zur Napsterisierung des Internet

Die Medienwirtschaft hat ein neues Feindbild: den Kunden. Naja, eigentlich ist es eher die Tatsache, dass er genau das macht, was er schon immer gemacht hat, nämlich mit seinen Freunden und Bekannten Musik und andere Sachen getauscht hat, denn natürlich soll sich jeder sein Zeug selber kaufen. Napster war einer der grossen Vorreiter in dieser Branche, der versucht - und mit Erfolg versucht - hat, aus dem Tauschfieber der Menschen ein wenig Werbekapital zu schlagen. Wohlgemerkt, man hat nicht an dem verdient, was die Leute unter sich getauscht haben, auch nicht dadurch, dass man es ihnen zur Verfügung gestellt hätte, sondern nur durch Werbung und Kundenprofile. Und das offenbar nicht schlecht, denn ihre Homepage war mit Sicherheit eine der meistbesuchten Seiten überhaupt, was durch die Klage der Medienindustrie, also der Rechteinhaber der Dinge, die zumeist getauscht wurden, nur noch maximiert wurde.

Aber war sollte auch schon dabei sein. Ich bin in der Napster-Community, alle meine Kumpels sind auch drin und wir schicken uns ab und zu unsere Songs hin und her, wie wir es auf dem Schulhof genauso machen könnten - eben nur bequemer. Dass das Unrechtsbewusstsein der Mitglieder nicht sehr gross war, war klar, denn eigentlich machten sie nichts wirklich unrechtes. Zusätzlich wuchs die Welt weiter zusammen. Wenn hier gerade ein neuer Hit eines amerikanischen Musikers mit grossem Tamtam durch die Werbung ging besorgte man sich diesen Song eben von seinem amerikanischen Kumpel, der sich die CD gekauft hatte, und wusste gleich, ob sie wirklich gut ist oder nicht. Wenn sie tatsächlich gut war, so konnte man sie sich immernoch kaufen, schliesslich gab und gibt es ja nach wie vor Alben, auf deren Cover der Songtext gleich mit drauf steht, so dass man auch korrekt mitsingen kann und keine phantasietexte trällern muss.

Gibt es nicht? Gibt es keinen Songtext mehr in den Covern? Gibt es keine weitergehenden Infos mehr über die CD und die entstehung der Songs? Hnmm, warum soll ich mir die dann kaufen, wenn ich ausser der Musik nichts weiter an Mehrwert geliefert bekomme? Und die kann ich mir zur Not auch aus dem Radio aufnehmen, da ist die qualität - aus dem Kabel zumindest - genausogut, und Rundfunkgebühren hab ich eh bezahlt. Oder ich lass mir noch ein paar der Stücke schicken und brenn sie mit ein paar anderen Songs auf ne CD, mach mir meinen eigenen Sampler mit den Liedern, die mir wirklich gefallen. Das erspart mir auch den späteren Griff zu einem gekauften Sampler, wo doch wieder die Halbe CD voller Mist ist.

Dass sich diese Denkweise entwickelt hat ist in Anbetracht immer schmaler werdender Geldbeutel - und immer schmaler werdender Coverinhalte - kaum verwunderlich. Im Internet surft man sowieso, da kann man die Leitung auch gleich dazu nutzen, sich im Hintergrund etwas herunter zu laden, das man auch noch brauchen kann und für das man andernfalls horrende Preise bezahlen müsste. Wahrscheinlich ist es genau das, was Aviola, Sony und wie sie alle heissen einfach nicht kapiert haben. Sie haben versucht, durch immer neue Kopierschutzmethoden die Leute daran zu hindern sich die Musik von der CD herunterzuholen, für die sie ja schliesslich bezahlt haben und sie auch zumindest benutzen können sollten. Aber sogar das wird oftmals durch diesen Kopierschutz unmöglich gemacht. Dabei war dies gar nicht das eigentliche Problem, denn die Musik selbst kann man wie gesagt auch aus dem Radio bekommen, wo sie ja schliesslich den ganzen lieben langen Tag rauf und runter gedudelt wird, bis es einem wirklich zu den Ohren raus kommt und man nur noch abschalten möchte.

Das Problem war vielmehr, dass sich die Leute die Songs sogar gekauft hätten, sich gewissermassen ihre eigene, legale Kopie davon gezogen hätten, wenn es denn möglich gewesen wäre. Ich habe auch lieber eine legal erstellte und bezahlte Kopie im Schrank stehen, als eine napsterisierte. Aber das war einfach nicht möglich. Nicht nur, dass die Plattenfirmen keinerlei ernsthaftes und realistisches Angebot gemacht haben, die Verwertungsgesellschaften zeigten sich ebenfalls unfähig, richtig abzurechnen. Es gibt die Beispiele gleich dutzendfach, in denen sich jemand an die GEMA gewandt hat mit einer Bitte seine Gebühren für die Stücke, die er auf seine CD gebrannt hat, entrichten zu dürfen, aber kein einziger von ihnen bekam jemals eine Antwort. Es ist natürlich viel leichter, pauschale Gebühren zu kassieren und diese ganz pauschal denen zu überschreiben, die gerade in den Charts stehen, als sich an den tatsächlichen Verhältnissen zu orientieren.

