einträgt oder ein Icon auf dem Hintergrund hinterlässt, von der Arbeit mit beschreibbaren Wechselmedien ganz zu schweigen - unmount lässt grüssen.

Doch mit der nächsten Version wird sicherlich alles besser - also der nächsten Windows-Version. Denn diese heisst Vista und macht alles noch schlimmer als es sowieso schon war. Die Verbesserungen lassen sich an einer Hand abzählen, die wichtigsten beschränken sich ausschliesslich auf Spieletechnologien. Die Verschlimmerungen durchdringen jedoch alle Ebenen des Systems, vom Preis für Erweiterungen ganz zu schweigen, von ständig erforderlichen Reaktivierungen gar nicht erst angefangen und den Zwang sich an die von Windows vorgegebene Dateiordnung zu halten und nicht einfach eigene Verzeichnisse auf seiner Festplatte zu erstellen ganz weggelassen. Mit all diesen Dingen stresst Linux den Anwener nicht. Dort ist er ein mündiger Besitzer, der über seine Geschickte in weitaus grösseren Zügen selbst entscheiden kann, der sich seinen Desktop selbst zumüllen kann und seine Dokumente auch mal wo anders als im Heimatverzeichnis erstellen darf. Auch bekommt er im Normalfall seine Konfiguration nicht eliminiert - windows tut dies ja sporadisch spontan aus unerfindlichen Gründen.

All dies macht Linux vielleicht nicht sympathischer, jedoch Windows um einiges unsympathischer, was ja auch schon ausreichen könnte, damit sich auch an der Spielefront einiges tun könnte. Denn nach wie vor sind es die Spielereien, die die Technologie vorantreiben. Es ist die graphische Oberfläche mit ihren Wobbelfenstern

Das Plugin fuer den Beryl-Fenstermanager heisst in der Tat 'wobble' !

, die die Killeranwendung für Linux werden könnte und den 'Boah'-Effekt für Linux bringen könnte, den einst Windows95 vor OS/2 und WindowsXP von seinen Vorgängern abgehoben hatte. Man brauchts nicht, aber im WLAN-bewährten Cafe schaut einem jeder über die Schulter und staunt, vor allem wenn es dermassen Sinn macht. Dass es Linux-gemäss wenig Leistung frisst braucht kaum dazugesagt zu werden, wohingegen Vista eine Monstermaschine voraussetzt. Mehr als eine Chance also für mehr Akzeptanz. Mehr Anwender suchen dann auch mehr Spielerische Ablenkung und wenn dieser Markt ersteinmal geöffnet ist, hat die Zukunft endlich angefangen.

Bis dahin jedoch werde ich wohl weiter mein auf Win2k-Oberfläche gestutztes XP benutzen und mich daran freuen, dass Spiele einfach laufen, dass Filme einfach flutschen und dass oftmals sogar ein Programm auch nach einer XP-Neuinstallation noch läuft ohne ebenfalls neu eingespielt zu werden. Beschäftigungstherapie für Fortgeschrittene eben. Schöne neue Welt dank Videospiele.