380 Milliarden Jahre

nach unserer Zeit ...

 

 

 

Die Unendlichkeit ist lang, vor allem am Schluss.

So oder so ähnlich hat es mal ein weiser Physiker gesagt. Hätte es ein Mathematiker gesagt, käme dem eine weitere Bedeutung für das Kleinste im Kleinen zu, hätte ihn ein Theologe abgesondert, wäre es aber wohl direkt ein Zweifel am eigenen Stand gewesen.

380 Milliarden Jahre, das ist in etwa die Größenordnung von Zeit, die das Universum braucht, um zu vergehen. Nach bisherigen Erkenntnissen wird es sich nämlich schlicht und einfach auflösen - es wird nur noch Strahlung, also im Grunde Energie - zurückbleiben, und selbst diese wird sich derart ausdünnen, dass sie kaum mehr messbar sein würde. Wenn noch jemand da wäre, der etwas messen könnte.

Hubble wies sie einst nach, die Expansion des Universums. Er beobachtete einen ganzen Haufen Galaxien und konnte anhand deren spektraler Lichtverschiebung nachweisen, dass sich im Wesentlichen alle diese ohnehin schon weit entfernten Gebilde von uns weg bewegen. Auch wenn dabei einige Messfehler und Irrtümer enthalten waren so war doch die grundsätzliche Wahrheit auch nach Korrektur die gleiche, nämlich dass sich das Universum ausdehnt. Und das wird es auch weiterhin so machen, denn man kann weiterhin errechnen, dass die Gesamtmasse des Universums - also aller Galaxien, schwarzer Löcher, Lichtteilchen aber auch Dunkler Materie und sogar der dunklen Energie - nicht ausreicht, um alles so weit zusammenzuhalten, dass die Expansion zumindest irgendwann aufhört oder gar alles wieder in sich zusammenfällt.

Dies bedeutet für die nähere Zukunft erst mal gar nichts, wird uns in unseren Lebzeiten, ja sogar der Lebzeit unseres Zentralgestirns, nicht tangieren. Doch schon bald könnten sich die Galaxien so weit voneinander entfernt haben, dass man am nächtlichen Sternenhimmel ausschließlich noch solche, also naheliegende Sterne in der eigenen Galaxie, sehen können wird und keine im Volksmund Nebel genannten Gebilde, die sich wissenschaftlich als entferntere Galaxien oder Galaxienreste entpuppt haben - Orion wird da aber bereits lange mit der Milchstraße verschmolzen sein.

Und so beginnt es. In Dunkelheit.

Wenn Sterne sterben so veranstalten sie meist ein Feuerwerk, bei dem schwerere Elemente entstehen, und hinterlassen eine Eisenkugel oder einen noch schwereren Körper wie einen Neutronenstern, einen Magnetar, ein schwarzes Loch gar. Viel Wasserstoffgas zum Formen eines neuen Sterns bleibt auf lange Sicht nicht mehr, wird sich im interstellaren Raum verteilen und für die Nutzung verloren gehen. Schließlich werden nur noch solch schweren Körper bleiben, die sich gegenseitig auffressen, im galaktischen Zentrum ein gewaltiges, schwarzes Loch formen, welches dann darauf warten wird, dass es verdunstet. Dass schwarze Löcher auf diese Art vergehen, hat Stephen Hawkin proklamiert, weshalb dieser Dunst auch Hawkin-Strahlung genannt wird, darauf basiert, dass Teilchen stochastisch gesehen schneller als das Licht werden können und dadurch dem Schwarzschildradius entkommen können. Je größer das Loch, desto länger die Verdunstung.

Schwarze Körper, Dunst, Lichtteilchen, die nirgendwo mehr ankommen werden - ein deprimierender Ausblick auf die Zukunft von Allem.

Da freut man sich doch, dass man eine unsterbliche Seele hat und sich im besten Fall all dies so lange von Außen anschauen können wird, bis es einem zu langweilig wird.

Und dann?

Was machen wir dann?

Ist der Glaube daran, dass man als unsterbliche Seele bis in alle Ewigkeit existieren muss, wirklich ein so schöner Gedanke?

Man stelle sich den besten und schönsten Ort vor, den man sich nur wünschen kann, einen Ort, der gerne auch so utopisch gut ist, dass ihn nie eine Realität ereilen würde, wenn es sein muss auch mit Widersprüchen in sich. Man stelle sich all die großartigen Dinge vor, die man sich dort tagein tagaus vorzunehmen gedenkt.

Jetzt stelle man sich vor, an diesem Ort 100 Tage zu verweilen. Das sind ca. 3 Monate. Die Unendlichkeit ist länger.

Jetzt stelle man sich vor, dort 100 Jahre zu bleiben. Das ist quasi ein ganzes Leben lang. Die Unendlichkeit ist noch ein ganzes Stück länger.

Man stelle sich nun vor, dort 100 Millionen Jahre eingesperrt zu sein. Das ist länger als der T-Rex auf der Erde herumgelaufen ist. Geht‘s noch?

Wie sieht es mit 4 Milliarden Jahren aus, der Lebzeit der Erde. Vierzehn Milliarden Jahre, dem bisherigen Alter des Universums abgeleitet von der oben erwähnten Beobachtung Hubbles. 92 Mrd. Jahre, dem Durchmesser des für uns aktuell sichtbaren Universums in Lichtjahren. So viele Mai-Tais kann man gar nicht schlürfen, um das auszuhalten.

Die Vorstellung, der Wunschglaube an eine unsterbliche Seele ist - hoffentlich - nichts weiter als ein nicht zu Ende gedachter Rettungswunsch vor der Angst vor dem Tod. Doch in Anbetracht der Alternative stellt man sich zwangsweise die Frage, ob diese ewige Errettung tatsächlich so viel besser ist als das eher kurzfristige Ableben, selbst wenn danach wirklich nichts ist.

Oder vielleicht ist ja alles tatsächlich nur ein Hologramm, eine computergenerierte Simulation, in der wir als Programme umherirren, um eine höhere Adminstrator-Macht zu belustigen, welcher unseren Prozess einfach beendet, wenn wir ihn zu langweilen beginnen. Doch auch dieser Gedanke, diese kleine Flucht beantwortet die Frage nicht, löst das Problem der möglicherweise ewigen Existenz und damit der maximalen Langeweile nicht, denn auch der Administrator unserer Realität wird zwangsweise vor genau dem gleichen Problem stehen, wird sich in einer, in seiner eigenen Ewigkeitsschleife irgendwann zu einem herbeizuwünschenden Tod langweilen.

Unsterblichkeit oder baldiger Tod? Offenbar ist Letzteres doch die positiver erscheinende Wahl.