Denn mit der Zeit war es nämlich immer mehr so, dass nicht mehr die Stücke getauscht wurden, die gerade durch die Medien gingen, denn vor denen konnte man sich ohnehin kaum retten, sondern eben Musik, die es faktisch nicht mehr zu kaufen gibt gesucht wurde. Wie stehts zum Beispiel mit den ersten Alben von Michael Jackson, den Jackson Five, den Beatles oder auch nur Alphaville, Cindy Lauper, alte Stones Alben, ganz zu schweigen von Dingen wie "War of the Worlds" und anderen Hörspielen oder auch politischen Reden wie der "Ich bin ein Berliner"-Ansprache, oder gar "Wollt ihr den totalen Krieg" Sachen. Weit ab vom Mainstream, von dem was alle angeblich zu wollen haben, bewegt sich die Suche der Menschen, die sich heute in diesen Suchnetzen bewegen, und jeder der einen Gnutella-Client zum laufen bekommen kann kann dies nachvollziehen indem er sich einmal die suchanfragen auf seinen eigenen Client anschaut - so er denn überhaupt etwas der Welt zur Verfügung stellt.

Das genau ist der Punkt, es geht nichts mehr verloren. Selbst die schlechteste Folge von Raumschiff Enterprise, die langweiligste Simpson-Episode findet sich ebenso im Netz der Netze, wie die ein oder andere Folge von Captain Future - was schon wesentlich seltener ist - oder Robotech, und auch von Fans synchronisierte oder mit Untertiteln versehene, japanische Manga-Serien, die man in diesem Lande ansonsten gar nicht zu sehen bekäme. Dies ist die Richtung, in die es bei aktuellen Tauschnetzen geht.

Obendrein sind diese auch weit weniger angreifbar, als zu Napster-Zeiten. Napster funktionierte nur, wenn der zentrale Napster-Server auch tatsächlich arbeitete. Alle Suchanfragen, wurden einzig und alleine von diesem empfangen, verarbeitet und beantwortet. Schaltete man ihn ab, war das Napster-Netz tot. Nichts ging mehr. So geschah es, als Napster von Bertelsmann gekauft wurde und eine gütliche Einigung mit dem Lizenzinhabern der getauschten Musik gesucht wurde. Übrigens geht der Streit bei Napster nach wie vor nur über amerikanische Musik von amerikanischen Künstlern. Von europäischen oder gar japanischen oder chinesischen Firmen hört man keinen Muks, denn die sind sich offenbar über die Werbewirksamkeit verfügbarer Musik im klaren. Bei Napster gibt es dieser Tage wieder etwas zu saugen. Legal sogar. Allerdings wird alles andere, wofür man keine Lizent hat, gnadenlos unterdrückt. So sollte es hier schwer fallen, einige der oben genannten Dinge zu finden, ganz zu schweigen davon, diese auch tatsächlich zu erhalten. Denn nach wie vor ist es doch so, dass sich ein grossteil der Leute über Leitungen einwählt, die nicht schnell genug sind. Also nutzen sie diese auch nur, um sich selbst Dateien zu besorgen, verschicken aber selbst kaum welche, denn das würde ja nur ihre eigene, kostbare Bandbreite kosten. Der Verschicker bezahlt also in diesem Fall genauso wie derjenige, der diese Datei empfängt, eben nur an seinen Internet Provider. Dass sich ein Napster jetzt auch noch herausnimmt, für das heraussuchen eines Stückes aus seiner Liste fünf Dollar im Monat als Gebühr zu verlangen ist in diesem Kontext ein ziemlicher Batzen. Bei der Übertragung selbst hat Napster nämlich gar nichts mehr mitzumischen, ist nicht einmal mehr Zuschauer. Und legaler wird das gesaugte Stück dadurch auch nicht, denn man steht noch immer als der Kriminelle da, der sich den Song aus dem Internet geladen und auf einen billigen Rohling gebrannt hat. Zudem verarscht Napster die Kunden weiter, indem man ihnen garantierte Downloads verspricht, also Downloads, die nicht abgebrochen werden. Wie soll das bei einer Tauschbörse von Hobbiisten funktionieren, in der jeder kommt und geht wie im die Gebühren passen? Es kann also nur so sein, dass die Songst auf dem zentralen Napster-Server liegen und von da aus direkt verschickt werden. Nun, ich kann mir etwas besseres vorstellen als zweihunderttausend User, mit denen ich mir die Bandbreite dieser Server teilen muss.

Und der Rest der Welt? Wie kommt der dazu, seine Gebühren an Napster zu zahlen? Gibt es etwa ein Napster.de? ein Napster.ru? Ein Napster.uk? Oder ein Napster.it? Wohl kaum, und eine Kreditkarte haben hier die wenigsten. Wieder einmal sind wir die ausgesperrten bei einer amerikanischen Veranstaltung. Zum Glück sind die Gehirne hierzulande aber nicht ganz so eingerostet wie andernorts, denn es gibt ja genügend andere Tauschbörsen, die wesentlich effektiver funktionieren als dies Napster jemals könnte. Dabei funktionieren diese auch ohne einen zentralen Server, der alle Verbindungen belauschen könnte, Benutzerdaten abhorchen oder suchprofile erstellen könnte. Moderne Tauschbörsen sind im Grunde die Implementation der philosophie des Internet, nämlich dass es noch immer funktionieren wird, selbst wenn ein grossteil der Knoten ausfallen würde. Diese lockere Vernetzung, die nur von den Benutzern selber getragen wird, ist dabei absolut unempfindlich gegenüber Angriffen von aussen, wie zum Beispiel einer Klage von Time Warner gegen Musiccity zur Abschaltung ihres Servers. Das wird die Community nicht weiter stören, denn dieser Server ist nicht wirklich notwendig für das Funktionieren dieses Netzes. Bei Gnutella ist es noch weit unabhängiger, weil hier das Netz nicht nur nur aus den Usern als Knoten besteht, sondern diese die Suchanfragen auch noch weiterreichen können (forwarding).

Doch was bedeuten diese Netze, diese Fundgruben für die abstrusesten Dinge überhaupt für die Internet-Benutzer selbst? Ein Wort: Freiheit! Endlich hat man wieder das, was durch den Gesetzgeber immer weiter unterdrückt wird und was in jedem Land anders aussieht. Endlich hat man wieder Zugang zu allen Informationen die man haben will, auch wenn sie die eigene Regierung unterdrücken oder totschweigen will. Endlich bekommt man, was immer man auch sucht. Dabei rede ich nicht von Kinderpornos oder Mitschnitten von Vergewaltigungen, vom neuesten Windows oder kompletten Spielen oder Kinofilmen, nicht von Aufnahmen von Morden oder der Ex-Freundin, die beim Betrug aufgenommen wurde. Ich rede hierbei von dem, was Gesetze brechen würde die gegen den gesunden Menschenverstand gehen. Konkretes Beispiel? DMCA, der Digital Millenium Copyright Act, ein Gesetz der Amerikaner, das die EU zu allem Überfluss gerade nachzumachen versucht, das alles verbietet, was irgendwie mit Kopierschutz, Dekodierung und Sicherheitslücken zu tun hat. So ist es beispielsweise einem Russen schlecht ergangen, der in Amerika auf einem Kongress sprechen sollte, aber daheim in Russland ein Lesegerät gebaut hat, mit dem man das eBook-Format, ein angeblich Kodiergeschütztes Format von Büchern für entsprechende Lesegeräte, auch auf einem Gerät seiner eigenen Wahl lesen kann. Ein amerikanisches Gesetz wurde als auf einen Urlauber für etwas, das er in seinem Heimatland getan hat, angewandt. Schöne neue Welt.

Aber nicht genug damit. Es trägt noch viel konfusere Früchte. So rief die Medienwirtschaft dazu auf, ihre vier neuen Kopierschutzverfahren in einem öffentlichen Wettbewerb zu knacken. Tatsächlich machte sich ein Team bei Xerox daran, dies zu tun und landere auch prompt auf der Fresse als am Tag nach deren Veröffentlichung ihres Erfolges ein Brief vom Anwalt in der Post war. Seitdem klagen sie munter gegeneinander, natürlich unter Androhung immer heftigerer Strafen. Und wofür? Für Forschungsarbeit, die die Urheber nicht selbst machen konnten.

Was lernen wir daraus? Veröffentliche nur, wenn du nicht nach Amerika reisen willst - so einige Professoren, die selbst ihre Forschungsarbeiten zurückhalten, weil sie beruflich des öfteren in die USA reisen müssen und schon gar nicht mehr wissen, wozu sie eigentlich ihre Professur haben. Wenn du doch nach Amerika willst, dann veröffentliche es nicht in einem .DOC-Format, in dem dein Name drinstehen würde - übrigens ohne dass man dies weiss oder mitbekommen würde- sondern ein wenig anonymer und auch nicht im Internet wo es jeder findet, sondern im Gnutella-Netzwerk, wo man es nur findet wenn man es sucht - und das von überall auf der Welt.

Vielleicht sind dies die Nachfolger von Google, die Suchmaschienchen von Gnutella.

Freiheit für alle Informationen

Das ist das Hacker-Ethos, nicht das, was die Medien gerne immer über diese verbreiten

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